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Seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber dem US-Dollar merklich an Wert gewonnen. So wertete er seit Januar um über 10% auf und streifte zuletzt sogar kurzzeitig die 1,20 US-Dollar/Euro-Marke (vgl. Abbildung 1).1 Gegenüber anderen Währungen wie dem Pfund Sterling und dem Japanischen Yen erstarkte der Euro ebenfalls, sodass auch sein nominaler effektiver Wechselkurs gegenüber 38 Handelspartnern seit Jahresbeginn um über 5% zulegte. Zwar fällt die Aufwertung im historischen Vergleich bislang relativ moderat aus, und auch das Geschäftsklima bei den deutschen Unternehmen sowie deren Exporterwartungen blieben von der Aufwertung scheinbar unbeeindruckt. Gleichwohl kamen zuletzt Sorgen auf, die Konjunktur in Deutschland könnte durch die Aufwertung des Euro gedämpft werden.

Aus theoretischer Sicht wirkt sich eine Aufwertung des Wechselkurses über einen Anstieg der relativen Preise heimischer Güter zu ausländischen Gütern negativ auf den Außenbeitrag und tendenziell rein rechnerisch auch auf den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts aus. So werden heimische Exporte bei einer Aufwertung der heimischen Währung im Ausland teurer soweit sie auch in heimischer Währung fakturiert werden („producer currency pricing“), während in der Fremdwährung fakturierte Importe günstiger werden. Dies führt für sich genommen zu einem Rückgang der Exporte und einem Anstieg der Importe. Über den Rückgang der Importpreise wirkt die Aufwertung zudem dem Preisauftrieb auf der Verbraucherebene entgegen. Allerdings fakturiert ein Teil der exportierenden Unternehmen ihre Güter in der lokalen Währung des Ziellandes („local currency pricing“). Dabei kann es für die Exporteure optimal sein, ihre Preise nach einer Aufwertung nicht oder nur unvollständig anzupassen und stattdessen ihre Gewinnmargen variieren zu lassen, wenn sie den Verlust von Marktanteilen vermeiden möchten und mit zukünftig besseren Absatzmöglichkeiten rechnen.2

Abbildung 1
Nominaler (effektiver) US-Dollar/Euro-Kurs
Monatsdaten
Nominaler (effektiver) US-Dollar/Euro-Kurs

Quelle: Europäische Zentralbank: Eurosystem policy and exchange rates statistics; Deutsche Bundesbank: Zeitreihen-Datenbanken.

Abbildung 2
Konjunkturindikatoren Euroraum
Konjunkturindikatoren Euroraum

Quelle: Europäische Kommission: Business and Consumer Surveys; Citigroup, Daten von Datastream.

In der Tat zeigen zahlreiche empirische Studien, dass Außenhandels- und Verbraucherpreise wenig oder zumindest unterproportional auf Wechselkursschwankungen reagieren (unvollständiger „pass-through“ von Wechselkursen). Gleichzeitig ist der Einfluss von Wechselkursschwankungen auf Preise zwischen Ländern heterogen und über die Zeit tendenziell zurückgegangen.3 Dabei reagieren die Preise in Ländern, in denen ein hoher Anteil von Importen in der heimischen Währung fakturiert wird – dies ist in besonders starkem Ausmaß in den USA der Fall –, typischerweise in geringerem Ausmaß.4 In Deutschland liegen die Effekte von Wechselkursschwankungen auf Import- und Verbraucherpreise nahe beim OECD-Durchschnitt, allerdings über denen anderer großer EWU-Mitglieder – wohl auch aufgrund des höheren Offenheitsgrades Deutschlands.5

Wechselkursbewegungen sind meist nicht exogen, sondern Ausdruck von Veränderungen der dahinterliegenden Faktoren. Um zu beurteilen, ob sich die konjunkturellen Aussichten im Zuge einer Aufwertung des Wechselkurses eingetrübt haben, ist es somit notwendig, die Ursachen für diese Aufwertung zu betrachten. So kann es z.B. dadurch zu einer Aufwertung der heimischen Währung kommen, dass sich die konjunkturellen Aussichten aus unterschiedlichen Gründen im Inland aufgehellt haben. Die Aufwertung ist dann eine Anpassungsreaktion, die der höheren konjunkturellen Dynamik für sich genommen zwar entgegenwirkt, jedoch nicht Ausdruck eines konjunkturellen Risikos ist. Dabei dürften die dämpfenden Effekte der Aufwertung auf heimische Preise niedriger ausfallen, da ausländische Exporteure angesichts besserer Absatzmöglichkeiten im Inland eher ihre Gewinnmargen ausweiten anstatt ihre Preise mit der Wechselkursaufwertung nach unten anzupassen.6 Anders stellen sich die Effekte einer Aufwertung dar, wenn diese durch eine konjunkturelle Eintrübung im Ausland hervorgerufen wurde – neben der Aufwertung selbst dürfte die niedrigere Nachfrage nach heimischen Gütern aus dem Ausland die Konjunktur dämpfen.

Freilich sind die jeweiligen Determinanten von Wechselkursschwankungen nur schwer eindeutig zu identifizieren. Für die jüngste Aufwertung des Euro kommen unterschiedliche Einflussfaktoren in Betracht. So dürften die verbesserten konjunkturellen Aussichten für den Euroraum und auch für Deutschland zu der Aufwertung beigetragen haben. So weist der Citigroup Economic Surprise Index darauf hin, dass insbesondere in der ersten Jahreshälfte 2017 die Konjunktur im Euroraum eine höhere Dynamik aufwies, als zuvor erwartet worden war (vgl. Abbildung 2). Auch die Produktionserwartungen und das Konsumentenvertrauen im Euroraum – wie auch in Deutschland selbst – sind in diesem Zeitraum gestiegen. Ein weiterer Grund für die Aufwertung könnte darin liegen, dass zunehmend Zweifel über die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit der US-Administration sowie über den Expansionsgrad der US-amerikanischen Fiskalpolitik aufgekommen sind, was sich belastend auf die Erwartungen für die US-Konjunktur ausgewirkt haben dürfte. Soweit sich dies auch in einer Verlangsamung der Konjunktur in den USA widerspiegelt, dürfte dieser Faktor für sich genommen dämpfend auf die deutsche Konjunktur wirken.

Die der Aufwertung zugrundeliegenden Faktoren sind nur schwer voneinander abzugrenzen und können gleichläufig oder entgegengesetzt wirken. Insgesamt spricht vieles dafür, dass ein wesentlicher Teil der Aufwertung des Euro Ausdruck einer höheren konjunkturellen Dynamik in Deutschland und im übrigen Euroraum ist. Die Beschleunigung der Konjunktur dürfte zwar durch die Aufwertung für sich genommen gebremst werden. Alles in allem stellt sich das konjunkturelle Bild jedoch besser dar, als noch vor einigen Monaten – nicht zuletzt da die höhere konjunkturelle Dynamik im übrigen Euroraum auch die Absatzmöglichkeiten der deutschen Exporteure verbessert. Hinzu kommt, dass eine Aufwertung die Exporte Deutschlands im internationalen Vergleich nur relativ wenig belastet,7 wohl auch weil die deutschen Exporteure häufig qualitativ hochwertige Produkte ausführen, die eine recht geringe Preiselastizität aufweisen.

Die Auswirkungen der Aufwertung auf die Import- und Verbraucherpreise dürften relativ schwach ausfallen, da die ausländischen Exporteure wohl ihre Gewinnmargen ausweiten können. Die deutschen Exporteure im Ausland dürften hingegen ihre Gewinnmargen tendenziell reduzieren, insbesondere in den USA, wo ein großer Teil der importierten Güter in US-Dollar fakturiert wird, sodass deren Einkünfte dort mit der Aufwertung fallen.8 Dies gilt umso mehr, falls sich die Konjunktur in den USA tatsächlich abschwächen sollte.

  • 1 Im August betrug die Aufwertung gegenüber dem US-Dollar im Vorjahresvergleich etwa 5%.
  • 2 G. Corsetti, L. Dedola, S. Leduc: High exchange-rate volatility and low pass-through, in: Journal of Monetary Economics, 55. Jg. (2008), H. 6, S. 1113-1128; K. J. Forbes, I. Hjortsoe, T. Nenova: The shocks matter: improving our estimates of exchange rate pass-through, Bank of England Discussion Paper, Nr. 43, 2015.
  • 3 J. M. Campa, L. S. Goldberg: Exchange rate pass-through into import prices, in: Review of Economics and Statistics, 87. Jg. (2005), H. 4.
  • 4 G. Gopinath, O. Itskhoki, R. Rigobon: Currency choice and exchange rate pass-through, in: American Economic Review, 100. Jg. (2010), H. 1, S. 304-336; G. Gopinath: The international price system, NBER Working Paper, Nr. 21646, 2015; Europäische Zentralbank: The international role of the euro, Juli 2015. Weitere relevante Faktoren für die Höhe des Einflusses von Wechselkursen auf Preise sind u.a. der Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft und die Zusammensetzung von importierten Gütern (vgl. J. M. Campa, J. M. G. Mínguez: Differences in exchange rate pass-through in the euro area, in: European Economic Review, 50. Jg. (2006), H. 1, S. 121-145) sowie die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik und das Inflationsniveau; vgl. J. B. Taylor: Low inflation, pass-through, and the pricing power of firms, in: European Economic Review, 44. Jg. (2000), H. 7, S. 1389-1408; Y. Carrière-Swallow, B. Gruss, N. E. Magud, F. Valencia: Monetary Policy Credibility and Exchange Rate Pass-Through, IMF Working Paper, Nr. 16/240, 2016).
  • 5 Vgl. J. M. Campa, L. S. Goldberg, a.a.O.; G. Gopinath, a.a.O.; M. Comunale, D. Kunovac: Exchange rate pass-through in the euro area, ECB Working Paper, Nr. 2003, 2017. Die Studien stellen für Deutschland fest, dass nach einer Aufwertung des nominalen Wechselkurses in Höhe von 1% die Importpreise um 0,3% bis 0,7%, die Exportpreise um etwa 0,2% und die Verbraucherpreise um bis zu 0,15% zurückgehen.
  • 6 K. Forbes: Much ado about something important: How do exchange rate movements affect inflation?, Rede auf der jährlichen „Money, Macro, and Finance Research Group“-Konferenz, Cardiff, 11.9.2015.
  • 7 C. Schwellnus: An update of the OECD international trade equations, OECD Economic Department Working Papers, Nr. 1129, 2014.
  • 8 So könnten die Kursverluste bei einigen der großen exportorientierten Unternehmen im August zum Teil auf entsprechende Gewinnverluste hinweisen – wenngleich andere Faktoren wie die Entwicklungen um die Dieselaffäre hier ebenfalls eine Rolle gespielt haben dürften.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2197-z

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