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Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wurde in Öffentlichkeit und Wissenschaft zum Teil sehr plakativ diskutiert. Die Autoren erweitern die Debatte über die Folgen von TTIP für Wachstum, Beschäftigung sowie die Auswirkungen auf Umwelt- und Verbraucherschutz um die Perspektive der evolutorischen Innovationsökonomik. Obwohl noch nicht alle Ausgestaltungsmerkmale feststehen, ist absehbar, dass TTIP die Möglichkeiten und Freiheitsgrade einer künftigen Technologie- und Innovationspolitik stark einschränkt.

Mit der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll eine neue Ära in der globalen Handelspolitik eingeleitet werden: Nach jahrelangen ergebnislosen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) zur Intensivierung des Welthandels wollen nun die USA und die EU ein bilaterales Handelsabkommen abschließen. Damit soll der Freihandel in der Welt zwar nicht multilateral, aber innerhalb der beiden derzeit größten Wirtschaftsblöcke intensiviert werden. Neben der Abschaffung von Zöllen stehen auch nichttarifäre Handelshemmnisse, wie unterschiedliche regulatorische Standards, im Zentrum. Regulierung als „hartes“ Policy-Instrument hat einen bedeutsamen Einfluss auf wirtschaftliches Handeln auch im Bereich der Innovationsökonomie – sei es durch die Schutzrechte geistigen Eigentums auf der Ebene des nationalen Innovationssystems oder durch konkrete technologiespezifische Richtungsentscheidungen.1

Die EU-Kommission sowie die Bundesregierung versuchten, mögliche Wohlfahrtseffekte durch TTIP in Form von mehr Wachstum und Beschäftigung mit makroökonometrische Studien zu schätzen. Während eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie2 einen langfristigen Effekt bis 2027 von 0,48% auf das BIP (und damit einen Wachstumseffekt von weniger als 0,05 Prozentpunkten pro Jahr) im Vergleich zu einem Szenario ohne Freihandelsabkommen prognostiziert, kommen zwei Studien des ifo-Instituts3 auf einen Wachstumsbeitrag durch TTIP in Höhe von 1,7 bzw. 2,2 Prozentpunkten in einem Anpassungszeitraum von zehn bis 20 Jahren. Auf 15 Jahre verteilt liegt damit der jährliche Wachstumseffekt bei etwa 0,1 Prozentpunkten. Die gemessenen Wachstumseffekte sind damit bestenfalls gering und zum Teil kleiner als der statistische Fehler von Konjunkturprognosen. Ähnliche Vorsicht gilt auch für die Beschäftigungseffekte. Der Autor der Studien des ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, betont selbst, dass sie zwar in allen Szenarien nicht-negative Beschäftigungseffekte aufzeigen, aber diese auch im optimistischsten Szenario nur gering sein werden.4

Allerdings sollten bei der Analyse der Wachstumseffekte durch TTIP auch die innovationsökonomischen Folgen mitdiskutiert werden, weil der technologische Fortschritt den Haupttreiber für ökonomisches Wachstum darstellt.5 Auch wenn Einzelheiten und künftige Verhandlungsergebnisse des TTIP-Prozesses noch unbekannt sind, möchte der vorliegende Beitrag die Debatte über die Vorzüge und Defizite von TTIP um die Perspektive der evolutorischen Innovationsökonomik erweitern. Denn unter der Annahme bestimmter Ausgestaltungsmerkmale hat TTIP große Auswirkungen, weil es die Möglichkeiten und Freiheitsgrade einer künftigen Technologie- und Innovationspolitik beeinflusst und damit die Zukunftsfähigkeit der Ökonomien Deutschlands, Europas und der USA gleichermaßen betrifft.

Evolutorische Innovationsökonomik

Die evolutorische Innovationsökonomik basiert auf den Ideen von Joseph Alois Schumpeter, der betonte, dass „wir uns bei der Behandlung des Kapitalismus mit einem Entwicklungsprozess befassen“6 und er „von Natur aus eine Form oder Methode der ökonomischen Veränderung“7 ist, die nie stationär sein kann. Zwei wichtige Kernelemente der evolutorischen Innovationsökonomik gehen auf ihn zurück: Zum einen bezieht er sich auf Innovationen, durch die der kapitalistische Entwicklungsprozess mittels „schöpferischer Zerstörung“ neue Wachstumszyklen auslöst. Zum anderen geht er auf die Dynamik des Kapitalismus ein, die seiner Auffassung nach nie in einem Gleichgewicht enden kann. In Schumpeters „schöpferischer Zerstörung“ stellen Innovationen den Kern dieses Veränderungsprozesses dar. Wenn neue Produkte oder Prozesse sich gegen etablierte Strukturen durchsetzen, wird technologischer Fortschritt und damit auch neues ökonomisches Wachstum jenseits des pareto-optimalen Gleichgewichtszustandes generiert.8

Innovationen kennzeichnen die zeitliche, dynamische Perspektive. Schumpeter sieht dabei eine Analogie zwischen dem kapitalistischen Veränderungsprozess von Volkswirtschaften und der Evolutionsbiologie, bei der sich Lebewesen ebenfalls in einem ständigen Entwicklungs- und Anpassungsprozess gegenüber ihrer Umwelt befinden. Die evolutorische Innovationsökonomie greift diesen Gedanken auf. So hat Giovanni Dosi9 wirtschaftliches Handeln als experimentellen Suchprozess beschrieben, bei dem verschiedene technologische Pfade („Trajektorien“) zur Lösung eines sozio-ökonomischen Problems möglich sind. In Anlehnung an die Logik wissenschaftlicher Revolutionen von Thomas Kuhn beschreibt Dosi unterschiedliche technologische Lösungsmuster als „Trajektorien“, als mögliche Entwicklungspfade, auf denen aufbauend weitere technologische Neuerungen stattfinden können. Während inkrementelle und radikale Innovationen entlang eines Pfades technologische Lösungsmuster verbessern und weiterentwickeln, stellt die Durchsetzung von disruptiven Innovationen die „schöpferische Zerstörung“ einer bestehenden zugunsten einer neuen, vermeintlich besseren technologischen Trajektorie dar.10

Allerdings sind die Prozesse der Entwicklung und Durchsetzung von Innovationen mit großer Unsicherheit verbunden. Denn weder kann vorhergesagt werden, welche technologischen Möglichkeiten sich betrieblichen oder politischen Entscheidungsträgern offenbaren werden noch sind die Wahrscheinlichkeiten dafür feststellbar, mit denen eine technologische Option ein bestimmtes Problem zufriedenstellend lösen kann.11 Aus diesem Grunde werden in der evolutorischen Innovationsökonomik die Handlungs- und Entscheidungsmuster für oder gegen bestimmte Technologien als Such- und Selektionsprozesse gesehen, die durch „Trial and Error“-Verfahren eine akzeptable Problemlösung erreichen.12 Diese Prozesse weisen eine akteursbezogene, individuelle Historizität auf,13 die dazu führt, dass Unternehmen, Industriezweige und nationale Ökonomien diese Prozesse unterschiedlich durchführen. Ein weiterer Unterschied besteht somit darin, dass die evolutorische Innovationsökonomik nicht von einem repräsentativen Agenten ausgeht, sondern bewusst auf die Heterogenität der Akteure und die Historizität von Prozessen hinweist.

In der Theoriebildung der evolutorischen Innovationsökonomik wird dies z.B. durch den Innovationssystemansatz deutlich. Im Innovationssystem übernehmen die öffentlichen Forschungseinrichtungen sowie die Universitäten die Generierung neuen Wissens insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung, die staatlich in Form eines öffentlichen Gutes bereitgestellt wird. Die forschenden und innovierenden Unternehmen entwickeln dieses neue Wissen durch eigens betriebene Forschung und Entwicklung zu marktfähigen Innovationen weiter. Die Analyse dieser und weiterer Akteure, Strukturen und Beziehungen von Innovationssystemen wurde von Christopher Freeman14 eingeführt, um insbesondere die unterschiedliche Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften mit ähnlich hohen Innovationsausgaben zu erklären. Sie sind als Systeme zur Lösung ökonomischer oder gesellschaftlicher Probleme anzusehen, die reflexiv und in Abhängigkeit voneinander funktionieren.15

Folgen technologischer Pfadabhängigkeit

Das Innovationssystem einer Volkswirtschaft betreibt also die Such- und Selektionsprozesse zur Findung und Durchsetzung neuer technologischer Lösungen. Dabei spielen einerseits Marktprozesse, insbesondere Preise und Qualität, eine wichtige Rolle. Andererseits beeinflussen auch soziale Präferenzen, z.B. in Form der regulatorischen Rahmenbedingungen, die Selektion des dominanten Designs. Entsteht ein dominantes Design, so spricht man von einem Lock-in in eine bestimmte technologische Trajektorie. Der Vorteil des Lock-in besteht darin, dass nun ausgehend von diesem Pfad weitere technologische Entwicklungen vorgenommen werden können, durch die sich erst Spezialisierung und Skaleneffekte ergeben. Ein Nachteil besteht jedoch darin, dass sich die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen an einen technologischen Pfad anpassen werden und deswegen das Verlassen eines bestehenden Pfades mit hohen ökonomischen Kosten verbunden ist.16 Außerdem gehen die Effizienzgewinne durch den Lock-in in einen bestimmten technologischen Pfad oft zwangsläufig mit einem Verlust an Flexibilität zur Anpassung an eine andere Trajektorie einher. Es besteht also ein Trade-off zwischen Spezialisierung und Flexibilität, den Unternehmen und Volkwirtschaften im Verlauf eines Innovationsprozesses berücksichtigen müssen.

Die Pfadabhängigkeit einer Ökonomie kann so weit gehen, dass sich eine andere technologisch überlegene Trajektorie nicht durchsetzen kann.17 Im Wettbewerb zwischen alten und neuen Technologien können unterschiedliche Faktoren im techno-ökonomischen und im politischen System existieren, die die Existenz der alten technologischen Trajektorie stabilisieren und die Durchsetzung disruptiver Innovationen verhindern, auch wenn diese vorteilhafter wären.

Kosteneinsparungen durch Größeneffekte bei der Massenfertigung können z.B. erst nach Etablierung einer Technologie erzielt werden, wohingegen neue Produkte zunächst nicht in großen, effizienten Mengen produziert werden können. Außerdem profitieren etablierte Technologien von den Lerneffekten, die durch inkrementelle und radikale Innovationen entlang der etablierten Trajektorie bereits generiert worden sind. Innovationsprozesse, die auf die Substituierung einer bestehenden Technologie abzielen, führen ferner zu versunkenen Kosten durch die „schöpferische Zerstörung“. Denn potenzielle Innovatoren haben einen Anreiz, Innovationsprozesse aufzuschieben, bis die bestehenden Strukturen ausreichend genutzt bzw. abgeschrieben worden sind. Des Weiteren kann eine Trajektorie mit Netzwerk­effekten einhergehen, d.h., dass der Grenznutzen eines Netzwerks mit zunehmender Nutzerzahl steigt.18 Auch die Marktstruktur beeinflusst die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung von Innovationen. Insbesondere in Märkten, die durch Oligopole oder regulierte natürliche Monopole geprägt sind, wird ein Markteintritt der potenziell innovierenden Konkurrenz behindert. Ein weiteres Innovationshemmnis besteht im erhöhten Risiko, das die Einführung
einer Innovation im Vergleich zum Festhalten an einer bestehenden Trajektorie mit sich bringt. So besteht Unsicherheit darüber, ob eine Trajektorie im Vergleich zu anderen höhere Weiterentwicklungs- und Kostensenkungspotenziale aufweist. Schließlich müssen die Konsumenten von den Vorteilen der Innovation überzeugt werden, damit eine ausreichende Nachfrage nach einer Innovation entstehen kann.19

Über technologische Pfade entscheidet auch der Staat

Neben der Struktur des techno-ökonomischen Systems beeinflusst auch das politische System den Wettbewerb zwischen alten und neuen Technologien. Indem der Staat sich für bestimmte regulatorische Maßnahmen entscheidet oder auch nicht entscheidet, übt er aus Sicht der evolutorischen Innovationsökonomik Einfluss darauf aus, welche technologische Trajektorie sich im sozio-ökonomischen System durchsetzt.20 Das Verständnis dafür, dass der Staat mit seiner Regulierung zwangsläufig technologische Entscheidungsmuster für oder gegen eine Trajektorie prägt, steht im Gegensatz zur ordnungspolitischen Perspektive, in der der Staat nicht versuchen darf, „die Strukturen der Wirtschaft in eine bestimmte Richtung zu lenken“21, sondern allein der freie Wettbewerb darüber entscheiden solle, welche Trajektorie sich etabliert. Normen und Institutionen, die Produkte standardisieren und damit statische Effizienz beim Wettbewerb zwischen diesen homogenen Gütern ermöglichen, üben zugleich Einfluss darauf aus, welche Technologien sich am Markt durchsetzen. Vielfach kann eine neue Trajektorie nicht angesteuert werden, wenn es keine Re-Regulierung gibt. Dies gilt insbesondere in netzbasierten oder von Standards abhängigen und daher regulierten Sektoren wie der Telekommunikations- oder der Energiebranche. Regulatorische Maßnahmen haben auf diese Weise nicht nur eine wettbewerbspolitische, sondern auch eine innovationspolitische Funktion.22

Für das betriebliche Innovationsmanagement genauso wie für die Innovationspolitik stellt sich allerdings die Frage, welche neuen technologischen Pfade betreten werden sollten und wann dies optimal bewerkstelligt werden kann. Dynamische Effizienz meint hierbei die Fähigkeit von Unternehmen, Sektoren oder ganzen Volkswirtschaften, ihre Produktionsweise stets in profitablere Richtungen abzuändern.23 Die dynamische Effizienz zielt damit nicht nur auf die Generierung neuer Innovationen ausgehend vom etablierten Entwicklungspfad ab, sondern bezieht auch die Entscheidung für oder gegen das Verlassen eines Pfades mit ein. Verharrt die Volkswirtschaft auf einem bestehenden Pfad, sollte genügend Flexibilität für einen zukünftigen Pfadwechsel gesichert sein, insbesondere wenn die Überlegenheit eines neuen technologischen Pfades noch nicht vollständig erwiesen ist. Effizienzgewinne durch neue Technologien werden allerdings nur durch einen Wechsel in die neue Trajektorie realisiert, die dann ebenfalls nicht mehr so schnell verlassen werden kann. Dabei ist zu beachten, dass disruptive Wandlungsprozesse oft entgegen dem Pareto-Optimum verlaufen, da es stets auch Verlierer bei der Auswahl und Etablierung von technologischen Trajektorien gibt.

Um dynamische Effizienz auf volkswirtschaftlicher Ebene zu erreichen, muss staatliche Regulierung24 so ausgewählt und angepasst werden, dass sie zum richtigen Zeitpunkt neuen, besseren technologischen Trajektorien den Weg ebnet und mögliche Innovationshemmnisse überwindet. Aus diesem Grunde spielt der Staat nicht nur bei der Schaffung neuen Wissens durch Grundlagenforschung als öffentliches Gut mit positiven externen Effekten, sondern auch bei der Überwindung von Innovationshemmnissen für bereits entwickelte alternative Technologien eine wichtige Rolle. Regulatorische Standards zwingen Unternehmen zu einem bestimmten Innovationsverhalten. Sie wirken unmittelbar und stellen daher ein mächtiges Instrument zur technologischen Weiterentwicklung einer Volkswirtschaft dar. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind daher die Grundlage dafür, dass andere innovationspolitische Instrumente im Policy-Mix ihre Wirkung entfalten können. Dazu zählen z.B. die Bereitstellung und Förderung von Grundlagenforschung, die Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung, staatlich geförderte Kredite für innovative Unternehmensgründungen oder nachfrageseitige Subventionen für den Kauf innovativer Produkte. Um dynamische Effizienz zu erreichen, ist es daher wichtig, dass staatliche Innovationspolitik in der Lage ist, disruptive Innovationsprozesse hin zu neuen technologischen Trajektorien zu ermöglichen.25

TTIP kann neue technologische Pfade hemmen

Regulatorische Maßnahmen stellen aus Sicht der evolutorischen Innovationsökonomik somit eine wichtige Voraussetzung dafür dar, dass alternative technologische Trajektorien sich etablieren können. Die Verhandlungspartner von TTIP haben sich zum Ziel gesetzt, regulatorische Rahmenbedingungen dies- und jenseits des Atlantiks anzugleichen sowie Kooperationsmechanismen zu schaffen, die auch in Zukunft eine weitere Harmonisierung von Standards begünstigen. Damit betrifft das Abkommen ein Kerninstrument staatlicher Innovationspolitik, sodass eine Analyse der Wirkungen des Abkommens auf die Fähigkeit der betroffenen Staaten, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, erforderlich ist. Dabei wird auf den bisher veröffentlichten Stand der Verhandlungen Bezug genommen. Erst bei Vorliegen des abschließenden Verhandlungsergebnisses lässt sich TTIP hinreichend beurteilen. Es wird aber von der Kommission zugesichert, dass Regulierung weiterhin möglich sein wird. Wie das aber gelingen soll, ohne dass gleichzeitig eine Welle von Klagen vor Schiedsgerichten eingeleitet wird, bleibt fraglich.

Regulatorische Zusammenarbeit und die Harmonisierung von Standards

Die regulatorische Zusammenarbeit im Rahmen von TTIP setzt sich zum Ziel, Standards auf beiden Seiten so weit wie möglich anzugleichen und betrifft damit alle Wirtschafts- und Lebensbereiche in der EU und den USA. Gemäß den Dokumenten der EU-Kommission soll aber das Recht der nationalen Gesetzgeber, neue regulatorische Gesetze zu erlassen, nicht angetastet werden. Die regulatorische Kooperation soll lediglich den gegenseitigen Informationsfluss aufrechterhalten, insbesondere über die Best Practice in regulatorischen Fragen auf beiden Seiten.26 Allerdings stehen beide formulierten Ziele, die Harmonisierung von Standards sowie die Gewährleistung nationalstaatlicher Souveränität bei der Regulierung, in einem Gegensatz zueinander. Entweder TTIP hält nicht, was es verspricht und wird als Abkommen nur die Bereiche umfassen, bei denen eine Angleichung oder gegenseitige Anerkennung von Standards unproblematisch ist. Oder TTIP wirkt als völkerrechtlicher Vertrag tatsächlich auf die Regulierung ein, indem nationalstaatliche Parlamente nun nicht mehr in einzelnen Bereichen von dem in TTIP gemeinsam beschlossenen Verhandlungsergebnis abweichen können.

Unter der Annahme, dass TTIP als umfassendes Abkommen seinen Ansprüchen gerecht wird, würden in vielen Bereichen Standards entweder angeglichen oder bei Gleichwertigkeit gegenseitig anerkannt werden. Dies wirkt auf zweierlei Weise hemmend auf die Setzung von Standards als innovationspolitisches Instrument. Zum einen wird durch gemeinsame Standards die Möglichkeit ausgehebelt, dass unterschiedliche Staaten unterschiedliche regulatorische und damit technologische Lösungen ausprobieren können und sich nach einer Phase der Heterogenität am Anfang des Innovationsprozesses anschließend die beste Lösung – technologisch wie regulatorisch – durchsetzen kann. Zum anderen wird eine gemeinsame Veränderung der Standards, auf die man sich geeinigt hat, umso schwieriger, weil nun mehr Akteure bei der Standardsetzung beteiligt sind und am konkreten Beispiel von TTIP unterschiedliche regulatorische Traditionen beispielsweise in der Umweltpolitik aufeinandertreffen, die nur schwierig zu vereinbaren sind.27

Auch wenn die EU-Kommission verspricht, dass sich die Standards in Europa oder in den USA grundsätzlich nicht verändern werden, so widerspricht auch dieses Argument dem eigentlichen Ziel von TTIP, nämlich der Harmonisierung der Standards. Hier wird auf das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Standards verwiesen, wodurch Unternehmen auf beiden Seiten nicht mehr zwei, sondern nur noch ein Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen, um im transatlantischen Markt Produkte anzubieten oder Produktionsprozesse einzuführen. Wenn sich jedoch Unternehmen tatsächlich aussuchen können, welche regulatorischen Standards sie auf sich anwenden lassen wollen, so werden stets jene gewählt werden, die weniger strikt und mit geringeren Kosten verbunden sind. Auf diese Weise werden durch TTIP die höheren Standards – ob sie nun in der EU oder in den USA in den jeweiligen Bereichen liegen – automatisch ausgehebelt und verlieren damit ihre zwingende, innovierende Wirkung auf die Unternehmen. Faktisch bedeutet die gegenseitige Anerkennung die Einigung auf die kostengünstigere, weniger strenge und weniger verhaltensändernde Vorschrift, die am wenigsten Anpassung und Innovationen erfordert. Schlussfolgernd würde TTIP – wenn es seinen Ansprüchen bei der Angleichung und Harmonisierung von Standards gerecht werden sollte – sowohl bereits bestehende regulatorische Maßnahmen hemmen, als auch die Einführung neuer Standards auf nationalstaatlicher und auch auf transatlantischer Ebene erschweren.28

Wer kontrolliert gemeinsame Standards?

Mit dem VW-Abgasskandal hat sich noch einmal mehr gezeigt, dass bei der Setzung von Standards zur Förderung technologischer Innovationen eine durchsetzungsfähige Kontrolle vonnöten ist. In der öffentlichen Diskussion über TTIP wird jedoch oft die Kontrolle solcher Standards nicht weiter angesprochen. Schon in der EU ist es nicht einfach, eine effektive Kontrolle der gemeinsamen Standards durchzusetzen, da weiterhin die Behörden der Nationalstaaten die Kontrollen durchführen, die EU aber wiederum die nationalen Behörden kontrolliert. Bei TTIP gibt es jedoch überhaupt keine den Nationalstaaten übergeordnete Instanz, die die Einhaltung der Standards bzw. die Kontrolle nationaler Kontrollbehörden übernimmt.

Da aufgrund von Gewöhnungseffekten die Unternehmen für Genehmigungsverfahren im Normalfall weiterhin die Behörden ihres Nationalstaates konsultieren werden, könnte im Fall besonders schwacher Kontrollen ein Land einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Ländern mit stärkeren Kontrollen erzielen. Die Kontrolle von gemeinsamen Standards kann damit dem Trittbrettfahrerproblem unterliegen, das ohne die Schaffung einer unabhängigen Institution, die auf beiden Seiten des Atlantiks die Einhaltung von Standards kontrolliert, nicht überwunden werden kann.

TTIP als völkerrechtlicher Vertrag

Neben dem Anspruch einer stärkeren Harmonisierung von Standards ist TTIP auch als völkerrechtlicher Vertrag bezüglich seiner Wirkung auf nationale Innovationspolitik dies- und jenseits des Atlantiks zu betrachten. Wie können Staaten von bereits ausverhandelten Standards wieder abweichen, ohne das Vertragswerk als Ganzes infrage zu stellen? Im Europäischen Binnenmarkt wäre es problemlos möglich, über eine Gesetzesinitiative der Kommission und mit einer Mehrheit im Rat und im EU-Parlament Standards wieder abzuändern. Bei TTIP existieren keine supranationalen Organisationen, und Standardveränderungen können nur im vollständigen gegenseitigen Einvernehmen erfolgen. Dies scheint, wenn man die unterschiedlichen regulatorischen Traditionen und Schutzniveaus z.B. im Bereich der Umweltpolitik berücksichtigt, vergleichsweise unwahrscheinlich.

Stattdessen ist eher zu vermuten, dass im Falle unterschiedlicher Auffassungen über künftige regulatorische Fragen keine oder nur sehr geringe Änderungen des bestehenden Rechts beschlossen werden. Dieses Beharren auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner führt dazu, dass substanzielle Änderungen von Standards, die für eine staatlich induzierte „schöpferische Zerstörung“ zum Pfadwechsel notwendig wären, nicht durchsetzbar sind und damit Innovationspolitik neue Wachstumszyklen nur bedingt auslösen kann. Denn würde ein Land versuchen, von dem im TTIP-Vertrag vorgegebenen Regelwerk unilateral abzuweichen, so stünde das Vertragswerk als Ganzes infrage. Das Aufkündigen des TTIP-Vertrages würde jedoch mit so hohen politischen und ökonomischen Kosten verbunden sein, dass die Vertragspartner keine Anreize haben, unilateral von TTIP abzuweichen. Dieses Problem wird auch schon bei der Abstimmung über und der Ratifizierung von TTIP auftreten. Das EU-Parlament wird nur über das Vertragswerk als Ganzes abstimmen dürfen, jedoch nicht über einzelne Gesetzespakete für die jeweiligen Marktsegmente, wie es normalerweise bei der Setzung regulatorischer Standards üblich ist. Auf diese Weise wird das EU-Parlament zu einer Gesamtabwägung zwischen verschiedenen Standards in TTIP genötigt werden und nicht darüber debattieren, wie man für jeden Bereich ein jeweils optimales Verhandlungsergebnis mit den USA hätte erreichen können. Wenn TTIP außerdem als gemischtes Abkommen29 eingestuft werden sollte, werden von dieser Entscheidungsproblematik auch die nationalstaatlichen Parlamente der EU-Mitgliedsländer vor eine ähnliche Entscheidung gestellt werden.

Die zusätzlichen Kosten durch den Investitionsschutz

Im Zentrum der Kritik steht jedoch das im Rahmen von TTIP geplante Investitionsschutzabkommen Investor-State Dispute Settlement (ISDS). Die konkrete Ausgestaltung des Investitionsschutzes ist noch nicht bekannt. Prinzipiell sieht der Investitionsschutz vor, dass die Geber grenzüberschreitender Investitionen in den betroffenen Ländern das Recht bekommen, nicht nur bei Enteignungen, sondern auch im Falle von entgangenen Gewinnen durch politische Eingriffe eine Entschädigung vor einem transnationalen Schiedsgericht per Klage einzufordern.30 Investoren befürworten mit Nachdruck ein Investitionsschutzabkommen, weil es die Unsicherheit über rechtliche und politische Rahmenbedingungen einer Investition verringert. Daher wurden bisher Investitionsschutzabkommen vor allem mit Staaten ausgehandelt, die bezogen auf Eigentumsrechte und Rechtssicherheit Defizite aufweisen und sich durch den Investitionsschutz neue Auslandsinvestitionen für ihre Wirtschaft versprachen.31 Allerdings sind in Deutschland, den USA oder auch Kanada funktionierende Rechtssysteme vorhanden, die eine konsequente Durchsetzung der Eigentumsrechte eigentlich garantieren sollten.

Nach der massiven Kritik an TTIP hat sich die europäische Verhandlungsseite für öffentlich-rechtlich besetzte statt private Schiedsgerichte eingesetzt.32 Allerdings ist es für die innovationspolitische Wirkung des Investitionsschutzes unerheblich, ob die Schiedsgerichte mit privat oder öffentlich-rechtlich besetzten Richtern ausgestattet werden. Auch ein internationaler Handelsgerichtshof folgt dem gleichen Grundprinzip der Investitionsschutzabkommen: Wenn Staaten bereits getätigte, grenzüberschreitende Investitionen und deren Gewinnerwartungen durch eine Politikänderung gefährden, so haben die Investoren das Recht, den angerichteten Schaden bzw. die erwarteten, aber nicht erzielten Gewinne vor einem solchen Schiedsgericht einzuklagen. Eine Veränderung von Standards wie beispielsweise das Verbot der Stromgenerierung durch die nukleare Kernspaltung würde zu Klagen und finanziellen Entschädigungen führen, die aus politischer Sicht zusätzliche Kosten für eine innovationspolitische Maßnahme darstellen und aus diesem Grunde unterlassen werden könnte.33

Als ökonomisches Instrument wirken Investitionsschutzabkommen auf zweierlei Weise. Der erste Wirkungsmechanismus bezieht sich auf die Schaffung vorhersehbarer Rahmenbedingungen für Unternehmen, die insbesondere aus ordnungspolitischer Perspektive eine Kernvoraussetzung für innovative Investitionen durch Unternehmen ist.34 Das zielt insbesondere auf Rechtssicherheit und eine über die Zeit stabile Regulierung ab; Investitionsschutzabkommen garantieren aber keine Gewinne. Sie schützen lediglich ausländische Investoren vor willkürlichen politischen Entscheidungen im Land ihrer Investition.35

Allerdings gibt es abgesehen von Investitionsschutzabkommen noch viele weitere Instrumente, mit denen ausländische Investitionen geschützt werden können. Länder mit einer funktionierenden Marktwirtschaft haben auch im Inland ein durchsetzungsfähiges Eigentumsrecht, das auf dem lokalen Rechtsweg eingeklagt werden kann, so wie es die ortsansässigen Unternehmen auch tun müssten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, sich gegen politisches Risiko zu versichern – ähnlich wie es auch bei Wechselkursschwankungen der Fall ist. Schließlich sind Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten nicht selten auch Gegenstand diplomatischer Verhandlungen, insbesondere weil im Völkerrecht gewohnheitsrechtliche Regelungen existieren. Bis heute werden viele große Fälle nicht durch den Investitionsschutz, sondern diplomatisch gelöst.36

Da aber ein funktionierender Investitionsschutz auch durch nationales Recht garantiert, über den Markt versichert oder sogar diplomatisch gefördert werden kann, stellt sich die Frage, ob ein Investitionsschutzabkommen zwischen rechtsfähigen und diplomatisch befreundeten Staaten wirklich notwendig ist.

Die Notwendigkeit muss insbesondere vor dem Hintergrund des zweiten Wirkungsmechanismus von Investitionsschutzabkommen infrage gestellt werden. Denn die Kehrseite der Garantie stabiler Rahmenbedingungen für Unternehmen ist die Unterminierung des „Right to Regulate“ der Staaten. Daraus leiten sich aus innovationsökonomischer Perspektive zwei gravierende Konsequenzen ab: Eine im öffentlichen Interesse notwendige Regulierung muss wegen der Entschädigungszahlungen durch den Steuerzahler erkauft werden oder sie wird unterlassen.37

Folglich stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Staaten für regulatorische Veränderungen verantwortlich gemacht werden sollten, die die Profitabilität einer Investition einschränken. Die Frage werden die Schiedsgerichte beantworten – ob öffentlich oder privat. Oftmals haben die von Gerichten getroffenen Entscheidungen, auch die der Schiedsgerichte beim Investitionsschutz, Signalwirkung für zukünftige Entscheidungen. Spätere Schiedssprüche beziehen sich auf frühere und auf diese Weise wird ein neues implizites Recht geschaffen, das die konkrete Ausgestaltung der Investorenrechte festlegt. Da es jedoch weder ein bindendes internationales Investitionsschutzrecht noch rechtsetzende Institutionen gibt, die das Investitionsschutzrecht definieren, können die Urteile von internationalen Schiedsgerichten die innerstaatliche Gesetzgebung beeinflussen und sogar geltendes innerstaatliches Recht missachten.38 Der Investitionsschutz birgt daher die Gefahr, dass staatliche Regulierung nicht nur statisch und schwierig veränderbar bleibt, sondern sogar nationale Regulierung für Innovationen durch Urteile im Rahmen des Investitionsschutzes faktisch unwirksam gemacht wird.

Vom transatlantischen Freihandelsabkommen geht daher ein starker Anreiz aus, keine größeren regulatorischen Veränderungen vorzunehmen. Dies bedeutet, staatliche Möglichkeiten zur Induzierung eines technologischen Wandlungsprozesses aufzugeben, der Wachstum fördern, aber auch z.B. Umweltprobleme lösen kann. Aus Sicht der evolutorischen Innovationsökonomik könnte TTIP in der diskutierten Form eine hemmende Wirkung auf die Setzung regulatorischer Standards entfalten und schränkt damit die Möglichkeiten staatlicher Innovationspolitik ein.

Innovationspolitischen Handlungsspielraum auf beiden Seiten des Atlantiks nicht verlieren

Die Ausführungen lassen jedoch nicht grundsätzlich eine Ablehnung von TTIP schlussfolgern. Ein fundiertes Urteil lässt sich erst nach Vorlage der finalen Fassung durch das Abwägen der Vor- und Nachteile finden. Aus unserer Sicht ist den wachstumsorientierten Argumenten, der politischen Debatte um Umwelt- und Verbraucherschutz und den geopolitischen Überlegungen allerdings eine Betrachtung der innovationsökonomischen Folgen von TTIP hinzuzufügen.

Für beide Verhandlungspartner des transatlantischen Freihandelsabkommens besteht die reale Gefahr, dass das innovationspolitische Instrument der Regulierung zur Generierung innovationsbasierten Wirtschaftswachstums nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Um den innovationspolitischen Handlungsspielraum in einem „echten transatlantischen Markt“, wie es im Verhandlungsmandat für die EU-Kommission als Zielvorgabe von TTIP formuliert wird, nicht zu verlieren, bedürfte es der Schaffung einer gesetzgebenden Institution für diesen Markt – analog zum europäischen Binnenmarkt und der damit verbundenen supranationalen Struktur der EU. Denn nur auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass der negativen Integration durch die Abschaffung grenzüberschreitender tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse auch eine positive Integration gegenübersteht,39 die politische Entscheidungen wie die Setzung neuer Standards für die gesamte Zone weiterhin ermöglicht.40

Eine solche institutionelle Struktur – die angesichts der demokratischen Verfasstheit beider Partner nur eine demokratisch legitimierte sein kann – ist allerdings für die transatlantische Freihandelszone nicht vorgesehen, sodass politische Reformen z.B. zur Förderung einer bestimmten technologischen Trajektorie oder eines Pfadwechsels nicht oder nur wesentlich schwieriger umgesetzt werden können.

Wenn nun aber die Nationalstaaten, z.B. im Rahmen eines Freihandelsabkommens, darauf verzichten, der Form und Intensität dieser grenzüberschreitenden Prozesse einen gesetzlichen Rahmen zu geben, dann wird deren Durchsetzungsfähigkeit im Setzen regulatorischer Standards unterminiert. Eine Freihandelszone ohne gemeinsame, politiksetzende Institutionen und Strukturen ist deutlich schwieriger zugunsten von Innovationen zu regulieren und damit in der Entwicklung und Sicherung ihrer Innovationsfähigkeit eingeschränkt.

Die hier skizzierten Auswirkungen von TTIP auf die Innovationsfähigkeiten der Volkswirtschaften müssen mitberücksichtigt werden. Damit die EU von den Vorzügen eines transatlantischen Marktes profitieren kann, ohne innovationspolitischen Handlungsspielraum zu verlieren, sollte TTIP nur in solchen Politikbereichen zu einer regulatorischen Harmonisierung führen, in denen entweder tatsächlich vergleichbare technische Standards bereits vorliegen oder in denen sich die beteiligten Staaten auf eine gemeinsame Innovationsstrategie verständigen können. Wirksame Entscheidungsmechanismen wären angesichts einer unbefristeten Laufzeit ebenfalls ein Lösungsweg, mit dem diese Strategien angesichts neuer, heutzutage nicht vorhersehbarer Entwicklungen angepasst werden können, um auf diese Weise die dynamische Effizienz zu ermöglichen. In solchen Bereichen, in denen unterschiedliche regulatorische Präferenzen oder Innovationsstrategien vorliegen und keine Einigung möglich erscheint, sollte TTIP keine Harmonisierung oder Angleichung der Standards erzwingen, da sonst innovationspolitischer Handlungsspielraum – auf beiden Seiten des Atlantiks wohlgemerkt – verloren geht.

  • 1 Vgl. S. Borrás, C. Edquist: The choice of innovation policy instruments, in: Technological Forecasting & Social Change, 80. Jg. (2013), H. 8, S. 1513-1522.
  • 2 Vgl. J. Francois, M. Manchin, H. Norberg, O. Pindyuk, P. Tomberger: Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment. An Economic Assessment, Centre for Economic Policy Research (CEPR), London 2013.
  • 3 Vgl. G. Felbermayr, M. Larch, L. Flach, E. Yalcin, S. Benz: Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München 2013.
  • 4 Einen genaueren Überblick über die Studienergebnisse und die dahinterliegenden Annahmen bietet S. Stephan: TTIP – Das Märchen vom Wachstums- und Beschäftigungsmotor, in: WISO direkt, Oktober 2014, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2014.
  • 5 Schon Robert Solow, selbst Vordenker neoklassischer Wachstumstheorien, schlussfolgerte dies in einer empirischen Studie 1957, in der er den technischen Fortschritt als Grundlage für 87,5% des Wirtschaftswachstums identifizierte. Vgl. R. Solow: Technical Change and the Aggregate Production Function, in: The Review of Economics and Statistics, 39. Jg. (1957), H. 3, S. 321-320.
  • 6 Vgl. J. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7., erweiterte Aufl., Tübingen, Basel 1942, S. 136.
  • 7 Ebenda.
  • 8 Ebenda, S. 134-142.
  • 9 Vgl. G. Dosi: Technological paradigms and technological trajectories: A suggested interpretation of the determinants and directions of technical change, in: Research Policy, 11. Jg. (1982), H. 3, S. 147-162.
  • 10 Bei Thomas Kuhn ist es das dominante, wissenschaftliche Paradigma und seine Grundannahmen, auf deren Grundlage weitere Theoriebildung und empirische Forschung betrieben werden. Vgl. T. Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions, Chicago 1962.
  • 11 In diesem Zusammenhang spricht Frank Knight von einer fundamentalen Unsicherheit, bei der weder die möglichen Realisierungen einer Zufallsvariable noch deren Wahrscheinlichkeiten bekannt sind. Vgl. F. Knight: Risk, uncertainty and profit, New York 1921, S. 233-235.
  • 12 Vgl. G. Dosi, a.a.O., S. 156-157.
  • 13 Vgl. R. Nelson, S. Winter: An Evolutionary Theory of Economic Change, Cambridge (Massachusetts), London 1982; R. Nelson, ­S. Winter: Evolutionary Theorizing in Economics, in: The Journal of Economic Perspectives, 16. Jg. (2002), H. 2, S. 23-46.
  • 14 Vgl. C. Freeman: Technology, policy, and economic performance: lessons from Japan, London 1987; C. Freeman: The ‘National System of Innovation’ in historical perspective, in: Cambridge Journal of Economics, 19. Jg. (1995), H. 1, S. 5-24.
  • 15 Zur Einführung in den Innovationssystemansatz vgl. z.B. B. Carlsson, S. Jacobsson, M. Holmén, A. Rickne: Innovation systems: analytical and methodological issues, in: Research Policy, 31. Jg. (2002), H. 2, S. 233-245; B. Lundvall: National systems of innovation. An analytical framework, London 1992.
  • 16 Vgl. D. Foray: The dynamic implications of increasing returns: Technological change and path dependent inefficiency, in: International Journal of Industrial Organization, 15. Jg. (1997), H. 6, S. 733-752.
  • 17 Hierbei handelt es sich um eine alternative Begründung für innovationspolitische Maßnahmen. In der evolutorischen Innovationsökonomik wird daher neben dem Markt- auch das Systemversagen als alternatives Begründungsmuster für mögliche Staatseingriffe angeführt. Vgl. hierzu R. K. Woolthuis, M. Lankhuizen, V. Gilsing: A system failure framework for innovation policy design, in: Technovation, 25. Jg. (2005), H. 6, S. 609-619; K. M. Weber, H. Rohracher: Legitimizing research, technology and innovation policies for transformative change, in: Research Policy, 41. Jg. (2012), H. 6, S. 1037-1047.
  • 18 Dies gilt z.B. für soziale Netzwerke wie Facebook. Selbst wenn es für die individuellen Bedürfnisse von Nutzern bessere Alternativen gäbe, so werden die Nutzer sozialer Netzwerke Facebook nicht verlassen, da hier die meisten anderen Nutzer zur Kommunikation angemeldet sind.
  • 19 Zur Vertiefung der Faktoren, die bestehende Trajektorien stabilisieren und damit Innovationsprozesse hemmen, vgl. S. Zundel, G. Erdmann, R. Kemp, J. Nill, C. Sartorius: Conceptual Framework, in: C. Sartorius, S. Zundel (Hrsg.): Time Strategies, Innovation and Environmental Policy, Cheltenham, Northhampton 2005, S. 24-31.
  • 20 Vgl. ebenda, S. 39-41.
  • 21 Vgl. P. Oberender: Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Technologieförderung: Eine ordnungspolitische Analyse, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft, 38. Jg. (1987), H. 2, S. 144.
  • 22 Vgl. S. Borrás, C. Edquist, a.a.O.
  • 23 Vgl. B. Klein: Prices, Wages and Business Cycles: A Dynamic Theory, New York 1984, S. 46-50.
  • 24 Neben der Regulierung schlagen S. Borrás, C. Edquist, a.a.O., S. 1517, noch zwei weitere innovationspolitische Instrumente vor: Während ökonomische Transfers darauf abzielen, innovative Aktivitäten durch finanzielle Anreize an innovierende Unternehmen oder Konsumenten zu induzieren, sollen weiche Instrumente, wie Awareness-Maßnahmen durch Information von Innovationen überzeugen.
  • 25 Wie sehr der Staat als „Entrepreneurial State“ Einfluss auf technologische Wandlungsprozesse nimmt und damit die Grundlagen für neues, innovatives Wachstum schafft, hat Mariana Mazzucato in ihrem gleichnamigen Buch ausführlich beschrieben. Vgl. M. Mazzucato: The Entrepreneurial State. Debunking Public vs. private Sector Myths, London, New York 2013.
  • 26 Vgl. EU-Kommission: Leitlinien für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika, 2014,
    Zf. 7 und 23.
  • 27 Vgl. Umweltbundesamt, a.a.O., S. 4-5.
  • 28 Vgl. dazu auch W. Raza: TTIP – mehr Regulierungs- als Freihandelsabkommen, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 3, S. 168-171.
  • 29 Vgl. F. Schorkopf: Investitionen – Eigentum – Menschenrechte – Gemeinwohl: Zur Vereinbarkeit des Transatlantischen Investitionsschutzes mit Rechtsstaat und Demokratie, in: ifo Schnelldienst, 67. Jg. (2014), H. 2, S. 6-8.
  • 30 Vgl. ebenda, S. 7.
  • 31 Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie: Positionspapier – Schutz europäischer Investitionen im Ausland: Anforderungen an Investitionsabkommen der EU, Berlin 2014.
  • 32 Vgl. http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-07/cecilia-malmstroem-ttip-vorteile/komplettansicht (28.7.2015).
  • 33 Vgl. P. Draper, A. Freytag: TTIP braucht Investitionsschutz, aber keine internationale Schiedsgerichtsbarkeit, in: ifo Schnelldienst, 67. Jg. (2014), H. 12, S. 3-5.
  • 34 Vgl. P. Oberender, a.a.O., S. 138.
  • 35 Vgl. P. Draper, A. Freytag, a.a.O.
  • 36 Vgl. C. Bellak: Das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren im TTIP-Abkommen, in: ifo Schnelldienst, 67. Jg. (2014), H. 12, S. 9-13.
  • 37 Vgl. ebenda, S. 11-12. Rumänien wurde z.B. 2014 erfolgreich auf Schadensersatz für entgangene Gewinne vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt. Zwei rumänische Unternehmer hatten über eine eigens gekaufte schwedische Firma in eine Abfüllanlage für Wasser, Säfte und Limonaden investiert und dafür auch staatliche Subventionen über eine verminderte Mehrwertsteuer erhalten. Als jedoch Rumänien 2007 der EU beitrat, hatte sich das Land auch dem europäischen Beihilferecht angeschlossen, das solche Subventionen als Vorzugsbehandlung streng untersagt. Die Unternehmen verklagten daraufhin den rumänischen Staat, weil sie ursprünglich mit einer wesentlich längeren Laufzeit der Subventionierung gerechnet hatten. Sie bekamen Recht und erhielten 250 Mio. US-$ als Entschädigung. Vgl. P. Pinzler: Ungleiche Gegner, in: Die Zeit vom 14.12.2014, http://www.zeit.de/2014/47/schiedsgerichte-steuerzahler/komplettansicht (20.12.2015).
  • 38 Vgl. L. Johnson, A. Volkov: State Liability for Regulatory Change: How International Investment Rules are Overriding Domestic Law, https://www.iisd.org/itn/2014/01/06/state-liability-for-regulatory-change-how-international-investment-rules-are-overriding-domestic-law/ (20.12.2015).
  • 39 Vgl. F. W. Scharpf: Negative und positive Integration, in: M. Höpner, A. Schäfer (Hrsg.): Die Politische Ökonomie der europäischen Integration, Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Frankfurt, New York 2008, S. 49-88.
  • 40 Der Harvard-Ökonom Dani Rodrik spricht dabei von einem Globalisierungsparadox: Die voranschreitende Globalisierung kann nicht gleichzeitig mit dem Konstrukt der Nationalstaaten und der Demokratie realisiert werden. Normalerweise erfordert die Globalisierung Institutionen jenseits des Nationalstaates, quasi einen Weltstaat, um weltweiten Märkten auch weltweite Regeln zu geben, die eine effiziente Funktionsweise der Märkte gewährleisten. Ein Weltstaat erscheint jedoch unrealistisch, sodass die Nationalstaaten zentrale politische Akteure bleiben, obwohl ökonomische Prozesse mit Regulierungsbedarf jenseits der Nationalstaaten verlaufen. Vgl. D. Rodrik: Das Globalisierungsparadox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft, München 2011.

Title:Does TTIP Jeopardize Economic Sustainability? – An Analysis from the Viewpoint of Evolutionary Economics

Abstract:This article contributes to the discussion on the economic effects of TTIP by focusing on the opportunities for the partici­pating economies of enhancing their innovative capacities. Referring to the insights of Neo-Schumpeterian evolutionary innovation economics the article concludes that according to the currently published documents the legal properties of TTIP can harm the ability of states to adapt their regulatory standards – a main instrument for a dynamic and technology-specific innovation policy. The missing flexibility for the new supranational standards can be a major reason for difficulties in the reform of standards aiming at a “creative disturbance” of market processes by the state in order to stimulate innovative activities and to induce additional growth.


DOI: 10.1007/s10273-016-1983-3

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