Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Gender Wage Gap: Mehr als eine Genderfrage

Von Christina Boll

Der Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Schwesig für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern erhitzt derzeit die Gemüter. Zunächst muss festgestellt werden: Ungleichheit in den Ergebnissen ist in Marktwirtschaften nicht per se unerwünscht, solange gleiche Startchancen bestehen. Haben Frauen und Männer in Deutschland tatsächlich dieselben Zugangschancen zu gut bezahlten Jobs? Die Tatsache, dass rund zwei Drittel der Lohnlücke in Deutschland darüber statistisch erklärbar sind, dass Frauen häufiger in Teilzeit und im Gesundheits- und Sozialwesen zu finden sind, dass sie häufiger ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt unterbrechen und seltener Führungspositionen bekleiden, kündet nicht automatisch von Wahlentscheidungen der Frauen. Die empirische Evidenz lässt hier zu viele Fragen offen, als dass man die „erklärte Lücke“ einfach vom Tisch wischen könnte. Die Zahlen erteilen stattdessen einen Prüfauftrag an Betriebe, Sozialpartner und den Staat, die Rahmenbedingungen auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene für eine umfängliche, möglichst kontinuierliche Erwerbstätigkeit zu hinterfragen. Und das nicht nur für Frauen: Auch Männer wollen zunehmend Familienaufgaben wahrnehmen.

Der Gender Pay Gap wirft eine zweite Frage auf: Warum werden manche anspruchsvollen Berufe im Verhältnis zu anderen so schlecht bezahlt? Das Argument, der Verdienst müsse sich nach der Wertschöpfung richten, und die differiere nun mal zwischen exportorientierten, leistungsstarken Unternehmen und für die Binnennachfrage produzierenden Dienstleistungsbetrieben, zumal im öffentlichen Sektor, ist richtig. Und er hinkt doch zugleich, weil Betriebe mit und ohne marktliche Produktpreise verglichen werden. Wie viel Geld ist uns welche Arbeit in einer alternden – und zugleich mehr denn je auf frühe und umfassende Bildung angewiesenen – Gesellschaft eigentlich wert? Es kann nicht sinnvoll sein, Lohngleichheit darüber herstellen zu wollen, dass junge Frauen durchweg in gut bezahlte MINT-Berufe und junge Männer in schlecht bezahlte Erziehungsberufe gelenkt werden. Es muss darum gehen, gleich anspruchsvolle Tätigkeiten auch im Gehalt gleich einzugruppieren, unabhängig vom Frauenanteil in diesen Tätigkeiten, und junge Menschen unabhängig vom Geschlecht ihre Berufswahl neigungs- und talentorientiert treffen zu lassen.

Die dritte Frage ist: Warum werden Männer und Frauen teilweise für dieselben Jobmerkmale unterschiedlich bewertet? Liegt hier Diskriminierung vor? Auch hier ist Vorsicht vor voreiligen Schlüssen angebracht: Der Grund kann sein, dass in den verwendeten Daten die eigentlichen Gründe verborgen sind. So kann eine unterschiedliche Branchenbewertung an branchenspezifisch unterschiedlichen Aufstiegschancen von Frauen und Männern liegen. In diesem Fall ergeht wiederum der obige Prüfauftrag an die Betriebe, Stichwort „Zugangschancen“. Dass Männer pro Stunde jedoch eine höhere Teilzeitstrafe (gegenüber einem Vollzeitlohn) erhalten als Frauen, wirft auch ein Licht auf die Bedeutung von Geschlechterrollen und gesellschaftlich akzeptiertem und nicht akzeptiertem Verhalten. Daher kann letztlich nur auf betrieblicher Ebene und nicht durch eine aggregierte Statistik die Frage beantwortet werden, ob und wo Frauen trotz gleicher Merkmale schlechter bezahlt werden als Männer. Hier läge echte Diskriminierung vor. Transparenz, wie von Schwesig gefordert, ist hilfreich, diese aufzuspüren – mit Chancen für beide Seiten: Auf Seiten der Arbeitgeber, die darlegen können, wo Differenzierung nach den Gesetzen des Marktes angebracht sein kann. Und auf Seiten der Arbeitnehmer, die mögliche strukturelle Ungerechtigkeiten thematisieren können. Beide Seiten haben dabei etwas zu gewinnen: Mehr Betriebsfrieden, höhere Mitarbeitermotivation und -loyalität und eine höhere Arbeitgeber­attraktivität gegenüber begehrten Fachkräften. Wo Entgeltdiskriminierung einen Keil zwischen Produktivität und Lohn treibt, sind Ausweicheffekte und damit Wachstums­einbußen wahrscheinlich. Es ist im gesamtwirtschaftlichen Interesse, echte Diskriminierung abzubauen.

Bundesministerien in Bonn: Schließt den Wanderzirkus!

Von Karl Brenke

Vor 25 Jahren, am 20. Juni 1991, entschied der Bundestag, das Parlament und damit zentrale Regierungsfunktionen von Bonn nach Berlin zu verlegen. Doch in Presse und Funk war kaum ein Hinweis auf das Jubiläum zu finden. Offenbar meinte man wohl, dass es nicht der Rede wert wäre. Schade, denn der Beschluss und die darauf aufbauenden Entscheidungen sind ein Lehrstück über das Festkrallen an Besitzständen. Zumal die Folgen bis heute nachwirken – inzwischen als eine Farce. Aus historischer Sicht war es eigentlich ein überflüssiger Beschluss, denn erstens hatte der erste Deutsche Bundestag schon 1949 betont, dass Bonn lediglich vorläufige Hauptstadt sei, und zweitens stand im Einigungsvertrag von 1990, dass Berlin die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland sein sollte. Gleichwohl musste der Bundestag entscheiden, wo er künftig tagen wollte. Die Bonn-Befürworter wollten Berlin nur das Etikett „Hauptstadt“ zugestehen – und gaben sich recht siegessicher. Die Anhänger Berlins agierten taktisch geschickter. Sie lockten damit, dass Bonn im Falle der Niederlage einen Teil der Ministerien behalten könne. Bis zum Tag der Abstimmung schienen Umfragen zufolge die „Bonner“ klar in der Mehrheit zu sein. Doch die Prognostiker hatten sich wieder einmal blamiert.

Denn ausschlaggebend waren schließlich politische Gründe, auch gepaart mit Emotionen. Wirtschaftliche Erwägungen spielten zwar im Vorfeld in der Bundestagsabstimmung eine Rolle, richtig zum Tragen kamen sie aber erst danach – dann aber massiv. So wurden im einige Zeit später beschlossenen Berlin/Bonn-Gesetz diejenigen Bundesministerien benannt, die am Rhein bleiben sollten. Zudem wurden in Bonn zahlreiche Bundeseinrichtungen angesiedelt, die aus Berlin und teils aus anderen Städten kamen. Überdies flossen bis 2004 erhebliche Sonderfördermittel nach Bonn. Begründet wurden die Maßnahmen damit, dass die Region keinerlei Verluste an Wirtschaftskraft erleiden solle. Und denjenigen Beamten, die umziehen mussten, wurde dies fürstlich entgolten. All das geschah just zu jener Zeit, als in den neuen Bundesländern etwa ein Drittel der Arbeitskräfte offen arbeitslos, abgewandert oder in irgendeine Maßnahme bzw. in den Vorruhestand abgeschoben worden war.

Bonn ist der Hauptstadtumzug nicht schlecht bekommen. Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich besser als der Bundesdurchschnitt entwickelt, die Pro-Kopf-Einkommen liegen weit darüber. Bonn hat die Zentralen zweier DAX-Konzerne, die Stadt an der Spree nichts dergleichen. Berlin hat durch den Umzug zwar starke Impulse erhalten, weist aber weiterhin große, vor allem teilungsbedingte Schwächen auf. Berlin ist die einzige Hauptstadt Europas – vermutlich weltweit – mit einem unter dem Landesdurchschnitt liegenden Pro-Kopf-Einkommen. Einen regionalökonomischen Grund für den Verbleib von Ministerien in Bonn gibt es somit nicht – ihn hat es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht auch nie gegeben. Vor 25 Jahren war das Denken vieler Politiker noch davon geprägt, die deutsche Einheit mit ihren Folgen möglichst von den westdeutschen Regionen fernzuhalten.

Derzeit haben noch sechs Bundesministerien ihren Hauptsitz in Bonn, die anderen acht Ministerien haben dort Zweigstellen. Woche für Woche werden zahllose Beamte, andere Mitarbeiter sowie Akten zwischen Berlin und Bonn hin und her bewegt. Das kostet viel Geld und Zeit. Nach einem Vierteljahrhundert wäre es auch deshalb an der Zeit, diesen Wanderzirkus aufzugeben. Dazu braucht es politischen Mut. An der Einsicht, dass Regierungshandeln effizient zu sein hat, sollte es ja wohl nicht mangeln.

Unternehmensübernahme: Gefahr aus dem Ausland?

Von Vera Demary

Eine dynamische Unternehmenslandschaft ist neben Gründungen und Insolvenzen auch durch Zusammenschlüsse von Unternehmen gekennzeichnet. Dazu zählen neben Fusionen unter anderem auch Übernahmen, bei denen ein Unternehmen von einem anderen (oft in Teilen) gekauft wird. Der Roboterbauer Kuka aus Augsburg ist ein aktuelles Beispiel: Der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea machte Aktionären ein attraktives Angebot. Darauf folgte die Überlegung des Bundeswirtschaftsministers Gabriel, ausländische Investitionen in bedeutsame Zukunftstechnologien einer staatlichen Vorabprüfung zu unterziehen, wie es sie in sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereichen bereits gibt. Dabei ist ein solcher Schluss unbegründet und übereilt.

Das wichtigste Argument gegen chinesische Übernahmen deutscher Unternehmen ist der erwartete Wissensabfluss. Dies ist insbesondere bei technologieintensiven Unternehmen relevant. Statt technologisches Wissen selbst zu generieren, kaufen finanzstarke Investoren das deutsche Wissen ein. In der Folge könnte der Standort Deutschland einen Wettbewerbsvorteil verlieren, wenn in Deutschland entwickelte Technologien auch in China Anwendung finden. Chinesische Unternehmen waren lange Zeit dafür bekannt, Technologien zu kopieren, die in den Industrieländern entwickelt wurden, und damit einen Teil der Wertschöpfung an sich zu ziehen. Seit 2005 haben die chinesischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen jedoch deutlich zugenommen und liegen nur noch 0,35 Prozentpunkte unterhalb der deutschen. Zudem werden zunehmend chinesische Patente angemeldet.

Zum einen ist China also längst nicht mehr nur auf Wissen aus dem Ausland angewiesen. Zum anderen besteht das Wissen, also quasi das intellektuelle Kapital in einem Unternehmen, grundsätzlich aus verschiedenen Komponenten. Ein Teil davon lässt sich tatsächlich nach einer Übernahme direkt im Ausland nutzen. Dazu zählen etwa die Patente des übernommenen Unternehmens sowie anderes geistiges Eigentum. Letztlich ist dies auch vom Umfang der Übernahme abhängig. Im Kaufpreis des übernommenen Unternehmens ist jedoch auch der Wert des geistigen Eigentums enthalten. Darüber hinaus zählen zum intellektuellen Kapital eines Unternehmens aber vor allem auch die Kompetenzen der Mitarbeiter. Diese sind in den meisten Fällen fest an den Standort Deutschland gebunden. Zudem lassen sich ihre Kompetenzen nicht ohne weiteres auf andere übertragen. Vor diesem Hintergrund besteht für den ausländischen Investor durchaus ein Anreiz, Beschäftigung in Deutschland zu halten, um diesen Teil des intellektuellen Kapitals zu bewahren. Auch die chinesischen Übernahmen deutscher Unternehmen in der Vergangenheit zeigen, dass in vielen Fällen eher Arbeitsplätze gesichert statt abgebaut wurden, oft in zuvor insolventen Unternehmen. Mit der Übernahme eines bestehenden Unternehmens in Deutschland eröffnen sich die Investoren einen Zugang zum EU-Binnenmarkt und nutzen ihn somit als Sprungbrett.

Zudem erschließt eine chinesische Investition den Zugang zum riesigen chinesischen Absatzmarkt. Der Zusammenschluss eröffnet damit Chancen für beide Unternehmen. Auch die Produkte und Leistungen der Vorlieferer und anderer verbundener Unternehmen haben möglicherweise einen einfacheren Zugang zum chinesischen Markt. Das bedeutet Wertschöpfung, auch in Deutschland. Eine Einschränkung der Investitionsfreiheit in Deutschland erscheint vor diesem Hintergrund ein übereilter Vorschlag zu sein, der den tatsächlichen Risiken einer solchen Übernahme nicht gerecht wird.

Bremer Landesbank: Teure Notlage

Von Mechthild Schrooten

Schon wieder ist eine Landesbank unter Druck geraten. Diesmal hat es die Bremer Landesbank (BLB) erwischt. Die BLB ist eine eher kleinere Landesbank; die Bilanzsumme lag Ende 2015 bei etwa 30 Mrd. Euro. Anders als andere Landesbanken geriet das Bremer Kreditinstitut nicht in den Sog der internationalen Finanzkrise 2008. Damals galt die Bremer Landesbank als verhältnismäßig gut aufgestellt. Allerdings hat sich dieses Bild in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Lag das Ergebnis vor Steuern 2012 noch bei 168 Mio. Euro, so waren es 2015 nur noch 5 Mio. Euro. Da müssen die Alarmglocken läuten. Inzwischen wird von einem erheblichen Wertberichtigungsbedarf für 2016 gesprochen. Es steht die Summe von 700 Mio. Euro im Raum. Damit würde die Bremer Landesbank in eine brandgefährliche Verlustzone rutschen. Eine Kapitalzufuhr scheint notwendig.

Wie konnte aus einer vormals florierenden Landesbank ein Problemfall werden? Die Antwort ist komplex. Zum einen hatte sich die Bremer Landesbank schon lange vor der internationalen Finanzkrise 2008 in starkem Maße der Schifffahrtsfinanzierung gewidmet. Dieses Geschäftsfeld ist mit hohen Risiken behaftet – in diesem Geschäftsbereich ließen sich aber auch jahrelang hohe Renditen einfahren. Den Anteilseignern – das gilt auch für den Haushalt des Bundeslandes Bremen – waren die Gewinne lange sehr willkommen. Jetzt sorgt die Schiffsfinanzierung für einen erheblichen Wertberichtigungsbedarf. Zum anderen haben sich das Geschäftsumfeld, aber auch die regulatorischen Rahmenbedingungen im Gefolge der internationalen Finanzkrise stark verändert. Dazu gehören die Niedrigzinspolitik und die Schuldenbremse der öffentlichen Haushalte. Die originären Landesbankaufgaben, Hausbank der Bundesländer und als Zentralbank der Sparkassen, haben im Laufe der Zeit ohnehin an Bedeutung verloren. Wie andere Landesbanken agiert das Bremer Kreditinstitut als Universalbank und damit eigentlich wie ein ganz normales Kreditinstitut. Ein großer Unterschied zu einem privatwirtschaftlichen Kreditinstitut besteht allerdings in der sogenannten Trägerstruktur. Eigentümer der Bremer Landesbank sind die Norddeutsche Landesbank (NordLB) mit 54,8%, das Land Bremen mit 41,2% und der Sparkassenverband Niedersachsen mit 4%.

Die Eigentümer der Bremer Landesbank haben sich darauf geeinigt, dass der aus der notwendigen Wertberichtigung resultierende Kapitalbedarf gestemmt wird. Die Frage ist nur wie? Denn in der Europäischen Union sind die Nachschussrechte der öffentlichen Haushalte im Falle von Bankenkrisen begrenzt. Dazu kommt die Haushaltslage des kleinsten Bundeslandes. Beteiligt sich das Bundesland Bremen nicht entsprechend seiner bisherigen Anteile an der Rettungsaktion, dann dürfte es nicht nur Mitspracherechte verlieren. Auch die Bewertung der aktuellen Eigentumsanteile steht zur Debatte. Hier können die öffentlichen Haushalte nur verlieren. Die Anteile könnten dann zum Schnäppchenpreis von der NordLB erworben werden.

Hier tritt das grundlegende Dilemma offen zu Tage. Den Landesbanken liegt im Kern ein seit Jahren überkommenes Geschäftsmodell zugrunde. Sie fungieren als Universalbanken, operieren teilweise in hochrisikoreichen Marktsegmenten, können sich aber letztendlich nicht so am Markt bewegen, wie andere Kreditinstitute. Ein Blick auf die Homepage der Bremer Landesbank zeigt die Kernkompetenzen des Instituts. Kernkompetenzen wären zur Finanzierung der öffentlichen Hand, zur Finanzierung von Wohnungsbau, zur regionalen Entwicklung und zur Rekommunalisierung gefragt – gerade jetzt gerät das Institut in die Notlage. Das kann für das Bundesland Bremen teuer werden.


DOI: 10.1007/s10273-016-1998-8

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.