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Die voranschreitende Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern und dies auf verschiedene Weise: Zum einen werden neue Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrukturen entstehen, zum anderen werden sich Arbeitsinhalte und die Organisation von Produktions- und Arbeitsprozessen wandeln. Was bedeutet dies für die Gestaltung der Arbeitsplätze? Dabei geht es unter anderem darum, wie die Arbeitnehmer flexible Arbeitsformen oder Homeoffice nutzen, welche Folgen Crowdworking oder andere Formen der „Entbetrieblichung“ für die soziale Sicherung haben. Letztlich muss entschieden werden, auf welcher Ebene die neu entstandenen Probleme zu lösen sind. Inwieweit ist staatliches, inwieweit betriebliches Handeln erforderlich?

Digitalisierung als Gestaltungsaufgabe

Wenn es momentan ein „Megathema“ in der Arbeits(-markt-)forschung gibt, so ist es die Digitalisierung der Arbeitswelt. Auf Konferenzen dominieren Digitalisierung, „Industrie 4.0“, „Arbeit 4.0“ oder einfach nur „4.0“-Analysen und -Diskussionen. Arbeitsgruppen und Kommissionen haben sich ausgiebig aktuellen Phänomenen und zukünftigen Szenarien der Digitalisierung gewidmet. Wichtige Themenfelder wurden dabei durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Prozess „Arbeiten 4.0“ beleuchtet und in einem Grünbuch1 und schließlich im gleichnamigen Weißbuch2 skizziert; jüngst hat die Hans-Böckler-Stiftung als Ergebnis der Kommission „Arbeit der Zukunft“ unter dem Titel „Arbeit transformieren“ zahlreiche „Denkanstöße“ zur Arbeit in der digitalen Transformation und darüber hinaus vorgelegt.3 Zu begrüßen ist, dass sich die Aufmerksamkeit von den – strittigen – Fragen, wie groß die „Substituierbarkeitspotenziale“ der Digitalisierung sind4 und welche Arbeitsplätze tatsächlich wegfallen, sich verändern oder auch neu entstehen, inzwischen verstärkt auf die Frage nach den Gestaltungsbedarfen und -möglichkeiten von Arbeit vor dem Hintergrund von Digitalisierungsprozessen verlagert hat.

Anforderungen an Bildung und Weiterbildung

Quantität und Qualität, vor allem aber auch die Geschwindigkeit der Veränderung von Arbeit verleihen der Floskel des „lebenslangen Lernens“ eine neue Qualität. Für das Bildungssystem bedeutet dies, dass Gestaltungskompetenz ein (noch) größeres Gewicht gegenüber immer schneller veraltendem Faktenwissen erhalten muss. Die Vermittlung der Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen und sich neu benötigtes Wissen eigenständig anzueignen, muss zum zentralen Ziel von Lehr- und Lernprozessen werden. Im Prinzip ist dies alles andere als neu, entspricht es doch in der tertiären Bildung einer zentralen Forderung des sogenannten Bologna-Prozesses, ebenso des im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte propagierten Konzepts einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“5.

Faktisch hat jedoch gerade der Bologna-Prozess zu einer stärkeren Konzentration auf vorstrukturierte, inhaltliche Wissensvermittlung vor allem in den verkürzten Bachelor-Studiengängen geführt. Auch bei der Konstruktion konsekutiver Masterstudiengänge werden die Chancen der durch den Bologna-Prozess reformierten Studienstrukturen bisher nicht genutzt: Konsekutive Master führen zu (noch) längeren Studienzeiten vor dem Berufseintritt; die Möglichkeit, in späteren Lebensphasen nach einer Praxisphase mit einem Masterstudium Wissen zu aktualisieren oder sich weiter zu spezialisieren, wird bisher kaum genutzt. Hierzu trägt auch die – nicht mehr zeitgemäße – Unterscheidung in (kostenfreie) konsekutive Masterstudiengänge und (kostenpflichtige) Weiterbildungsmaster bei. Zudem steht der offizielle Anspruch an Hochschulen, auch Anbieter von wissenschaftlicher Weiterbildung zu sein, im Widerspruch zu den Rahmenbedingungen, unter denen dieser „zusätzliche“ Bereich betrieben wird. Nötig wären an aktuelle Entwicklungen angepasste Angebote auch unterhalb von Studiengängen, z.B. berufsbegleitende modulare Zertifikatskurse, die sich gegebenenfalls im Laufe der Zeit zu einem (Master-)Abschluss kombinieren ließen. Die Entwicklung der Anforderungen an Wissen und Können, aber auch psychische Belastungen – durch die Digitalisierung in technischen Berufen, aber z.B. auch in sozialen Dienstleistungsberufen – bringen vermehrt den Bedarf nach Jobwechseln und beruflichen Umorientierungen in der Erwerbsbiografie mit sich. Hier fehlen Möglichkeiten für Weiterbildungs-Bachelorstudiengänge unter Anrechnung vorliegender Kompetenzen. Generell konfligiert die Rhetorik des lebenslangen Lernens bislang mit Altersgrenzen beim Zugang zu BAföG und Stipendien. Diese sollten entfallen bzw. durch einen grundsätzlich über den Lebenslauf nutzbaren BAföG-Anspruch ersetzt werden.

Im Rahmen einer vorausschauenden Weiterbildungsstrategie auf betrieblicher Ebene könnten Transfergesellschaften eine wichtige Rolle spielen, um Beschäftigte im Fall von neuen Anforderungen und Umstrukturierungen fit für neue Aufgaben – auch im eigenen Unternehmen – zu machen. Zudem könnten die Arbeitsagenturen, wie es bereits in Modellversuchen geschieht und im Rahmen einer „Arbeitsversicherung“ ausgebaut werden sollte,6 zukünftig die Aufgabe übernehmen, Bildungsberatung über den Lebensverlauf anzubieten und nicht erst im Fall von Arbeitslosigkeit Weiterqualifikation vorzusehen. Ziel muss es sein, unter den Bedingungen von „Industrie 4.0“ Facharbeit als Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft zu erhalten und zu nutzen.

Herausforderungen für die soziale Sicherung der Beschäftigten durch die „Entbetrieblichung“

Kennzeichnend für die veränderte Arbeitswelt ist der gewachsene Anteil der Selbstständigen, die oft als Solo-Selbstständige nur niedrige Einkünfte erwirtschaften oder aber als Kreative in Start-ups unter anderem wenig Neigung haben, im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme freiwillig vorzusorgen. Hier erweist sich der vergleichsweise enge Zuschnitt der deutschen Sozialversicherungssysteme als Herausforderung, wie an dieser Stelle nur exemplarisch am vielleicht dringendsten Problemfeld, der Alterssicherung skizziert werden kann. Schon heute befinden sich unter den Grundsicherungsbeziehern im Alter viele Selbstständige, die in guten Einkommensphasen nicht vorgesorgt haben oder deren Selbstständigkeit oder Vorsorgestrategie irgendwann gescheitert ist,7 – eine Entwicklung mit steigender Tendenz.

Es lässt sich ein typisches Biografiemuster herausdestillieren, das man als „Drei-Phasen-Modell der gescheiterten Selbstständigkeit“ bezeichnen kann:8 Häufig erfolgte die selbstständige Existenzgründung nach einer ersten Phase abhängiger Beschäftigung, in der auch erste Rentenversicherungsansprüche aufgebaut wurden. Im Zuge der Selbstständigkeit erfolgte der Wechsel aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu scheinbar attraktiveren, renditestärkeren privaten Vorsorgeformen (vor allem Lebensversicherungen), bis irgendwann ein Knick im Geschäftsverlauf mit sinkenden Einnahmen bis hin zur Insolvenz und zum Verlust der privaten Vorsorgeersparnisse eintrat. Selbst dort, wo der Weg zurück in die abhängige Beschäftigung und die GRV noch einmal vollzogen wurde, gelang es häufig nicht mehr, Rentenansprüche oberhalb der Grundsicherungsschwelle aufzubauen, obgleich das Lebenserwerbseinkommen dies durchaus ermöglicht hätte. Dies zieht im Alter nicht nur Probleme für die Betroffenen nach sich, sondern führt auch zu Legitimationsproblemen für das Alterssicherungssystem, insofern Personengruppen, die jahrelang nicht oder nicht entsprechend ihrem Einkommen Beiträge geleistet haben, im Rentenalter bei Bedürftigkeit Anspruch auf die gleichen Leistungen haben wie langjährige Beitragszahler mit niedrigen Erwerbseinkünften.

Bei der Weiterentwicklung des Alterssicherungssystems spricht daher alles für eine Einbeziehung von nicht versicherten Selbstständigen bzw. selbstständigem Zusatzeinkommen in die obligatorische Alterssicherung – auch wenn dies teilweise nicht dem Lebensgefühl und Selbstverständnis vieler jüngerer Erwerbstätiger in der Internetökonomie entsprechen mag. Da Selbstständigkeit oft nur eine Phase im Lebensverlauf ist, ist der Einbeziehung in die GRV dabei klar der Vorrang gegenüber einer bloßen Versicherungspflicht (bei selbst zu wählenden Anbietern) zu geben. Anknüpfungspunkte können die Regelungen der Künstlersozialkasse bieten. Aber auch wenn für Startphasen einer Selbstständigkeit (Arbeitgeber-)Beiträge subventioniert oder sogar übernommen werden könnten, müssen sie letztlich „eingepreist“ werden – ansonsten handelt es sich nicht um nachhaltige Tätigkeiten. Für Plattformarbeit wäre zu prüfen, inwieweit die Plattformbetreiber zur Übernahme von Arbeitgeberbeiträgen gezwungen werden können. Ein weiterer Vorschlag läuft darauf hinaus zu prüfen, ob bei Dienstleistungen ohne starke Ortsgebundenheit das „Bestellerprinzip“ umgesetzt werden kann, sodass jeweils die Regeln des Herkunftslandes des Auftraggebers zur Anwendung kommen.9

Neue Freiheiten und Gefahren durch flexible Arbeitszeiten

Die Möglichkeiten der Digitalisierung hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit bieten für viele Erwerbstätige einen zentralen Pluspunkt, enthalten sie doch das Versprechen von mehr Autonomie und Selbstbestimmung sowie besseren Möglichkeiten zur Herstellung der Work-Life-Balance, z.B. durch die Arbeit im Homeoffice. Dies könnte gerade für Erwerbstätige mit Fürsorgeverpflichtungen für Kinder oder Pflegebedürftige neue Optionen bieten und damit auch einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit. Faktisch bleiben die betrieblichen Angebote zur Nutzung von Homeoffice in Deutschland bislang allerdings hinter den technischen Möglichkeiten zurück: So ist der Anteil der abhängig Beschäftigten mit Homeoffice seit 2008 sogar von knapp 10% auf 7,4% gesunken,10 obwohl rund die Hälfte der Beschäftigten gerne zeitweise von zu Hause oder einem anderen Ort als dem Büro aus arbeiten würde.11 Die Kehrseite neuer flexibler Arbeitsformen, wie sie durch die Digitalisierung möglich werden, ist in der betrieblichen Praxis allerdings ebenso bekannt und durch Forschung gut belegt. Sie umfasst Sorge über eine um sich greifende „Verfügbarkeitskultur“12, in der Beschäftigte durch digitale Medien grenzenlos erreichbar sein müssen, ebenso wie den Befund, dass gerade Hochqualifizierte in entgrenzten Arbeitsverhältnissen zur „interessierten Selbstausbeutung“ neigen. Dabei konnte ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß, in dem mit Kennziffern gesteuert wird und Beschäftigte selbstverantwortlich für die Erfüllung von Aufgaben zuständig sind, einerseits und psychischen Belastungen andererseits nachgewiesen werden.13

Abhilfe können z.B. Betriebsvereinbarungen schaffen, die Regeln zur (Nicht-)Erreichbarkeit, z.B. abends oder im Urlaub, festlegen (Beispiel VW), klare Regeln bezüglich des Zugriffs auf Arbeitszeitkonten oder auch Angebote zum „boundary management“ (Befähigung zur Grenzziehung) im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Der Erste Gleichstellungsbericht für Deutschland hat deutlich gemacht, dass die Instrumente eines lebensereignisorientierten Personalmanagements in den Blick genommen werden sollten, wenn es um die Gestaltung der neuen Möglichkeiten durch flexible Arbeitszeiten und -orte geht;14 das kürzlich vorgelegte Sachverständigengutachten zum Zweiten Gleichstellungsbericht empfiehlt ergänzend die Einführung eines Wahlarbeitsgesetzes.15

Konflikte mit bestehenden rechtlichen Regelungen entstehen häufig auch, wenn gegen Arbeitszeit- und Pausenregelungen verstoßen wird, z.B. wenn Beschäftigte die Arbeit im Homeoffice für familiäre Aufgaben unterbrechen und dann die maximale tägliche Arbeitszeit überschreiten. Schließlich droht die Gefahr, dass mobiles Arbeiten Regelungen des Arbeitsschutzes empfindlich aushebelt – muss der Büroarbeitsplatz vielfältigen, z.B. ergonomischen, Ansprüchen genügen, sind diese kaum kontrollierbar, wenn die Beschäftigten zunehmend ihre Arbeit zu Hause oder unterwegs im Zug, im Flugzeug oder anderswo ableisten. Hier besteht künftig eine wichtige und kontinuierliche Herausforderung darin, zu prüfen, wie das Instrument der physischen, aber auch psychischen Gefährdungsbeurteilung auf die neuen Arbeitssettings Anwendung finden kann.

Bei der Entwicklung neuer Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle wird es – wie bisher auch – darauf ankommen, einen Ausgleich zwischen den Bedarfen der Beschäftigten und den betrieblichen Anforderungen zu schaffen. Hierbei sind auch veränderte Lebensentwürfe und Wertvorstellungen der Erwerbstätigen in den Blick zu nehmen.

Sozialpartnerschaft im Zeitalter globaler Konkurrenz

Auch wenn die Plattformökonomie bisher noch nicht für die Mehrzahl der Erwerbstätigen der zentrale Ort des Gelderwerbs ist und Crowdworking zumindest in Deutschland bisher vorwiegend nebenberuflich betrieben wird, zeigt sich hier besonders deutlich, welche durchgreifenden Herausforderungen sich aus der Digitalisierung der Arbeitswelt für das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft ergeben: sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber, aber auch der Betrieb gehen hier „verloren“ oder entsprechen jedenfalls nicht mehr der herkömmlichen Vorstellung, auf der die Systeme der Lohnfindung, der Besteuerung und der sozialen Sicherung beruhen.

Wurde lange Zeit vor allem die rückläufige Mitgliedschaft von Arbeitgebern in Arbeitgeberverbänden (wie auch der rückläufige gewerkschaftliche Organisationsgrad) als Problem für die Sozialpartnerschaft diskutiert, verweisen Plattformbetreiber auf ihre Vermittlerfunktion und verweigern die Pflichten von Arbeitgebern. Werkverträge, die Vergabe von Unterverträgen sowie die Verschachtelung von Unternehmensstrukturen in Netzwerken werden gezielt zur Herstellung von „organised irresponsibility“16 in Bezug auf Arbeitgeberpflichten genutzt. Prassl schlägt daher vor, die Arbeitgebereigenschaft weiter zu fassen und nicht am Arbeitsvertrag, sondern an den üblichen Arbeitgeberfunktionen wie dem Anstellen und Entlassen von Personal, dem Personalmanagement, der Zahlung von Vergütungen oder Kontrollfunktionen im Unternehmen festzumachen.17

Die entscheidende Frage wird allerdings sein, wie angesichts dieser „organisierten Unverantwortlichkeit“ die Befolgung des geltenden Arbeitsrechts sichergestellt werden kann. Sinnvoll scheint hier der an Mückenberger anschließende Vorschlag der Kommission „Arbeit der Zukunft“, den Arbeitnehmerbegriff breiter zu fassen und Schutzrechte an die Tätigkeit unabhängig vom rechtlichen Status der Arbeitenden zu knüpfen, um der Vielfalt neuer Erwerbsformen besser Rechnung zu tragen.18 Zudem bedarf es einer verbreiterten Basis für die Beteiligung von Beschäftigen im Betrieb und der Stabilisierung der Tarifstrukturen, auch über die durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung.

  • 1 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Arbeit weiter denken. Grünbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2015.
  • 2 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Arbeit weiter denken. Weißbuch Arbeiten 4.0, Berlin 2016.
  • 3 Vgl. K. Jürgens, H. Hoffmann, C. Schildmann: Arbeit transformieren! Denkanstöße der Kommission „Arbeit der Zukunft“, Bielefeld 2017.
  • 4 Vgl. u.a. K. Dengler, B. Matthes: Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt. Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland, IAB Forschungsbericht, Nr. 11/2015, Nürnberg 2015.
  • 5 Vgl. I. Bormann, G. De Haan (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung, Wiesbaden 2008.
  • 6 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Arbeit weiter denken. Weißbuch ..., a.a.O.
  • 7 Vgl. A. Brettschneider, U. Klammer: Lebenswege in die Altersarmut. Biografische Analysen und sozialpolitische Perspektiven, Berlin 2016.
  • 8 Vgl. A. Brettschneider, U. Klammer: Lebenswege in die Altersarmut – Ergebnisse einer Studie zu den biografischen Determinanten der Grundsicherungsbedürftigkeit im Alter, in: Deutsche Rentenversicherung, Nr. 2/2016, S. 119.
  • 9 Vgl. K. Jürgens, H. Hoffmann, C. Schildmann, a.a.O., S. 37 f.
  • 10 Vgl. K. Brenke: Home Office: Möglichkeiten werden bei weitem nicht ausgeschöpft, in: DIW-Wochenbericht, 83. Jg. (2016), H. 5, S. 95-105.
  • 11 Vgl. L. Hipp, J. Bernhardt, J. Allmendinger: The Role of Institutions in Comparative Labor Market Research: The Example of Nonstandard Employment, in: Socio Economic Review, 13. Jg. (2015), H. 2, S. 351- 377.
  • 12 Vgl. Bundesregierung: Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf. Erster Gleichstellungsbericht, Bundestags-Drucksache, Nr. 17/6240, Berlin 2011, S. 237.
  • 13 Vgl. E. Ahlers: Leistung(sdruck), Arbeitssystem und Gesundheit. Eine quantitativ empirische Auswertung der WSI-Betriebsrätebefragungen zu ergebnisorientierten Arbeitssystemen, Berlin 2016.
  • 14 Vgl. Bundesregierung, a.a.O.
  • 15 Vgl. Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten, Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Berlin 2017, S. 63.
  • 16 Vgl. J. Prassl: The Concept of the Employer, London 2015.
  • 17 Ebenda.
  • 18 Vgl. K. Jürgens, H. Hoffmann, C. Schildmann, a.a.O., S. 29 ff.

Qualifikation und flexible Arbeitsformen in der digitalen Arbeitswelt: neue Handlungsfelder für Politik und Wirtschaft

Seit Anfang der 2000er Jahre verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und wie die Arbeitswelt 4.0 konkret aussehen wird, ist heute noch nicht gänzlich abzusehen. Eine Analyse der bisherigen technologischen Veränderungen kann aber schon jetzt Hinweise darauf geben, wie die Digitalisierung die Organisation von Arbeit verändern wird und in welche Richtung betriebliche und politische Maßnahmen in Zukunft zielen könnten. Im Folgenden werden drei Aspekte betrachtet, die aufgrund der jüngsten technologischen Entwicklungen einen nachhaltigen Effekt auf das Arbeiten 4.0 haben. Ziel dieses Beitrags ist es, die Relevanz dieser Veränderungen und die jeweiligen Handlungsfelder für etwaige Anpassungen politischer oder betrieblicher Maßnahmen herauszuarbeiten.

Veränderung der Tätigkeiten und Intensivierung der Arbeit

Im Zuge der Digitalisierung werden Maschinen intelligenter und lassen sich miteinander vernetzen, sodass sie ohne menschliches Handeln auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und auch Daten austauschen können. Damit lassen sich viele (vor allem Routine-)Produktionsprozesse fast vollständig automatisieren. Auch wenn die Angst vor Massenarbeitslosigkeit aufgrund dieses Substitutionseffektes groß ist, zeigen Studien, dass es in diesem Bereich eher zu einem Tätigkeitswandel innerhalb der Jobs kommt als zu Jobverlusten im großen Stil.1 Solch ein struktureller und dynamischer Tätigkeitswandel erfordert eine beständige Anpassung der Fähigkeiten und Kenntnisse der Beschäftigten. Neben der Notwendigkeit, die berufliche Erstausbildung an diese Anforderungen anzupassen, nimmt unter dem Stichwort „lebenslanges Lernen“ die berufliche Weiterbildung eine immer zentralere Rolle ein.2

Analysen des Linked Personnel Panels (LPP)3 zeigen, dass ein recht kleiner, aber nicht unbedeutender Anteil der Beschäftigten durch die Digitalisierung eine körperliche Entlastung, aber auch einen Rückgang der Anforderungen an die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen erfährt (vgl. Abbildung 1). Eine deutliche Mehrheit erlebt hingegen die Notwendigkeit der ständigen Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen. Weitere Analysen zeigen jedoch, dass Beschäftigte, deren Tätigkeiten am ehesten von Maschinen übernommen werden, wesentlich seltener an beruflicher Weiterbildung teilnehmen.4 Um dem entgegenzuwirken, ist es gerade für diese Gruppe essenziell, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten für die Übernahme neuer Tätigkeiten weiterzuentwickeln. Auch wenn hier Politik und Wirtschaft gemeinsam in der Verantwortung stehen, sind solche Anpassungsprozesse schon vor dem Verlust eines Arbeitsplatzes, also im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, anzustreben.5

Abbildung 1
Technologische Neuerungen
Technologische Neuerungen

Quelle: D. Arnold, S. Butschek, D. Müller, S. Steffes: Digitalisierung am Arbeitsplatz. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung, Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berlin 2016.

Die technologischen Entwicklungen haben aber auch die Intensität des Informationsaustauschs und der Kommunikation in einer beispiellosen Weise erhöht und beschleunigt. Ständige Unterbrechungen, sogenannte Multitasking-Anforderungen sowie ein allgemein höheres Informationstempo haben den Arbeitsalltag und die Arbeitsorganisation vor allem für Wissensarbeiter – aber nicht nur für diese – fundamental verändert. Diese technologiebedingte Beschleunigung und Intensivierung der Arbeit bedeutet für viele Beschäftigte eine Zunahme von belastenden Faktoren der Arbeit. Experimentelle Studien haben z.B. gezeigt, dass wechselnde Aufgaben und unvorhergesehene Unterbrechungen zu Stresssituationen führen können.6 Inwiefern sich dies kausal auf die psychische Gesundheit auswirkt, ist nicht hinreichend untersucht. Sozialpartner und Politik sind sich jedoch darin einig, dass sich der Arbeitsschutz, aber auch die empirische Forschung vermehrt mit den potenziellen gesundheitlichen Folgen der Digitalisierung auseinandersetzen sollte.7 Um den möglichen Folgen von Arbeitsintensivierung und Informationsdichte entgegenzuwirken, könnten in Zukunft vor allem sogenannte Soft Skills im Zentrum der betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten stehen.

Flexible Arbeitsformen: Homeoffice und ständige Erreichbarkeit

Durch die Digitalisierung von Informations- und Kommunikationstechnologien wird das ortsunabhängige Arbeiten erleichtert, da Präsenz am Arbeitsplatz nicht mehr unbedingt notwendig ist. Diese zunehmende räumliche Flexibilität stellt Unternehmen und Vorgesetzte vor die Herausforderung, Arbeitsabläufe auch bei räumlicher Abwesenheit der Beschäftigten effizient zu gestalten. Von diesen neuen Möglichkeiten ist jedoch nur ein Teil der Beschäftigten betroffen, da viele Beschäftigte an ortsgebundenen Maschinen arbeiten oder direkten Kundenkontakt haben. Auch datenschutzrechtliche Regelungen beschränken die mobile Arbeit häufig. Analysen des LPP zeigen, dass etwa 30% der Angestellten, jedoch nur 2% der Arbeiter, zumindest gelegentlich von zu Hause arbeiten.8

Der Wunsch der Vorgesetzten nach Anwesenheit ihrer Mitarbeiter ist weit verbreitet und wird am häufigsten als Hemmnis für Homeoffice angegeben (vgl. Abbildung 2). Dies macht deutlich, dass eine Anwesenheitskultur noch weit verbreitet ist und mobiles Arbeiten insbesondere bei Vorgesetzten auf Ablehnung stößt. Dies ist möglicherweise damit zu erklären, dass sich Beschäftigte im Homeoffice der direkten Leistungskontrolle durch die Vorgesetzten entziehen können. Aus diesem Grund warben Unternehmen, die in den letzten Jahren Homeoffice-Möglichkeiten eingeführt haben, häufig aktiv für eine Verbesserung der Vertrauenskultur, führten gleichzeitig aber auch Standards für das Arbeiten im Homeoffice ein.9 Als weitere Möglichkeit können direkte Arbeitsanreize in Form von Anwesenheitskontrolle durch indirekte Anreizsysteme wie leistungsgerechte Entlohnung ersetzt werden, was die Einführung von Homeoffice erleichtern sollte.10

Abbildung 2
Gründe gegen Homeoffice
Gründe gegen Homeoffice

Quelle: D. Arnold, S. Steffes, S. Wolter: Mobiles und entgrenztes Arbeiten. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung, Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berlin 2015.

Immerhin noch 59% der Befragten im LPP geben an, nicht zu Hause zu arbeiten, da dies zu einer schlechteren Zusammenarbeit mit Kollegen führen würde (vgl. Abbildung 2). Unter den Angestellten, die von zu Hause arbeiten, nennen allerdings nur weniger als ein Viertel der Befragten Probleme im Kontakt mit Kollegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die meisten der Befragten nicht mehr als einen Tag pro Woche von zu Hause arbeiten. Viele Unternehmen lösen zu erwartende Konflikte, indem klare Regeln für die Zusammenarbeit in Teams gesetzt werden. So ist die Anwesenheit zu bestimmten Zeiten, z.B. wenn Teammeetings oder andere Events stattfinden, häufig zwingend notwendig. Mobiles Arbeiten kann aber auch am Wunsch der Beschäftigten nach einer Trennung von Arbeit und Privatleben scheitern. Immerhin knapp zwei Drittel der nicht von zu Hause arbeitenden Angestellten hegt überhaupt nicht den Wunsch, dies zu tun (vgl. Abbildung 2). Damit ist die Arbeit von zu Hause kein Phänomen, das flächendeckend auftreten würde, selbst wenn alle Beschäftigten freien Zugang dazu hätten. Unternehmen sollten die Wünsche der Beschäftigten nach Trennung von Beruf und Privatleben berücksichtigen, wenn sie aufgrund von Einsparung der Bürokapazitäten eine allgemeine Homeoffice-Möglichkeit einführen.

Neben der Herausforderung des Homeoffice für die Arbeitsorganisation und -kultur wird mobile Arbeit häufig auch unter dem Stichwort „ständige Erreichbarkeit“ diskutiert. Im Jahr 2015 haben 20% der Befragten im LPP angegeben, dass sie mindestens einige Male pro Woche in ihrer Freizeit dienstlich angerufen wurden oder dienstliche E-Mails beantwortet haben. Dieser Anteil ist zwischen 2013 und 2015 um 3 Prozentpunkte gestiegen. Vor dem Hintergrund der Forschung zu den gesundheitlichen Konsequenzen von Unterbrechungen der Erholungsphasen kann die Erreichbarkeit während der Freizeit und möglicherweise auch das Arbeiten zu Hause während der Freizeit kritisch betrachtet werden.11 Bisher gibt es jedoch keine kausale Evidenz zu den langfristigen Folgen dieser Arbeitsweise auf die Gesundheit und Produktivität der Beschäftigten. Da der deutsche Gesetzgeber bereits tägliche Ruhepausen von mindestens elf Stunden vorschreibt, erscheint eine Verschärfung der Arbeitszeitgesetzgebung im Hinblick auf das Arbeiten in der Freizeit wenig sinnvoll. Stattdessen sollten innerbetriebliche Ansatzpunkte zur Verbesserung der gelebten Praxis im Sinne des Gesundheitsschutzes in den Blick genommen werden.12

Flexible Arbeitsformen: Crowdworking und Gig Economy

Ein neues Phänomen des ortsunabhängigen Arbeitens ist die Auslagerung einzelner Aufgaben über das Internet an nicht abhängig Beschäftigte. Beispiele aus der sogenannten Gig Economy oder von Crowdworking-Plattformen sind mittlerweile zahlreich. Durch den Einsatz digitaler Technologien ergeben sich für Unternehmen Kostenvorteile, da keine Sozialabgaben und geringere Fixkosten anfallen. Möglicherweise besteht aber auch ein Nutzenvorteil aus Sicht der Beschäftigten, da Anbieter solcher Tätigkeiten sich ihre örtliche und zeitliche Flexibilität erhalten können.

Studien zur Verbreitung der plattformbasierten Erwerbsarbeit deuten bisher auf eine geringe Bedeutung dieses Phänomens für die gesamte Wirtschaft hin. In Deutschland nutzten 2016 knapp über 4% der deutschen Unternehmen der Informationswirtschaft und knapp über 2% des Verarbeitenden Gewerbes Internetplattformen oder planten dies für das folgende Jahr.13 Eine Befragung in der deutschen Bevölkerung weist einen Anteil von 12% der Befragten auf, die jemals plattformvermittelte Erwerbsarbeit geleistet haben.14 Eine US-Studie beziffert den Anteil der US-Erwerbspersonen, die Arbeits- oder Dienstleistungen über Internetplattformen anbieten, auf etwa 0,5%.15 Auch die Intensität des plattformbasierten Arbeitsangebotes ist als gering zu beziffern. Insbesondere für die Vermittlung von sehr einfachen Aufgaben kommen verschiedene Studien zum Ergebnis, dass die wöchentliche Arbeitszeit zumeist nur wenige Stunden beträgt und der erzielte Verdienst häufig nicht die primäre Einkommensquelle der dort Erwerbstätigen darstellt.16

Auch wenn bisher nicht absehbar ist, dass plattformbasierte Erwerbsarbeit eine tatsächliche Bedrohung für das Normalarbeitsverhältnis darstellt, ergibt sich die Frage, inwiefern sich diese Arbeitsform von abhängiger Beschäftigung unterscheidet und wie sie zu bewerten ist: Zum einen wird in dieser Beschäftigungsform das Einkommensrisiko auf die Erwerbstätigen übertragen, genauso wie es bei jeglicher anderen selbstständigen Beschäftigung der Fall ist. Zum anderen besteht keine Sozialversicherungspflicht, sodass Unternehmen dadurch Kosten sparen. Darüber hinaus wird häufig kritisiert, dass die generierten Einkommen weit unter denjenigen in abhängiger Beschäftigung liegen. Da die Tätigkeiten in der Regel in erbrachter Stückzahl honoriert werden, können tatsächliche Stundenlöhne nicht ohne weiteres berechnet werden. Bisherige Schätzungen weisen tatsächlich in vielen Fällen sehr niedrige Stundenlöhne auf, die zum Teil weit unter den gesetzlichen Mindestlöhnen liegen.17 Aus ökonomischer Sicht muss das jedoch nicht problematisch sein, da die Flexibilität dieser Erwerbsform möglicherweise den Beschäftigten einen solchen Nutzen stiftet, dass sie dafür gerne auf Einkommen verzichten.

Es lässt sich also festhalten, dass diese Erwerbsform auf den ersten Blick nicht vergleichbar mit bestehenden Normalarbeitsverhältnissen ist, sondern der Gruppe der Soloselbstständigen zugeordnet werden kann. Gleichwohl ist die Frage berechtigt, inwiefern diese Art der Selbstständigkeit eigentlich unter die vom deutschen Gesetzgeber vorgegebene Definition von abhängiger Beschäftigung fällt und deshalb entsprechend reguliert werden müsste. Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten, da einige Plattformen lediglich zwischen Auftraggebern und Anbietern vermitteln, während andere gezielt das Arbeitsangebot der Plattformbeschäftigten steuern und somit eher als Arbeitgeber angesehen werden können. Deshalb stellt sich für die gesetzlichen Rahmenbedingungen plattformbasierter Erwerbsarbeit nicht die Frage, ob neue Regulierungen erforderlich sind, sondern welche Rollen die Akteure aus arbeitsrechtlicher Sicht einnehmen und ob bestehende Regulierungen angewendet werden können oder sollten. Schwierig wird es allerdings wenn Arbeits- und Dienstleistungen global nachgefragt werden, da dann die Beteiligung eines Arbeitgebers an sozialen Sicherungssystemen oder die Besteuerung des Einkommens aus der Erwerbsarbeit nicht ohne weiteres auf nationaler Ebene geklärt werden kann.

Allgemeine Schlussfolgerungen

Arbeitsinhalte und Arbeitsorganisation werden durch die Digitalisierung zwar verändert, einzelne Beschäftigten­(-grup-pen) sind jedoch in sehr unterschiedlicher Weise davon betroffen. Entsprechend lassen sich Schlussfolgerungen für Politik und Wirtschaft selten für den gesamten Arbeitsmarkt anwenden. Neue Technologien stellen vor allem die berufliche Qualifizierung vor neue Herausforderungen. Hierbei müssen nicht nur die Fähigkeiten und Kompetenzen der Beschäftigten, die konkret von einem Tätigkeitswandel betroffen sind, auf die neuen Anforderungen angepasst werden. Die ansteigende Arbeits- und Kommunikationsdichte erhöht vor allem den Bedarf an Kompetenzen im Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Die Vermeidung von Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit nimmt hier eine zentrale Rolle ein und ist aktuell ein viel diskutiertes Thema bei den einschlägigen Akteuren. Auch der Umgang mit der Flexibilität, die durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien geschaffen wird, ist für viele Beschäftigte und deren Vorgesetzte neu. Strategien zur vertrauensvollen Nutzung dieser Flexibilität, die sich im Rahmen einer verantwortungsvollen Arbeitszeitsetzung bewegt, müssen neu geschaffen und etabliert werden. Die Aufgabe der Politik hingegen besteht in diesem Zusammenhang darin, neue Arbeitsformen wie das Crowd­working in den bestehenden arbeitsrechtlichen Rahmen einzuordnen, entsprechend vorhandene Regelungen anzuwenden und durchzusetzen.

  • 1 Viele der hier gemachten Aussagen basieren auf D. Arnold, M. Arntz, T. Gregory, S. Steffes, U. Zierahn: Herausforderungen der Digitalisierung für die Zukunft der Arbeitswelt, ZEW policy brief, Nr. 16-08, Mannheim 2016.
  • 2 E. Weber: Digitalisierung als Herausforderung für eine Weiterbildungspolitik, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 5, S. 372-374, http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/5/digitalisierung-als-herausforderung-fuer-eine-weiterbildungspolitik/ (7.7.2017).
  • 3 Das Linked Personnel Panel (LPP) ist eine Befragung unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Betrieben mit mindestens 50 Beschäftigten des privaten Sektors, vgl. P. Kampkötter, J. Mohrenweiser, D. Sliwka, S. Steffes, S. Wolter: Measuring the Use of Human Resources Practices and Employee Attitudes: The Linked Personnel Panel, IAB-Discussion Paper, Nr. 35/2015, Nürnberg 2015.
  • 4 D. Arnold, S. Butschek, D. Müller, S. Steffes: Digitalisierung am Arbeitsplatz. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung, Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berlin 2016.
  • 5 E. Weber, a.a.O.
  • 6 S. Monsell: Task switching, in: Trends in cognitive sciences, 7. Jg. (2003), H. 3, S. 134-140.
  • 7 Einen guten Überblick über den wissenschaftlichen Stand zu den Folgen der Digitalisierung für die psychische Gesundheit liefert: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung, Dortmund 2017.
  • 8 D. Arnold, S. Steffes, S. Wolter: Mobiles und entgrenztes Arbeiten. Aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung, Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berlin 2015.
  • 9 A. Hoff, U. Schwab: Vertrauensarbeitszeit und mobiles Arbeiten, in: Personalführung, 2013, H. 2, S. 54-59.
  • 10 D. Arnold, P. Kampkötter, S. Steffes: Homeoffice als Herausforderung für die Mitarbeiterführung, in: Personal Quarterly, 68. Jg. (2016), H. 3, S. 8-13.
  • 11 S. Sonnentag, U. Bayer: Switching off mentally: predictors and consequences of psychological detachment from work during off-job time, in: Journal of Occupational Health Psychology, 10. Jg. (2005), H. 4, S. 393-414.
  • 12 Y. Park, C. Fritz, S. Jex: Relationships between work-home segmentation and psychological detachment from work: the role of communication technology use at home, in: Journal of Occupational Health Psychology, 16. Jg. (2011), H. 4, S. 457-467.
  • 13 J. Ohnemus, D. Erdsiek, S. Viete: Nutzung von Crowdworking durch Unternehmen: Ergebnisse einer ZEW-Unternehmensbefragung, BMAS Forschungsbericht, Nr. 473, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin 2016.
  • 14 U. Huws, N. H. Spencer, S. Joyce: Crowd work in Europe: Preliminary results from a survey in the UK, Sweden, Germany, Austria and the Netherlands, FEPS Studies, Dezember 2016.
  • 15 L. F. Katz, A. B. Krueger: The Rise and Nature of Alternative Work Arrangements in the United States, 1995-2015, in: National Bureau of Economic Research Working Paper Series, Nr. 22667, 2016.
  • 16 Z.B. I. Bertschek, J. Ohnemus, S. Viete: Befragung zum sozioökonomischen Hintergrund und zu den Motiven von Crowdworkern, Forschungsbericht, Nr. 462, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin 2015.
  • 17 Z.B. J. Berg: Income Security in the On-Demand Economy: Findings and Policy Lessons from a Survey of Crowdworkers, in: Comparative Labor Law & Policy, 37. Jg. (2016), H. 3, S. 506-543.

Arbeiten 4.0 als betriebliche Aufgabe

Wer Aussagen zu den Auswirkungen des digitalen Wandels in der Arbeitswelt tätigt, sollte zweierlei kenntlich machen. Erstens sollte er oder sie definieren, was unter dem Schlagwort Digitalisierung im konkreten Fall zu verstehen ist. Veränderungen von Geschäftsmodellen oder Wettbewerbsstrukturen in den verschiedenen Märkten, die durch eine steigende Bedeutung des Internets als Basistechnologie für wirtschaftliche Aktivitäten hervorgerufen werden, sind von den Effekten auf die Organisation von Produktions- und Arbeitsprozessen oder auf Arbeitsinhalte zu trennen, die unmittelbar durch den Einsatz digitaler Technologien innerhalb eines Betriebs an einem konkreten Arbeitsplatz ausgelöst werden. Zweitens sollte verdeutlicht werden, ob die Hypothesen aus bereits erkennbaren Entwicklungen am Arbeitsmarkt empirisch abgeleitet werden oder ob sie auf Einschätzungen und Erwartungen von Betroffenen oder Beobachtern basieren. Entsprechend wichtig ist es, die Operationalisierung der Variable „Digitalisierung“ in den empirischen Untersuchungen und Prognosen im Auge zu behalten.

Beschäftigungsperspektiven und Kompetenzanforderungen

Während in der öffentlichen Diskussion die Sorge dominiert, dass Algorithmen, Computer oder Roboter massenweise den Menschen in der Arbeitswelt ersetzen, finden sich in empirischen Untersuchungen hierfür derzeit keine Hinweise, und zwar unabhängig davon wie Digitalisierung empirisch operationalisiert worden ist.1 Ob sich für bestimmte Beschäftigtengruppen, z.B. in bestimmten Branchen oder Berufen, in Zukunft eindeutige Trends herauskristallisieren, wird die empirische Arbeitsmarktforschung in den kommenden Jahren feststellen. Dann werden auch verlässliche Aussagen über Beschäftigungs- und Verdienstchancen in den verschiedenen Arbeitsmarktsegmenten gemacht werden können.

Wie sich die Arbeitsmarktperspektiven entwickeln, wird aber ebenfalls davon abhängen, ob die Beschäftigten die künftig aufgerufenen Kompetenzanforderungen erfüllen. Dass sich die Anforderungen in den verschiedenen beruflichen Tätigkeiten verändern, ist bei aller Unsicherheit eine Hypothese, die man mit gutem Gewissen aufstellen darf. Die Arbeitsaufgaben an den einzelnen Arbeitsplätzen haben sich in der Vergangenheit ebenfalls permanent gewandelt. Auch wenn noch keine Klarheit herrscht, welche Beschäftigten in welchen konkreten Tätigkeitsfeldern welche Kompetenzen mitbringen oder erwerben müssen, deuten die Aussagen von Unternehmen darauf hin, dass die beruflichen Anforderungen tendenziell weiter ansteigen werden und sich der Höherqualifizierungstrend fortsetzt.2

Die Personalverantwortlichen in stark digitalisierten Betrieben betonen darüber hinaus, wie bedeutsam die berufliche Handlungsfähigkeit in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnik für die Beschäftigten in Zukunft sein wird. Das überrascht wenig. Allerdings wird es auch in Zukunft für die Mehrzahl der Arbeitnehmer ausreichend sein, die digitalen Technologien adäquat im beruflichen Kontext anwenden zu können. Gleichwohl können sich IT-Experten-Skills (d.h. Kompetenzen z.B. im Bereich der Programmierung und Systemadministration) und IT-Leadership-Skills (d.h. das Gespür für das Veränderungspotenzial digitaler Technologien für Geschäftsmodelle oder Prozesse) als wichtige Zusatzqualifikationen entpuppen. Für manche, vielleicht auch für eine steigende Zahl von Beschäftigten, werden sie sogar die Basis für ihre berufliche Handlungsfähigkeit bilden.

Stark digitalisierte Unternehmen oder solche, die bereits in 4.0-Technologien investiert haben, signalisieren zudem, dass sogenannte Soft Skills wie z.B. die Fähigkeit, mit internen und externen Partnern in unterschiedlichen Kontexten adäquat zu kommunizieren und zu kooperieren, oder die Fähigkeit, die eigenen Aufgaben eigenständig zu planen, zentrale Faktoren sein werden, um sich in einem digitalisierten Arbeitsumfeld adäquat bewegen zu können.3 Dies lässt vermuten, dass im Zuge der digitalen Transformation die Betriebe ihre Prozesse dezentralisieren und die Verantwortlichkeit des einzelnen Beschäftigten bzw. eines Arbeitsteams für einen reibungslosen Ablauf und die Lösung plötzlich auftretender Herausforderungen stärken.

Lebenslanges Lernen

Geht man von der Digitalisierung als fortlaufenden Prozess aus, der sich an den unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollzieht und kein finales Stadium erreicht, ist lebenslanges Lernen ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation für die einzelnen Beschäftigten und die Unternehmen. Ob individuelle Weiterbildungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber oder den Arbeitsagenturen sowie außerbetrieblich organisierte Fortbildungsprogramme der Königsweg sind, ist fraglich. Formale Qualifizierungsmaßnahmen (d.h. Seminare und Lehrgänge) bleiben zweifelsohne ein wichtiges Instrument der Kompetenzbildung. Dies ist jedoch kein spezifisches Merkmal der Digitalisierung. Die Personalverantwortlichen der stark digitalisierten Betriebe stellen hingegen die große Bedeutung des berufsbezogenen Erfahrungswissens heraus.4

Erst wer über ausreichend berufliche Erfahrung verfügt, kann die Effizienzpotenziale digitaler Technologien in vollem Umfang heben. Erfahrungswissen wird aber in der Regel im Arbeitskontext und häufig auf informellem Wege erworben. Gerade für ältere Beschäftigte ist das Lernen am Arbeitsplatz eine Chance, um effektiv Kompetenzen aufzubauen oder weiterzuentwickeln.5 Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen. Im Gegensatz zu früheren technologiegetriebenen Transformationsprozessen werden viele Unternehmen den digitalen Wandel mit den Beschäftigten gestalten, die ihre berufliche Handlungsfähigkeit für neue Aufgaben im höheren Alter erst noch entwickeln oder zumindest weiterentwickeln müssen. Rechtliche Weiterbildungsansprüche und der Fokus auf formale Maßnahmen lenken von der Bedeutung informellen Lernens für die Zukunft ab.

Ferner bedrohen individuelle Weiterbildungsansprüche die effiziente Balance bei der Aufteilung von Kosten und Erträgen einer Humankapitalinvestition. Überbetrieblich durchgeführte und gegebenenfalls aus der Arbeitslosenversicherung finanzierte Qualifizierungsmaßnahmen bergen zusätzlich das Risiko, dass sie die berufliche Handlungsfähigkeit der Beschäftigten im Zweifel gar nicht erhöhen, weil sie an den betrieblichen Bedarfen vorbeigehen. Kompetenzbildung und Qualifizierung der Beschäftigten sollten daher vorrangig im unmittelbaren betrieblichen Kontext erfolgen. Dieser Gedanke lässt sich auch auf die arbeitsmarktgerechte Qualifizierung von Arbeitslosen übertragen. Der schnellstmögliche Wiedereinstieg in Arbeit sollte vor formellen Qualifizierungsprogrammen im Rahmen der Arbeitsförderung Vorrang haben. Dann ist die Gewähr am größten, dass Kompetenzen erworben werden, die die Beschäftigungsfähigkeit konkret vor Ort erhöhen. Wo die Arbeitsförderung erforderlich ist, um überhaupt erst einen schnellen Wiedereinstieg zu erleichtern, sollte sie weiterhin zielgenau an den Anforderungen des Arbeitsmarktes ausgerichtet sein und als Ermessensleistung vergeben werden.

Digitalisierung als Treiber der Flexibilisierung von Arbeit?

Derzeit ist keine empirische Evidenz erkennbar, die auf eine zunehmende Verbreitung unsicherer Beschäftigungsformen im Zuge des digitalen Wandels hindeutet und aus der eine Erosion sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung abgeleitet werden könnte.6 Beispielsweise findet sich keine Korrelation zwischen der Nutzung von Zeitarbeit und dem Digitalisierungsgrad der Unternehmen. Die Befristungsquote ist in stark digitalisierten Branchen nicht besonders auffällig. Mobil mit dem Computer arbeitende Beschäftigte sind deutlich seltener befristet beschäftigt als Beschäftigte, für die Computer oder mobile Endgeräte keine wichtigen Arbeitsmittel sind. Crowdworking ist zwar ein prominent diskutiertes Phänomen, weist allerdings keine besondere empirische Relevanz auf.

Wenn mobiles Internet unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort und im Extremfall jederzeit den unmittelbaren Zugriff auf Informationen erlaubt, die in internen Netzwerken gespeichert sind, können die Fragen, wann, wo und wie die Beschäftigten die eigenen Arbeitsaufgaben erfüllen, neu beantwortet werden. Die Digitalisierung hat damit das Potenzial, Dezentralisierungsprozesse bei Aufgaben- und Ergebnisverantwortung voranzutreiben. Dies würde implizieren, dass mobil arbeitende Personen häufiger mit flexiblen leistungs- und erfolgsabhängigen Entgeltformen incentiviert werden. Erste vorläufige Auswertungen des Autors mit der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS 2015) deuten zumindest in diese Richtung. Ob sich dahinter ein Trend widerspiegelt, der sich in Zukunft verstärkt, bleibt abzuwarten.

Das Dezentralisierungspotenzial erlaubt allerdings die Hypothese, dass die Vision des gläsernen Beschäftigten und der lückenlosen Kontrolle durch den Arbeitgeber Grenzen hat. Digitale Technologien können zwar genutzt werden, um umfangreich personenbezogene Daten im Arbeitsprozess zu sammeln und im Verbund mit anderen Datenquellen auszuwerten, wodurch Leistung und Verhalten der Beschäftigten kontrolliert und Prognosen erstellt werden könnten. Ein derartiger Gebrauch ohne Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter würde von diesen vermutlich als Vertrauensbruch gewertet werden. Ob ein solches Unternehmen dann noch bei seinen Beschäftigten die Bereitschaft weckt, die eigenen Kompetenzen so einzusetzen, dass schnell und angemessen auf unvorhergesehene Veränderungen im Umfeld und im Arbeitskontext reagiert wird oder innovative, kreative Lösungen für Probleme und Kundenwünsche gefunden werden, ist doch sehr fraglich.

Die Digitalisierung birgt stattdessen das Potenzial, Flexibilisierungsbedürfnisse der Beschäftigten und Flexibilisierungsanforderungen der Betriebe zum beidseitigen Nutzen besser ausbalancieren zu können. Beschäftigtenangaben legen nahe, dass mobiles Arbeiten in der Tat als Chance gesehen wird, berufliche und private Verpflichtungen besser in Einklang bringen zu können – und sei es nur, um Wegezeiten einzusparen.7 Mobiles Internet macht zumindest aus technischer Perspektive die Mitarbeiter für dienstliche Belange permanent erreichbar, wodurch manchen die Sorge treibt, dass sich dadurch die Flexibilisierungsanforderungen der Unternehmen mehr Geltung verschaffen können, private Zeit beanspruchen und die Arbeitsbelastung insgesamt ansteigt. Derzeit wird jedoch nur eine Minderheit der Beschäftigten mehrmals in der Woche in der Freizeit für berufliche Belange kontaktiert.8 Innerhalb dieser Gruppe empfindet in der Regel auch nur ein kleiner Anteil die Kontaktaufnahme als eine starke Belastung. Relativ große Handlungs- und Entscheidungsspielräume erlauben es den Beschäftigten in einem vernetzten, digitalen Arbeitsumfeld mit einem potenziell höheren Termin- und Leistungsdruck und Multitasking umzugehen.9 Es kommt am Ende auf die Balance von Anforderungen und Ressourcen an.

Diese scheint auch zu gelingen, wenn man von dem Urteil der Beschäftigten selbst ausgeht. Wer mobil arbeitet, ist (im Durchschnitt) zumindest nicht seltener mit dem eigenen Job zufrieden als Personen, die nie mobil arbeiten.10 Wenn die Beschäftigten die Qualität ihrer Arbeitsplätze selber hoch einschätzen – in den meisten Beschäftigtenbefragungen bekunden rund neun von zehn Beschäftigten hierzulande, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind –, sollte die Frage, ob die Digitalisierung der Arbeitswelt eine schwerwiegende gesundheitliche Gefährdungslage mit sich bringen könnte, zwar wissenschaftlich geprüft, für die Politik derzeit aber nicht handlungsleitend sein, zumal mit der Gefährdungsbeurteilung das entsprechende Instrument bereits rechtlich geregelt ist.

Arbeit 4.0 ist Gestaltungsaufgabe vor Ort

Bei allen Szenarien für eine Arbeitswelt 4.0 ist in Erinnerung zu rufen, dass in Zukunft nicht jeder räumlich und zeitlich flexibel arbeiten wird. Dies signalisieren die bereits vorliegenden empirischen Befunde über die Arbeitssituation heute.11 Viele Beschäftigten haben gar keinen Wunsch, z.B. im Homeoffice zu arbeiten. Von betrieblicher Seite kann es zudem sein, dass die Anforderungen der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsorganisation die Präsenz an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit erfordern. Das Verhalten und die Einstellung der Akteure im betrieblichen Umfeld, der Führungskräfte sowie der Mitarbeiter, bestimmen am Ende, wie sich das Flexibilisierungspotenzial digitaler Technologien auf das Miteinander und damit auf die Arbeitsbedingungen auswirkt.

Klar ist: Flexibles Arbeiten entbindet Arbeitgeber und Führungskräfte nicht von ihren arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen. Sie müssen daher gerade im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten Fehlverhalten erkennen und ansprechen. Genauso bleiben sie in der Verantwortung, die Arbeitszeiten und das Arbeitsvolumen der Mitarbeiter angemessen auszutarieren und diese in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben adäquat erfüllen zu können. Um z.B. dem Gefühl entgegenzuwirken, ständig für berufliche Belange erreichbar zu sein, bedarf es klar formulierter und kommunizierter angemessener Erwartungshaltungen hinsichtlich von Ansprech- und Reaktionszeiten.

Klar ist aber auch: Räumlich und zeitlich flexibles Arbeiten betont die Eigenverantwortung der Beschäftigten. Wer im Zuge von mobilem Arbeiten eine größere berufliche Autonomie beansprucht, kann sich der eigenen Verantwortlichkeit auch in Sachen Gesundheitsschutz nicht entziehen. Dies gilt am Ende vor allem dort, wo Geschäftsführungen und Führungskräfte keine unmittelbaren Zugriffsrechte auf die Beschäftigten ausüben können. Am Ende entscheidet jede und jeder auch selbst, wann und wie sie und er außerhalb der üblichen Arbeitszeiten ansprechbar sind und auf eine Kontaktaufnahme reagieren.

Mit dem Arbeitsschutzgesetz und dem Arbeitszeitgesetz ist der gesetzliche Rahmen für Arbeit 4.0 gesteckt. Sowohl die Ausgangsvoraussetzungen als auch die passenden Lösungen für Arbeiten 4.0 werden sich von Betrieb zu Betrieb und selbst innerhalb des gleichen Unternehmens unterscheiden. Die Gestaltung des digitalen Wandels ist daher eine betriebliche Aufgabe, bei der die Sozialpartner unterstützen können. Daher ist der Gedanke zu begrüßen, Experimentierräume zu schaffen, in denen z.B. rechtssicher die Flexibilisierung von Arbeitszeiten erprobt werden kann. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, die Potenziale digitaler Technologien zum beidseitigen Nutzen von Betrieben und Beschäftigten zu heben.

  • 1 Vgl. z.B. A. Hammermann, O. Stettes: Beschäftigungseffekte der Digitalisierung. Erste Eindrücke aus dem IW-Personalpanel, in: IW-Trends, 42. Jg. (2015), H. 3, S. 77-94; O. Stettes: Arbeitswelt der Zukunft – Wie die Digitalisierung den Arbeitsmarkt verändert, IW-Analysen, Nr. 108, Köln 2016; A. Warning, E. Weber: Digitalisierung verändert die betriebliche Personalpolitik, IAB-Kurzbericht, Nr. 12, Nürnberg 2017; F. Lehmer, B. Matthes: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland, IAB-Aktuelle Berichte, Nr. 5, Nürnberg 2017.
  • 2 A. Hammermann, O. Stettes: Qualifikationsbedarf und Qualifizierung – Anforderungen im Zeichen der Digitalisierung, IW Policy Paper, Nr. 3, Köln 2016; ähnlich M. Arntz, T. Gregory, S. Jansen, U. Zierahn: Tätigkeitswandel und Weiterbildungsbedarf in der digitalen Transformation, ZEW-Gutachten, Mannheim 2016.
  • 3 A. Hammermann, O. Stettes: Qualifikationsbedarf und Qualifizierung ..., a.a.O.; M. Arntz et al., a.a.O.; A. Warning, E. Weber, a.a.O.
  • 4 A. Hammermann, O. Stettes: Qualifikationsbedarf und Qualifizierung ..., a.a.O.
  • 5 Vgl. z.B. C. Göbel, T. Zwick: Which Personnel Measures are Effective in Increasing Productivity of Old Workers?, ZEW-Discussion Paper, Nr. 10-069, Mannheim 2010.
  • 6 O. Stettes, a.a.O.; ders.: Flexible Beschäftigung und Digitalisierung, IW-Kurzbericht, 2017 (im Erscheinen).
  • 7 Vgl. z.B. A. Hammermann, O. Stettes: Familienfreundliche Arbeitswelt im Zeichen der Digitalisierung – Befunde auf Basis des Unternehmensmonitors Familienfreundlichkeit 2016, in: IW-Trends, 43. Jg. (2016), H. 4, S. 3-23; D. Arnold, S. Steffes, S. Wolter: Mobiles und entgrenztes Arbeiten, Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Nr. 460, Nürnberg, Mannheim 2015.
  • 8 Vgl. z.B. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: Ständige Erreichbarkeit: Wie belastet sind wir? Ursachen und Folgen ständiger Erreichbarkeit, IAG Report, Nr. 1, 2012.
  • 9 A. Hammermann, O. Stettes: Bewältigung von Stress in einer vernetzten Arbeitswelt. Befunde aus der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung, in: IW-Trends, 42. Jg. (2015), H. 2, S. 113-135.
  • 10 A. Hammermann, O. Stettes: Mobiles Arbeiten in Deutschland und Europa – Befunde auf Basis des European Working Conditions Survey, in: IW-Trends (im Erscheinen); O. Stettes: Gute Arbeit: Höhere Arbeitszufriedenheit durch mobiles Arbeiten, IW-Kurzbericht, Nr. 76, Köln 2016.
  • 11 A. Hammermann, O. Stettes: Qualifikationsbedarf und Qualifizierung ..., a.a.O.; D. Arnold et al., a.a.O.

Digitalisierung und Arbeitszeit

Im Zuge technischer Änderungen ersetzen Betriebe und Unternehmen veraltete Maschinen und Anlagen nicht einfach nur durch neue, die eine höhere Leistungsfähigkeit aufweisen, sondern sie passen auch die Unternehmensorganisation an, damit die neuen Technologien ihr Potenzial entfalten können. Dies gilt insbesondere für die Digitalisierung, zu deren hervorstechenden Merkmalen die Vernetzung der virtuell-digitalen und physischen Welt in den Betrieben und Unternehmen gehört. Auf der Ebene der einzelnen Arbeitsplätze können sich Tätigkeitsinhalte, z.B. die Mensch-Maschine-Interaktion verändern, aber es gibt auch die Möglichkeit, dass bestimmte Tätigkeiten von internen Beschäftigten extern vergeben werden, wie z.B. beim Crowdworking. Bestehende und neu gegründete Unternehmen bieten neue Produkte und Dienstleistungen an, wobei neue Arbeitsplätze vor allem im direkten Kontakt zu den Kunden entstehen, aber nicht nur dort. Durch die Automatisierung und Roboterisierung werden auch Arbeitsplätze „vernichtet“ und/oder in andere Unternehmen im In- und Ausland verlagert.1 Diese Veränderungen der Arbeitsmarktstrukturen und -prozesse können mit unterschiedlichen Reaktionen im Bereich der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung verbunden sein. Aktuell sind die Verlängerung der Wochenarbeitszeit und die Nutzung von Homeoffice von besonderem Interesse. Der vorliegende Beitrag widmet sich deshalb diesen beiden Bereichen.

Verlängerte Wochenarbeitszeit

Für die Veränderungen der Arbeitszeit ist die größere Geschwindigkeit entscheidend, mit der sich die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ändert, sodass die Unternehmen einem noch größeren Druck ausgesetzt sind, den Arbeitskräfteeinsatz möglichst flexibel zu gestalten. In Deutschland bestehen gute Voraussetzungen beispielsweise durch die 2004 erfolgte Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, um mehr Freiräume für die betriebliche Arbeitszeitgestaltung zu eröffnen. Durch betriebliche Bündnisse für Beschäftigung und Standortsicherung2 und tarifliche Öffnungsklauseln gibt es Regelungen, um einerseits auf betrieblicher Ebene die Arbeitszeit zu verlängern oder andererseits die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich befristet zu verkürzen. Auch die Regelungen zur Kurzarbeit, die in der großen Rezession 2008/2009 eine bedeutende Rolle gespielt haben, sind in diesem Zusammenhang zu sehen.3 Für die Betriebe ist und war die Möglichkeit, auf Veränderungen der Nachfrage schnell und flexibel durch Veränderungen der Arbeitszeit reagieren zu können, von erheblicher Bedeutung. Dadurch konnte die Beschäftigung stabilisiert und Beschäftigungsverluste vermieden werden. Umgekehrt ist es möglich, trotz bestehender Engpässe bei der Verfügbarkeit von Fachkräften die zusätzlichen Aufträge zu erledigen.

Besonders muss in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Nutzung des Instruments der Arbeitszeitkonten hingewiesen werden:4 Damit können die Betriebe auch die für sie teuren Überstundenzuschläge vermeiden. Die Beschäftigten sind an flexiblen Arbeitszeiten interessiert, um eine höhere Autonomie und Selbstständigkeit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu erlangen und damit ihre Work-Life-Domain-Balance zu verbessern.5 Dies ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion um die durch die Digitalisierung induzierten Beschäftigungsgewinne und -verluste von erheblicher Bedeutung. Zu betonen sind dabei die großen Unterschiede auf sektoraler und betrieblicher Ebene. Deshalb geht die Initiative der Bundesarbeitsministerin, die eine Experimentierklausel vorgeschlagen hat, grundsätzlich in die richtige Richtung.

Eine Studie dazu, wie der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit wirkt, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vorgelegt.6 Basis war die zweite Welle des Linked Personnel Panels (LPP) des IAB, einer Befragung in Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten, die bereits im Rahmen der Haupterhebung des IAB-Betriebspanels7 interviewt worden sind. Dabei konnten 771 Betriebe im Jahr 2014 über verschiedene personalpolitische Maßnahmen zur Einstellung, Vergütung, Personalentwicklung und Unternehmenskultur befragt werden. Die Befragung umfasste ausschließlich Betriebe in privatem Eigentum. Weiterhin wurden 2015 insgesamt 7109 Beschäftigte in diesen Betrieben und in solchen, die sich bereits bei der ersten Welle des LPP in 2012/2013 beteiligt hatten, zu verschiedenen Themen wie ihrer Arbeitszeit, ihrem Arbeitsvertrag, ihrer Vergütung und ihrer sozio-demografischen Merkmalen befragt.

Der Fokus der zweiten LPP-Beschäftigtenbefragung lag auf der Digitalisierung und der mobilen Arbeit. Die zentrale Frage war die nach der Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), wie Computer, Internet, Laptop, Tablet oder Smartphone für geschäftliche Zwecke. Hochgerechnet war das bei 82% der Beschäftigten der Fall. Die tatsächlich gearbeitete Arbeitszeit war bei den IKT-Nutzern mit durchschnittlich 40,78 Stunden um mehr als 2 Stunden länger als bei den Nicht-Nutzern mit durchschnittlich 38,72 Stunden, wobei dieser Unterschied hochsignifikant ist.

In multivariaten Analysen bleibt eine Differenz bestehen, verringert sich aber, wenn für andere individuelle Charakteristika, wie dem Geschlecht, der Hierarchieebene, der Qualifikation, der Familiensituation und dem Alter und der betrieblichen Merkmale wie der Existenz eines Betriebsrats, der Gültigkeit von Flächen- oder Firmentarifverträgen, der Anwendung flexibler Entlohnungskomponenten sowie Regional-, Betriebsgrößen- und Wirtschaftszweigzugehörigkeit kontrolliert wird. Unter Berücksichtigung dieser Variablen reduziert sich der Unterschied bei der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit von IKT-Nutzern und Nicht-Nutzern von zwei Stunden auf 30 Minuten, wobei diese Differenz hochsignifikant bleibt.

Leider können mit den vorhandenen Daten nicht die Gründe für die Mehrarbeit ermittelt werden: Dies könnte an der größeren Geschwindigkeit und Effizienz von Entscheidungen sowie verbesserter Koordination und Autonomie von Beschäftigten8 liegen. Damit wären einerseits Produktivitätsgewinne verbunden. Andererseits könnten durch ein vermehrtes Multitasking, Müdigkeit9 oder aber auch die Erledigung privater Angelegenheiten in der Arbeitszeit Produktivitätseinbußen entstehen.

Homeoffice

Ein hervorstechendes Merkmal der modernen IK-Technologien ist das Arbeiten auf Distanz. Von besonderem Interesse sind dabei das Arbeiten von zu Hause aus und der Zusammenhang mit der tatsächlichen Arbeitszeit. Auf der Basis derselben Befragungsdaten wie der LPP-Beschäftigtenerhebung aus dem Jahr 2015 konnte eine Forschergruppe des IAB, des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität zu Köln die von den Beschäftigten erlebten Vor- und Nachteile im Homeoffice analysieren.10 Dabei konnten zwei Beschäftigtengruppen voneinander unterschieden werden: zum einen diejenigen, die einen Teil ihrer normalen Arbeitszeit aus dem Betrieb ins Homeoffice verlagern, also lediglich den Ort der Arbeit verändern. Eine andere, etwa gleich große Gruppe von Beschäftigten gibt an, ausschließlich in ihrer Freizeit von zu Hause aus zu arbeiten. Dies kann im Rahmen des vertraglich vereinbarten Arbeitsvolumens stattfinden oder darüber hinausgehen.

Die Tabelle 1 zeigt, dass der Aussage, dass durch die Arbeit von zu Hause eine längere Wochenarbeitszeit realisiert werden kann, hochgerechnet 40% der Befragten dieser Gruppe zustimmen – nur ein Prozentpunkt mehr als in der anderen Gruppe. Weiterhin geben 78% der Befragten der ersten Gruppe an, dass sie durch die Nutzung des Homeoffice weniger Fahrzeit haben und 73% von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben profitieren. Für die zweite Gruppe spielen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit 30% sowie geringere Fahrzeiten mit 30% eine geringere Rolle als für die andere Gruppe.

Tabelle 1
Einschätzungen von Beschäftigten zum Homeoffice
in % der Befragten
  Homeoffice teilweise während der normalen Arbeitszeit Homeoffice ausschließlich außerhalb der normalen Arbeitszeit
Höhere Wochenarbeitszeit 40 39
Weniger Fahrzeit 78 30
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben 73 30
Manche Tätigkeiten lassen sich besser erledigen 63 54
Stärkere Vermischung von Arbeit und Privatem 49 50
Schlechterer Kontakt mit Kollegen 22 16
Schlechtere Leistungswahrnehmung durch Vorgesetzte 4 7
Anteil der Beschäftigten 44 56

Quelle: D. Arnold, S. Steffes, S. Wolter: Mobiles und entgrenztes Arbeiten – aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung. Monitor, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin 2015, S. 14.

Als klarer Vorteil des Homeoffice wird von beiden Gruppen die Möglichkeit, manche Tätigkeiten besser von zu Hause aus erledigen zu können, betrachtet. Etwa die Hälfte der Beschäftigten sieht aber auch eine stärkere Vermischung von Arbeit und Privatem. Dabei handelt es sich dann um eine Problem, wenn es den Beschäftigten nicht mehr gelingt von der Arbeit abzuschalten und die notwenigen Erholungszeiten einzuhalten. Hinzu kommt, dass in der Gruppe derjenigen, die zumindest teilweise während der normalen Arbeitszeit im Homeoffice arbeiten, 22% und in der anderen Gruppe 16% der Beschäftigten angeben, dass sich durch Homeoffice der Kontakt zu den Kollegen verschlechtert. Damit wird die Zusammenarbeit im Team trotz Videokonferenzen, Chat-Apps und E-Mails schwieriger. Zusätzlich verringern sich die für die Bewältigung der Arbeitsaufgaben diesen Beschäftigten zur Verfügung stehenden sozialen Ressourcen.11

Wie die empirischen Ergebnisse des IAB zeigen, kann die größere Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit, die durch die Digitalisierung entsteht, mit Fallstricken verbunden sein. In der Öffentlichkeit werden immer wieder Beispiele aus der Unternehmenspraxis diskutiert, in denen Unternehmen Homeoffice wieder abgeschafft haben, weil die damit verbundenen Probleme größer als die Vorteile waren. Beispielsweise erschien IBM seit langem als ein absoluter Vorreiter beim örtlich flexiblen Arbeiten, weil es bereits 1980 den Mitarbeitern erste Möglichkeiten eröffnete, von zu Hause aus zu arbeiten, und mit dem Unternehmen verbundene Terminals bei den Mitarbeitern zu Hause installieren ließ. An den Standorten Atlanta, Raleigh, Austin, Boston, San Francisco und New York arbeiten künftig die Marketingabteilungen wieder ausschließlich im Büro, denn nur dort könne echte Kreativität und Inspiration entstehen.12

An sich haben Beschäftigte in Deutschland keinen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice – im Unterschied etwa zur Teilzeitarbeit. Als sinnvoll haben sich Regelungen erwiesen, die sich meistens – aber nicht ausschließlich – in entsprechenden Betriebsvereinbarungen finden. Der Betriebsrat besitzt ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in Fragen der Arbeitszeit, Zeiterfassung und bei technischen Einrichtungen des Arbeitnehmers, die zur Überwachung des Arbeitnehmers geeignet sein können (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz) und hat einen allgemeinen Unterrichtungsanspruch zu Arbeitszeitregelungen (§ 80 Betriebsverfassungsgesetz), aber auch bei der Planung der Arbeitszeitplätze, bei Änderungen des Arbeitsablaufs und des Arbeitsverfahrens (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz).13

Wichtige Regelungspunkte für eine Betriebsvereinbarung sind die Freiwilligkeit, der Arbeitszeitanfang, Beibehaltung eines Büros im Betrieb, Ausstattung, Kostenregelung, Anpassung der Gefährdungsbeurteilung, betriebliche Kommunikationszeiten, Arbeitszeiterfassung im Homeoffice, Versicherungsschutz sowie Unterweisungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit, um nur einige zu nennen.14

Fazit

Die durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungen von Arbeitsmarktstrukturen und -prozessen sind nach den Berechnungen auf der Basis des Linked Personnel Panels des IAB mit längeren Wochenarbeitszeiten und einer höheren Arbeitsleistung verbunden. Produktivitätsgewinne ergeben sich also nicht nur auf der Ebene der Betriebe, die moderne IKT nutzen, sondern auch auf der volkswirtschaftlichen Ebene. Damit werden die Ergebnisse US-amerikanischer Studien aus den 1990er Jahren bestätigt, die den Einfluss der Computer-Technologie auf Lohnhöhe und Arbeitszeit ermittelt haben.15 Die auftretenden Effekte können sich vor allem während der Einführungsphase der Technologie zeigen und damit zeitlich begrenzt wirksam sein. Diese Einschätzung ist auch für die aktuelle Situation der deutschen Wirtschaft zutreffend: Die Ergebnisse der IAB-ZEW-Erhebung zeigen, dass die Digitalisierung in Deutschland bislang nur einen Teil der Betriebe erfasst hat: 31,4% der Betriebe haben sich noch nicht mit den modernen digitalen Technologien beschäftigt, während 33,8% diese bereits nutzen und 17,6% als Bestandteil ihres Geschäftsmodells betrachten.16

  • 1 C. Degryse: Digitalisation of the economy and its impact on labour markets, European Trade Union Institute Working Paper, Nr. 2/2016.
  • 2 J. T. Addison, P. Teixeira, K. Evers, L. Bellmann: Contract innovation in Germany: An economic evaluation of pacts for employment and competitiveness, in: British Journal of Industrial Relations, 54. Jg. (2016); L. Bellmann, H.-D. Gerner: Betriebliche Bündnisse für Beschäftigung in der Krise 2008/2009 erfolgreich, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 10, S. 706-711, http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2012/10/betriebliche-buendnisse-fuer-beschaeftigung/ (10.7.2017).
  • 3 L. Bellmann et al.: Die Reaktion des Arbeitsmarktes auf die Wirtschaftskrise 2008/09: Ursachen und Schlussfolgerungen, in: H. Brücker, S. Klinger, J. Möller, U. Walwei (Hrsg.): Handbuch Arbeitsmarkt – Analysen, Daten, Fakten 2013, IAB-Bibliothek, Bd. 334, Nürnberg 2012, S. 49-83.
  • 4 L. Bellmann, O. Hübler: Working time accounts and firm performance in Germany, in: IZA Journal of European Labor Studies, 4. Jg. (2015), H. 1, S. 1-18; I. Zapf: Traditionelle und moderne Formen der Arbeitszeitflexibilität. Arbeitsangebots- und -nachfrageseitige Faktoren von Überstunden und Arbeitszeitkonten, IAB-Bibliothek, Bd. 361, Nürnberg 2016.
  • 5 E. Ulrich, B. Wiese: Life Domain Balance: Konzepte zur Verbesserung der Lebensqualität, Wiesbaden 2011.
  • 6 P. Grunau, S. Wolter, L. Bellmann, D. Müller: ICT and actual working time in Germany, in: Management Revue, 28. Jg. (2017), im Erscheinen.
  • 7 P. Ellguth, S. Kohaut, I. Möller: The IAB Establishment Panel – Methodological Essentials and Data Quality, in: Journal of Labour Market Research, 47. Jg. (2014), H. 1+2, S. 27-41.
  • 8 M. Beckmann, T. Cornelissen, M. Kräkel: Self-managed working time and employee effort: theory and evidence, in: Journal of Economic Behavior and Organisation, 133. Jg. (2015), H. 768, S. 285-302.
  • 9 M. Collewet, J. Sauermann: Working Hours and Productivity, IZA Discussion Paper, Nr. 10722, April 2017.
  • 10 D. Arnold, S. Steffes, S. Wolter: Mobiles und entgrenztes Arbeiten – aktuelle Ergebnisse einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Berlin 2015.
  • 11 E. Demerout, A. B. Bakker, F. Nachreiner, W. B. Schaufeli: The Job Demands – Resources Model of Burnout, in: Journal of Applied Psychology, 86. Jg. (2001), H. 3, S. 499-512.
  • 12 O.V.: IBM schafft das Home Office ab, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.6.2017.
  • 13 I. Eder: Homeoffice – mit Betriebsrat, in: Arbeitsrecht im Betrieb 2017, H. 3, S. 10-15.
  • 14 Ebenda.
  • 15 R. Freeman: The labour market in the Information Economy, in: Oxford Review of Economic Policy, 18. Jg. (2002), H. 3, S. 288-305.
  • 16 M. Arntz, T. Gregory, F. Lehmer, B. Matthes, U. Zierahn: Arbeitswelt 4.0 – Stand der Digitalisierung in Deutschland: Dienstleister haben die Nase vorn, IAB-Kurzbericht, Nr. 22, Nürnberg 2016.

Arbeiten 4.0 – Qualifikationsentwicklung und Gestaltungsoptionen

Unstrittig ist in der wissenschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Debatte, dass sich Arbeit mit dem fortschreitenden Einsatz digitaler Technologien in nahezu allen Sektoren nachhaltig wandeln wird. Im industriellen Bereich betrifft dies nicht nur die Tätigkeiten auf dem Shop­floor, sondern auch die indirekten Bereiche wie Planung und Steuerung oder Engineering: Auch die Anforderungen an Leitung und Management sowie Führungsstile werden sich deutlich verändern. Darüber hinaus ist mit einer durchgreifenden Reorganisation überbetrieblicher Arbeits- und Wertschöpfungsketten zu rechnen.

In Hinblick auf diesen Wandel von Arbeit wird im Kontext des Industrie-4.0-Diskurses in Deutschland vielfach eine optimistische Perspektive formuliert und Chancen für einen Ausbau der Beschäftigung und eine Aufwertung von Industriearbeit postuliert. Stellvertretend sei hier auf die Position des Wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 verwiesen, der in seinen 2014 publizierten Thesen betont, dass sich mit Industrie 4.0 „vielfältige Möglichkeiten für eine humanorientierte Gestaltung der Arbeitsorganisation“ verbinden.1 Es braucht nicht weiter begründet zu werden, dass es sich dabei um eine im weitesten Sinn gesellschafts- und industriepolitisch sehr wünschenswerte Entwicklungsperspektive handelt. Resümiert man allerdings die bislang vorliegenden Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Arbeitsforschung, so lässt sich die Frage kaum beantworten, in welcher Weise sich Qualifikationen und Tätigkeiten tatsächlich verändern werden.

Verschiedene Szenarien

So wird in der laufenden Debatte zwar unisono von einer wachsenden Dynamik und weitreichenden Strukturverschiebungen auf dem Arbeitsmarkt ausgegangen, jedoch sind in Hinblick auf die absehbare Entwicklung von Tätigkeiten und Qualifikationen verschiedene Szenarien möglich:2

  1. „Upgrading“ von Arbeit: Ein erstes Szenario kann als Upgrading von Qualifikationen bezeichnet werden. In dieser Perspektive verschiebt sich das Aufgabenspektrum von Arbeit in Richtung anspruchsvoller Aufgaben wie Planung, Disposition und Systemüberwachung. Damit steigen die Anforderungen an ein arbeitsplatzübergreifendes Verständnis der Arbeitsprozesse sowie an die Fähigkeit, die nun verfügbaren Informationen effektiv zu nutzen. Zudem nehmen nach Ansicht vieler Unternehmensvertreter die Anforderungen an Optimierungs- und Problemlösungskompetenzen sowie an generelle IT-Kompetenzen zu. Diesem Szenario folgend treffen diese Trends für fast alle Beschäftigtengruppen in der Fertigung, in indirekten Bereichen wie der Arbeitsvorbereitung, der Produktionsplanung etc. zu. Insbesondere kann auch das Qualifikationsniveau bislang geringqualifizierter Tätigkeiten wie einfache Maschinenbedienung oder Logistikjobs mit der Unterstützung digitalisierter Informations- und Assistenzsysteme qualifiziert und diese Arbeiten ganzheitlicher und anspruchsvoller als bisher gestaltet werden. Zugleich ist aber auch davon auszugehen, dass ein Teil einfacher und vor allem auch belastender Routinetätigkeiten von digitalen Systemen übernommen wird. Typisch ist hier der Einsatz smarter Robotersysteme, mit denen ergonomisch ungünstige und schwere Montagetätigkeiten automatisiert werden. Insgesamt gesehen wird daher auch von einer zukünftigen „Requalifizierung“ von Industriearbeit unter den Bedingungen von Industrie 4.0 gesprochen.
  2. „Polarisierung“ von Arbeit: Ein zweites gegensätzliches Szenario lässt sich als Polarisierung von Qualifikationen beschreiben. Der Kern dieses Szenarios ist, dass mittlere Qualifikationsgruppen wie qualifizierte Facharbeit massiv an Bedeutung verlieren und sich daher zunehmend eine Schere zwischen komplexen Tätigkeiten mit hohen Qualifikationsanforderungen und einfachen Tätigkeiten mit niedrigem Qualifikationsniveau öffnet. Auf der Ebene von Produktions- und Arbeitsprozessen sind hier die folgenden Mechanismen erkennbar:
    • Einerseits entsteht eine begrenzte Zahl neuer komplexer Tätigkeiten mit gestiegenen Qualifikationsanforderungen. Ein Beispiel hierfür sind neue Planungs- und Überwachungsfunktionen und prozessübergreifende Abstimmungsaufgaben, die zu neuen Tätigkeiten der Systemsteuerung gebündelt werden.
    • Andererseits kann durch den Einsatz digitaler Technologien ein Prozess der Dequalifizierung mittlerer Qualifikationsgruppen Platz greifen. Die Gründe hierfür sind optimierte Arbeitsvorgaben, die zu einer Standardisierung und Vereinfachung bislang relativ anspruchsvoller Jobs führen. Beispielsweise kann es sich dabei sowohl um Produktionsarbeiten etwa der Maschinenbedienung aber, auch um Verwaltungs- und Sevicetätigkeiten auf mittleren Qualifikationsniveaus handeln.

Mittleren Qualifikationsgruppen kommt in diesem Szenario längerfristig nur noch ein nachgeordneter Stellenwert zu. Auch werden einfache Aufgaben kaum, wie das Upgradingszenario unterstellt, durch Automatisierung und Aufwertung tendenziell verschwinden, vielmehr entstehen durch den Einsatz digitaler Technologien neue einfache Tätigkeiten mit niedrigen Qualifikationsanforderungen.3

  1. Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit: Unabhängig von Tätigkeiten und Qualifikationsniveau wird allerdings die Arbeit wohl in zeitlicher, organisatorischer und räumlicher Hinsicht zunehmend flexibilisiert und entgrenzt. Denn die neuen Möglichkeiten einer marktorientierten digitalisierten Echtzeitsteuerung von Arbeitsprozessen im Kontext neuer Unternehmensstrategien und Geschäftsmodelle stellen bisherige fest gefügte Arbeitsstrukturen nachhaltig infrage. Auf der einen Seite finden sich hier Argumente, die damit eine Steigerung der Qualität der Arbeit verbinden. So würden die Steuerungs- und Kommunikationsmöglichkeiten der digitalen Technologien trotz steigender Flexibilität eine deutlich verbesserte „Work-Life-Balance“, etwa eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Auf der anderen Seite aber werden mögliche Risiken und negative Arbeitsfolgen, etwa neu entstehende prekäre Arbeitsformen, ein ungeklärter Umgang mit personenbezogenen Leistungsdaten sowie Leistungsverdichtung befürchtet.

Gestaltungsoptionen

Insgesamt gesehen gibt es daher keinesfalls eindeutige Entwicklungstrends von Arbeit. Dieser Befund korrespondiert mit einer grundlegenden Erkenntnis der sozialwissenschaftlichen Arbeitsforschung, dass zwischen der Einführung neuer Technologien und den Konsequenzen für Arbeit keine eindeutigen und deterministischen Beziehungen bestehen. Vielmehr existieren stets große Spielräume für die Arbeitsgestaltung, deren faktische Nutzung von einer Vielzahl häufig kontingenter nicht-technischer, sozialer und ökonomischer Faktoren abhängig ist. Als Analyse- und Gestaltungsansatz dieses komplexen Zusammenhangs bietet sich hierfür der Rückgriff auf das Konzept des sozio-technischen Systems an. Diesem Konzept zufolge geht es nicht um die Frage eines „entweder Technik oder Mensch“, sondern um das Ziel einer aufeinander abgestimmten Entwicklung und Gestaltung des sozio-technischen Gesamtsystems. Dieser Ansatz hat seit langer Zeit in der Arbeitsforschung einen prominenten konzeptionellen und analytischen Stellenwert bei der Untersuchung und Gestaltung technisierter und automatisierter Arbeitsprozesse.4 Er stellt den Gesamtzusammenhang eines Produktionsprozesses mit seinen Teilsystemen Technik, Organisation und Mensch in den Mittelpunkt der Betrachtung. Vor allem wird nicht allein nach der Funktionsweise und den Wandlungsprozessen der Teilsysteme im Einzelnen gefragt, sondern es werden ihre Interdependenzen betont. Konkret geht es um die Auslegung der funktionalen Beziehungen bzw. der Schnittstellen („Interfaces“) zwischen Technik, Mensch und Organisation.

Damit werden nicht nur die zentralen Gestaltungsräume für Industrie-4.0-Systeme insgesamt bezeichnet, sondern Optionen für eine normative wünschenswerte human­orientierte Gestaltung von Arbeit, die etwa grundsätzlich der oben skizzierten humanorientierten Entwicklungsperspektive für Arbeit entspricht.5 Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich einige grundlegende Gestaltungskriterien für die Schnittstellen zwischen Mensch, Technik und Organisation benennen. Dabei ist zu unterstreichen, dass diese Gestaltungskriterien einerseits weit in den tradierten Wissensbestand der Arbeitsforschung und Arbeitsgestaltung zurückreichen.6 Andererseits aber eröffnen die neuen Technologien nicht nur völlig neue Möglichkeiten, diese Gestaltungsziele umzusetzen, sondern es ergeben sich auch neue Herausforderungen für die Arbeitsgestaltung.

Schnittstelle Mensch – Technik

Als zentrale Kriterien für die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch lassen sich Kontextsensitivität und Adaptivität sowie Komplementarität hervorheben:

  • Kontextsensitivität und Adaptivität umfassen zunächst Aspekte einer ergonomisch orientierten Anpassung von digitalen Systemen an spezifische Arbeitsbedingungen und Belastungen, gegebenenfalls eine systematische Belastungskontrolle oder die Automatisierung besonders belastender Tätigkeiten. Darüber hinaus geht es dabei um eine situationsspezifisch optimale Bereitstellung von Daten und Informationen, um einen störungsfreien Arbeitsfluss sicherzustellen und stressauslösende und belastende Unterbrechungen zu vermeiden. Zudem ist eine intelligente Anpassungsfähigkeit der Informations- und Assistenzsysteme an jeweils unterschiedliche, teilweise individuell verschiedene Qualifikationsniveaus möglich, um kontinuierliche Lern- und Qualifizierungsprozesse zu gewährleisten.
  • Komplementarität stellt auf zwei zentrale Aspekte der Mensch-Technik-Interaktion ab: Zum einen geht es um eine flexible situationsspezifische Funktionsteilung zwischen Mensch und Maschine, zum anderen sollen die Voraussetzungen für eine hinreichende Transparenz und Kontrollierbarkeit des Systems durch die Beschäftigten geschaffen werden. Relevante Gestaltungsaspekte sind dabei: sichere Mensch-Technik-Interaktion durch intuitiv bedienbare und schnell erlernbare Anlagen sowie zielgerichteter und situationsspezifischer Zugang zu digitaler Information in Echtzeit, um damit digital gestützte Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Beschäftigten zu sichern und auszubauen.

Die Interaktion zwischen smarten Systemen und Arbeitshandeln kann grundsätzlich als hybrid charakterisiert werden. Im Unterschied zu einer traditionellen Perspektive auf Technik als passives Objekt wird in digitalen Systemen Technik tendenziell die Rolle eines „handlungsfähigen Akteurs“ zugeschrieben mit der Folge, dass sich nicht nur die Arbeitsteilung, sondern auch die Entscheidungskompetenzen in spezifischer Weise stets zwischen der neuen Technik und dem Menschen einspielen müssen.

Schnittstelle Mensch – Organisation

Die leitenden Kriterien für die Gestaltung von Tätigkeiten an der Schnittstelle Mensch und Organisation können durch die Stichworte Ganzheitlichkeit und Dynamik von Tätigkeiten und Personaleinsatz zusammengefasst werden:

  • Das Kriterium der Ganzheitlichkeit stellt auf die Vollständigkeit von Tätigkeiten in doppelter Hinsicht ab: Zum einen soll eine Tätigkeit nicht nur ausführende, sondern auch dispositive (organisierende, planende und kontrollierende) Aufgaben umfassen. Zum anderen zielt dieses Kriterium auf eine angemessene, belastungsreduzierende Mischung von mehr oder weniger anspruchsvollen Aufgaben. Ganzheitlichkeit der Tätigkeiten ist die zentrale Voraussetzung für große Handlungsspielräume sowie die Selbstorganisation von Arbeit.
  • Das Kriterium der Dynamik von Tätigkeiten zielt zum Ersten auf arbeitsorganisatorische Möglichkeiten für einen systematischen Aufgabenwechsel, um Lernprozesse zu ermöglichen und zu fördern. Zum Zweiten fördern die neuen Social-Media-Funktionen die interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation zwischen unterschiedlich spezialisierten Beschäftigten und verbessern damit die Innovationsfähigkeit der Arbeit und das Finden neuer Lösungen. Zugleich können im Kontext nur wenig strukturierter Arbeitsformen auch Mitarbeiter mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Leistungsvoraussetzungen, z.B. in altersgemischten Arbeitsgruppen, eingesetzt werden. Zum Dritten sind wenig strukturierte und dynamische Arbeitsprozesse vielfach die Voraussetzung dafür, um angesichts der wachsenden Komplexität von Anlagen und Systemen in unbestimmten und unstrukturierten Situationen handlungs- und entscheidungsfähig zu sein und Störungen effektiv beheben zu können.

Die Umsetzung dieser Gestaltungskriterien führt zu einer Form der Arbeitsorganisation, die durch eine lockere Vernetzung unterschiedlich qualifizierter, aber gleichberechtigt agierender Beschäftigter in horizontaler wie auch vertikaler Dimension gekennzeichnet ist. Dieses Muster zeichnet sich durch ein hohes Maß an struktureller Offenheit, eine sehr begrenzte Arbeitsteilung, selbstorganisierte Tätigkeiten und hohe Flexibilität aus.

Schnittstelle Technik – Organisation

Zentrales Gestaltungskriterium für die Schnittstelle zwischen Organisation und Technik ist die weitreichende Einführung von dezentralisierten Organisationssegmenten. Damit können einerseits die Gestaltungspotenziale der neuen, im Vergleich zu früheren IT-Systemen, ausgeprägt dezentralen digitalen Technologien organisatorisch genutzt werden. Andererseits stellen dezentralisierte Organisationssegmente eine wichtige Rahmenbedingung dafür dar, neue Formen humanorientierter innovativer Industriearbeit zu schaffen. Relevante Kriterien sind auch hier Ganzheitlichkeit und Selbstorganisation von Arbeit, Polyvalenz der Tätigkeiten und interdisziplinäre Projektgruppen. Dies legt einen nachhaltigen Umbau der gesamten Prozessorganisation in ihren verschiedenen Dimensionen nahe. In organisatorisch-horizontaler Hinsicht geht es um die flexible Integration unterschiedlich spezialisierter Funktionsbereiche. In der vertikalen Dimension wird tendenziell die bisherige Arbeitsteilung zwischen ausführenden Shopfloor-Funktionen und indirekten Bereichen aufgehoben und durch neue Formen flexibler und interdisziplinärer Kooperation ersetzt. Schließlich ist eine Neuorganisation von Managementfunktionen, etwa von Produktions- und Betriebsleitungen, in Hinblick auf den Wandel ihrer Entscheidungskompetenzen und die Verantwortungsverlagerung auf nachgeordnete Ebenen unabdingbar.

Abschließend ist festzuhalten, dass die sozio-technische Gestaltungsperspektive nicht nur hinreichend für die Realisation und den Ausbau qualifikationsorientierter Arbeitsformen ist, sondern sie ist auch die Voraussetzung dafür, dass die technologischen und ökonomischen Potenziale der neuen Technologien tatsächlich ausgeschöpft werden. Denn unstrittig ist, dass auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter einer der zentralen Bestimmungsfaktoren für den ökonomischen Erfolg der industriellen Produktion in Deutschland und die Sicherung der Arbeitsplätze sind. Zudem ist festzuhalten, dass eine qualifikationsorientierte Gestaltung von Arbeit die beste Voraussetzung dafür ist, den demografischen Wandel zumindest in der Arbeitswelt ein Stück weit zu bewältigen und Industriearbeit alters- und alternsgerecht weiterzuentwickeln. Außerdem kann sie als anspruchsvolle und selbstorganisierte „Hightech“-Arbeit auch für die junge Generation, die bekanntlich überwiegend an akademisch ausgerichteten Berufen interessiert ist, wieder attraktiv werden.

Title:Work 4.0 – Digitalisation and its Impact on the Working Place

Abstract:Digitalisation will not only lead to the disappearance of jobs, the creation of new jobs and changing skill requirements in many existing jobs. It also leads to fundamental challenges for existing qualification systems as well as labour law and labour relations. New digital technologies pervasively change the content and organisation of work. They may have an impact on the actual weekly working time hours and the adoption of self-managed working time systems. The consequences, however, may differ for each worker. Accordingly, economic and policy conclusions cannot be derived for the labour market as a whole. Workers‘qualifications need not only to be adapted to changing occupational tasks. Work intensification and increasing communication flows have to be addressed as well. Furthermore, adequate human resources policies can foster the proper use of new flexible work arrangements. Crowdworking as a specific form of flexible work, however, has to be primarily integrated in existing labour legislation. That is one opinion, another author considers the forecasts doomsday prophecies that call for political action or amending the regulative framework. And he suggests that the characteristics of the digital transformation of work may mainly be firm-specific. In a social-scientific perspective there is no deterministic relationship between technology and work but the development of work has to be regarded as a strategic and political design project.


DOI: 10.1007/s10273-017-2163-9