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Die globale Konjunkturschwäche dämpft auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Chinas Industrie scheint in einer Rezession. Viele Emerging- und Entwicklungsländer leiden unter dem Verfall der Öl- und anderer Rohstoffpreise, nachdem ihre daraus erzielten Einnahmen einbrachen. Und auch in den USA deutet vieles auf ein Nachlassen der konjunkturellen Dynamik hin, dort insbesondere im Industriebereich. Die Erholung in der Eurozone kommt nicht richtig in Schwung, zudem ist sie angesichts der ungünstigen globalen Rahmenbedingungen recht fragil. Der Wiederanstieg des Euro-Wechselkurses spiegelt zwar eine gewisse relative Stärke der Konjunktur in der Eurozone gegenüber anderen Regionen der Welt wider, er dämpft aber auch die zuvor gewonnene preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer. Gleichzeitig sind Fiskal- und Geldpolitik angesichts der hohen Verschuldung vieler Staaten und der Niedrigzinspolitik wichtiger Zentralbanken an ihre Grenzen gelangt.

Die deutsche Konjunktur hat bereits im Jahresverlauf 2015 trotz recht günstiger binnenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen deutlich an Dynamik verloren; das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) hat sich seit dem Winterhalbjahr 2014/2015 kalender- und saisonbereinigt auf Jahresrate hochgerechnet von rund 2% nahezu halbiert. Diese Tendenz hat zu Beginn dieses Jahres angehalten. Zwar lief die Binnenkonjunktur weiter recht gut, denn der Staat und die privaten Haushalte weiteten ihre Konsumausgaben wegen des anhaltenden Flüchtlingszustroms bzw. der deutlich steigenden Realeinkommen weiter merklich aus. Die globalen Unsicherheiten schlugen sich aber bereits in zurückhaltenderen Investitionsentscheidungen nieder. Vor allem von außenwirtschaftlicher Seite nahmen die bremsenden Einflüsse zu. Die Nachfrage aus dem Ausland hat merklich nachgelassen, die Exporte sind seit Mitte vergangenen Jahres rückläufig. Die Importe haben zwar seit Herbst ebenfalls nicht mehr zugenommen, sich aber doch besser als die Exporte entwickelt. Der Wachstumsimpuls durch den Außenhandel war damit negativ.

Die Beschäftigung hat trotz der Konjunkturabflachung weiter zugenommen. Die Zahl der Erwerbstätigen war im Schlussquartal 2015 mit 43,4 Mio. um 1% höher als ein Jahr zuvor. Dieser Anstieg fand vor allem im Dienstleistungsbereich statt, während er im Produzierenden Gewerbe nur gering war. Die Zahl der Selbständigen war weiter rückläufig; das dürften aber Nachwirkungen der vor Jahren zu Zeiten höherer Arbeitslosigkeit aufgelegten Programme zur Förderung der Selbständigkeit sein. Hier dürften, ebenso wie bei den geringfügig entlohnten Beschäftigten, viele angesichts der verbesserten Arbeitsmarktsituation wieder in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zurückgekehrt sein. Die Entwicklung der Verbraucherpreise insgesamt liegt nach wie vor weit unter dem „Stabilitätspfad“ von 2%. 2015 betrug die Inflationsrate durchschnittlich 0,3%, im Februar 2016 0,0%. Allerdings beruht diese Entwicklung vor allem auf außergewöhnlich gesunkenen Öl- und anderen Rohstoffpreisen, also externen Faktoren. Davon weniger beeinflusste Preise, wie für Nahrungsmittel, Mieten und verschiedene Dienstleistungen liegen durchaus in einem „stabilitätskonformeren“ Bereich. Derartige externe preisdämpfende Einflüsse sind grundsätzlich hinzunehmen. Inflationäre geldpolitische Maßnahmen würden bei Wegfall oder gar Umkehr der externen Faktoren die Gefahr in sich bergen, dann tatsächlich inflationär zu wirken.

In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich die globale Konjunktur weiter eingetrübt. In China und auch in den USA hat sich die Lage in der Industrie so weit verschlechtert, dass hier von Rezession die Rede ist; lediglich die Dienstleistungsbereiche sorgen für ein gesamtwirtschaftliches Wachstum. Die Weltwirtschaft dürfte zunächst eine Schwächephase durchmachen, auch wenn die Industrieländer von den niedrigen Ölpreisen insgesamt profitieren. Davon bleibt die exportabhängige deutsche Wirtschaft nicht unberührt, obwohl die Binnenkonjunktur weiterhin durch den staatlichen und den privaten Konsum gestützt wird. Der anhaltende Flüchtlingszustrom erfordert entsprechend hohe zusätzliche Staatsausgaben. Und die stabile Arbeitsmarktentwicklung bei gleichzeitig deutlichem Realeinkommensanstieg stützt den privaten Konsum. Allerdings warten die Unternehmen bei ihren Investitionsvorhaben zunächst einmal eine Trendumkehr der Weltkonjunktur ab. Die Aussichten für die Weltwirtschaft bergen vielfältige Unsicherheiten, sind bei Ausbleiben neuer externer Schocks aber als gedämpft positiv einzuschätzen. China und die USA sind bestrebt, ihre Konjunktur in Gang zu halten. Das Überangebot auf dem Weltölmarkt sollte bald begrenzt werden, sei es aufgrund konkreterer Absprachen wichtiger Ölförderländer als bisher, sei es aufgrund kostenbedingter Produktionseinschränkungen, insbesondere bei den Fracking-Firmen. Dies alles dürfte auch die Weltwirtschaft stabilisieren.

Mit einer Wiederbelebung der Auslandsnachfrage sollte dann die Konjunktur in Deutschland im späteren Verlauf des Jahres wieder an Schwung gewinnen. Unter diesen Bedingungen ist für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr mit einem Wachstum von 1¼% zu rechnen. Bei Fortsetzung der Aufwärtsbewegung wäre wegen des geringeren Überhangs Ende 2016 im Vergleich zu 2015 trotzdem nur mit einer ähnlich hohen Wachstumsrate wie in diesem Jahr zu rechnen (vgl. Tabelle 1 und Abbildung 1). Wichtigste Wachstumsstütze in Deutschland bleibt dabei die Binnenwirtschaft. Für Deutschland wirken der Ölpreisverfall und der Flüchtlingszustrom wie Konjunkturprogramme. Der private und der staatliche Konsum werden weiter deutlich ausgeweitet. Sobald die Weltwirtschaft sich wieder festigt, wird sich auch bei den Unternehmen die Investitionsunsicherheit mindern. Und die Exporte werden dann wieder zunehmen, wenn auch wegen der Festigung des Eurokurses in letzter Zeit eher gedämpft. Der Außenhandelsüberschuss dürfte bei gleichzeitig deutlich steigenden Importen allerdings zunächst nicht höher ausfallen; erst im nächsten Jahr gehen dann davon wieder positive Wachstumsimpulse aus.

Abbildung 1
Preisbereinigtes BIP in Deutschland
Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima
31056.png

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala. 2Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2016: Prognose des HWWI.

Tabelle 1
Eckdaten für Deutschland
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2014 2015 2016 2017
Bruttoinlandsprodukt1 1,6 1,7 1,3 1,3
Private Konsumausgaben 0,9 1,9 1,6 1,4
Staatliche Konsumausgaben 1,7 2,4 2,0 1,2
Anlageinvestitionen 3,5 2,2 1,7 1,7
Ausrüstungen 4,5 4,8 2,2 3,0
Bauten 2,9 0,3 1,3 0,6
Sonstige Anlagen 3,1 2,7 2,0 2,1
Inlandsnachfrage 1,3 1,6 1,6 1,3
Ausfuhr 4,0 5,4 1,5 4,2
Einfuhr 3,7 5,8 2,4 4,8
Arbeitsmarkt
Erwerbstätige 0,9 0,8 0,8 0,2
Arbeitslose (in Mio.) 2,90 2,79 2,76 2,90
Arbeitslosenquote2 (in %) 6,4 6,1 6,0 6,3
Verbraucherpreise 0,9 0,3 0,4 1,6
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP) 0,3 0,6 0,1 0,1
Leistungsbilanzsaldo3(in % des BIP) 7,3 8,2 8,0 8,0

1 Preisbereinigt. 2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). 3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; ab 2015: Prognose des HWWI.

Der Preisauftrieb dürfte vorläufig gering bleiben. Die Festigung des Euro dämpft die Importpreise. Die Ölpreise werden erst im späteren Jahresverlauf anziehen. Die erwartete Erhöhung der Inflationsrate im Laufe dieses und des nächsten Jahres auf ½% bzw. 1½% bewegt sich in dem stabilitätspolitisch gewünschten Rahmen. Die Lage am Arbeitsmarkt sollte im Prognosezeitraum stabil bleiben. Allerdings dürfte sich die Zunahme der Erwerbstätigenzahl verlangsamen. Gleichzeitig bewirken die Nettozuwanderung und die erhöhte Erwerbsbeteiligung, dass sich das Erwerbspersonenpotenzial vergrößert. Das wird nach langer Zeit wieder zu einem Anstieg der Zahl der Arbeitslosen führen. In diesem Jahr dürfte sie im Durchschnitt wegen der guten Ausgangslage zwar noch nicht höher als 2015 (2,79 Mio. Personen) sein, bis Ende nächsten Jahres dürfte sie aber auf knapp 3 Mio. Personen zunehmen. Die Arbeitslosenquote wird bei dieser Entwicklung weiterhin über 6% liegen.

Die Risiken für diese Prognose sind umfangreich – sowohl von geopolitischer wie von weltwirtschaftlicher Seite. Die größten ökonomischen Risiken liegen in der weiteren Wirtschaftsentwicklung in China – abhängig davon, ob es dort der Regierung gelingt, den Transformationsprozess ohne zu starke Friktionen zu bewältigen. Nur bei Stabilisierung des Wirtschaftswachstums in China wird auch eine Stabilisierung der Öl- und anderer Rohstoffpreise eintreten. Der Preisverfall auf den Rohstoffmärkten stellt viele der Rohstoffförderländer vor finanzielle Probleme. Diese überkompensieren mehr und mehr die konjunkturellen positiven Effekte in den Industrieländern. Überdies würde bei Anhalten des Preisverfalls an den Rohstoffmärkten eine weltweite Deflationsspirale drohen.


DOI: 10.1007/s10273-016-1961-9

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