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Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem dynamischen, kräftigen Aufschwung. Dabei hat sie sich im abgelaufenen Jahr gegenüber manchen politischen Belastungen und Risiken als weitgehend immun erwiesen. Insofern entwickelte sie sich 2017 deutlich besser als erwartet. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 2017 um durchschnittlich 2¼% gestiegen sein; die Rate im Jahresverlauf lag sogar bei 3%. Das Wirtschaftswachstum übertrifft nun schon seit 2014 das Potenzialwachstum; entsprechend hoch ist der Grad der Kapazitätsauslastung, der Sachverständigenrat für Wirtschaft spricht bereits von Überauslastung. Die Unternehmen haben ihre Investitionen spürbar erhöht; im Jahresverlauf von 2017 wurden die Ausrüstungsinvestitionen um nahezu 10% gesteigert. Auch ansonsten kamen die wichtigsten Wachstumsimpulse aus dem Inland; sowohl der private Konsum als auch die Bauinvestitionen nahmen deutlich zu. Der private Konsum wurde vom anhaltend kräftigen Anstieg der Beschäftigung und der Einkommen gestützt. Der Wohnungsbau, der mehr als die Hälfte aller Bautätigkeiten ausmacht, profitierte von den weiterhin niedrigen Zinsen. Vom Außenhandel kamen per saldo kaum Impulse, was aber in der aktuellen Konjunktursituation nicht verwunderlich ist. Der Export hat sich mit der besseren Weltkonjunktur zwar erholt, doch wurde eine stärkere Belebung der Auslandsnachfrage durch die Euro-Aufwertung gedämpft. Entscheidend war aber, dass die gute Binnenkonjunktur stärker wachsende Importe nach sich zog (vgl. Tabelle 1).

Unter diesen insgesamt günstigen Konjunkturbedingungen wurde die Beschäftigung weiter deutlich ausgeweitet, im Verlauf von 2017 um mehr als eine halbe Million Personen. Die Zahl der Arbeitslosen reduzierte sich so, trotz deutlicher Zunahme des Arbeitskräfteangebots nicht zuletzt infolge des Flüchtlingszustroms in den letzten Jahren, um gut 150 000 Personen. Die Arbeitslosenquote hat sich damit der 5%-Marke angenähert. Die Inflationsrate bewegt sich seit Monaten zumindest in Deutschland nahe der 2%-Marke. Auf den vorgelagerten Stufen, den Erzeugerpreisen und den Großhandelspreisen, ist der Preisauftrieb aber bereits merklich kräftiger.

Tabelle 1
Eckdaten für Deutschland
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2016 2017 2018 2019
Bruttoinlandsprodukt1 1,9 2,2 2,1 1,6
Private Konsumausgaben 2,1 2,1 1,7 1,5
Staatliche Konsumausgaben 3,7 1,1 1,2 1,1
Anlageinvestitionen 3,1 3,8 4,0 3,5
Ausrüstungen 2,2 4,2 5,9 5,0
Bauten 2,7 3,5 2,5 2,0
Sonstige Anlagen 5,5 3,6 4,3 4,1
Inlandsnachfrage 2,4 2,3 2,1 1,5
Ausfuhr 2,6 4,2 5,0 5,2
Einfuhr 3,9 4,8 5,7 5,7
Arbeitsmarkt
Erwerbstätige 1,3 1,5 0,8 0,5
Arbeitslose (in Mio.) 2,69 2,53 2,42 2,32
Arbeitslosenquote2 (in %) 5,8 5,4 5,1 4,9
Verbraucherpreise 0,5 1,7 1,8 2,1
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP) 0,8 1,1 0,9 0,8
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 8,2 8,2 8,0 8,0

1 Preisbereinigt. 2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). 3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; ab 2017 Prognose des HWWI.

Der Aufschwung ist breit angelegt und dürfte sich weiter fortsetzen. Dafür sprechen zurzeit insbesondere folgende Faktoren: Die Stimmungsindikatoren für die deutsche Wirtschaft bewegen sich auf Höchstniveaus, und die hohe Kapazitätsauslastung wird die Investitionsbereitschaft der Unternehmen eher noch verbessern. Ein auch damit verbundener weiterer Beschäftigungsanstieg wird über steigende Einkommen weiterhin den privaten Verbrauch stützen, zumal die Sparneigung angesichts niedriger Zinsen nicht besonders hoch ist. Gleichzeitig wird die Bautätigkeit weiter belebt bleiben. Selbst wenn der Wohnungsbau nach dem kräftigen Anstieg in den beiden vergangenen Jahren etwas weniger stark zunehmen wird, wird wohl mit mehr Ausrüstungen auch mehr im Wirtschaftsbau und aufgrund der guten Finanzlage des Staates auch im öffentlichen Bau, nicht zuletzt in die Infrastruktur, investiert werden. Auch der Export wird von der sich festigenden Weltwirtschaft profitieren, zumal bei dem für die USA erwarteten Zinsanstieg der Euro eher leicht abwerten und sich so die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern dürfte. Da allerdings auch die Importe angesichts der guten Binnenkonjunktur noch mal stärker zunehmen werden, sind vom Außenbeitrag netto wiederum keine zusätzlichen Wachstums­impulse zu erwarten. Der Aufschwung dürfte alles in allem im kommenden Jahr nur wenig an Dynamik verlieren. Unter dem Gesichtspunkt, dass sich die deutsche Wirtschaft einer Überhitzung zu nähern droht, ist eine Anpassung des Wachstumstempos an den Potenzialpfad nicht unerwünscht. Im Jahresdurchschnitt 2018 dürfte die deutsche Wirtschaft wegen des hohen Überhangs zur Jahreswende 2017/2018 allerdings mit gut 2% ähnlich stark wachsen wie 2017 (vgl. Abbildung 1). Der bislang kräftige Anstieg der Beschäftigung, der teils zulasten der Produktivität ging, dürfte sich etwas verlangsamen, aber weiterhin positiv bleiben. Da das Arbeitskräfteangebot wahrscheinlich ebenfalls langsamer zunimmt, wird die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen. Die Inflationsrate der Verbraucherpreise wird sich nach einem kurzen, basisbedingten Rückgang in den nächsten Monaten wieder der 2%-Marke annähern.

Abbildung 1
Preisbereinigtes BIP in Deutschland
Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima
Preisbereinigtes BIP in Deutschland

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet. 2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2017 Prognose des HWWI.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem klassischen zyklischen Aufschwung, der derzeit vor allem von den Investitionen getrieben wird. Mit zunehmender Anpassung der Kapazitäten wird sich die derzeit hohe Investitionsdynamik verringern und in der Folge der Anstieg der Beschäftigung und damit der Einkommen und des privaten Verbrauchs. Dieser Prozess dürfte bereits im Verlauf von 2018 einsetzen, sich dann aber vor allem in der Wachstumsrate von 2019 sichtbarer niederschlagen. Diese wird auf jahresdurchschnittlich 1,6% veranschlagt, läge damit aber immer noch etwa auf Höhe des Potenzialpfades, der sich mit den steigenden Investitionen etwas anheben dürfte. Die Beschäftigung würde weiter zunehmen, wenn auch weniger stark. Die Arbeitslosigkeit würde aber trotz Ausweitung des Arbeitskräftepotenzials weiter sinken, wahrscheinlich sogar unter die inzwischen vielfach als mit Vollbeschäftigung vereinbar erachtete Marke von 5%. Der Preisauftrieb würde bei dieser Konjunkturentwicklung etwas zunehmen und die Inflationsrate wohl auch auf knapp über 2% anziehen.

Voraussetzung für eine derartig anhaltend positive Entwicklung der Wirtschaft ist natürlich, dass es von externer Seite, sei es von der Politik oder von der Weltwirtschaft, keine allzu großen Störungen gibt. Dann könnte mit stärker wachsenden Exporten auch der Wachstumsbeitrag von außen wieder zunehmen, somit die konjunkturelle Basis breiter und nachlassende binnenwirtschaftliche Wachstumskräfte ausgeglichen werden. Unter derart idealen Bedingungen wäre ein über 2019 hinaus anhaltender und stärker als hier erwarteter Aufschwung möglich. Es gibt aber durchaus einige Risiken, etwa durch die Geldpolitik, insbesondere in den USA, innerhalb der EU, hier vorrangig ein nicht auszuschließender „harter“ Brexit, und nicht zuletzt seitens der Weltpolitik, etwa eskalierende Konflikte um Korea oder im Nahen Osten.

Der anhaltende Konjunkturaufschwung und sehr niedrige Zinsen – teils Negativzinsen für deutsche öffentliche Anleihen – haben in den letzten Jahren zu zunehmenden Überschüssen im Staatshaushalt geführt. Auch wenn sich die Überschüsse dieses und letzten Jahres von rund 35 Mrd. Euro und 25 Mrd. Euro rein rechnerisch den in den letzten Jahren stark gesunkenen Zinsausgaben im Staatshaushalt zurechnen ließen, und so gesehen eine gewisse Vorsicht für den Fall einer Trendumkehr bei den Zinsen geboten scheint, so ergeben sich doch zusätzliche finanzielle Spielräume für den Staat. Selbst bei einer Trendumkehr bei den Zinsen dürfte diese nur sehr langsam und langfristig angelegt sein. Die zusätzlichen finanziellen Spielräume für den Staat sollten vor allem für zwei Ziele eingesetzt werden: Verbesserung der Infrastruktur, einschließlich der digitalen, sowie Abgabenentlastungen der Bürger. Die Infrastruktur in Deutschland ist in vielen Bereichen „renovierungsbedürftig“. Nicht zuletzt in den Bereichen Bildung und Verkehr, und in der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft hinkt Deutschland gegenüber anderen Ländern hinterher. Mit den dank des Aufschwungs gestiegenen Einkommen hat auch die „kalte Progression“ gewirkt und der demografische Wandel wird in Zukunft ohnehin für eine steigende Abgabenbelastung sorgen. Die Überschüsse fielen nicht nur bei Bund und Ländern an, sondern auch bei den Sozialversicherungen. Folglich gibt es unterschiedliche Möglichkeiten für Abgabensenkungen, sowohl steuerlich wie auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und Abgabenentlastungen wären zudem wachstumsförderlich, sei es durch Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft, sei es durch die Kaufkraftstärkung der Bevölkerung.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2232-0