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In der Wirtschaftspolitik bleibt eigentlich nie Zeit, die lange Frist in den Blick zu nehmen. Meistens herrscht Krisenzustand – Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise –, da gibt es immer gerade wichtigere Dinge. Oder die Konjunktur befindet sich im Abschwung, da muss man sich um die kurzfristigen Probleme kümmern. Die Fundamente des langfristigen Wohlstands werden dabei leicht vergessen. Was kann die Politik tun, um langfristig eine hohe gesamtwirtschaftliche Produktivität zu fördern, die unseren Wohlstand und den der nächsten Generation sichert?

Bildung in der Wachstumsökonomik

Die Wachstumsforschung betont schon seit längerer Zeit, dass die Bildung der Bevölkerung eine zentrale Rolle für den langfristigen Wohlstand spielt.1 Aus ökonomischer Sicht lässt sich Bildung als eine Investition verstehen – in Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten der Bevölkerung. Dadurch können Menschen ihre Arbeit produktiver ausüben und Innovationen entwickeln und anwenden. In der makroökonomischen Wachstumstheorie werden vor allem zwei generelle Mechanismen betont, durch die Bildung die langfristige wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft beeinflussen kann.

  1. Bildung ist ein Produktionsfaktor, der akkumuliert werden kann. Sie ist eine Investition, die nicht nur die individuelle Produktivität erhöht, sondern durch Aggregation auch die volkswirtschaftliche Produktivität insgesamt. Beim Übergang vom alten Gleichgewicht der gesamtwirtschaftlichen Produktion zum neuen höheren Gleichgewicht steigt dadurch die Wachstumsrate der Volkswirtschaft. In solchen erweiterten neoklassischen Wachstumsmodellen hebt Bildung die gesamtwirtschaftliche Produktivität, indem Humankapital akkumuliert wird.
  2. Bildung wirkt, indem sie neue Technologien generiert und deren Verbreitung erleichtert. Letztlich hängt die langfristige Wachstumsrate einer Volkswirtschaft vom technologischen Fortschritt ab. Verbesserungen in der Technologie, mit der Produktionsfaktoren in Output umgewandelt werden (die totale Faktorproduktivität), beruhen auf Produkt- und Prozessinnovationen. In endogenen Wachstumsmodellen entstehen solche Innovationen aus gezielten Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dieser Vorgang wird durch die zugrundeliegenden Erfindungen der Menschen befeuert, die aus deren Wissen und Fähigkeiten hervorgehen. Von besser gebildeten Menschen wird ein kontinuierlicher Strom an neuen Ideen und Technologien erzeugt, der die Innovationskapazität der Volkswirtschaft erhöht und so nachhaltige Wachstumsdynamiken auslöst.

Das Wissenskapital der Nationen

Wer würde solchen theoretischen Überlegungen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Bildung der Bevölkerung nicht zustimmen? Zumindest in Sonntagsreden in konjunkturell guten Zeiten. Aber wie wichtig ist gute Bildung wirklich für die Wirtschaft? Kann sie z.B. so fundamentale langfristige Phänomene wie das ostasiatische Wirtschaftswunder oder das lateinamerikanische Wachstumsrätsel erklären?

Um die Bedeutung der Bildung für den Wohlstand der Nationen zu veranschaulichen, lohnt ein kleines Gedankenexperiment.2 Stellen Sie sich vor, Sie wären im Jahr 1960 und müssten vorhersagen, welche Weltregionen im nächsten halben Jahrhundert wirtschaftlich abheben und welche auf der Stelle treten. Damals waren die Länder Lateinamerikas etwa doppelt so reich wie die in Ostasien oder Afrika südlich der Sahara, und die durchschnittlichen Bildungsjahre ihrer Bevölkerung waren deutlich höher. Lateinamerika schien also bereit, zu den reichen Ländern der westlichen Welt aufzuschließen.

Heute wissen wir, dass es ganz anders gekommen ist. Die Menschen in Ostasien sind – gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – mehr als siebenmal so reich wie ihre Großeltern, die Menschen in Lateinamerika aber nicht mal zweieinhalb mal so reich und die Menschen in Subsahara-Afrika nicht mal doppelt so reich. Das ist die Kraft unterschiedlicher Wachstumsraten – von jährlich durchschnittlich gut 1% bis über 4% – über einen langen Zeitraum. Im Durchschnitt ist Lateinamerika gut anderthalb Prozentpunkte pro Jahr langsamer gewachsen als der Rest der Welt, Ostasien hingegen rund zweieinhalb Prozentpunkte schneller. Allerdings kann die unterschiedliche Zahl an Bildungsjahren der Bevölkerung diese Unterschiede so gut wie gar nicht erklären. Also alles falsch mit den ökonomischen Theorien zur angeblichen Bedeutung von Bildung für wirtschaftliches Wachstum? Sicherlich haben einige Entwicklungsstrategien, die auf eine Expansion der Bildungsdauer gesetzt haben, eher enttäuscht.

Aber bevor wir die Bedeutung von Bildung für langfristigen Wohlstand abschreiben, sollten wir uns bewusst machen, dass ein Jahr Bildung in Lateinamerika im Vergleich zu Ostasien vielleicht ganz unterschiedlich viel Wissen, Kompetenzen und Fertigkeiten vermittelt. Betrachten wir dazu einmal die in den PISA-Vorgängerstudien gemessenen Basiskompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften.3 Die Unterschiede sind frappierend: Ostasiatische Schüler sind ihren Altersgenossen in Lateinamerika wissensmäßig drei Schuljahre voraus, denen in Subsahara-Afrika sogar vier Schuljahre. Pro Bildungsjahr weisen die Menschen in Lateinamerika und Subsahara-Afrika also schlichtweg wesentlich weniger erworbenes Wissen auf als in Ostasien.

Diese Unterschiede in den Kompetenzen der Bevölkerung – die wir aufsummiert kurz als „Wissenskapital“ der Nationen bezeichnen – können das langsame Wachstum Lateinamerikas und das schnelle Wachstum Ostasiens statistisch gesehen vollständig erklären.4 Gleiches gilt für das noch langsamere Wachstum in Afrika südlich der Sahara. Wenn Unterschiede im Wissenskapital berücksichtigt werden, bleiben keine signifikanten Wachstumsunterschiede zwischen den Weltregionen übrig. Unterschiede in der Bildungsdauer tragen hingegen nichts zur Erklärung der Wachstumsunterschiede bei.

Was bedeutet das konkret? In den 1960er Jahren waren in Peru wie in Südkorea viele Menschen Bauern, die ihre Familien gerade so ernähren konnten. Der Enkel des peruanischen Maisbauern führt heute nach zehn Jahren Schulbesuch einfache Tätigkeiten in einer kleinen Firma aus. Ihm geht es zwar besser als seinem Großvater, aber nicht viel. Der Enkel des südkoreanischen Reisbauern hingegen übt nach ebenfalls zehn Jahren Schule hochwertige Tätigkeiten in einer IT-Firma in einer boomenden Metropole aus, die nichts mehr mit den ärmlichen Verhältnissen der Großvatergeneration zu tun hat. Ein großer Teil der unterschiedlichen Wirtschaftsentwicklung der Länder weltweit lässt sich auf Unterschiede in den Kompetenzen der Menschen zurückführen. Entwicklungsstrategien, denen es gelingt, die tatsächlichen Kompetenzen der Menschen zu verbessern, versprechen also großen Erfolg. Hingegen müssen Entwicklungsstrategien, die nur auf die Bildungsdauer setzen ohne das tatsächlich Gelernte zu verbessern, zu Enttäuschungen führen.

Das in Abbildung 1 wiedergegebene Bild, das 59 Länder mit verfügbaren Daten betrachtet, ist eindeutig: je besser die Bildungsleistungen, desto höher das Wachstum. In das einfachste Modell gehen als weitere Erklärungsfaktoren lediglich das Ausgangsniveau des Pro-Kopf-Einkommens und die Bildungsjahre ein. Ohne Berücksichtigung der Bildungsleistungen kann dieses Modell nur ein Viertel der Wachstumsunterschiede zwischen den Ländern erklären. Die Berücksichtigung der schulischen Leistungen erhöht die Erklärungskraft auf drei Viertel der gesamten Wachstumsunterschiede. Dabei verschwindet jeglicher Effekt der Bildungsjahre, sobald das Leistungsmaß berücksichtigt wird. Anders ausgedrückt: Schulbildung wirkt sich nur in dem Maße wirtschaftlich aus, wie sie auch tatsächlich Kompetenzen vermittelt. Es reicht nicht, nur die Schul- oder Universitätsbank zu drücken; auf das Gelernte kommt es an.

Abbildung 1
Wissenskapital und Wirtschaftswachstum
Wissenskapital und Wirtschaftswachstum

1 Wirtschaftswachstum: durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in %, 1960-2000. 2 Bildungsleistungen: Leistungen in allen internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftstests zwischen 1964 und 2003 in exponentiellen PISA-Punkten. Zusammenhang nach Herausrechnung weiterer Einflussfaktoren. Jeder Punkt steht für ein Land.

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von E. A. Hanushek, L. Wößmann: Knowledge Capital, Growth, and the East Asian Miracle, in: Science, 351. Jg. (2016), H. 6271, S. 344-345.

Die Größe dieses Effektes ist beträchtlich: Würde ein Land seine Bildungsleistungen um 25 PISA-Punkte verbessern – was etwa Deutschland und Polen im letzten Jahrzehnt gelungen ist – so würde sich sein jährliches Wachstum langfristig um rund einen halben Prozentpunkt erhöhen. Über fünfzig Jahre gerechnet entspräche das einem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens um mehr als ein Viertel.

Zusätzlich zeigt sich, dass sich sowohl eine gute Bildungsbasis in der Breite der Bevölkerung als auch eine genügend große Leistungsspitze auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Insofern sollte man Bildung in der Breite und Spitzenleistungen niemals gegeneinander ausspielen: Es kommt auf beides an. Bei richtiger Messung belegt die empirische Forschung also doch Wachstumstheorien, die der Bildung eine große Bedeutung zusprechen: Bildung macht die Menschen in ihrer Arbeit produktiver und lässt sie neue Ideen ersinnen und anwenden, die die Grundlage für Innovation, technologischen Fortschritt und damit langfristigen Wohlstand sind.5

Ursächlicher Effekt höherer Bildungsleistungen

Aber könnte es nicht sein, ließe sich einwenden, dass Länder, die aus ganz anderen Gründen schneller wachsen, auch bessere Bildungsleistungen aufweisen? Prinzipiell könnte die Ursache für den Zusammenhang auch in einem umgekehrten Effekt (Wachstum führt zu besseren Schulen) oder in unbeobachteten institutionellen oder kulturellen Faktoren liegen, die sowohl Wachstum als auch Bildungsleistungen beeinflussen. Zahlreiche zusätzliche Untersuchungen legen allerdings nahe, dass es sich bei der Korrelation tatsächlich um einen kausalen Zusammenhang handeln dürfte.6 Zunächst einmal erweist sich die Bedeutung des Wissenskapitals für das Wirtschaftswachstum als ausgesprochen robust, wenn das Modell weitere Faktoren berücksichtigt wie Offenheit für internationalen Handel, Eigentumssicherheit, geografische Lage, Fertilität oder physisches Kapital.

Dann lässt sich die Analyse zeitlich auseinanderziehen: Betrachten wir nur die bis Mitte der 1980er Jahre durchgeführten Tests, so haben diese den gleichen signifikanten Effekt auf das spätere Wirtschaftswachstum seit Mitte der 1980er Jahre. Eine umgekehrte Kausalität von Wachstum auf Schülerleistungen ist auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil sich zeigt, dass zusätzliche Ressourcen im Schulsystem, die vielleicht durch schnelleres Wachstum möglich wären, nicht systematisch mit besseren PISA-Leistungen einhergehen. Mehr Geld bringt nicht automatisch bessere Leistungen hervor.

Ein weiterer Kausalitätstest besteht darin, im Rahmen einer sogenannten ökonometrischen Instrumentvariablenschätzung nur denjenigen Teil der Variation in den schulischen Leistungen zu nutzen, der sich aus institutionellen Unterschieden zwischen den Schulsystemen wie etwa Zentralabitur, Dezentralisierung oder Anteil privat geleiteter Schulen ergibt. Damit können sonst mögliche Verzerrungen aufgrund unbeobachtet bleibender Länderunterschiede ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse belegen eine Kausalität von im Schulsystem generierten Leistungen auf das Wirtschaftswachstum.

Dass die Ergebnisse nicht durch andere Faktoren wie etwa eine unterschiedlich effektive Organisation marktlicher Prozesse zustande kommen, lässt sich auch durch folgende Untersuchung ausschließen: Wir haben uns Immigranten verschiedener Länder auf ein und demselben US-Arbeitsmarkt angeschaut. Es zeigt sich, dass Immigranten, die ihre Bildung in ihrem Heimatland erhalten haben, in den USA signifikant mehr verdienen, wenn dieses Land ein durch höhere Testleistungen belegtes besseres Schulsystem hat. Das gilt aber nicht für Immigranten aus demselben Land, die ihre Bildung in den USA erhalten haben. In einem ökonometrischen Differenzen-in-Differenzen-Schätzansatz lassen sich deshalb rein vom jeweiligen Ursprungsland bedingte Effekte ausschließen, die etwa aufgrund kultureller Faktoren oder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen der Heimatländer zustande gekommen sein könnten.

Schließlich können wir auch alle Niveauunterschiede zwischen Ländern, die mit unbeobachteten Länder­eigenschaften zusammenhängen könnten, außer Betracht lassen und uns mit unserem über die Zeit vergleichbaren Testmaß nur die Veränderungen in Testleistungen und Wachstumsraten anschauen. Eine solche Betrachtungsweise eliminiert jegliche Niveaueffekte, die mit länderspezifischen Institutionen und Kulturen verbunden sein könnten. Für die OECD-Länder, für die sowohl sehr frühe Testleistungen als auch kürzliche Testleistungen vorliegen und somit längerfristige Trends in den Schülerleistungen berechnet werden können, ergibt sich deutlich, dass diejenigen Länder, die es geschafft haben, ihre schulischen Leistungen zu verbessern, auch eine signifikante Erhöhung ihrer Wachstumsrate erfahren haben.

Politische Maßnahmen für besseres Wissenskapital

Was heißt all dies für Deutschland und Europa? Interessanterweise findet sich die große Bedeutung des Wissens­kapitals für das Wirtschaftswachstum in entwickelten Ländern genauso wie in Entwicklungsländern. Will die Wirtschaftspolitik nicht immer nur kurzfristigen Problemen hinterherrennen, sondern auf langfristigen Wohlstand zielen, muss sie also die Bildung der Bevölkerung in den Blick nehmen. Um in der globalen, sich ständig wandelnden Wirtschaft nicht abgehängt zu werden, muss es dem Bildungssystem und der Gesellschaft insgesamt gelingen, die nachwachsende Generation mit hohen Kompetenzen auszustatten.

Dazu kommt es nicht in erster Linie auf höhere Bildungsausgaben an: Wie die empirische Forschung wiederholt gezeigt hat, gehen höhere Ausgaben, kleinere Schulklassen oder bessere Computerausstattung weder im internationalen Vergleich noch innerhalb von Ländern systematisch mit besseren Bildungsleistungen einher. Aber auf das Erlernte kommt es für den späteren Wohlstand an.

Vielmehr muss das Bewusstsein für Bildungsergebnisse ins Zentrum rücken – sowohl in den Familien als auch in den Schulen. Dazu bedarf es neben guter frühkindlicher Bildung für alle Kinder und erstklassiger Lehrkräfte vor allem eines guten Ordnungsrahmens im Schulsystem.7 Denn die institutionellen Rahmenbedingungen bestimmen die Anreize, ob es sich für alle Beteiligten lohnt, sich für bessere Ergebnisse anzustrengen. Damit es im Schulsystem zu erfolgreicher Kompetenzvermittlung kommt, müssen Schüler zum Lernen und Lehrer zum Lehren motiviert sein.

Ein wichtiges Element dafür sind externe Prüfungen. Analysen der internationalen Tests zeigen, dass die erzielten Schülerleistungen dort wesentlich besser sind, wo es externe Abschlussprüfungen gibt. Das belegt auch der Vergleich der deutschen Bundesländer, unter denen bis Mitte der 2000er Jahre knapp die Hälfte zentrale Abschlussprüfungen hatte, die andere Hälfte nicht. Externe Prüfungen machen die Akteure für das Erreichte verantwortlich und lassen Lernanstrengungen für andere sichtbar werden, so dass sie sich später auszahlen. Dementsprechend wurde auch gezeigt, dass Abiturnoten aus externen Prüfungen deutlich enger mit dem späteren Einkommen zusammenhängen als Noten aus lokalen Prüfungen.8

Deshalb schlägt der Aktionsrat Bildung ein bundesweit Gemeinsames Kernabitur vor, in dem ein gemeinsam durchgeführter Prüfungsbestandteil in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch auf der Basis der vereinbarten nationalen Bildungsstandards zumindest 10% der Abiturabschlussnote ausmacht.9 Auf diese Weise könnten die Umsetzung von nationalen Bildungsstandards sowie ein fairer Hochschulzugang gesichert werden. In der deutschen Bevölkerung gibt es für solche externen Prüfungen eine überwältigende Zustimmung: In der repräsentativen Meinungsumfrage des ifo Bildungsbarometers sprechen sich über 80% der Deutschen für deutschlandweit einheitliche Abschlussprüfungen beim Haupt- und Realschulabschluss und beim Abitur aus.10

Darüber hinaus belegen internationale Studien, dass Schüler dort signifikant mehr lernen, wo Schulen mehr Selbständigkeit haben. Dabei gehören schulische Selbständigkeit und externe Prüfungen zusammen: Eine erfolgreiche Bildungspolitik legt Standards extern fest und überprüft ihr Erreichen extern, überlässt es aber den Schulen selbst, wie sie diese am besten erreichen können. Vor allem in Personalfragen und in Fragen des Tagesgeschäfts benötigen Schulen mehr Freiheit.

Schließlich erweist sich Wettbewerb der Schulen um die besten Ideen, wie er durch größere Wahlmöglichkeiten für Eltern entsteht, als ein entscheidender Einflussfaktor auf die Bildungsergebnisse. Müssen die Schulen um die Gunst der Eltern konkurrieren, dann können diese die aus ihrer Sicht beste Alternative wählen, und schlechte Schulen verlieren ihre Schüler. So zeigen internationale Analysen, dass Schulsysteme, die hohe Anteile von Schulen in freier Trägerschaft mit staatlicher Finanzierung verbinden, am besten abschneiden. Wenn alle Schüler unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund denselben Zugang zu alternativen Schulen haben, entsteht ein Wettbewerb der Schulen um die besten Konzepte, der allen Schülern zugutekommt.

Fazit

Bei aller Komplexität der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Analysen ist die Schlussfolgerung erschreckend einfach: Langfristig hängen die volkswirtschaftlichen Wachstumsraten direkt mit den Kompetenzen der Menschen zusammen. Die relevanten Kompetenzen – das „Wissenskapital“ einer Nation – lassen sich mit internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftstests gut messen. Ein Verständnis des Wohlstands der Nationen muss letztlich auf dem Wissenskapital der Nationen beruhen. Deshalb muss Wirtschaftspolitik die Bildung der Bevölkerung in den Blick nehmen, wenn sie nicht nur kurzfristige Löcher stopfen, sondern langfristigen Wohlstand sichern will. In diesem Sinne ist gute Bildungspolitik wohl die beste Wirtschaftspolitik: Mit Wissen, Kompetenzen und Fertigkeiten der Menschen wird das Fundament gelegt, das den Wohlstand der Gesellschaft langfristig trägt.

  • 1 Vgl. etwa C. I. Jones, D. Vollrath: Introduction to Economic Growth, 3. Aufl., New York 2013; auch E. A. Hanushek, L. Wößmann: The Role of Cognitive Skills in Economic Development, in: Journal of Economic Literature, 46. Jg. (2008), H. 3, S. 607-668.
  • 2 Vgl. zum Folgenden E. A. Hanushek, L. Wößmann: The Knowledge Capital of Nations: Education and the Economics of Growth, Cambridge MA 2015.
  • 3 Seit Mitte der 1960er Jahre gibt es internationale Vergleichstests von Schülerleistungen in Mathematik und Naturwissenschaften. Für die Berechnungen wurden die Leistungen aller 36 Tests mit empirischen Kalibrierungsmethoden auf eine gemeinsame Skala gebracht, die es ermöglicht, die durchschnittlichen schulischen Leistungen der Bevölkerung für 59 Länder, für die auch international vergleichbare Daten über das langfristige Wirtschaftswachstum vorliegen, abzubilden. Vgl. E. A. Hanushek, L. Wößmann: Do Better Schools Lead to More Growth? Cognitive Skills, Economic Outcomes, and Causation, in: Journal of Economic Growth, 17. Jg. (2012), H. 4, S. 267-321; dies.: Schooling, Educational Achievement, and the Latin American Growth Puzzle, in: Journal of Development Economics, 99. Jg. (2012), H. 2, S. 497-512.
  • 4 Für Details vgl. dies.: Knowledge Capital, Growth, and the East Asian Miracle, in: Science, 351. Jg. (2016), H.  6271, S. 344-345.
  • 5 Für ähnliche Befunde im Vergleich der US-Bundesstaaten vgl. E. A. Hanushek, J. Ruhose, L. Wößmann: Human Capital Quality and Aggregate Income Differences: Development Accounting for U.S. States, NBER Working Paper, Nr. 21295, Cambridge MA 2015.
  • 6 Vgl. E. A. Hanushek, L. Wößmann: The Knowledge Capital of Nations ..., a.a.O.
  • 7 Für einen Überblick über die internationale Forschung zu den Effekten institutioneller Rahmenbedingungen auf die Schülerleistungen vgl. L. Wößmann: The Importance of School Systems: Evidence from International Differences in Student Achievement, in: Journal of Economic Perspectives, 30. Jg. (2016), H. 3, S. 3-31.
  • 8 G. Schwerdt, L. Wößmann: The Information Value of Central School Exams, in: Economics of Education Review, 56. Jg. (2017), S. 65-79.
  • 9 Aktionsrat Bildung: Gemeinsames Kernabitur: Zur Sicherung von nationalen Bildungsstandards und fairem Hochschulzugang, Münster 2011.
  • 10 L. Wößmann, P. Lergetporer, F. Kugler, L. Oestreich, K. Werner: Deutsche sind zu grundlegenden Bildungsreformen bereit – Ergebnisse des ifo Bildungsbarometers 2015, in: ifo Schnelldienst, 68. Jg. (2015), H. 17, S. 29-50.

Title:The Knowledge Capital of Nations: High-Quality Education as a Motor of Growth

Abstract:The long­run prosperity of nations is directly related to the skills of their population. The relevant cognitive skills – the “knowledge capital” of a nation – can be measured well by international math and science tests. The consideration of knowledge capital can completely account for the Latin American growth puzzle and the East Asian growth miracle. Several analyses suggest that the relationship depicts a causal effect of skills. According to the evidence, an understanding of long­run growth ultimately has to rest on the knowledge capital of nations. To further long­run prosperity, policies should focus on education. Effective education systems align incentives with achievement through better educational practices such as external exams, school autonomy, choice and competition.


DOI: 10.1007/s10273-017-2121-6