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Um CO2-Emissionen zu vermeiden, schreibt der Gesetzgeber in Deutschland häufig direkte, ganz konkrete Eingriffe vor. Im Bereich der energetischen Gebäudesanierung wird im Detail festgelegt, wo und wie eingespart werden soll. Es liegt auf der Hand, dass mit so engen Vorgaben eine effiziente Lösung häufig nicht erzielt werden kann. Der Autor plädiert für ein Umdenken in der deutschen Klimapolitik.

Das Grundproblem negativer externer Effekte ist hinreichend bekannt. Die gesellschaftlichen Kosten von CO2-Emissionen werden von den Verursachern nur unzureichend getragen. Der Ausstoß liegt über der erwünschten effizienten Menge, und es muss geprüft werden, ob der Staat aktiv werden kann, um diese Kosten zu internalisieren. Die Klimapolitik der Bundesregierung hat sich bisher am Idealtypus der Direktintervention orientiert. Im Bereich des Wohngebäudesektors gibt es konkrete Vorgaben, z.B. die Energieeinsparverordnung (EnEV). Auch gibt es finanzielle Förderungen von Effizienzberatungen und Sanierungsmaßnahmen, z.B. vom Bundesamt für Finanzen und Ausfuhrkontrolle (BAFA), oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Es werden Effizienzstandards und deren Berechnungsmethoden festgelegt, die dann zum Teil darüber bestimmen, welche baulichen Methoden eingesetzt werden können und wie hoch die Förderung ausfällt. Der Gesetzgeber entscheidet also im Detail, in welchem Bereich (Gebäude) und wie (BAFA und KfW-Richtlinien) CO2 eingespart werden soll. Dabei ist zu beachten, dass die privaten Haushalte andere Ziele verfolgen als der Staat insgesamt, d.h. die privaten Haushalte wollen Kosten sparen, der Staat CO2.

Aus theoretischer Sicht bestehen im Falle von staatlichen Direktinterventionen zwei ebenfalls bekannte potenzielle Probleme. Erstens: Verfügt der Staat über genügend Informationen, um die Ressourcen effizient zu allozieren? Mit anderen Worten: Wird die vermiedene Menge von CO2 pro verwendetem Euro maximiert? Zweitens: Wird der staatliche Such- und Entscheidungsprozess nach der kostengünstigsten Methode der CO2-Reduzierung von eigennützigen Interessengruppen beeinflusst?

Im Falle von Direktinterventionen werden die staatlichen Allokationsentscheidungen außerhalb des Marktrahmens getroffen. Die Entscheidung für eine bestimmte Förderstrategie basiert zunächst immer auf Kostenschätzungen von Experten, die im Idealfall angepasst werden, sobald die Förderprogramme und Richtlinien evaluiert worden sind. Hier stellt sich die Frage, ob die Kosten einer Subvention von Brennstoffzellenheizungen oder einer BAFA-vor-Ort-Beratung, wenn sie anders verwendet worden wären, nicht einen größeren CO2-Einspareffekt ausgelöst hätten. Im Falle einer indirekten Intervention, wie der Besteuerung von fossilen CO2-Brennstoffen, sind die Marktakteure motiviert, selbständig nach den kostengünstigsten Lösungen zu suchen. Es wird nicht a priori festgelegt, welche Einsparmaßnahmen angewendet werden sollen. Im Gegenteil, kostengünstige Lösungen sollen sich in einen „Trial and Error“-Prozess herausbilden. Die Individuen entscheiden selbst darüber, in welchem Lebensbereich und auf welche Art und Weise sie Einsparungen vornehmen wollen. Bei einer indirekten Intervention ist die Suche nach Einsparpotenzial also sektor- und technologieneutral. Außerdem sind dezentrale Suchprozesse einer kontinuierlichen Kostenprüfung durch eigeninteressierte Akteure unterzogen.

Besonderheiten der direkten Förderung

Weil die staatliche Entscheidung für eine bestimmte Politik von einem Expertengremium getroffen wird, besteht der Verdacht, dass die ausgearbeiteten Richtlinien den lokalen und zeitlichen Besonderheiten einer individuellen Wohnsituation nicht gerecht werden können. Im Gegensatz dazu besitzen die lokalen Akteure die präzisesten Informationen über ihre jeweiligen Wohn- und Lebensumstände. Wenn es also gelingen würde, die Individuen (z.B. durch Steuern) zu motivieren, ihre lokalen Informationen zu nutzen, könnten im Idealfall kostengünstigere Maßnahmen durchgeführt werden, da der Gesetzgeber aufgrund seiner mangelnden kontextgebundenen Information gar nicht in der Lage ist, auf alle Lebens- und Wohnsituationen einzugehen.

Der größte Vorteil einer dezentralen Suche besteht womöglich in der dynamischen Anpassung an technologische Veränderungen. Während der Staat seine Förderrichtlinien und Standards aufgrund von Evaluationsgutachten fortlaufend anpassen müsste, um eine Kostenminimierung zu gewährleisten, ist dies in einem dezentralen Suchprozess nicht notwendig. Es kommt also im Idealfall nicht zu einer ineffizienten Überalterung wie bei zentral festgelegten, direkten Förderrichtlinien.

Kleine Interessengruppen, die bei einer erfolgreichen Lobbyarbeit hohe Gewinne pro Mitglied erzielen können, haben einen starken Anreiz, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Große Interessengruppen, bei denen jedes Mitglied nur minimal von den durch Lobbyarbeit ausgelösten Gesetzesänderungen belastet wird, haben hingegen wenig Anreiz, sich der Lobbyarbeit der kleinen Interessengruppe entgegenzustellen. Rein fiktiv kann sich die Lobbyarbeit z.B. bei einer Förderung bestimmter Heizungsanlagen für deren Hersteller rentieren, während sich die gegen eine solche Förderung gerichtete Zusammenarbeit der besteuerten Bürger für den Einzelnen kaum rentiert. Mancur Olsons klassische wirtschaftspolitische Einsicht der „concentrated benefits and dispersed costs“ legt nahe, dass politische Entscheidungen nicht einem effizienzmaximierenden Diskurs gleichen, sondern eher einem Netzwerk aus Partikularinteressen.1 Aus dieser theoretischen Einsicht folgt die praktische Notwendigkeit einer Effizienzprüfung aller staatlichen Maßnahmen.

Aufgrund der theoretischen Argumente bestehen Zweifel an der Kosteneffizienz staatlicher Direktinterventionen im Hinblick auf die Minderung von CO2-Emissionen. Im Folgenden wird auf das Beispiel der energetischen Gebäudesanierung in Deutschland eingegangen, um diese Zweifel empirisch zu untermauern. Die zur Illustration verwendeten Daten stammen von 37 durchgeführten Experten-Interviews,2 elf Vor-Ort-Beratungsprotokollen, die von der BAFA freundlicherweise bereitgestellt wurden, einem auf Hersteller- und Expertenaussagen aufgestellten Sanierungsmodell3 sowie Ergebnissen aus der Forschungsliteratur.4 Es werden selbst durchgeführte Amortisationsberechnungen und die Ergebnisse von noch nicht veröffentlichten Vermeidungskostenberechnungen präsentiert.5

Qualitative Interviews

Es wurden praktizierende Energieberater und verschiedene Experten aus den Umweltzentren des Handwerks und Vertreter von Fachverbänden befragt, um einen tieferen Einblick in die institutionellen und politischen Rahmenbedingungen zu erhalten und Aussagen verschiedener Interessengruppen gegenüberzustellen und zu validieren. Die Energieberater wurden zum Teil über die DENA-Liste6 der Energieeffizienz-Experten und die Energieberaterliste der Handwerkskammer Hildesheim gesucht und kontaktiert. Die Hauptergebnisse werden hier zusammengefasst.7 Die befragten Energieberater berichteten nahezu übereinstimmend, dass die gegenwärtige Nachfrage nach Energieberatungen sehr gering ist. Diese Information spiegelt sich auch in den Statistiken der BAFA wider. Nach einer kurzfristigen Spitze von ca. 30 000 jährlichen BAFA-Beratungen 2008 und 2009 ließ die Zahl kontinuierlich nach. 2014 und 2015 wurden lediglich ca. 7000 BAFA-Beratungen gezählt.

Die Hausbesitzer sind – laut den Interviews – nicht bereit, mehr für Energieberatungen zu zahlen, als sie an staatlichen Fördermitteln erhalten. Nur in den wenigsten Fällen reiche das zum 1. März 2015 für Einfamilienhäuser auf 800 Euro angehobene Fördervolumen aus, um eine umfassende und qualitativ hochwertige Beratung durchzuführen. Die Rentabilität von umfassenden Vollsanierungen wurde von allen Energieberatern infrage gestellt und als Hauptgrund für die geringe Nachfrage nach umfassenden Energieberatungen genannt. Nur gezielte Teilsanierungen seien wirtschaftlich umsetzbar, weil man hier selektiv nach den gravierendsten energetischen Schwachstellen eines Hauses suchen könne, um diese anschließend zu beseitigen.

Die Experten benannten auch die von der BAFA erstellten Beratungsrichtlinien als Hindernis für erfolgreiche Effizienzberatungen. Hauptsächlich wurde die mangelnde Flexibilität der Richtlinien kritisiert. Die BAFA-Beratung bietet die Möglichkeit zur Erstellung eines Sanierungsfahrplans (SFP). Dieser ist aber immer an einen KfW-Standard gekoppelt und damit nicht flexibel genug, um auf individuelle Kundensituationen einzugehen. Um einen bestimmten KfW-Standard zu erreichen, müssen meist eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt werden, da eine Einzelmaßnahme den Energiebedarf oft nicht ausreichend reduziert. Einige der geforderten BAFA-Maßnahmen seien, laut den Befragten, aber nicht immer wirtschaftlich umsetzbar (z.B. Belüftungsanlagen, Dämmung, in einigen Fällen Photovoltaik), müssten laut Richtlinie in einem SFP aber enthalten sein, um den hohen energetischen KfW-Standard zu erreichen. Das gezielte Heraussuchen von Einzelmaßnahmen ist also nicht möglich. Dies ist, laut den interviewten Energieberatern aber die Herangehensweise, die die Hauseigentümer bevorzugen. Zum einen ist sie häufiger wirtschaftlich umsetzbar, da die marginalen Kosten der CO2-Vermeidung mit zunehmender Zahl von Maßnahmen steigen.8 Zum anderen lässt sich eine Beratung so stärker auf die individuellen Gegebenheiten der Kunden anpassen. Die staatliche Förderung einer Energieberatung, die auf Vollsanierung und eine möglichst hohe CO2-Einsparung abzielt, verfehlt also hier die tatsächlich existierende Nachfrage nach kostengünstigeren Teilsanierungsberatungen.

Einige Befragte gaben an, dass die von der Richtlinie geforderten Maßnahmen mit den Wünschen der Hausbesitzer kollidieren. Wenn z.B. Lüftungsanlagen installiert werden, um Fördergelder zu erhalten, der Hausbesitzer aber nicht beabsichtigt, diese auch zu nutzen, wird der ursprüngliche Zweck der staatlichen Förderung umgangen und die Effektivität der Sanierung gemindert.9 Wenn aber bestimmte außergewöhnliche Effizienzmaßnahmen im Rahmen der Förderrichtlinie nicht umgesetzt werden können, wird das mögliche Einsparpotenzial nicht vollkommen ausgenutzt. Schließlich werden die Hausbesitzer auch von der hohen Komplexität der Förderlandschaft sowie dem bürokratischen Aufwand abgeschreckt. Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass es einen Mismatch zwischen der tatsächlich existierenden Nachfrage nach individuell angepassten Teilsanierungen und den ambitionierten, auf KfW-Effizienzstandard abzielenden Förderrichtlinien gibt. Außerdem lassen sich die „one-size-fits-all“-Beratungs- und Förderrichtlinien oft nicht flexibel genug auf die individuellen Lebens- und Wohnbedingungen anpassen.

Amortisationsberechnungen und Vor-Ort-Beratung

Selbst theoretische Amortisationsberechnungen unter optimistischen Annahmen zeigen, dass sich die energetische Gebäudesanierung unter den gegenwärtigen Förderbedingungen nicht rentabel umsetzen lässt. So lässt sich z.B. nach Angaben von Herstellern und Forschungseinrichtungen für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 185 m2, einer Energiepreissteigerung von jährlich 5% und einer reinen Mehrkostenbetrachtung zeigen, dass die Amortisationsdauer von Fassadendämmungen bei 18 Jahren liegt.10 Diese Zahl muss dabei als Mindestdauer verstanden werden. Unter realistischeren Annahmen wurde eine Amortisationsdauer von 27 Jahren ermittelt.

Und selbst wenn sich die Investition amortisiert, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Maßnahme auch effizient ist. Unter der Annahme einer CO2-Intensität von 0,2 kg pro kWh11 entspricht die berechnete Verringerung der Heizleistung einer CO2-Einsparung von ca. 1,1 t pro Jahr. Bei angenommenen Kosten von 10 000 Euro und einer Lebenszeit von 40 Jahren entstehen Vermeidungskosten von mindestens 225 Euro pro t CO2. Es wurde jedoch gezeigt, dass der berechnete Primärenergiebedarf ca. 30% über dem tatsächlichen liegt (Prebound-Effekte).12 Die erreichte Energieeinsparung wird also oft überschätzt und die tatsächlichen Vermeidungskosten dürften damit bei über 300 Euro pro t CO2 liegen. Dämmmaßnahmen sind damit ein vergleichsweise teures Mittel der CO2-Reduzierung.13

Das BAFA stellte elf anonymisierte Energieberatungsberichte zur Verfügung, die, mit einer Ausnahme, 2015 durchgeführt wurden. Alle analysierten Vor-Ort-Beratungen wurden an älteren bis alten Gebäuden durchgeführt. Das durchschnittliche Baujahr dieser Gebäude ist 1961. Der durchschnittliche Primärenergiebedarf pro Quadratmeter und Jahr beträgt 239,5 kWh. Zum Vergleich: Der Primärenergiebedarf eines durchschnittlichen deutschen Wohngebäudes liegt bei ca. 160 kWh bis 180 kWh. Das KfW-Energieeffizienzhaus 100 (nach EnEV), der Neubaustandard, liegt bei ca. 70 kWh. Nach Durchführung aller im Beratungsbericht vorgeschlagenen Maßnahmen wird ein durchschnittlicher Primärenergiebedarf von 60 kWh bis 70 kWh projiziert. Trotz des hohen Alters der Gebäude und der niedrigen Ausgangseffizienz beträgt die durchschnittliche Amortisationsdauer aller vorgeschlagenen Maßnahmen 27,4 Jahre, liegt also deutlich im unwirtschaftlichen Bereich. Als problematisch erweist sich außerdem die Annahme einer Energiepreissteigerung von 5% oder 6%, die in vier der elf Berichte enthalten ist, da damit die prognostizierte Amortisationsdauer künstlich verringert wird.

Auf Grundlage der durchschnittlichen Gesamtkosten für alle Maßnahmen von 105 000 Euro lassen sich wiederum CO2-Vermeidungskosten berechnen. Hierbei wurde eine durchschnittliche Lebensdauer von 25 Jahren unterstellt, da ein großer Teil der Maßnahmen die Anlagentechnik betrifft und damit eine Lebensdauer von unter 20 Jahren aufweist. Die durchschnittlichen Vermeidungskosten pro vermiedener t CO2 betragen 424 Euro. Berücksichtigt man Prebound-Effekte, liegen die durchschnittlichen Kosten bei 711 Euro pro t. Es ist zu beachten, dass die Energieberatungskosten (ca. 2000 Euro pro Gebäude), sowie die Kosten der zusätzlichen bürokratischen Strukturen (KfW, BAFA etc.) nicht in die Berechnungen eingeflossen sind.

CO2-Vermeidungskosten werden nicht minimiert

Eine vergleichende OECD-Studie von 2013 zeigt, dass direkte Interventionen (Richtlinien, Verbote, Förderprogramme) mit höheren Vermeidungskosten pro t CO2 einhergehen als indirekte Interventionen. Die Förderung von Dämmungsmaßnahmen in Neuseeland, Großbritannien und Chile zählen insgesamt zu den kostspieligsten CO2-Vermeidungsmaßnahmen. Der durchschnittliche Preis pro reduzierter t CO2 liegt zwischen 300 und 1000 Euro.14 Die Evaluation der deutschen Energiewende im Wohngebäudebereich von Sunnikka-Blank und Galvin aus dem Jahr 2013 kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Anhand einer Vielzahl von tatsächlich durchgeführten energetischen Sanierungen nach EnEV-Standard berechnen die Autoren, dass die CO2-Vermeidungskosten zwischen ca. 220 Euro und 500 Euro liegen.15 Die OECD-Studie kommt zu dem Schluss, dass indirekte Interventionen, im Besonderen die Besteuerung von fossilen Brennstoffen, geringere Kosten pro vermiedener t CO2 verursachen. Je nach Land und konkreter Ausgestaltung liegen die Vermeidungspreise zwischen 30 Euro und 200 Euro. Morris et al. berechnen marginale Vermeidungskosten in verschiedenen Ländern und Wirtschaftssektoren.16 Dabei gehen die Autoren davon aus, dass gegenwärtige Projekte bei unter 60 Euro pro t liegen müssen, um gesamtgesellschaftlich effizient zu sein.

Fazit

Staatliche Direktinterventionen in der Klimapolitik haben den Nachteil, dass sie konkrete Bereiche und Methoden der CO2-Vermeidung a priori und relativ abstrakt festlegen müssen. Sie überlassen die Suche nach kosteneffizienten Maßnahmen nicht den lokalen Akteuren, die über kontextuales Wissen verfügen. Stattdessen entstehen Gesetze und Richtlinien notwendigerweise nach dem „one-size-fits-all“-Prinzip. Tatsächlich zeigen qualitative Untersuchungen, dass die gegenwärtigen Beratungs- und Sanierungsrichtlinien im Wohngebäudebereich von Energieberatern, Kunden und anderen beteiligten Akteuren als unflexibel und kostenintensiv angesehen werden.

Die staatliche Suche nach kosteneffizienten Maßnahmen leidet unter einem Mangel an Informationen, da dezentrale Suchprozesse und lokales Wissen nicht berücksichtigt werden. Außerdem besteht in einem politischen Prozess immer die Möglichkeit der Einflussnahme durch Interessengruppen. Die Kosten pro vermiedener t CO2 wurden theoretisch und anhand von BAFA-vor-Ort-Beratungsberichten berechnet und mit der empirischen Literatur verglichen. In allen Fällen liegen die Kosten der direkten Effizienzmaßnahmen im Wohngebäudebereich zwischen 200 Euro und 700 Euro pro vermiedener t CO2. Indirekte Staatseingriffe führen hingegen zu Vermeidungskosten von 30 Euro bis 200 Euro pro t CO2, wobei gegenwärtige Vermeidungspreise unter 60 Euro liegen müssten, um gesamtgesellschaftlich effizient zu sein.

Laut wissenschaftlichen Aussagen stellt die Klimaerwärmung eine globale Herausforderung von hoher Priorität dar. Um potenzielle Bedrohungsszenarien zu entschärfen, ist es notwendig, CO2 effizient zu reduzieren, d.h. die Vermeidungskosten zu minimieren. Das Beispiel der energetischen Gebäudesanierung verdeutlicht, dass direkte staatliche Interventionen (Anordnungen, Förderungen etc.) deutlich kostspieliger sind als indirekte Interventionen (Besteuerung, Zertifikate etc.). Dezentrale Suchprozesse werden im gegenwärtigen Politikrahmen außer Acht gelassen. Die zentral festgelegten Maßnahmen sind zu abstrakt und unflexibel, weil sie kontextgebundene Informationen nicht berücksichtigen können; sie lassen sich also nur schwer auf individuelle Lebensbedingungen anpassen. Eine Diskussion über eine Neuausrichtung der deutschen Klimapolitik ist dringend notwendig.

  • 1 Vgl. M. Olson: The Rise and Decline of Nations: Economic Growth, Stagflation, and Social Rigidities, Yale 1984.
  • 2 Vgl. D. Feser, P. Runst: Energy efficiency consultants as change agents? Examining the reasons for EECs‘ limited success, ifh Working Papers, H. 1, Göttingen 2015.
  • 3 Vgl. U. Kornhardt: Effekte einer steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden, Duderstadt 2014.
  • 4 Vgl. OECD: Effective Carbon Prices, OECD Publishing, 2013; vgl. M. Sunikka-Blank, R. Galvin: A Critical Appraisal of Germany’s Thermal Retrofit Policy: Turning Down the Heat, London 2013.
  • 5 Vgl. U. Kornhardt, a.a.O.
  • 6 Vgl. https://www.energie-effizienz-experten.de.
  • 7 Vgl. D. Feser, P. Runst, a.a.O.
  • 8 Vgl. M. Sunikka-Blank, R. Galvin, a.a.O., S. 126-131.
  • 9 Vgl. D. Feser, P. Runst, a.a.O., S. 13-14.
  • 10 Vgl. U. Kornhardt, a.a.O.
  • 11 Vgl. M. Sunikka-Blank, R. Galvin, a.a.O., S. 98.
  • 12 Vgl. M. Sunikka-Blank, R. Galvin: Introducing the prebound effect: the gap between performance and actual energy consumption, in: Building Research and Information, 40. Jg. (2012), H. 3, S. 260-273.
  • 13 Vgl. J. Adolf, M. Bräuninger: Energiewende im Wohnungssektor – Fakten, Trends und Realisierungsmöglichkeiten, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 3, S. 185-192.
  • 14 Vgl. OECD, a.a.O., S. 81-88, S. 92.
  • 15 Vgl. M. Sunikka-Blank, R. Galvin: A Critical ..., a.a.O., S. 130.
  • 16 Vgl. J. Morris, S. Paltsev, J. Reilly: Marginal abatement costs and marginal welfare costs for Greenhouse gas emissions reductions: results from the EPPA model, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge Report, Nr. 164, 2008.

Title:Rethinking Energetic Retrofit Policy in Germany

Abstract:Direct policy interventions with regard to building energy efficiency are necessarily abstract and therefore not always flexible enough to suit individual living conditions. They disregard local knowledge and cannot benefit from a decentralized search process which would ensue under a taxation scheme. Detailed central decision making is also vulnerable to lobbying by interest groups. The interview results presented here support the high costs and lacking flexibility of current retrofit guidelines. One theoretical as well as three actual retrofit scenarios suggest that the costs of CO2-reduction under the current policy scheme lie between 300 and 1,000 Euro/ton. Indirect policy schemes are associated with abatement costs of 30 to 200 Euros per ton.


DOI: 10.1007/s10273-016-1979-z