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Nach Gablers Wirtschaftslexikon werden als Wachstums­politik wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates bezeichnet, die auf eine langfristige Erhöhung des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines Landes ausgerichtet sind.1 Der Begriff Wachstumspolitik fasst damit ein breites Spektrum von staatlichen Maßnahmen zusammen. Empirische Studien zeigen, so Gablers Wirtschaftslexikon, dass sich das BIP eines Landes nur dann auf hohem Niveau entwickelt, wenn die Rahmenbedingungen, unter denen die Bürger agieren, bestimmte Eigenschaften aufweisen. Zu diesen zählt eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur. Ab 1989 wurde diese in Deutschland schrittweise liberalisiert. Der erste Telekommunikationsmarkt, der geöffnet wurde, war der Endgerätemarkt. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde das ehemalige Staatsmonopol privatisiert. 1998 wurden dann alle Märkte für den Wettbewerb geöffnet. Ziel war die Stärkung des Wachstums, der Leistungsfähigkeit und der Dynamik der Telekommunikation durch mehr Wettbewerb.

Die liberalisierten Telekommunikationsmärkte weisen einige Besonderheiten gegenüber anderen Infrastrukturen auf, z.B. wurde anders als im Energiebereich keine Separierung des Netzes von den Diensten vorgenommen. Der Bund ist auch 18 Jahre nach der Marktöffnung noch ein starker Aktionär der Deutschen Telekom. Der Bundesanteil liegt aktuell bei 32%. Die zweite Infrastruktur der Deutschen Telekom, das Kabel-TV-Netz, wurde zeitnah in der Hoffnung veräußert, dass durch den Ausbau der Bidirektionalität dieser Infrastruktur rasch ein konkurrierendes Telekommunikationsnetz auf Basis einer zweiten Plattform zur Verfügung stehen könnte. Nach einem mühsamen Start in den Telekommunikationswettbewerb sind die Kabelunternehmen heute tatsächlich wesentliche Treiber des Breitbandausbaus.

Um der Marktmacht des Ex-Monopolisten und anhaltendem, strukturell bedingtem Marktversagen (monopolistische Engpässe) zu begegnen, wurde 1998 eine Regulierungsbehörde eingesetzt, die die komplexen Vorleistungsprodukte als Voraussetzung für den Zugang zur Infrastruktur im Fokus hat. Anfangs wurden zudem auch die Endkundenprodukte reguliert. Dieser Ansatz war durchaus erfolgreich. Sinkende Preise, neue Produkte, mehr Investitionen und die von den politischen Liberalisierern gewünschte hohe Dynamik waren direkt nach der Marktöffnung zu beobachten. Selbst auf der Infrastrukturebene findet Wettbewerb nicht nur durch Kabel- und Mobilfunkunternehmen statt, sondern auch durch alternative Festnetzanbieter. Die Frage: „Wer investiert?“ hat somit eine erste Antwort: Privatunternehmen.

Die Rolle des Staates ist subsidiär. Unter anderen hat er die Aufgabe, den Universaldienst als Mindestversorgung zu sichern, die wettbewerbliche Regulierung sicherzustellen, verbraucherpolitische Maßnahmen zu ergreifen, geeignete Rahmenbedingungen für den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur (z.B. Zugang zu alternativen Infrastrukturen wie Leerrohren, Microtrenching) zu setzen sowie den Ausbau im ländlichen Bereich zu fördern. Der Staat setzt Rahmenbedingungen für das Wachstum einer leistungsfähigen Kommunikationsinfrastruktur. Er selbst ist nicht Investor.

Gegenüber dem Jahr der Liberalisierung 1998 sind jedoch im Telekommunikationsbereich qualitative Veränderungen eingetreten. Längst sind Kommunikationsnetze mehr als reine Sprachnetze. Über die Infrastruktur wird das Angebot neuer Dienste möglich. Breitband und Internet öffnen den Zugang zu Diensten, Informationen, Apps und vielem mehr. Es ist ein neues Ökosystem aus Angebot, Nachfrage und Netzen entstanden. Wir sprechen in den von der Digitalisierung geprägten Wirtschaftsbereichen statt von Wertschöpfungsketten nun von digitalen Wertschöpfungsnetzwerken. Wegbereiter für die Nutzung dieser neuen digitalen Dienste und damit Teil dieser Wertschöpfungsnetzwerke sind in den weit überwiegenden Fällen die Kommunikationsnetze. Dies stellt neue Anforderungen an ihre Leistungsfähigkeit und erfordert einen qualitativen Sprung bei Investitionen zur Modernisierung bzw. Erneuerung dieser Infrastrukturen. Der Staat ist nun auch in etlichen Bereichen des Ökosystems aktiv, weit über das Engagement für die Infrastruktur oder die Daseinsvorsorge hinaus. Er engagiert sich im Bereich der Dienste, etwa bei der Förderung von Zukunftsbranchen (z.B. Industrie 4.0, Internet-Start-ups), der Förderung von Diensten auf der Basis der modernen Infrastruktur (z.B. E-Health, E-Government), in Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes.

Breitbandpolitik ist nach heutigem Verständnis Teil einer grundsätzlich angelegten staatlichen Strategie, also Wachstumspolitik, Industriepolitik, Strukturpolitik, Innovationspolitik und Technologiepolitik, ohne dass direkte staatliche Investitionen in Kommunikationsinfrastruktur vor­genommen werden. Damit geht auch eine qualitative Änderung der Wachstumspolitik in diesem Infrastrukturbereich einher. Sie ist Politik für eine Basisinfrastruktur. Von der wettbewerbsorientierten Wachstumspolitik mit Regulierung des marktbeherrschenden Unternehmens als zentralem Element entfernt sie sich zunehmend. Sie wird zur industriepolitisch orientierten Wachstumspolitik, die ein Span­nungsfeld, wenn nicht gar einen Gegensatz zwischen Wettbewerb, als ursprünglichem Liberalisierungsziel, und Investitionen zur Modernisierung der Infrastruktur empfindet.

Ökosystem Gigabit-Gesellschaft

Europaweit, wenn nicht weltweit, verfolgen die Wirtschaftsstandorte eine Vision: die Gigabit-Gesellschaft. Längst sucht auch Deutschland den Weg dorthin. EU-Kommissar Oettinger hat auf der CeBIT 2016 davon gesprochen und dort auch die Strategie 2025 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgestellt. Das BMWi hat einen Grünbuch-Prozess eingeleitet. Die Vorschläge der EU-Kommission zum Telekommunikationsreview vom 14.9.2016 sind am Ziel der Gigabit-Gesellschaft orientiert.2 Entsprechend gibt es Positionierungen von Unternehmen und Verbänden.

Startpunkt der Definition für eine Gigabit-Gesellschaft ist die Nachfrageebene. Natürlich gibt es keine allgemeingültige Festlegung. Es ist wohl eine Gesellschaft und Wirtschaft gemeint, die nach dem allgemeinen Digitalisierungsschub nun die intelligente Vernetzung auf Basis des Internets massiv vorantreibt, also eine 4. industrielle Revolution (vgl. Abbildung 1) bedeutet. Die Treiber der Vernetzung sollen hier nur kurz erwähnt sein: Digitalisierung, Softwarelösungen, Virtualisierung, Layerstruktur des Internets, Vernetzung über das Internet und Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data). Die Konsequenzen der Vernetzung sind weitreichend. Die Bevölkerung ist mit neuen Lebens-, Konsum- und Wirtschaftsmodellen konfrontiert. Viele sprechen von einer Transformation, manche sogar von „Disruption“.

Abbildung 1
Zeitstrahl der industriellen Revolutionen
Zeitstrahl der industriellen Revolutionen

Quellen: F. Büllingen, S. Börnsen: Marktorganisation und Marktrealität von Machine-to-Machine-Kommunikation mit Blick auf Industrie 4.0 und die Vergabe von IPv6-Nummern, WIK-Diskussionsbeitrag, Nr. 400, August 2015, Bad Honnef; nach H. Kagermann et al.: Industrie 4.0 – Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution, in: VDI Nachrichten, Ausgabe 13, 1.4.2011, http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Gesellschaft/Industrie-40-Mit-Internet-Dinge-Weg-4-industriellen-Revolution (21.12.2016); und Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft: Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0; Forschungsunion Wirtschaft und Wissenschaft, April 2013, S. 17.

Stichworte für Disruption im Kontext der Gigabit-Gesellschaft sind das Internet der Dinge, Sharing Economy, Industrie 4.0, Machine-to-Machine-Lösungen wie Wearables, virtuelle Realität und künstliche Intelligenz. Es gibt also keine Killer-Applikation, aber eine Vielzahl von Anwendungen, die insgesamt das Ökosystem beschreiben. Viele Studien beschäftigen sich mit der Relevanz des Phänomens. Hier sei nur diejenige von Cisco erwähnt, wonach 2020 der Anteil der Machine-to-Machine-Verbindungen 26,4% des weltweiten mobilen Datenverkehrs ausmachen wird. Zugrunde liegen jährliche Wachstumsraten von 38%!3 Ohne hochleistungsfähige Netze wird der Weg in die Gigabit-Gesellschaft nicht machbar sein: Diese setzt Gigabit-Netze voraus, die Datenübertragungen mit Bandbreiten von einem Gbit/s und mehr ermöglichen, aber auch die Qualität der Übertragung sicherstellen, wie sie für die Anwendungen der Gigabit-Gesellschaft erforderlich sind.

Nachfrage nach Gigabit-Netzen

Studien des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) zeigen, dass es bereits heute ein Nachfragesegment gibt,4 dem die im Durchschnitt angebotenen Bandbreiten und erreichbaren Qualitätsparameter nicht mehr ausreichen. Dieses Nachfragesegment wird in den kommenden Jahren durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung signifikant wachsen. So gibt es bereits heute eine Nachfrage an Gigabit-Anschlüsse in Südkorea, Japan und Singapur sowie in fortgeschrittenen europäischen Ländern wie Schweden, der Schweiz und den Niederlanden, aber auch bei Anbietern von Kabelnetz oder „Fibre to the Home“ (FTTH). In Deutschland kann man z.B. Take-up-/Anschlussraten von teilweise über 50% feststellen. Das WIK hat sein 2010/2011 entwickeltes Nachfragepotenzialmodell 2016 aktualisiert,5 um zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen bei der Digitalisierung der Gesellschaft zeitnah abzubilden. Das Modell erfasst die potenzielle Nachfrageentwicklung ohne technische Restriktionen und orientiert sich an der Sicht der Nachfrager. Somit steht der volkswirtschaftliche Nutzen des Breitbandausbaus im Vordergrund. Ergebnis der Analysen ist, dass 2025 etwa 75% der Nutzer Bandbreiten über 500 Mbit/s nachfragen werden (vgl. Abbildung 2). Dieses Ergebnis ist auch bei Sensitivitätsanalysen, z.B. im Hinblick auf die beim Fernsehkonsum eingesetzten Techniken, stabil. Damit liegen nach diesem Modell drei Viertel der Nutzer in etwa zehn Jahren in einem Bereich der Bandbreitennachfrage, die mit aufgerüsteten Kupfer-Telekommunikationsnetzen technisch nicht mehr befriedigt werden kann.

Abbildung 2
Das Nachfragepotenzial für stationäre Breitbandanschlüsse in Deutschland 2025
Das Nachfragepotenzial für stationäre Breitbandanschlüsse in Deutschland 2025

* Die Nachfrageschätzungen für Unternehmen wurden gegenüber 2011 nicht aktualisiert, sondern ohne neue Berechnungen in die Ergebnisse der Fortschreibungen für Privathaushalte integriert.

Quelle: C.-I. Gries, T. Plückebaum, S. Strube Martins: Treiber für den Ausbau hochbitratiger Infrastrukturen, Studie im Auftrag der 1&1 Telecommunication SE, 2016, http://www.wik-consult.com/fileadmin/Studien/2016/VATM_Hochbitratige_Infrastrukturen.pdf (21.12.2016).

Auch im gewerblichen Bereich gibt es bereits heute einen hohen Bandbreitenbedarf, zu dem hohe Qualitätsanforderungen für die gewerbliche Nutzung von Diensten hinzutreten. Tabelle 1 gibt hierzu einen Überblick. Schon heute kann die mangelnde Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein Wettbewerbsnachteil sein, da Potenziale der Digitalisierung mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette gar nicht oder nur unzureichend genutzt werden können.6

Tabelle 1
Anforderungen an Breitbanddienste
Anwendungskategorie Hochbitratige Bandbreiten Symmetrie Paket-verlust Latenz
E-Commerce ++ ++ o o
ERP/CRM1 + + + +
Big Data ++ ++ + +
VPN2 ++ ++ + +
Cloud Computing ++ ++ + +
Industrie 4.0 + + ++ ++
Agrar 4.0 + + ++ ++
Smart Home + + ++ ++
Hochauflösende Videokommunikation ++ ++ ++ ++
E-Health/Telemedizin ++ ++ ++ ++
E-Learning ++ + + +

o = geringe Bedeutung/Wichtigkeit, + = hohe Bedeutung/Wichtigkeit, ++ = sehr hohe Bedeutung/Wichtigkeit

1 Enterprise Resource Planning und Customer Relationship Management sind Softwarelösungen für Unternehmen. 2 Virtual Private Network ist eine Verbindung zu anderen Netzwerken.

Quelle: C. Wernick, S. Strube Martins, C. M. Bender, C.-I. Gries: Markt- und Nutzungsanalyse von hochbitratigen TK-Diensten für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland, Studie im Auftrag des BMWi, 2016, http://www.wik.org/fileadmin/Studien/2016/Studie_BMWi_Breitbandnutzung_von_KMU.pdf (21.12.2016).

Für Telekommunikationsunternehmen bedeutet diese neue Art der Nachfrage durch das Internet der Dinge und Machine-to-Machine-Lösungen eine absehbare qualitative Änderung des Geschäftsmodells. Gefordert sind je nach Anwendung eine breite Netzabdeckung und eine hohe Verlässlichkeit des Netzes. Nicht mehr Sprache steht im Mittelpunkt des Geschäftsmodells, sondern Daten. Die Verkehre werden zunehmend symmetrisch. Ein Kunde mit oft sehr individuellen Anforderungen (z.B. Echtzeit) rückt in den Mittelpunkt, dieser steht aber für eine Vielzahl von Verbindungen. Für die einzelne Verbindung sind die Zahlungsbereitschaft und damit der Umsatz gering. Die Vorteile des neuen Geschäftsmodells liegen in den geringeren Wechselmöglichkeiten des Kunden mit all seinen Verbindungen sowie in den enormen Skaleneffekten, die realisierbar erscheinen.

Welche Gigabit-Netze braucht die Gigabit-Gesellschaft? Nur Glasfaseranschlüsse (FTTB/H) wie auch hochaufgerüstete Kabelnetze (Docsis 3.0, künftig Docsis 3.1) bieten eine restriktionsfreie Bandbreite zu höchster Qualität. Mobilfunknetze mit dem neuen Standard 5G haben ihren eigenen Einsatzbereich. Allerdings basieren die hochaufgerüsteten Kabelnetze wie 5G-Mobilfunknetze auf einem weitgehenden Glasfasernetz.

Stand des Ausbaus in Deutschland

Der Stand des Ausbaus in Deutschland lässt viel zu wünschen übrig. Deutschland liegt an viertletzter Stelle bei den Glasfasernetzen in Europa (vgl. Abbildung 3). Zudem sind Deutschlands Wachstumsraten der letzten sechs Jahre klar unter dem EU-Durchschnitt (vgl. Abbildung 4). Ein deutlich schnellerer FTTB/H-Ausbau findet etwa in Spanien (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate 2010 bis 2015: 346%) und Frankreich (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate 2010 bis 2015: 53%) statt. Deutschland hinkt bei der Glasfaserabdeckung gegenüber den führenden Wirtschaftsnationen hinterher und verliert weiter an Boden. Wer investiert in Gigabit-Netze? Über 75% der Investitionen in Glasfaser FTTB/H werden von City Carriern und regionalen Initiativen von Städten, Kreisen und Stadtwerken getätigt. Die Deutsche Telekom hat bundesweit 450 000 Anschlüsse in die FTTB/H-Infrastruktur realisiert (geplant ist die Erschließung von bis zu 30 Städten/Stadtteilen). Im Vergleich dazu hat sie 15 Mio. VDSL-Anschlüsse realisiert. Kabelnetze haben heute schon eine hohe Abdeckung, sie erreichen etwa zwei Drittel der Haushalte.

Abbildung 3
Ausbau der Glasfaseranschlüsse
in % der Haushalte, Juni 2015
Ausbau der Glasfaseranschlüsse

Quelle: European Commission: Europe’s Digital Progress Report 2016, Connectivity – Broadband market developments in the EU, 2016.

Abbildung 4
Entwicklung der Glasfaseranschlüsse
in %
Entwicklung der Glasfaseranschlüsse

1 CAGR steht für Compound Annual Growth Rate und bezeichnet die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate.

Quelle: WIK-Berechnung auf Basis von: IDATE; World FTTx Database, Markets at December 2014 & Forecasts to 2019.

Getragen wird der Ausbau der Gigabit-Netze also zumeist von vielen kleinräumigen Initiativen der Städte, Kreise oder Stadtwerke. Vor allem aber wird er primär durch Wettbewerber vorangetrieben. Nur 19% bzw. 0,5 Mio. aller Haushalte mit Glasfaseranschluss werden durch die Deutsche Telekom erreicht, 81% bzw. 2,16 Mio. aller Haushalte mit Glasfaseranschluss von anderen Wettbewerbern.7 Hinzu kommt, dass die Wettbewerber wesentlich erfolgreicher bei der Vermarktung der hochleistungsfähigen Anschlüsse sind. Beträgt die Take-up-/Anschlussrate bei der Deutschen Telekom etwa 13%, so liegt diese bei erfolgreichen FTTB/H-Anbietern über 50%. Auch die Kabelanbieter sind erfolgreich bei der Vermarktung von Anschlüssen jenseits der 100 Mbit/s. Die zweite Antwort auf die Frage, wer in hochleistungsfähige Netze investiert, ist daher: die Wettbewerber der Deutschen Telekom.

Investitionen in Gigabit-Netze verursachen hohe Kosten. Das WIK hat für einen flächendeckenden Glasfaserausbau als Greenfield-Ansatz ein Investitionsvolumen von 70 Mrd. Euro bis 80 Mrd. Euro berechnet.8 Bei der Nutzung aller Synergien geht das WIK allerdings von einem Investitionsbedarf in Höhe von 45 Mrd. Euro aus. Nimmt man an, dass diejenigen Regionen, in denen sich der Glasfaserausbau rechnet, andere Regionen mit ihrem Überschuss quersubventionieren, so verbliebe für den Staat am Ende ein Subventionsbedarf von etwa 10 Mrd. Euro. Diese Summen hören sich auf den ersten Blick hoch und schwer darstellbar an. Daher werden sie in den Kontext von anderen Investitionskennwerten der Telekommunikationsbranche gestellt. Aktuell liegen die jährlichen Investitionen der deutschen Telekommunikationsbranche bei 6 Mrd. Euro bis 8 Mrd. Euro. Dies umfasst allerdings auch Instandhaltung, Investitionen in Kupfernetze, Mobilfunknetze und Kabel-TV-Netze, wobei letztere natürlich auch ihren Teil zum Aufbau der Gigabit-Netze beitragen. Eine stärkere Fokussierung auf Gigabit-Netze ist hier jedoch durchaus machbar, ohne die Gesamtsumme grundsätzlich zu verändern (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5
Investitionen in Sachanlagen auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt

in Mrd. Euro

1 Prognosewerte.

Quelle: WIK nach Bundesnetzagentur: Jahresbericht 2015. Wettbewerb fördern. Netze ausbauen. Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, 2016, S. 48, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2016/Jahresbericht2015.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (21.12.2016).

Vor allem aber kann Potenzial für den Ausbau von Gigabit-Netzen aus dem Vergleich mit anderen Industriestaaten abgeleitet werden. So liegen die Telekommunikationsinvestitionen im OECD-Durchschnitt schon seit Jahren um etwa 50 Euro pro Kopf höher als in Deutschland (vgl. Abbildung 6). Würde Deutschland diesen OECD-Durchschnitt in Zukunft realisieren, so zöge das jährliche Investitionsvolumen um etwa 4 Mrd. Euro an. Damit könnten die Investitionen von 45 Mrd. Euro in Glasfasernetze in gut elf Jahren darstellbar sein. Das Bundesförderprogramm umfasst insgesamt zunächst 4 Mrd. Euro, was sicherlich hilft, vor allem in ländlichen Gebieten die Finanzierungslücken des Netzausbaus zu schließen. In seiner Strategie 2025 fordert das Bundeswirtschaftsministerium einen Investitionsfonds von 10 Mrd. Euro. Auch das wäre ein Beitrag, um den Milliardenbetrag für den Ausbau zu stemmen. Grundsätzlich scheint damit das notwendige Investitionsvolumen in absehbarer Zeit für Deutschland finanzierbar, wenn der Fokus der deutschen Ausbaustrategie auf Kupfertechnologien wie FTTC/Vectoring zugunsten des Glasfaserausbaus aufgegeben wird. Fest steht: Der privatwirtschaftliche Ausbau hochleistungsfähiger Gigabit-Netze muss weiter im Mittelpunkt stehen, auch um alle Finanzierungspotenziale zu nutzen. Dies setzt weiterhin einen chancengleichen Wettbewerb voraus. Der Investitionswettbewerb hat sich bereits in der Vergangenheit als Treiber für den Netzaufbau, insbesondere auch in der Fläche, erwiesen.

Abbildung 6
Entwicklung der Telekommunikationsinvestitionen
in US-Dollar pro Kopf, ohne Frequenzgebühren
Entwicklung der Telekommunikationsinvestitionen

Quelle: WIK-Berechnung auf Basis von OECD: Digital Economy Outlook 2015, 2015, http://ec.europa.eu/eurostat/documents/42577/3222224/Digital+economy+outlook+2015/ (21.12.2016).

Rolle des Staates beim Ausbau von Gigabit-Netzen

Wie kann nun die Rolle des Staates im Sinne einer neuen Wachstumspolitik aussehen? Wichtig ist vor allem eine konsequente nationale Digitalisierungsstrategie.9 Sie sollte ein ehrgeiziges Breitbandziel über 2018 hinaus definieren. Ein Beispiel könnte Schleswig-Holstein sein, das für 2025 eine Glasfaserabdeckung von 90% anstrebt, 2030 eine 100%ige Abdeckung erreichen möchte und im Land eine hohe Ausbaudynamik erreicht hat. Schleswig-Holstein ist im Ländervergleich an erster Stelle. Es empfiehlt sich also nicht die Orientierung an einem durchschnittlichen privaten Nutzer, sondern an den Bedürfnissen des Top-User-Segments der Nachfrage, in dem sich auch die Unternehmen wiederfinden, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland den Trend setzen. Diese ambitionierte Zielsetzung führt zu höherer Dynamik beim Ausbau, auch in ländlichen Gebieten. Das zeigen nicht nur Schleswig-Holstein, sondern auch Südkorea und Singapur. Ein politisches Glasfaser-Infrastrukturziel liefert zudem Orientierung für die Regulierung und für die staatliche Förderung.

Weitere Ansatzpunkte für staatliche Maßnahmen betreffen die Gestaltung der Regulierung, z.B. um sie noch investitionsfreundlicher zu formulieren, sowie die Notwendigkeit, die Förderung auf Bundes- und Länderebene, die Regulierung und EU-beihilferechtliche Auflagen aufeinander abzustimmen und die Förderung insgesamt zu vereinfachen. Der Teufel steckt jedoch im Detail. So wird seit Jahren das Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Investitionen diskutiert. Wie viel Bevorzugung der Investitionen des marktbeherrschenden Unternehmens (Incumbent) ist gesamtwirtschaftlich akzeptabel? Wie gelingt es, Wettbewerb aufrechtzuerhalten und ihn als Investitionstreiber zu nutzen? Die EU-Vorschläge vom 14.9.2016 zum Telekommunikations-Recast als Novellierung des jetzigen europäischen Telekommunikationsrechtsrah­mens,10 die z.B. Regelungen für Ko-Investitionen, zeitlich befristete Monopole für Investoren, längere Vertragsdauern bei Endkunden und vieles mehr vorsehen, sind genau zu prüfen.

Eine Rolle des Staates beim Ausbau von Gigabit-Netzen geht über die Regulierungsfrage hinaus. Er sollte im Ökosystem des Internets der Dinge daran anknüpfen, die Nachfrage nach Diensten und Anwendungen voranzubringen. Es gilt, die Voraussetzungen für das Internet der Dinge, die Industrie 4.0 oder die intelligente Vernetzung zu schaffen. Hierzu gehört es auch, die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen, im Datenschutz, beim Wettbewerbs-, Arbeits- und Urheberrecht. Dazu gehören auch E-Government, Bildung, E-Health und vieles mehr, bei dem der Staat selbst die Initiative ergreifen muss.

Fazit

Viel spricht dafür, dass das hohe Wachstum des Datenverkehrs mit seinen zunehmend hohen Ansprüchen in wenigen Jahren zu Engpässen bei hochleistungsfähigen Kommunikationsnetzen führen kann. Der volkswirtschaftlich hohe Preis, den Deutschland zahlen würde, wenn sich dieses Risiko realisieren würde, wäre hoch. Angesichts der erforderlichen Zeit für den Glasfaser-Infrastrukturausbau ist heutiges Handeln unabdingbar – und nicht erst, wenn Engpässe offensichtlich werden. Der Staat muss die Wachstumsrahmenbedingung „leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur“ jetzt anpassen.

Title:Very High Capacity Communication Networks: Who Invests?

Abstract:Germany faces a qualitative change in communication. Broadband applications and Internet services have created an ecosystem with new value chains. Demand for bandwidth is growing rapidly. In ten years’ time we expect a transformation to a gigabit economy that relies on very high capacity networks. In Germany, competitors of the former incumbent Deutsche Telekom are the main investors in very high capacity broadband. Internationally, Germany is lagging behind in the coverage of gigabit networks, which leads to a high risk for its future competitiveness. The financing of urgently needed investment seems feasible when taking into consideration today’s private investments, international benchmarks and state aid programmes. The government has to set growth-fostering conditions with a clear commitment to a Gigabit network now.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2119-0

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