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Nach langer Abstimmungszeit wurde eine Reform der Anreizregulierungsverordnung in Deutschland verabschiedet. Diese für die Strom- und Gasnetzbetreiber essenzielle Verordnung bestimmt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen, indem sie deren Erlösmöglichkeiten definiert. Die Novelle sollte vor allem die Investitionsbedingungen verbessern und stellt einen Schwenk zu einem deutlich stärker kostenorientierten System dar.

Die Anreizregulierung bei den Strom- und Gasnetzbetreibern wurde 2009 in Deutschland über die Anreizregulierungsverordnung eingeführt, die das zentrale Regelwerk für die Tarife ist. Sie definiert für die natürlichen Monopole einen finanziellen Rahmen, der durch inkludierte Effizienzvorgaben wettbewerbliche Ergebnisse imitiert. Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe erfolgte 2015/2016 ein umfassender Evaluierungsprozess, wobei auch untersucht wurde, ob sich die bestehenden Bestimmungen zur Unterstützung der Energiewende eignen. Im Juli 2016 verabschiedete der Bundesrat die Novelle zur Anreizregulierungsverordnung, die den Regulierungsrahmen für die nächsten zehn Jahre festlegt.

Anreizregulierung in der 1. und 2. Periode

Bei der Anreizregulierung wird eine Erlösobergrenzen-Regulierung angewendet, bei der die Bundesnetzagentur die maximal zulässigen jährlichen Erlöse der Netzbetreiber vorgibt und damit einen Erlöspfad über eine Regulierungsperiode (fünf Jahre) festlegt. Der Erlöspfad enthält:

  • Eine unternehmensspezifische Effizienzvorgabe, die durch einen Effizienzvergleich zwischen Unternehmen bestimmt wird. Die dadurch festgestellten ineffizienten Kosten müssen über einen bestimmten Zeitraum abgebaut werden. Für die 1. Regulierungsperiode sind hierfür zehn Jahre und für die 2. Periode fünf Jahre vorgesehen. Zur Bestimmung der ineffizienten Kosten werden in vier unterschiedlichen Modellspezifikationen Effizienzwerte ermittelt und der höchste Wert herangezogen (Best-of-Four-Ansatz).
  • Eine generelle Produktivitätsvorgabe, die die allgemeine Produktivitätsentwicklung im Sektor widerspiegeln soll. Diese wurde in der 1. Regulierungsperiode mit 1,5% und in der 2. Periode mit 1,25% festgelegt und gilt für alle Netzbetreiber.
  • Einen Erweiterungsfaktor, der Änderungen in der Versorgungsaufgabe und dadurch bedingte Kostenerhöhungen abbilden soll. Er berücksichtigt für Strom- und Gasverteilnetzbetreiber die Veränderungen der Zahl der Einspeisepunkte, der versorgten Fläche und der Jahreshöchstlast. Bei den Stromverteilnetzbetreibern wird zusätzlich die Einspeisung von dezentraler Erzeugung verwendet. Der Faktor ist multiplikativ ausgestaltet, d.h. ein Wert von 1,08 führt zu einer Erhöhung der Erlös­obergrenze um 8%. So soll – begrenzt auf die Dauer von bis zu einer Regulierungsperiode – ein Anreiz gesetzt werden, kostengünstige Lösungen zur Bewältigung einer veränderten Versorgungsaufgabe zu suchen.
  • Sockeleffekte: Diese entstehen dadurch, dass zu Beginn einer Regulierungsperiode eine Erlösobergrenze auf Basis der vorliegenden Kapitalkosten für die kommenden fünf Jahre gebildet wird. Werden Teile des Kapitals während der Periode vollkommen abgeschrieben, so wird die Erlösobergrenze während der Periode nicht reduziert. Die entstehenden Überschüsse sollen die notwendigen Ersatzinvestitionen decken.
  • Investitionsmaßnahmen: Für Stromübertragungs- und Gasfernleitungsnetzbetreiber (und für Stromverteilnetzbetreiber für die Hochspannungsebene) sieht dieses Instrument die Möglichkeit vor, schon während der Regulierungsperiode die geplanten Kosten für Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen in die Erlösobergrenze zu inkludieren. Diese Kosten werden zunächst als nicht-beeinflussbare Kosten klassifiziert, worauf keine Effizienzvorgaben wirken. Nach Fertigstellung gehen die Kosten in die allgemeine Kostenbasis ein und unterliegen dem nachfolgenden Effizienzvergleich sowie den generellen Effizienzvorgaben.

Kritik an der Anreizregulierungsverordnung

Ein wichtiger Aspekt der Evaluierung bezog sich auf die Frage, inwieweit die Regulierung ausreichende Anreize für den Netzausbau setzt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Energiewende stellte dies einen kritischen Punkt dar, da die Integration von dezentralen erneuerbaren Energien einen erheblichen Netzausbau gerade bei den Verteilnetzen erfordert. Deren Vertreter argumentierten, dass die bestehenden Instrumente keinen ausreichenden und zielgerichteten Anreiz für Investitionen bieten würden.

  • Erweiterungsfaktor: Der Erweiterungsfaktor wäre dann nicht ausreichend, wenn sich die Versorgungsaufgabe stärker verändert als über den funktionalen Zusammenhang vereinfachend unterstellt. Er würde auch nicht auf Ersatzinvestitionen wirken und hätte in seiner Ausgestaltung einen Zeitverzug von sechs bis 18 Monaten.
  • Sockeleffekte: Der Sockeleffekt impliziert, dass die Abschreibungen alter Anlagen, die aus der Kapitalbasis herausfallen, genau den Abschreibungen der Ersatzanlagen entsprechen, die während der Periode hinzukommen. Dies muss bei einem sich modernisierenden Netz nicht zwangsläufig zutreffen.
  • Investitionsmaßnahmen: Zudem enthält das geltende Modell einen immanenten Zeitverzug: Investitionen während einer Regulierungsperiode werden erst mit einem Zeitversatz von drei bis acht Jahren in die regulierte Kapitalbasis übernommen.

Grundsätzlich ist der Fotojahreffekt zu kritisieren. Die Erlös­obergrenze wird alle fünf Jahre definiert und die Netzbetreiber sind bestrebt, zum Ausgangsjahr ihre Kapitalbasis auszubauen, da diese als Startwert für die Erlöse der folgenden Regulierungsperiode herangezogen wird. So können regulatorisch bedingte Investitionszyklen entstehen (J-Kurven-Effekt).

Reformvorschläge der Bundesnetzagentur

Im Rahmen ihrer Evaluierung hat die Bundesnetzagentur vier alternative Regulierungsmodelle vorgestellt. Diese decken ein Spektrum von einer punktuellen Anpassung bis hin zu einer grundsätzlichen Änderung der Regulierungssystematik ab.1 Sie wurden umfassend mit der Branche diskutiert. Das von der Bundesnetzagentur vorgestellte Modell einer Anreizregulierungsverordnung 2.0 (ARegV 2.0) sieht verschiedene Anpassungen des Status quo ohne umfassende Änderungen in der Regulierungssystematik vor:

  • Modifizierter Erweiterungsfaktor: Die Bundesnetzagentur kam in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass der Status quo prinzipiell ausreichende Mittel für den Ersatz und Ausbau der Netze schafft.2 Dennoch wurde vorgeschlagen, den Erweiterungsfaktor flexibler zu gestalten, um variabler Kostenveränderungen durch Netzerweiterungen abbilden zu können (Möglichkeit zur additiven anstatt multiplikativen Ausgestaltung). Zudem sollte der Faktor auf Planwerte umgestellt werden.
  • Bonus für „Effizienz“: Durch die Einführung eines teilweisen Übertrags von Effizienzgewinnen in die nächste Regulierungsperiode oder die Gewährung eines Effizienzbonus für supereffiziente Netzbetreiber sollten zusätzliche Effizienzanreize geschaffen werden.
  • Effizienzvergleich: Einzelne Verschärfungen beim Benchmarking (Übergang von nicht abnehmenden zu konstanten Skalenerträgen sollte die Effizienzanreize erhöhen). Zudem sollte durch den Wegfall von Restriktionen für die Parameter im Benchmarking die Qualität des Effizienzvergleichs erhöht werden.

In dem zweiten Modell einer „Differenzierten Regulierung“ wurde für Netzbetreiber, die stark vom Ausbau erneuerbarer Energien betroffen sind, zusätzlich eine mögliche Berücksichtigung von geplanten Investitionen vorgesehen. Diese erweiterte Variante einer ARegV 2.0 sollte über Investitionsmaßnahmen ähnlich der bei Übertragungsnetzbetreibern angewandten Systematik erfolgen.

Das dritte Modell eines „Gesamtkostenabgleichs mit Bonus“ beinhaltete einen zweijährigen Gesamtkostenabgleich mit einem Effizienzbonus. Die Anpassungen in diesem Modell sehen ein höher frequentes Benchmarking (alle zwei Jahre) ergänzt mit einem Plan-Ist-Abgleich für die hinzukommenden Kapitalkosten samt Betriebskostenpauschale vor. Im Gegensatz zu vergleichbaren Modellen wie z.B. der Regulierungspraxis in Norwegen wurde kein Übergang zu einem Yardstick-Ansatz basierend auf Durchschnittskosten in Aussicht gestellt. Es wurde jedoch als Ergänzung ein Effizienzbonus vorgesehen. Das Modell wurde nicht weiter verfolgt, da die Bundesnetzagentur die Anpassungen eher als eine langfristige Perspektive ansah.

Das vierte Modell eines „Kapitalkostenabgleichs“ strebt einen jährlichen Kapitalkostenabgleich als Ersatz für den Erweiterungsfaktor an. Das Modell basiert auf einem Vorschlag der hessischen Landesregulierungsbehörde. Grundsätzlich stand die Bundesnetzagentur diesem Modell, das stark von den Vertretern der Netzbetreiber forciert wurde, kritisch gegenüber, da sie konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Zusammenführung von Effizienzanreizen und einem jährlichen Kapitalkostenabgleich sah.

Die novellierte Anreizregulierungsverordnung

Trotz der kritischen Haltung sah der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novelle der ARegV
– eher überraschend – das Modell des Kapitalkostenabgleichs vor. Dies bedeutet eine erhebliche Abkehr vom bisher präferierten Modell und der Regulierungssystematik bei den Investitionen. Der Entwurf der ARegV-Novelle wurde in der parlamentarischen Entscheidungsfindung durch den deutschen Bundestag und Bundesrat punktuell angepasst, jedoch die grundsätzliche Systematik beibehalten:

  • Modellwechsel auf der Verteilnetzebene: Bei Verteilnetzbetreibern erfolgt künftig die Anpassung der zulässigen Erlösobergrenze innerhalb der Regulierungsperiode auf Basis tatsächlicher Kapitalkosten. Es soll keine Betriebskostenpauschale in dem Verfahren geben, d.h. die Anpassungen beziehen sich allein auf die innerperiodischen Kapitalkostenveränderungen. Gleichzeitig wird der Sockeleffekt schrittweise abgeschafft und entfällt ab der 4. Regulierungsperiode. Dies ist der entscheidende Unterschied zu der von den Netzbetreibern präferierten Variante des Kapitalkostenabgleichs, die den Sockeleffekt beibehalten wollten.
  • Anpassungen beim Effizienzbenchmarking: Die Verpflichtung für Verteilnetzbetreiber bestimmte Strukturparameter verbindlich zu berücksichtigen, soll entfallen. Dies war bereits in der bisherigen Anreizregulierungsverordnung vorgesehen. Beim Effizienzvergleich mit der Data Envelopment Analysis (DEA) sollen alle Netzbetreiber unabhängig von ihrer Unternehmensgröße verglichen werden. Das vorsichtige Bewertungsprinzip für die Ergebnisse des Effizienzvergleichs, dass von vier ermittelten Effizienzwerten (zwei Methoden und zwei Kapitalbasen) nur der höchste Wert zur Geltung kommt, wird beibehalten.
  • Bonus als zusätzlicher Anreiz: Für Netzbetreiber, die im Effizienzvergleichsverfahren der DEA, d.h. einer der beiden verwendeten Methoden, besonders kosteneffizient (supereffizient) erscheinen, soll es einen finanziellen Bonus geben. Eine Übertragung eines Teils der Effizienzgewinne einer Regulierungsperiode in die nächste Periode wurde nicht implementiert.
  • Vereinfachtes Verfahren (kleine Verteilnetzbetreiber): Um Übervergütungen bei den kleinen Netzbetreibern zu vermeiden, soll der pauschale Anteil der nicht beeinflussbaren Kosten (der vor allem die Kosten der Vorliegernetze in vereinfachter Weise abbildet) um 5% abgesenkt werden.
  • Anpassungen bei den Übertragungsnetzbetreibern: Das Kriterium der Belastbarkeit und schließlich Anwendbarkeit der Ergebnisse des internationalen Effizienzvergleichs wird verschärft, indem neu gefordert wird, dass die Bundesnetzagentur einen Zugriff auf die verwendeten Daten haben muss.

Im Referentenentwurf zur Novellierung der ARegV waren zudem Verkürzungen der Regulierungsperiode und des Zeitraums zum Abbau der ineffizienten Kosten von fünf auf vier bzw. drei Jahre vorgesehen. Diese wurden jedoch durch den Bundesrat gestrichen.

Insgesamt wird ersichtlich, dass neben dem Modellwechsel auf einen Kapitalkostenabgleich schon während der Regulierungsperiode, der speziell den Wünschen der Verteilnetzbetreiber entgegenkommt, an anderen Stellen die Effizienzanreize gestärkt werden sollen. Es handelt sich um eine politische Kompromisslösung. Daher ist zu untersuchen, inwieweit die neuen Elemente zusammenpassen und welche Steuerungswirkungen von ihnen ausgehen. Tabelle 1 gibt eine Übersicht der zu erwartenden Vorteile und den damit verbundenen Risiken bzw. Nebeneffekten.

Tabelle 1
Neue Anreizelemente und ihre Auswirkungen
Element Ersetzt /modifiziert Wesentlicher Vorteil Risiko/Nebeneffekt
Kapitalkostenabgleich Erweiterungsfaktor Zeitverzug bei Kostenanerkennung der Investitionen entfällt; Fotojahr­effekt erheblich gemildert Risiko von doppeltem Effizienzabschlag; etwaige Überkapitalisierung & reduzierte Anreize effiziente Smart Grids umzusetzen
  Sockeleffekt Entfall des vergangenheitsorientierten Steuerungsinstruments Abschaffung mit Übergang vermeidet Windfall Profits; Netzbetreiber befürchten Verluste für Investitionen, die in Erwartung positiver Sockeleffekts getätigt wurden
Konstante Skalenerträge (DEA) Nicht-abnehmende Skalenerträge Gleiche Anforderungen für alle Netzbetreiber; zusätzliche Effizienzeffekte Etwaige Konsolidierungen im Markt
Effizienzbonus (DEA) „neu“ Belohnung besonders guten Wirtschaftens Methodisch einseitig definiert, erscheint somit unausgewogen
Verringerung pauschalierter Kosten (Ver­ein­fachungsoption kleine Verteilnetzbetreiber)   Reduziert Übervergütungen im Status quo  
Einschränkung internationaler Effizienzvergleiche Relativiert Anwen-dungsmöglichkeiten Erhöhung der Transparenz der verwendeten Daten Frage nach konkreter Ausgestaltung der Alternativen

Quelle: eigene Darstellung.

Analyse Kapitalkostenabgleich

Die bedeutendste Änderung ist der Übergang zu einem Kapitalkostenabgleich bei den Verteilnetzbetreibern. Er soll den Unternehmen ermöglichen, Kapitalkosten aus Investitionen, die nach dem Fotojahr anfallen, schon während der Regulierungsperiode jährlich in die Erlösobergrenze zu inkludieren. Damit es zu keiner doppelten Vergütung kommt, reduzieren sich die in der Erlösobergrenze berücksichtigten Kapitalkosten jährlich um die altersbedingt herausfallenden Anlagen sowie die hiermit verbundenen Finanzierungskosten, wodurch der Sockeleffekt3 abgeschafft wird. Durch den Kapitalkostenabgleich entfällt der Erweiterungsfaktor für Verteilnetzbetreiber. Erhalten bleiben die sonstigen Anpassungen der Fotojahrkosten während der Regulierungsperiode durch den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor, die allgemeine Geldentwertung sowie die individuellen Effizienzvorgaben. Der Kapitalkostenabgleich soll zwei Zwecke gleichzeitig erfüllen:

  • Ausreichende Investitionsanreize durch die zeitnahe Inkludierung von Kapitalkosten für Investitionen, die nach dem Fotojahr anfallen. Diese Inkludierung erfolgt zunächst ohne Anpassungen durch Effizienzvorgaben.
  • Gleichzeitig sollen die Effizienzanreize auch für neue Investitionen gelten. Dies erfolgt durch die Erfassung der Kosten im Benchmarking für die folgende Regulierungsperiode.

Als wesentliche Vorteile des Modellwechsels werden eine aus betrieblicher Sicht höhere Investitionssicherheit und der Wegfall des Zeitverzugseffekts bei der Berücksichtigung der Kosten in der erlöswirksamen Kapitalbasis angeführt. Die Investitionen scheinen im Vergleich zum bestehenden System für alle Netzbetreiber anerkannt, unter der Prämisse, dass diese sich im nächsten Benchmarking als effizient erweisen. Dies liegt daran, dass innerhalb der Regulierungsperiode zukünftig nicht nach approximativen (exogenen) Maßgrößen gesteuert wird, sondern nach der konkreten Kapitalveränderung. Wird zusätzlich Kapital (d.h. netto) investiert, so wird dieses unmittelbar für den Rest der Regulierungsperiode anerkannt. Die Erlöse laufen somit kurzfristig deutlich stärker der Veränderung der Kapitalstruktur nach. Deshalb dürfte auch der Fotojahreffekt maßgeblich reduziert werden.

Der Kapitalkostenabgleich hat regulierungsökonomisch gesehen einige unerwünschte Effekte. So besteht die Gefahr, dass es zu einem doppelten Abzug von Effizienzvorgaben kommt. Darauf hat auch die Bundesnetzagentur im Evaluierungsbericht bei ihrer Beurteilung der Kapitalkostendifferenz hingewiesen.4 Ein ineffizienter Netzbetreiber, der durch eine Optimierung des Investitionsprogramms während der Regulierungsperiode, die Ineffizienzen abbauen will, wird durch die Ausgestaltung des Kapitalkostenabgleichs bestraft, wenn er „alte ineffiziente“ Investitionen, die während der Regulierungsperiode altersbedingt herausfallen, durch „neue effiziente“ Investitionen ersetzt. Diese Wirkung stellt sich deshalb ein, weil die „neuen effizienten“ Investitionen nur zu den Ist-Kosten anerkannt werden, während die „alten ineffizienten“ altersbedingt herausfallenden Investitionen bei der Berechnung der jährlichen Kapitalkosten für die Regulierungsperiode reduziert werden; und auf die reduzierten Kapitalkosten zusätzlich die individuelle Effizienzvorgabe angewandt wird.

Der Effekt lässt sich an einem Beispiel illustrieren. Dazu wird vereinfachend angenommen, dass das Unternehmen einen Effizienzwert von 95% aufweist, d.h. die Gesamtkosten um 5% reduzieren muss; das Unternehmen mit keiner Änderung der Versorgungsaufgabe konfrontiert ist, d.h. die Investitionen dienen nur zum Ersatz von Anlagen; und die generelle Effizienzvorgabe und Inflation bei 0% liegt. Das Unternehmen reduziert seine Ist-Gesamtkosten durch eine Optimierung des Investitionsprogramms, d.h. es investiert günstiger als in der Vergangenheit. Abbildung 1 stellt die Erlösobergrenze auf Basis der „alten“ Anreizregulierung5 den Ist-Gesamtkosten gegenüber. Dabei ist ersichtlich, dass durch die Optimierung der Investitionen das Unternehmen die Ist-Gesamtkosten unter die Erlösobergrenze zurückführen kann und somit von den Effizienzanstrengungen während der Regulierungsperiode profitieren kann.

Abbildung 1
Erlösobergrenze und Anreize derzeitige Regulierung
in Mio. Euro
Erlösobergrenze und Anreize derzeitige Regulierung

Quelle: eigene Darstellung.

Unter der neuen Anreizregulierung stellt sich die Situation anders dar. Bei der Bestimmung der Erlösobergrenze werden die „alten ineffizienten Investitionen“ eliminiert, wenn diese nach vollkommener Abschreibung6 herausfallen. Das Unternehmen kann somit nicht von der Differenz der höheren Kapitalkosten der „alten ineffizienten“ und den niedrigeren „neuen effizienten“ Investitionen profitieren. Es erfährt zusätzlich eine Reduktion der reduzierten Fotojahr-Kostenbasis um die Effizienzvorgabe, selbst wenn durch die „neuen effizienten“ Investitionen das Unternehmen gerade die Effizienzvorgabe während der Regulierungsperiode erfüllt. Abbildung 2 illustriert diesen Effekt: Obwohl das Unternehmen seine Ist-Gesamtkosten um mehr als 5% durch eine Optimierung des Investitionsprogramms erfüllt, verbleiben die Ist-Kosten des Unternehmens während der Regulierungsperiode oberhalb der Erlösobergrenze.

Abbildung 2
Erlösobergrenze und Anreize zukünftige Regulierung
in Mio. Euro
Erlösobergrenze und Anreize zukünftige Regulierung

Quelle: eigene Darstellung.

Das Beispiel betrachtet den Effekt der individuellen Effizienzvorgabe nur isoliert. Durch die generelle Effizienzvorgabe wird der Effekt noch einmal verstärkt, während die Berücksichtigung der Inflation den Effekt abschwächt. Grundsätzlich ändert dies jedoch nichts an der systematischen doppelten Wirkung von Effizienzvorgaben auf die Erlösobergrenze. Innerhalb der Regulierungsperiode erscheint es zudem tendenziell vorteilhaft, kapitalintensiv zu investieren, da bereits während der Regulierungsperiode eine zusätzliche Vergütung der Kapitalkosten erfolgt. Bei „smarten“ Investitionen, die in vielen Fällen erhöhend auf die Betriebskosten wirken, aber Kapitalkosten einsparen, ist dies in der Regel nicht der Fall. Deren Vorteil realisiert sich erst zeitverzögert beim Benchmarking für die Folgeperiode. Dieser Effekt gilt jedoch nicht für Entschädigungskosten bei der Abregelung von Anlagen für erneuerbare Energien aufgrund von Netzengpässen, die eine der wichtigsten „smarten“ Maßnahmen darstellt. Diese sollen auf Plankostenbasis als dauerhaft nicht-beeinflussbare Kosten in der Erlösobergrenze berücksichtigt werden.

Anreize im Effizienzbenchmarking

Weitere wesentliche Anpassungen sind im Bereich der Effizienzvergleiche zu finden. So war schon bisher ab der dritten Regulierungsperiode vorgesehen, dass die Regelung, bestimmte vorab gesetzte Effizienzparameter zwingend zu verwenden, entfällt.7 Diese Anpassung wurde beibehalten. Der Wegfall der Vorschrift bestimmte Parameter zu verwenden, kann erhebliche Auswirkungen auf die Effizienzwerte haben. Die vorgegebenen Parameter sollten auch die Konstanz des erklärenden Modells und somit der Effizienzbewertungen absichern. Sie führen zugleich zu Verzerrungen gegenüber dem statistisch gesehen bestem Erklärungsmodell für die Netzkosten, d.h. die ermittelten Effizienzwerte sind „biased“. Weiterhin beinhalten die gesetzten Parameter teils endogene, d.h. von den Netzbetreibern beeinflussbare Größen, wie z.B. die Netzlänge, so dass regulierungssystematisch unerwünschte Optimierungsmöglichkeiten bestehen. Der Entfall von vorgegebenen Strukturparametern ist positiv zu bewerten, da die Effizienzen adäquater geschätzt werden können. Die Netzbetreiber werden grundsätzlich „fairer“ bewertet. Es ist allerdings bei einer größeren Umstellung des Erklärungsmodells möglich, dass es zu erheblichen Veränderungen für einzelne Netzbetreiber kommen kann. Mithin steigt die Unsicherheit über die zu erwartenden Effizienzwerte.

Eine weitere Änderung im Benchmarking beim DEA-Verfahren ist der Übergang von nicht abnehmenden Skalenerträgen auf konstante Skalenerträge. Die Anpassung impliziert, dass die Netzbetreiber in der DEA künftig mit Unternehmen mit betriebsoptimalen Größen verglichen werden und nicht mehr nur mit den Unternehmen ähnlicher Größe. Im Bereich der kleineren und mittleren Unternehmen werden die Netzbetreiber deshalb in der DEA potenziell strenger bewertet. Diese Änderung kann gegebenenfalls einen Konsolidierungseffekt auslösen, sofern die Auswirkungen sich für die Effizienzwerte – auch nach der Best-of-Four-Abrechnung – als relevant erweisen sollten.8

Effizienzbonus

Eine grundlegende Neuerung ist die Einführung eines Effizienzbonus, der bei sogenannten supereffizienten Netzbetreibern in der DEA greifen soll. Dies sind Unternehmen, die bei zumindest einer erklärenden Größe des Benchmarkings ein sehr gutes Verhältnis zu den Kosten haben. Die betreffenden Unternehmen sollen einen Bonus in Form von maximal 5% der zulässigen Kosten erhalten. Besonders effiziente Unternehmen werden also gesondert belohnt. Der Ansatz weist allerdings ein (methodisches) Problem auf: Die DEA ist nur eine von zwei verwendeten Methoden des Effizienzvergleichs. Dies stellt eine Verzerrung gegenüber Unternehmen dar, die sich im Rahmen der stochastischen Effizienzgrenzenanalyse (Stochastic Frontier Analysis – SFA) als effizient erweisen. Sollen also besonders effiziente Unternehmen belohnt werden, liegt es nahe, die Ermittlung der relevanten Unternehmen nicht nur auf die DEA zu beschränken.

Ein möglicher Ansatz wäre, Unternehmen ab einem gewissen Schwellenwert bei beiden Methoden, einen zunehmenden (aber wie gehabt nach oben beschränkten) Erlöszuschlag zu gewähren. Dies entspricht zudem näherungsweise der Systematik einer Regulierung, bei der alle Unternehmen, die deutlich effizienter als der Durchschnitt der Branche sind, belohnt werden. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der Yardstick-Regulierung, bei der alle Unternehmen, die effizienter als der Branchendurchschnitt sind, Zusatzrenditen gewährt bekommen.

Vereinfachtes Verfahren

Kleine Netzbetreiber unterliegen einem vereinfachten Verfahren ohne Benchmarking, bei dem die Erlösvorgaben über einen Durchschnittswert aus dem Benchmarking der größeren Netzbetreiber reguliert werden. Zudem erfolgen weitere Vereinfachungen wie z.B., dass ein bestimmter pauschaler Wert der Kosten als nicht beeinflussbar definiert wird. Je höher dieser Anteilswert ist, desto geringer ist die Kostenbasis, auf die finanzielle Anreize ausgeübt werden. Der bislang recht hohe Ansatz der nicht beeinflussbaren Kosten wird somit korrigiert. Folglich unterliegen mehr Kosten den gestellten Effizienzanreizen, was aus Gründen der Gleichbehandlung zwischen kleineren und größeren Netzbetreibern nachvollziehbar ist.

Anpassungen auf der Übertragungsnetzebene

Für die Stromübertragungsnetzbetreiber fallen die Änderungen prima vista gering aus, da weder der Kapitalkostenabgleich noch der Effizienzbonus relevant sind. Möglicherweise weitreichende Änderungen ergeben sich aus der veränderten Bestimmung der Effizienzvorgaben: Bisher werden die Effizienzwerte mangels ausreichender Zahl an Vergleichsunternehmen über internationale Effizienzvergleiche bestimmt. Die novellierte ARegV sieht zwar weiterhin einen internationalen Effizienzvergleich vor, sie enthält jedoch eine verschärfte Bestimmung der Belastbarkeit. Diese soll künftig nur gewährleistet sein, wenn der Bundesnetzagentur die Daten der im internationalen Effizienzvergleich inkludierten Netzbetreiber „zum unmittelbaren Zugriff“ vorliegen. In den bisherigen internationalen Effizienzvergleichen hatte sie aufgrund der Vertraulichkeit keinen unmittelbaren Zugriff, sondern nur mittelbar über die von ihr beauftragten Gutachter. Falls sich dies nicht ändert, z.B. weil ausländische Regulierungsbehörden und Übertragungsnetzbetreiber einer Datenoffenlegung weiterhin nicht zustimmen, gilt ein Vergleich als nicht mehr belastbar. Als Alternative sieht die Verordnung weiterhin eine ingenieurwissenschaftlich basierte Referenznetzanalyse vor, die sich zur Standardmethode etablieren könnte. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Fragen: Wie soll der relative Vergleich durch die Referenznetzanalyse aussehen? Sollen die Netze der Unternehmen mit optimalen „grüne Wiese“-Netzen verglichen oder soll die Historie der Netze bei der Bestimmung der Referenznetze berücksichtigt werden? Solche Punkte haben erhebliche Auswirkungen auf die Effizienzwerte.

Zusammenfassung

Durch die novellierte ARegV wurde der Regulierungsrahmen für die nächsten zehn Jahre in Deutschland geformt. Die Weiterentwicklung der bisherigen Regulierungssystematik enthält eine Reihe von Regelungen, die erhebliche Auswirkungen haben können. Hierbei sind in erster Linie die folgenden Neuerungen zu nennen:

Kapitalkostenabgleich: Grundsätzlich wirkt der Kapitalkostenabgleich risikomindernd für die Netzbetreiber, soweit sie steigenden Kapitalkosten innerhalb der Regulierungsperiode unterliegen. Eindeutig positiv bei dem Modellwechsel ist, dass der Fotojahreffekt maßgeblich reduziert wird und der Zeitverzug bei der Anerkennung von Investitionen entfällt. Weitgehend positiv erscheint zudem, dass die Kosten für Entschädigungen bei der Abregelung von EEG-Anlagen berücksichtigt werden. Allerdings sind diese nicht zwingend als nicht-beeinflussbar zu sehen, denn eine Abregelung ist eine direkte Alternative zum Netzausbau. Mit dem neuen Modell sind auch kritische Effekte verbunden: Verteilnetzbetreiber, die durch ein effizientes Investitionskalkül Kapital abbauen, werden bestraft, indem sie nicht mehr durch das Unterschreiten der Erlösobergrenze unmittelbar profitieren und zudem die bisherigen Effizienzvorgaben für die neuen Investitionen gelten. Grundsätzlich unterstellt das Modell, dass in Zukunft verstärkt kapitalgebundene Investitionen erforderlich sind, d.h. es bildet eher die „alte“ Stromnetzwelt ab. Es gibt hierdurch kaum Anreize für weitere effiziente kostensenkende „smarte“ Investitionen, die im Vergleich zu einem konventionellen Netzausbau meist deutlich Betriebskosten-intensiver sind.9 Es bleibt deshalb offen, ob die so getroffenen Regelungen eine längerfristig zukunftsfähige Lösung darstellen.

Anpassungen in den Effizienzvergleichen: Die adäquatere Bewertung kann zu Sprüngen in den Effizienzwerten der Netzbetreiber führen. Allerdings werden opportunistische Optimierungsmöglichkeiten gedämpft. Zu beachten ist auch, wie sich der Übergang in der DEA auf konstante Skalenerträge auf die kleineren Unternehmen auswirkt. Hierdurch werden alle Verteilnetzbetreiber gegenüber einem Betriebsoptimum verglichen. Schließlich können durch die verschärften Bedingungen neue Fragen an die Belastbarkeit von internationalen Effizienzvergleichen von Übertragungsnetzbetreibern aufgeworfen werden. Es ist prinzipiell denkbar, dass auf internationale Effizienzvergleiche verzichtet wird und stattdessen Modellnetzanalysen herangezogen werden müssen, was ein Neuland darstellt.

Die novellierte ARegV enthält sowohl Einzelregelungen, die bei den Netzbetreibern zu höheren Erlösen führen können (z.B. Kapitalkostenabgleich, Effizienzbonus), als auch solche, die vor allem für kleinere und mittelgroße Unternehmen eine Verschärfung des Regelungswerkes mit sich bringen oder Unsicherheiten schaffen (vor allem Verschärfungen bei Effizienzvergleichen). Diese Neuregelungen werden sich auf die Netzbetreiber aufgrund deren Diversität unterschiedlich auswirken. An einzelnen Stellen erscheinen sie nicht vollständig in sich schlüssig (z.B. Effizienzbonus nur für DEA, Fokus der Refinanzierung auf kapitalintensive Netzlösungen). Hier sind künftig weitere Anpassungen möglich.

Insgesamt kann die Novellierung der ARegV als Zwischen­etappe interpretiert werden. Eine grundlegende Modernisierung der Regulierungssystematik ist nicht erfolgt. So wurde darauf verzichtet, das System in Richtung eines Yardstick-Ansatzes weiterzuentwickeln, in dem die Netzbetreiber in kürzeren Fristen hinsichtlich ihrer Effizienz miteinander verglichen und bewertet werden. Derartige Ansätze simulieren einen Wettbewerb zwischen den Unternehmen realitäts­näher als im derzeitigen System mit der Festlegung von Erlös­obergrenzen über Regulierungsperioden von fünf Jahren. Im Yardstick-Modell werden die Netzbetreiber weitgehend über einen Benchmark gesteuert, der sich auf die Durchschnitts­effizienz der regulierten Unternehmen bezieht und somit implizit ausgewogenere Effizienzboni schafft. Hinzukommende ausbau- oder erneuerungsbedingte Kosten werden vorübergehend anerkannt und gehen relativ schnell in die Kapitalbasis ein, die alle ein bis zwei Jahre über einen Unternehmensvergleich auf Effizienz geprüft werden. Dementsprechend wären umstrittene Instrumente wie Kapitalkostenabgleich oder Effizienzboni nicht erforderlich, da sie unmittelbar in die Regulierungssystematik eingebettet wären. Eine solche Ausrichtung sollte mittel- bis langfristig (weiterhin) das Zielmodell für die deutsche Regulierungssystematik sein.

Dieser Artikel stellt die persönliche Ansicht der Autoren dar und ist insbesondere nicht als eine fachliche Bewertung des Bundesamtes für Energie zu sehen.

  • 1 Vgl. Bundesnetzagentur: Evaluierungsbericht nach § 33 Anreizregulierungsverordnung, Bericht der Bundesnetzagentur für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Evaluierung der Anreizregulierung, insbesondere zum Investitionsverhalten der Netzbetreiber, mit Vorschlägen zur weiteren Ausgestaltung, 21.1.2015, S. 433 ff.
  • 2 Vgl. ebenda, S. 169-171.
  • 3 Von dieser Anpassung werden in der dritte Regulierungsperiode Investitionen, die vom 1.1.2008 bis 31.12.2016 getätigt wurden, ausgenommen. Dies gilt jedoch ab der vierten Regulierungsperiode nicht mehr.
  • 4 Vgl. Bundesnetzagentur, a.a.O., S. 375.
  • 5 Hier werden die Fotojahrkosten um jährlich 1% reduziert, damit am Ende der Regulierungsperiode die Ineffizienz von 5% abgebaut ist.
  • 6 Oder nach Ende der Regulierungsperiode in der Übergangszeit.
  • 7 Weitere Parameter können hinzukommen bis zu einer statistisch gesehen optimalen Modellgröße.
  • 8 D.h. falls die Veränderungen nicht durch die Verwendung der zweiten Methode kompensiert werden.
  • 9 Der Zeitverzugseffekt verlagert sich somit von den Kapitalkosten potenziell hin zu den Betriebskosten. Ein etwaiger J-Kurveneffekt ist zumindest prinzipiell denkbar, denn für steigende Betriebskosten erscheint es aufgrund einer mangelnden Anpassung in der Regulierungsperiode erwägenswert, dass diese zu Beginn einer Regulierungsperiode in den Startwert für die kommenden Jahre eingehen.

Title:What Will “Incentive Regulation 2.1” Deliver?

Abstract:After lengthy consultations, the German government has agreed to reform the existing incentive regulation ordinance (“Anreizregulierungsverordung”). Essential for the regulation of power and gas network operators, this ordinance determines the companies’ economic framework by defining their revenue options. The amendments which focus on improving investment conditions constitute a significant change towards a more cost-oriented system for investments. In addition, other important details have also been changed.


DOI: 10.1007/s10273-017-2085-6

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