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Urheberrechtsreformen: Großer Fortschritt

Von Justus Haucap

Nach langen und aufgeladenen Diskussionen hat der Deutsche Bundestag in seiner letzten Sitzung am 30. Juni 2017 nicht nur die Ehe für alle und das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (gegen Hassreden in sozialen Netzwerken) beschlossen, sondern auch lange fällige, vorsichtige Urheberrechtsreformen vorgenommen. Zahlreiche Verlage waren in den Tagen davor noch Sturm gelaufen. In ganzseitigen Anzeigen etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde die Bundeskanzlerin aufgefordert, die angeblich existenzbedrohende Enteignung durch die Gesetzesnovelle zu stoppen. Schon zuvor hatten Verlage dies mit Falschinformationen und Verleumdungen versucht. Wissenschaftsorganisationen und Bibliotheken hatten sich hingegen für das Gesetz stark gemacht, das am 1. März 2018 in Kraft treten wird.

Reformiert werden die Regelungen zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Bildungs- und Forschungszwecke. Sogenannte Schrankenregelungen begrenzen das Recht, bestimmte Nutzungen von Werken für Bildung und Forschung zu untersagen. Die bisher dafür geltenden Regelungen waren viel zu komplex und mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet, wie besonders Bibliotheken immer wieder moniert hatten. Konkret können künftig 15% eines urheberrechtlich geschützten Werks zum Zwecke der Lehre kopiert oder in elektronische Semesterapparate eingestellt werden. In diesem Rahmen muss auch – anders als bisher – nicht aufwändig für jeden Aufsatz recherchiert werden, ob schon ein „angemessenes Lizenz­angebot“ von Verlagsseite dafür existiert. Einzelne Artikel aus Fachzeitschriften sollen in der Lehre zudem ohne weiteres verwendet werden können. Noch Anfang des Jahres hatten zahlreiche Universitäten aufgrund der verlagsseitig geforderten aufwändigen Einzelabrechnung jeder Kopie geplant, elektronische Semesterapparate ganz abzuschalten – und das in Zeiten der Digitalisierung! Zudem werden neue wissenschaftliche Arbeitstechniken wie das „Text and Data Mining“ erstmalig gesetzlich geregelt.

Die Verlage argumentieren gegen die jetzt beschlossene Novelle mit angeblich existenzbedrohenden Erlöseinbrüchen. Dieses Argument ist jedoch bestenfalls von Güteklasse D: Erstens sind die Ausgaben der deutschen Universitätsbibliotheken in den Jahren von 2000 bis 2016 um gut 150% gestiegen. Aktuell geben Bibliotheken in Deutschland rund 1 Mrd. Euro für die Literaturbeschaffung aus. Dies wird sich auch kaum ändern, sodass dies für die Verlage nahezu sichere Erlöse sind. Zweitens können zumindest die Verleger wirklich bedeutsamer Werke relativ leicht Preisanpassungen für die zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten durchsetzen, da wissenschaftliche Literatur – anders als etwa Reiseführer – für die Nutzer nicht substituierbar ist und zumindest bei Zeitschriften in vielen Fällen erhebliche Marktmacht besteht. Drittens ist im Gesetz ebenfalls geregelt, dass eine Vergütung erfolgen soll – allerdings in vielen Fällen in pauschalisierter Form an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), um aufwändige Einzelabrechnungen zu vermeiden.

Wermutstropfen sind für einige die neuen Ausnahmen für Presse-Erzeugnisse, da Kopien von Presseartikeln in der Fernleihe künftig verboten sind. Gleichwohl ist diese Ausnahme durchaus nachvollziehbar: Wissenschaftler schreiben primär, um ihre Erkenntnisse zu verbreiten und Reputation zu erlangen. Sie sind an der maximalen Verbreitung ihrer Beiträge interessiert, finanzielle Interessen spielen – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Dass einige Verlage diese Verbreitung durch hohe Preise und eine restriktive Handhabung behindern, stört viele Wissenschaftler schon lange. Dies ist bei Journalisten völlig anders, da diese ihren Lebensunterhalt mit ihrer Tätigkeit am Markt verdienen müssen (während Wissenschaftler in der Regel durch Steuergelder bezahlt werden). Insofern ist eine unterschiedliche urheberrechtliche Behandlung von Presseerzeugnissen und wissenschaftlicher Literatur nicht unplausibel. Insgesamt ist die Novelle ein großer Fortschritt hin zu zeitgemäßen Nutzungsmöglichkeiten für Forschung und Lehre.

CORSIA: Augenwischerei

Von Reimund Schwarze

Bis zum Jahr 2050 wird sich aktuellen Prognosen nach der Anteil des Luftverkehrs am gesamten CO2-Ausstoß vervierfachen. Die Internationale Zivile Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen ICAO unternimmt Anstrengungen, um dieses rasante Wachstum zumindest klimaneutral zu gestalten. Ab 2020 soll jede Tonne Kohlendioxid, die dem Wachstum des Flugverkehrs geschuldet ist, mit dem Kohlendioxid-Kompensationsschema CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) ausgeglichen werden. Doch zahlreiche Ausnahmen und der rein auf Zuwachsausgleich basierte Offset-Ansatz sorgen dafür, dass CORSIA nicht halten wird, was es verspricht.

CORSIA funktioniert nach dem sogenannten Offsetting-Prinzip: Unternehmen kaufen Projektzertifikate, durch die sie Klimaschutzaktivitäten – meist in Entwicklungsländern – finanzieren. Zusätzliche Einnahmen, die für die Förderung von Entwicklungsländern genutzt werden könnten, wird CORSIA jedoch nicht erzeugen. Denn während in der letzten Verhandlungsrunde im November 2016 wenigstens noch ein Offsetting mit steuerähnlichen Einnahmen zur Auswahl stand, gab es am Ende eine klare Entscheidung dagegen. Die „Einnahmen“, die aus dem Kauf der Offsets entstehen, decken ausschließlich die Kosten der Klimaschutzprojekte.

Nicht einmal gesichert ist, ob die Mittel aber tatsächlich in neue Klimaschutzprojekte fließen oder bereits angeschobene Projekte einfach nur anders finanziert werden. Denn die Kriterien, die die ICAO an die Zulassung von Offsets legt, hat die UN-Organisation weitgehend offengelassen. Damit besteht die Gefahr, dass CORSIA-Aktivitäten sowohl als nationale Beiträge zum Paris-Abkommen als auch als Offsets für das klimaneutrale Wachstum des Flugverkehrs doppelt gezählt werden.

Und das ist nicht das einzige Problem. Aufgrund der vereinbarten vielen Ausnahmen und des reinen Offsettings ist generell nicht damit zu rechnen, dass das starke Wachstum der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr nachhaltig eingedämmt wird. Zum einen wird durch Offsets der Emissionszuwachs ab 2020 allenfalls ausgeglichen und nicht etwa begrenzt bzw. aktiv reduziert. Zum anderen sind 60% aller Staaten von der Maßnahme vorerst befreit. Ein Anstieg der Emissionen scheint somit unausweichlich.

Darüber hinaus muss bedacht werden, dass viele Treibhausgase des Luftverkehrs – Stickoxide, Ozon, Ruß und Sulfat – gar nicht erst in Betracht gezogen wurden. Diese tragen zur Klimawirkung des Fliegens aber mindestens noch einmal genauso viel bei wie dessen CO2-Ausstoß.

Auch die umweltökonomischen Vorteile, die die ICAO dem marktbasierten Instrument CORSIA zuschreibt, sind kritisch zu sehen. Um umweltökonomisch Vorteile zu bieten, müssen marktbasierte Instrumente einen wirksamen Beitrag zur Bepreisung von klimaschädlichen Gasen leisten. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt aber, dass das von CORSIA ausgehende Preissignal vernachlässigbar klein ist. Der International Council on Clean Transportation schätzt das Preissignal auf 0,4% des Kerosinpreises in der freiwilligen Phase bis 2026, wachsend auf 1,1% bis 2,4% in der verpflichtenden Phase bis 2035. Das liegt deutlich unter den Preisschwankungen für Flugzeugtreibstoffe im gleichen Zeitraum von 0,9% im Jahr 2025 bzw. 2,2% bis 4,8% im Jahr 2035. Damit verschwindet CORSIA im Rauschen des Marktes.

Brennelementesteuer: Kollateralschaden auf Dauer

Von Hans-Jochen Luhmann

Das Bundesverfassungsgericht hat das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) mit seiner sechsjährigen Laufzeit, von 2011 bis Ende 2016, für nichtig erklärt. Der gesamte Erlös aus der Steuer auf das Einführen von Kernbrennstäben in Reaktoren, faktisch auf den „Verbrauch“ des „Kernbrennstoffs“, in Höhe von 6,285 Mrd. Euro ist an die vier Kernkraftwerksbetreiber zurückzuzahlen, zuzüglich Zinsen. Diese Entscheidung erregte im konkreten Fall bereits Aufmerksamkeit. Das ist aber nicht die Pointe des Urteils. Die Pointe ist die strukturelle, auf Dauer wirkende Entscheidung zur Finanzverfassung, die Einschränkung der Kompetenz des Bundes, Steuern auf den Verbrauch von Gütern einzuführen. Wer die Entwicklung der juristischen Lehre zur Auslegung des Terminus „Verbrauchsteuer“ (in Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG) in den letzten Jahrzehnten verfolgt hat, dem ist klar: Wird der Rechts-Community Gelegenheit gegeben, dazu höchstrichterlich zu urteilen, dann wird diese Lehre Verfassungsrang erhalten. So ist es nun gekommen. Das Rätsel ist, aus welchem Motiv die Bundesregierung dies provoziert haben mag. Läge dem Bund an ungeschmälerten steuerlichen Kompetenzen, dann wäre es professionell gewesen, die Klage vorab beizulegen.

Die Kernbrennstoffsteuer war Teil des Laufzeitverlängerungsprojekts der schwarz-gelben Koalition. Sinn war wohl, der 2009 antretenden neuen Bundesregierung in Zeiten knapper Kassen Gestaltungsspielraum zu geben. Im Förderfondsvertrag zwischen den vier Kernkraftunternehmen und dem Bund vom 6.9.2010 verständigte man sich auf eine 50/50-Aufteilung der Gewinne. Einig war man sich, dass bei einer Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren der Bruttowert bei ca. 100 Mrd. Euro liegen werde. Aufzuteilen aber war der Nettobetrag, nach Abzug des Sicherheitsaufwands gemäß „Nachrüstliste“ vom 3.9.2010. Die sollte von Staats wegen oktroyiert werden, deswegen wohl blieb die Rentenabschöpfung qua Kernbrennstoffsteuer strittig. Im Förderfondsvertrag war bereits angekündigt worden, dass die belasteten Unternehmen gegen sie klagen würden.

Die Bundesregierung hätte 2011 diese Steuer mit dem Abbruch des Laufzeitverlängerungsvorhabens infolge der Unfälle in Fukushima abräumen können. Sie tat es nicht. Auch bezog sie sie nicht in den Deal zur enthaftenden Übernahme der Aufgaben für Zwischen- und Endlagerung, den die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs vorbereitet hatte, ein. In der Finanzverfassung (Art. 105, 106 GG) wird durch Enumeration von Steuerarten geregelt, welche Steuern der Bund erheben darf. Dort findet sich auch die „Verbrauchsteuer“. Ökonomisch ist der Sinn des Wortes „Verbrauch“ eindeutig: Es bezeichnet den Untergang eines Gutes bei seinem Einsatz – verbrennt man Öl, dann ist das Öl „verbraucht“, man hat nur noch Energie als Nutzen und CO2 sowie H2O als Abprodukte. Im Handbuch der Finanzwissenschaft ist das über Jahrzehnte so ausgelegt worden.

Dann aber kam es zu einem Wechsel im Verständnis. In Befolgung einer unpolitischen Allgemeinheitsvorstellung gab die Ökonomie den Anspruch auf, autoritativ die vorfindliche Begrifflichkeit der Finanzverfassung des Grundgesetzes auszulegen – der einschlägige Artikel im Handbuch der Finanzwissenschaft wurde in „Steuern auf spezielle Güter“ umgetauft. In die durch den Rückzug der ökonomischen Profession gelassene Lücke stieß die juristische Steuerlehre. Diese hat sich vor mehr als 20 Jahren entschieden, unter Verbrauch allein den Konsumakt von Endverbrauchern zu verstehen, also dem Laienverständnis von Verbrauch = Konsum zu folgen. Auf Basis dieser Lage in der juristischen Literatur folgerte nun das Bundesverfassungsgericht, dass eine Kernbrennstoffsteuer kein finanzverfassungsrechtliches Mandat gehabt habe. Es konnte nicht anders. Entfallen ist damit ein Instrument der Abschöpfung von Renteneinkommen bei Privaten – das war die Funktion dieser Steuer.

Energie- und Stromsteuer: Umsetzung von EU-Vorgaben

Von Daniel R. Kälberer

Der Bundestag hat am 1.6.2017 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur zweiten Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (Bundestagsdrucksache 18/12580) angenommen. Vorangegangen war eine beratungsintensive Abstimmungsphase mit den Verbänden und den beteiligten Ressorts. Mit dem Gesetzentwurf bleiben sowohl komprimiertes und verflüssigtes Erdgas (CNG/LNG) als auch Flüssiggas (Autogas, LPG) als Kraftstoffe über 2018 hinaus steuerlich begünstigt. Mit dem Gesetz, das im Wesentlichen nationale Regelungen an Vorgaben des Europäischen Richtliniengebers anpasst sowie Beihilfeentscheidungen der EU-Kommission und einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umsetzt, erfolgt auch eine wichtige Klarstellung hinsichtlich des Herstellerprivilegs.

Grundsätzlich laufen die energiesteuerlichen Begünstigungen für als Kraftstoff verwendetes Erdgas sowie für Autogas Ende des Jahres 2018 aus. Aus diesem Grund hatte der Bundestag mit Beschluss vom 2.7.2015 die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Energiesteuerermäßigung von Erd- und Flüssiggaskraftstoff einschließlich einer validen Gegenfinanzierung vorzulegen. Wie bereits im Regierungsentwurf enthalten wird die Steuerbegünstigung für Erdgas zwar bis Ende 2026 verlängert, aber ab 2024 sukzessive abgeschmolzen. Die vom Bundestag beschlossenen Änderungen weiten diesen Ansatz nun auch auf Autogas aus. So wird die Steuerbegünstigung für Autogas bis Ende 2022 verlängert, dabei jedoch jährlich um 20% abgeschmolzen. Ab 2023 ist dann der reguläre Steuersatz von 409,00 Euro je 1000 kg Flüssiggas anzuwenden.

Das Gesetz dient schwerpunktmäßig der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Demnach weist der Gesetzgeber an zahlreichen Stellen darauf hin, dass strom- und energiesteuerliche Befreiungs- sowie Entlastungstatbestände nur noch nach Maßgabe und bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission gewährt werden. Die neu eingeführten Vorschriften des § 3b EnergieStG-E und § 2a StromStG-E sind den nationalen Rechtsanwendern in derartiger Form unbekannt. Zudem verdienen die im Regierungsentwurf bereits enthaltenen Bußgeldvorschriften besondere Aufmerksamkeit. Im Wesentlichen ist die Einflussnahme des europäischen Beihilferechts auf die nationalen Energie- und Stromsteuervorschriften mit zunehmenden administrativen Verpflichtungen für die Wirtschaftsbeteiligten verbunden. Neben dem Erfordernis, ihre unternehmensinternen Prozesse an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen, tragen auch die Gesetzesvorbehalte bei den Energie- und Stromsteuerbegünstigungen mit Beihilfecharakter weniger zur Planungs- und Investitionssicherheit der Unternehmen bei.

Im Hinblick auf die Fortführung der energiesteuerlichen Begünstigung von komprimiertem und verflüssigtem Erdgas sowie von Autogas zeichnet der Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg „Entwicklung der Energiesteuereinnahmen im Kraftstoffsektor“ ein differenzierteres Bild. In dem vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenen Forschungsprojekt wurde der Beitrag von LPG-Fahrzeugen zur Luftreinhaltung zumindest aus fachlicher Sicht infrage gestellt. Im gleichen Zusammenhang wird allerdings angemerkt, dass es aus politischer Sicht durchaus Gründe für ein langsames Abschmelzen der Steuerbegünstigung von Autogas geben könnte. Dagegen wurde aufgrund des deutlichen Beitrags zum Klimaschutz sowie zur Steigerung des Marktanteils einschließlich der Tankstelleninfrastruktur die steuerliche Förderung von CNG empfohlen.


DOI: 10.1007/s10273-017-2162-x

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