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Im Jahr 2015 betrugen die Ausfuhren knapp 50% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland. Damit hat sich ihr Anteil in den vergangenen 20 Jahren in etwa verdoppelt. Mit der immer stärkeren Einbindung in den Welthandel und den damit verbundenen höheren Absatzchancen für deutsche Unternehmen ist die deutsche Konjunktur jedoch auch anfälliger für Schwankungen der Weltwirtschaft geworden. Zudem haben die weltwirtschaftlichen Risiken in den vergangenen Jahren zugenommen. Dies kam beispielsweise durch die Finanzkrise und die Krise des Euroraums zum Ausdruck. Zuletzt tendierten die Schwellenländer zur Schwäche und die Sorgen über die Stabilität erdölexportierender Länder nahmen mit dem Ölpreisverfall der vergangenen Jahre zu. In welchem Ausmaß Schwankungen der Weltwirtschaft über den Außenhandelskanal ein Risiko für die deutsche Konjunktur darstellen, wird auch durch die regionale Zusammensetzung der deutschen Ausfuhren determiniert. Insbesondere spielt dabei eine Rolle, wie stark die deutschen Absatzmärkte regional diversifiziert sind und wie volatil und gleichläufig die Konjunkturverläufe in den deutschen Absatzmärkten sind. Zur Abschätzung des regionalen Risikogehalts der deutschen Ausfuhren lassen sich verschiedene Indikatoren heranziehen.

Der Herfindahl-Index misst die regionale Diversifikation der Ausfuhren, wobei niedrigere Werte mit einer höheren Diversifikation einhergehen. Je höher die regionale Diversifikation, desto geringer ist die Anfälligkeit der Ausfuhren für konjunkturelle Schwankungen oder Einbrüche, die sich auf bestimmte Länder oder Regionen konzentrieren. In den vergangenen 30 Jahren hat die regionale Diversifikation der deutschen Ausfuhren zugenommen (vgl. Abbildung 1). Besonders deutlich ging der Herfindahl-Index Anfang der 1990er Jahre im Zuge der Integration der osteuropäischen Staaten in die Weltwirtschaft zurück. Auch danach war der Index in der Tendenz weiter rückläufig, nicht zuletzt, weil sich der Handel mit vielen osteuropäischen Ländern aufgrund ihres EU-Beitritts nochmals intensivierte. Hinzu kam, dass sich auch die Anteile der Ausfuhren in Schwellenländer, wie Brasilien, China oder Indien, sukzessive erhöhten, während viele fortgeschrittene Volkswirtschaften an Bedeutung verloren. In den vergangenen Jahren kam es nur noch zu vergleichsweise geringen Veränderungen; zu dem jüngst zu verzeichnenden leichten Anstieg haben die eingetrübten Absatzaussichten in vielen asiatischen Volkswirtschaften – nicht zuletzt in China – beigetragen, während die Exportanteile traditionell wichtiger Absatzmärkte, wie der USA und Großbritanniens, wieder etwas zugenommen haben.

Abbildung 1
Herfindahl-Index und Risikoindex für Deutschland, 1980 bis 2015

Quartalsdaten

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Herfindahl-Index (linke Skala): entspricht der Summe der quadrierten Anteile an den deutschen Ausfuhren für die Abnehmerländer. Die Berechnungen basieren auf Quartalsdaten für 43 Länder über den Zeitraum von 1980 bis 2015.

Risikoindex (rechte Skala): setzt sich aus der Varianz des Bruttoinlandsprodukts in den Abnehmerländern sowie den Kovarianzen des Bruttoinlandsprodukts zwischen den Abnehmerländern zusammen, gewichtet mit zeitvariablen Anteilen an den deutschen Ausfuhren. Geringere Werte entsprechen einem geringeren Risikogehalt.

Für die genaue Berechnungsweise, vgl. Sachverständigenrat: Internationale Verflechtung der deutschen Volkswirtschaft und Anfälligkeit gegenüber Schocks, Deutschland im Internationalen Konjunkturzusammenhang, Expertise, 2009, S. 69-71.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Der regionale Risikogehalt bemisst sich jedoch nicht nur an der regionalen Diversifikation, sondern auch an der Schwankungsanfälligkeit der Konjunktur in den Abnehmerländern. Nehmen die Exportanteile solcher Volkswirtschaften zu, die eine sehr hohe Volatilität des Bruttoinlandsprodukts aufweisen, so neigen auch die deutschen Ausfuhren ceteris paribus stärker zu ausgeprägten Schwankungen. Ferner erhöht sich der Risikogehalt der deutschen Ausfuhren, wenn der konjunkturelle Gleichlauf in den Abnehmerländern sehr hoch ist, sodass ein konjunktureller Einbruch in einer Volkswirtschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit auch mit einer Eintrübung der Absatzaussichten in anderen Volkswirtschaften einhergeht. Weisen die Abnehmerländer hingegen sehr unterschiedliche Konjunkturverläufe auf, so verringert sich der Risikogehalt tendenziell, da ein Rückgang der Absatzaussichten in einer Volkswirtschaft durch bessere Absatzaussichten in anderen Volkswirtschaften kompensiert werden kann.

Der sogenannte (regionale) Risikoindex bezieht sowohl die Volatilität des Bruttoinlandsprodukts als auch den konjunkturellen Gleichlauf in den Abnehmerländern ein. Er liefert von daher ein umfassenderes Bild als der Herfindahl-Index. Allerdings hängen die Ergebnisse von dem verwendeten Zeitraum zur Berechnung der Volatilitäten und der konjunkturellen Gleichläufe der Abnehmerländer ab. Der Risikoindex der deutschen Ausfuhren ist seit den 1990er Jahren ebenfalls zurückgegangen. Jedoch wiesen der Herfindahl-Index und der Risikoindex phasenweise auch immer wieder unterschiedliche Verläufe auf. So nahm der Risikoindex zu Beginn der 2000er Jahre stetig zu, während der Herfindahl-Index rückläufig war. Dazu beigetragen hat, dass die zunehmende regionale Diversifikation der Ausfuhren in diesem Zeitraum in Länder erfolgte, deren Konjunktur im Vergleich zu den traditionellen Abnehmerländern tendenziell eine höhere Schwankungsanfälligkeit aufweist (z.B. osteuropäische Länder, BRIC-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China). Während der Finanzkrise ging hingegen der Risikoindex deutlich zurück, während der Herfindahl-Index nahezu unverändert blieb. Hier dürften die rückläufigen Handelsanteile von Ländern, die einen hohen Anteil an den deutschen Ausfuhren aufweisen und die gleichzeitig einen sehr hohen konjunkturellen Gleichlauf mit zahlreichen anderen Ländern aufweisen, eine wichtige Rolle gespielt haben. So ging der Exportanteil der USA, deren Konjunktur typischerweise einen hohen Einfluss auf die Weltkonjunktur hat, 2009 deutlich zurück. Auch der Anteil Russlands, dessen Konjunktur einen sehr hohen Gleichlauf mit der Konjunktur in anderen osteuropäischen Staaten aufweist, war rückläufig.

Um die Veränderungen der regionalen Struktur der deutschen Ausfuhren beurteilen zu können, ist neben dem Risikogehalt auch maßgeblich, wie sich die Absatzaussichten für die deutschen Exporteure verändert haben. Ist der Rückgang des Risikogehalts der deutschen Ausfuhren zulasten der Absatzaussichten gegangen, so ist unklar, wie die Veränderung zu beurteilen ist. So können einerseits große Schwankungen der Exporte (und der Konjunktur) mit Kosten verbunden sein, andererseits dürften die Exporte bei besseren Absatzaussichten in den Abnehmerländern langfristig stärker zunehmen.1

Abbildung 2
Risikoindex und Absatzaussichten im internationalen Vergleich, 2015
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Risikoindex berechnet analog zu Abbildung 1. Der Wert des Risikoindex in Deutschland 2015 entspricht einem Indexwert von 100.

Absatzaussichten berechnet als durchschnittliche Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts zwischen 1980 und 2015 gewichtet mit Anteilen an den deutschen Ausfuhren. Durchschnitt der Quartalswerte im jeweiligen Jahr; Absatzaussichten auf das Jahr hochgerechnet.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Es zeigt sich jedoch, dass der Rückgang des Risikogehalts der deutschen Ausfuhren mit einem Anstieg der Absatzaussichten einherging (vgl. Abbildung 2). Letztere werden anhand der durchschnittlichen Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts in den Abnehmerländern gemessen, die mit deren Anteilen an den deutschen Ausfuhren in einem bestimmten Jahr (hier 2006 und 2015) gewichtet werden. Auch im internationalen Vergleich zeigt sich der Risikogehalt der deutschen Ausfuhren vergleichsweise günstig, bei relativ guten Absatzaussichten. So wiesen die Ausfuhren Italiens, Frankreichs und Spaniens 2015 einen höheren Risikogehalt bei gleichzeitig niedrigeren Absatzaussichten auf. Großbritannien hatte ähnlich gute Absatzaussichten, bei etwas höherem Risikogehalt. Lediglich die USA wiesen deutlich bessere Absatzaussichten auf als Deutschland, gleichzeitig nahm der Risikoindex jedoch im Vergleich zu den anderen Ländern den höchsten Wert an.

Alles in allem hat sich der Risikogehalt der deutschen Ausfuhren in den vergangenen 30 Jahren spürbar verringert. Dieser Rückgang ging mit verbesserten Absatzaussichten einher. Damit kann die Veränderung der regionalen Struktur der deutschen Ausfuhren in diesem Zeitraum als positiv beurteilt werden. Auch im internationalen Vergleich ist die regionale Struktur vergleichsweise günstig.

  • 1 Freilich werden die Ausfuhren auch durch eine Reihe von anderen Faktoren, wie z.B. durch das Produktportfolio, die Produktqualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt.


DOI: 10.1007/s10273-016-1997-x