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Die Investitionstätigkeit ist eine der Schlüsselgrößen einer Volkswirtschaft. Die im Investitionsprozess stattfindende Kapitalbildung bedeutet, dass Einkommen nicht für die direkte konsumtive Vermögensbildung, sondern für zukünftige Produktions- und Konsummöglichkeiten verwendet werden. Die Nutzung dieser „Mehrergiebigkeit von Produktionsumwegen“1 führt zum Aufbau eines Kapitalstocks und damit zu einer wachsenden Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft. Der Blick auf die Funktionsfähigkeit des Investitionsmechanismus ist daher zentral für die Beschreibung von wirtschaftspolitischen Prioritäten.

Dabei kommt es aber nicht allein auf die Höhe der Investitionen oder der Investitionsquote an. Entscheidend ist vielmehr, dass die investierten Mittel stets eine produktive Verwendung finden, und dass für die produktivsten Verwendungen Kapital zur Verfügung steht. Dies gilt gleichsam für private wie öffentliche Investitionen. Private Fehlinvestitionen sind ebenso wohlstandsmindernd wie öffentliche. Da im wettbewerblichen Entdeckungsprozess Fehleinschätzungen nicht nur nicht auszuschließen sind, sondern notwendigerweise zum Alltag gehören, kommt es auch dauernd zu nicht wirtschaftlichen Investitionen. Problematisch wird das, wenn systematische Fehleinschätzungen oder Fehlanreize vorliegen, die einen unwirtschaftlichen Investitionsboom erzeugen. Ein gutes Beispiel dafür sind Immobilien- und Infrastrukturinvestitionen in Spanien vor der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise mit Investitionsquoten von 30% des Bruttoinlandsprodukts. Hohe private und öffentliche Investitionen führten nicht zu zusätzlichen wirtschaftlich verwertbaren Produktionspotenzialen, sondern zu Investitionsruinen, privater Verschuldung und leeren öffentlichen Kassen. Die hohen Ausprägungen der quantitativen Indikatoren zur Investitionstätigkeit waren kein Zeichen künftigen Wachstums.

Die Investitionsquote kann zur Analyse der Investitionsentwicklung herangezogen werden, sie ist aber – wie schon das spanische Beispiel zeigte – nicht als makroökonomische Zielgröße der Wirtschaftspolitik geeignet. Es fehlt zudem an einem angemessenen Maßstab, wie hoch die normativ „richtige“ Investitionsquote sein sollte. Weder der internationale noch der zeitliche Vergleich sind hierfür angemessen. So ist beispielsweise die Investitionsquote in Deutschland nach der Wiedervereinigung aufgrund des hohen Modernisierungsbedarfs der neuen Bundesländer sehr viel höher gewesen als danach. Als Referenz ist der Zeitraum deshalb ungeeignet. Auch die Orientierung des Investitionsvolumens an anderen Ländern unterstellt implizit, dass deren Wert angemessener ist, ohne dass dies spezifisch begründet werden kann.

Investitionshemmnisse in Deutschland

Seit einigen Jahren wird eine intensive Diskussion über die deutsche Investitionstätigkeit geführt.2 In dieser Debatte stehen meist öffentliche Investitionen in Infrastrukturen (Straßen, Brücken, Schulen oder Datennetze) im Mittelpunkt. In der Tat herrscht hier ein hoher Nachholbedarf, z.B. bei der Sanierung der Verkehrswege oder dem Neubau eines Breitband-Datennetzes. Dies sind wichtige komplementäre Investitionen, die oft eine Voraussetzung für entsprechende private Investitionen sind. Da aber rund 90% der Investitionen keine öffentlichen, sondern private Investitionen sind, spielen die Rahmenbedingungen für unternehmerische Investitionen für die gesamtwirtschaftliche Kapitalbildung eine dominante Rolle. Daher sollte die Politik sich nicht nur den öffentlichen Investitionen und Fragen der öffentlichen Haushalte widmen, sondern die privaten Investitionsbedingungen in den Blick nehmen. Die Entwicklung der Unternehmensinvestitionen in den letzten Jahren zeigt trotz der robusten Verfassung der Volkswirtschaft3 ein gemischtes Bild. Das Investitionswachstum war zuletzt oberhalb des langjährigen Durchschnitts, aber deutlich schwächer als in vorangegangenen Aufschwüngen. Für die Entwicklung neuer Potenziale für Wertschöpfung und Einkommen ist es von besonderer Bedeutung, die Voraussetzungen für unternehmerische Investitionen zu verbessern.

In Untersuchungen4 wurden mithilfe von Unternehmensbefragungen aktuelle Investitionshemmnisse identifiziert. Diese können früheren Befragungen5 gegenübergestellt werden, die mit vergleichbaren Fragen 2014 durchgeführt wurden (vgl. Abbildung 1). Aus dem Vergleich der wichtigsten Hemmnisse für mehr Investitionen 2014 und 2017 können Schlüsse hinsichtlich sich verändernder politischer Rahmen- und wirtschaftlicher Umfeldbedingungen gezogen werden.

Insgesamt ist das Ausmaß der Investitionshemmnisse leicht rückläufig, was auch mit der guten wirtschaftlichen Dynamik der jüngeren Vergangenheit und den positiven konjunkturellen Aussichten zu erklären ist. Gleichzeitig gibt es Schwerpunktverlagerungen bei den Problemen, die sich aus Sicht der Unternehmen stellen. Es zeigt sich, dass die wesentlichen Gründe, die vermehrten privaten Investitionen im Wege stehen, hausgemacht sind. Die globale Dynamik oder Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung Europas spielten 2014 noch eine bedeutende Rolle, sie sind aber zwischenzeitlich in den Hintergrund getreten. Externe, nachfrageseitige Faktoren spielen nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind hingegen die angebotsseitigen Argumente geworden, die von der nationalen Politik adressiert werden können. Bürokratieaufwand, Regulierungsdichte, Kosten- und Steuerniveau sowie der Mangel an Fachkräften gehören zu den bedeutendsten internen Problemen. Hier anzusetzen heißt, die Voraussetzungen dafür zu verbessern, dass private Investitionen in Deutschland getätigt werden können und damit künftige Beschäftigungs- und Wertschöpfungschancen entstehen.

Als wichtigstes Investitionshemmnis wurde zu beiden Zeitpunkten das Niveau an Bürokratie und Regulierungen genannt. Tatsächlich sind die vom Normenkontrollrat errechneten Erfüllungskosten für Bundesgesetze seit 2011 um 10 Mrd. Euro gestiegen. Dennoch ist der Anteil der Unternehmen, die hierin ein starkes Investitionshemmnis sehen, mit 50% leicht rückläufig. Besonders betroffen sind kleinere Unternehmen, die systematisch häufiger Bürokratie und Regulierungen als Investitionshemmnis angeben. Auch die Branchen sind hier unterschiedlich betroffen, besonders stark die Bauwirtschaft. Der stärkste Zuwachs auf der Liste der Hindernisse entfällt auf den Fachkräftemangel. Sahen 2014 noch ein Drittel der Unternehmen hierin ein gravierendes Investitionsproblem, waren es nur drei Jahre später schon die Hälfte der Befragten. Für die künftige wirtschaftliche Entwicklung ist das ein Warnsignal.

Abbildung 1
Investitionshemmnisse der Unternehmen in Deutschland
Ergebnisse von Unternehmensbefragungen 2014 und 2017, Anteil der Antworten „starke Hemmnisse“ in %, beschäftigungsgewichtete Werte
Investitionshemmnisse der Unternehmen in Deutschland

Quelle: H. Bardt, M. Grömling: Hausgemachte Investitionshemmnisse, IW-Kurzbericht, Nr. 76/2017, Köln.

Mit gut 40% sind Arbeitskosten und weltwirtschaftliche Unsicherheiten weiterhin gewichtige Schwierigkeiten, die nur von den größten Unternehmen unterdurchschnittlich als Problem erkannt werden. Dabei sind die wahrgenommenen Risiken des globalen Umfelds um fast 10 Prozentpunkte zurückgegangen. Die einzelnen Komponenten werden von jedem vierten Unternehmen (weltweite Unsicherheit durch Protektionismus und Zukunft Europas) bzw. jeder fünften Firma (Schwellenländer) hervorgehoben. Auch die Energiekosten werden von weniger Unternehmen als konkretes Investitionshemmnis angesehen. Überdurchschnittlich stark ist hier der negative Einfluss bei den kleineren Unternehmen, die nicht von den Ausnahmen der entsprechenden Belastungsregeln profitieren. Die sinkende Bedeutung der Energiekosten ist aber auch auf die weltweit gesunkenen Rohstoffpreise zurückzuführen. Die energiepolitischen Rahmenbedingungen lösen hingegen bei einem guten Drittel der Unternehmen Investitionsverzögerungen aus.6

Drastisch an Bedeutung verloren haben die Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Vor drei Jahren sahen darin noch 45% der Unternehmen ein Hindernis für mehr Investitionen, heute sind es nur noch 12%. Während dies 2014 noch eine der wichtigsten Sorgen war, hat sich die Stabilisierung der europäischen Volkswirtschaften positiv auf die Investitionsneigung der Unternehmen in Deutschland ausgewirkt.

Ansatzpunkte für eine Investitionspolitik

Die Analyse der Investitionsentwicklung signalisiert einen Mangel an Investitionen in Deutschland. Ein rein quantitatives, an makroökonomischen Größen festgemachtes Problem ist jedoch nicht eindeutig zu beobachten. Die Nettoinvestitionsquoten, also die Differenz aus Bruttoinvestitionen und Abschreibungen, entwickeln sich moderat. Gleichzeitig ist jedoch eine Alterung des Kapitalstocks zu beobachten. Diese Divergenz entsteht aus der längeren Nutzungsphase von Investitionsgütern, die über die statistisch eingerechneten Abschreibungszeiträume hinausgeht. Die längere Nutzung ist zunächst einmal unproblematisch, da dies die Rendite der Investitionsgüter erhöht und den Ressourcenaufwand der damit geschaffenen Produktion verringert. Eine Überalterung des Kapitalstocks, bei der bestehende Kapitalgüter nicht ersetzt und in der Folge die Produktionsmöglichkeiten verringert werden, wäre sehr viel kritischer zu bewerten.

Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen dürfen nicht an einer aggregierten makroökonomischen Größe ansetzen, sondern an der konkreten Wirtschaftlichkeit der einzelnen Investitionsentscheidungen. Eine Größe wie die Investitionsquote kann auch über wirtschaftlich nicht lohnende Investitionen nach oben geführt werden. Nur wenn die Investitionen aus sich heraus sinnvoll sind, kann die Gefahr vermieden werden, dass auch nicht wirtschaftliche Investitionen forciert werden, nur um eine makroökonomische Zielgröße zu erreichen. Damit Investitionen an einem Standort attraktiv sind, kommt es auf zahlreiche Faktoren an. Dies hat die Unternehmensbefragung deutlich gezeigt. Dabei muss nicht jede einzelne Komponente einen besonderen Vorteil darstellen, jedoch muss das Gesamtpaket ausreichend attraktiv sein. Deutschland hat z.B. traditionell Schwächen im Kostenvergleich, aber Stärken in der Rechtssicherheit oder beim Ausbildungsstand der Mitarbeiter.7 Zu den wichtigsten Maßnahmen einer standortsichernden Investitionspolitik gehören:

  • Die Unsicherheiten zu beseitigen, die über die Zukunft der Eurozone, der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen und der EU nach dem Brexit bestehen, ist eine Aufgabe der Politik, die weit über die Wirtschaftspolitik hinausgeht. Dennoch ist dies für das für längerfristige Investitionen notwendige Vertrauen mitentscheidend.
  • Die Energiekosten sind bereits ein Investitionshemmnis.8 Die teilweise Finanzierung der Energiewende über die öffentlichen Haushalte würde den Standortnachteil beseitigen, ohne die energiepolitischen Ziele zu gefährden.9
  • Die Steuern gehören in Deutschland zu den weltweit höchsten.10 Dieser Kostennachteil sollte durch eine Steuerreform reduziert werden.
  • Der Abbau von Bürokratiekosten gehört zu den Daueraufgaben der Rechtsetzung. Ein wichtiger Schritt wäre die erneute Einsetzung eines Abbauziels für Bürokratielasten.11 Besonders für Neugründungen darf staatliche Bürokratie kein signifikantes Hindernis darstellen.
  • Eine verbesserte Ausbildung im MINT-Bereich, qualifizierte Zuwanderung, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie längere Lebensarbeitszeiten können dazu beitragen, die Fachkräftelücke zu verringern, die sich infolge der demografischen Entwicklung noch deutlich verschärfen wird.12
  • Die Qualität der Infrastruktur ist eine Stärke des Standorts Deutschland, die behalten und auf moderne Standards gehoben werden muss. In der Verkehrsinfrastruktur stehen erhebliche Erhaltungsinvestitionen an, bei der Energiewende müssen Netze an die neuen Erzeugungsstrukturen angepasst werden. Erheblicher Ausbaubedarf besteht bei der digitalen Infrastruktur. Die flächendeckende Anbindung der Industrie an das schnelle Internet ist ein entscheidender Baustein für die Entwicklung der Industrie 4.0.
  • In der Förderung von Gründungen liegt ein wichtiges Potenzial für künftige Investitionen. Neben Bürokratieerleichterungen und Finanzierungsmöglichkeiten sollte ein gründungsfreundliches Klima gefördert werden, wie dies bereits vereinzelt in der Start-up-Szene anzutreffen ist.
  • Entscheidend für künftige Wachstumspotenziale ist die Innovationsfähigkeit und -freundlichkeit der Unternehmen. Mit den industrienahen Forschungseinrichtungen hat Deutschland ein wichtiges Angebot für innovative Unternehmen. Sicherung und Ausbau der Innovationskapazitäten sowie gesellschaftliche Offenheit für Innovationen und damit verbundene Veränderungen sind essenziell für Investitionen und wirtschaftlichen Erfolg. Die Industrie 4.0 ist ein entsprechendes Innovations- und Investitionsprojekt.
  • 1 E. Böhm von Bawerk: Kapital und Kapitalzins, Innsbruck 1884.
  • 2 M. Fratzscher: Stärkung von Investitionen in Deutschland, Stellungnahme der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Berlin 2016.
  • 3 M. Hüther: Versuche, die Robustheit der deutschen Volkswirtschaft zu verstehen, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 7, S. 490-498.
  • 4 H. Bardt, M. Grömling, T. Hentze, T. Puls: Investieren Staat und Unternehmen in Deutschland zu wenig? – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf, Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, IW-Analysen, Nr. 118, Köln 2017.
  • 5 H. Bardt, M. Grömling, M. Hüther: Schwache Unternehmensinvestitionen in Deutschland?, Diagnose und Therapie, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 64. Jg. (2015), H. 2, S. 224-250.
  • 6 H. Bardt, T. Schaefer: Energiepolitische Unsicherheit verzögert Investitionen in Deutschland, IW policy paper, Nr. 13, Köln 2017.
  • 7 IW Köln – Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Industrielle Standortqualität. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?, IW-Studie, Köln 2013.
  • 8 H. Bardt, T. Schaefer, a.a.O.
  • 9 T. Schaefer: Der Energiesoli. Alternative Finanzierungsmodelle für die Energiewende, IW policy paper, Nr. 9, Köln 2017.
  • 10 OECD: Taxing Wages. 2015-2016, Paris 2017.
  • 11 R. Kroker, H. Bardt: 10 Jahre Nationaler Normenkontrollrat. Ein bewährtes Konzept zum Bürokratieabbau weiterentwickeln, IW policy paper, Nr. 12, Köln 2016.
  • 12 IW Köln – Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Perspektive 2035. Wirtschaftspolitik für Wachstum und Wohlstand in der alternden Gesellschaft, IW-Studie, Köln 2017.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2231-1