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Die Bedeutung der Industrieländer – auch der USA – für die Weltwirtschaft nimmt schon seit langem ab. Vor allem Chinas Anteil hat demgegenüber deutlich zugenommen. Dennoch erfüllt der US-Dollar bislang weitgehend die Kriterien für eine Leitwährung, auch wenn diese angesichts der protektionistischen Haltung der USA zunehmend kritisiert wird. Entsprechend halten die Zentralbanken ihre Reserven vor allem in US-Dollar und Transaktionen werden zu einem großen Teil in der US-Währung vorgenommen. Für die USA gibt es große Vorteile, die Stellung als Leitwährung zu halten, unter anderem erleichtert dies den USA, Sanktionen zu überwachen und durchzusetzen. Ob andere Währungen, insbesondere der Renminbi, die Leitwährungsfunktion einmal ausfüllen können, ist fraglich. Ebenso scheint es wenig realistisch, dass sich die Marktteilnehmer auf eine Globalwährung einlassen könnten.

Leitwährungsstatus des US-Dollar: Quo vadis?

Im Zuge des rasanten wirtschaftlichen Wachstums der Schwellenländer nimmt die weltwirtschaftliche Bedeutung der USA immer weiter ab. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die USA ihre wirtschaftliche und politische Vormachtstellung auf globaler Ebene verlieren. Dieser Prozess wird durch die Abschottungstendenzen der amerikanischen Volkswirtschaft noch verstärkt, welche die Rolle der USA als Fürsprecher einer liberalen Weltwirtschaftsordnung und Verfechter der Globalisierung zunehmend in Zweifel ziehen. Diese Entwicklungen lassen die Frage aufkommen, ob der US-Dollar weiterhin als Leitwährung auf den internationalen Güter- und Finanzmärkten fungieren kann und sollte.

Charakteristika einer Leitwährung

Eine Leitwährung zeichnet sich dadurch aus, dass sie als international wichtigste Transaktions-, Anlage- und Reservewährung fungiert. Hierzu muss sie uneingeschränkt in andere Währungen konvertierbar und in ausreichendem Maße global verfügbar sein, um der weltweiten Liquiditätsnachfrage entsprechen zu können. Daher sollte das Leitwährungsland über offene, tiefe und gut entwickelte Finanzmärkte verfügen. Um das Vertrauen und die internationale Akzeptanz als Anlage- und Reservewährung zu gewährleisten, muss das Leitwährungsland zudem die innere Wertstabilität der Währung durch eine nachhaltig auf Preisniveaustabilität ausgerichtete Geld- und Finanzpolitik sicherstellen, einen hohen Grad an makroökonomischer Stabilität besitzen und eine bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle in der Weltwirtschaft spielen.

Diese Kriterien werden von den USA nach wie vor am besten erfüllt, wobei die Vormachtstellung der US-Währung als internationales Transaktions- und Reservemedium derzeit unangreifbar erscheint. So ist der US-Dollar aktuell an 88 % aller weltweiten Devisentransaktionen beteiligt, während der Euro als zweitwichtigste Währung nur für 31 % aller Währungstausche eingesetzt wird.1 Der chinesische Renminbi rangiert mit einem Anteil von derzeit 4 % weit abgeschlagen auf dem achten Platz der am häufigsten gehandelten Währungen.2 Auch als internationales Reservemedium ist der US-Dollar mit 62 % der weltweit gehaltenen Devisenreserven weiterhin dominant, während der Euro hierbei einen Anteil von lediglich 20 % aufweist.3

Die Funktion einer Leitwährung hat der US-Dollar vor allem durch das nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Bretton-Woods-System fester Wechselkurse mit seinem zentralen Mechanismus des Gold-Dollar-Standards erlangt, in dessen Zentrum die alleinige Konvertibilität des US-Dollar in Gold stand. Für die Währungen der anderen Teilnehmerländer des weltweiten Festkurssystems wurde jeweils eine fixe Wechselkursparität gegenüber dem US-Dollar als Leitwährung festgelegt, wodurch eine indirekte Konvertibilität dieser Währungen in Gold über den Umweg eines Umtauschs in US-Dollar gegeben war. Die Notwendigkeit für dieses Konstrukt mit dem US-Dollar als Ankerwährung lag im Wesentlichen darin begründet, dass zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa 70 % der Weltgoldreserven in den USA lagerten und somit eine direkte Einlösbarkeit nationaler Währungen in Gold wie zu Zeiten des Goldstandards nicht praktikabel erschien.

Obwohl der US-Dollar im Bretton-Woods-System zur singulären weltweiten Leitwährung avancierte und das britische Pfund als Weltwährung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ablöste, vollzog sich dieser Wechsel nicht losgelöst vom Aufstieg der USA zur Weltmacht und dem gleichzeitigen wirtschaftlichen und politischen Bedeutungsverlust Großbritanniens. Zudem war dieser Wechsel de facto weniger abrupt, als es durch die Implementierung des Gold-Dollar-Standards den Anschein hatte. In der Tat war dieser Prozess durch eine Jahrzehnte dauernde Übergangsphase gekennzeichnet, in der mehrere Währungen gleichzeitig als internationale Reservewährungen fungierten. So wurden vor dem Ersten Weltkrieg neben dem britischen Pfund auch der französische Franc und die Deutsche Mark als Reservewährungen verwendet, und in den 1920er und 1930er Jahren waren die Hauptreservewährungen Pfund, Franc und US-Dollar.4 Darüber hinaus hatte das britische Pfund selbst in den 1950er und 1960er Jahren zunächst noch eine herausragende Rolle als Reservewährung inne.5

Auch nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems und der Aufgabe der Goldkonvertibilität Anfang der 1970er Jahre behielt der US-Dollar seinen Status als Leitwährung. Als wesentliche Gründe für diese Persistenz ist zum einen die überwiegende Dollar-Notierung des Rohstoffhandels, insbesondere der global bedeutsame Handel mit Erdöl, sowie die Dollar-Fakturierung eines beträchtlichen Teils des internationalen Güterhandels zu nennen. Zum anderen fungieren die USA mit ihren als besonders liquide und sicher geltenden Vermögensmärkten als „sicherer Hafen“ für Finanzanlagen. Dabei hat die Attraktivität des US-Dollar als Anlage- und Reservemedium im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte, nicht zuletzt im Gefolge der Finanzkrisen in einer Reihe von Schwellenländern in den 1980er und 1990er Jahren, sogar noch deutlich zugenommen. Neben diesen Faktoren, die zu einer ungebrochen starken Nachfrage nach der amerikanischen Devise beitragen, sind mit der Verwendung einer etablierten Leitwährung zusätzlich auch Netzwerkeffekte verbunden. Diese bemessen sich daran, dass die zunehmende Verwendung einer Währung als Transaktionsmedium die Anreize für andere Händler steigert, diese Währung ebenfalls zur Abwicklung ihrer internationalen Geschäfte zu nutzen. Solche Netzwerkeffekte sind im Hinblick auf die Verwendung als Anlage- und Reservewährung, bei der neben Liquiditätsaspekten auch Diversifikationsargumente eine Rolle spielen, jedoch weniger bedeutend.

Exorbitantes Privileg einer Weltwährung

Der Leitwährungsstatus des US-Dollar geht für die USA mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen einher. Die amerikanische Notenbank realisiert als Emittent der Weltwährung durch die Bereitstellung internationaler Dollar-Liquidität beträchtliche Geldschöpfungsgewinne (sogenannte Seigniorage), da die Verwendung von Dollar-Devisen im Ausland einen zinslosen Kredit für die USA darstellen. Da ein Großteil dieser Mittel vom Ausland in Form US-amerikanischer Staatsanleihen gehalten wird, kann sich die US-Regierung zugleich zu deutlich geringeren Zinsen refinanzieren, als dies ohne den Leitwährungsstatus des US-Dollar möglich wäre. Durch dieses vom früheren französischen Präsidenten Giscard d‘Estaing angeprangerte „exorbitante Privileg“ als Leitwährungsland entstehen den USA volkswirtschaftliche Gewinne von jahresdurchschnittlich etwa 3 % des US-amerikanischen Bruttoinlandsproduktes (BIP).6 Amerikanische Unternehmen realisieren zudem durch die mit einer Dollar-Fakturierung einhergehende Eliminierung des Wechselkursrisikos bei internationalen Engagements Transaktionskostenersparnisse und erlangen auf diese Weise Wettbewerbsvorteile gegenüber ausländischen Konkurrenten. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stehen dieser Kostenersparnis jedoch aufgrund des Wegfalls der korrespondierenden Absicherungsgeschäfte entsprechend geringere Umsätze im amerikanischen Bankensektor gegenüber.

Auch der Rest der Welt profitiert vom Status des US-Dollar als Leitwährung. Die US-amerikanische Währung hat in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zu vielen anderen Währungen eine hohe innere Wertstabilität im Sinne geringer Inflationsraten aufgewiesen. Die Tiefe und Liquidität der amerikanischen Finanzmärkte sowie das ökonomische Gewicht der USA auf den Weltmärkten machen den US-Dollar nicht nur als Transaktions-, Anlage- und Reservewährung attraktiv. Insbesondere Länder mit weniger liquiden Finanzmärkten profitieren vom US-Dollar als Leitwährung auch aufgrund günstiger Refinanzierungsbedingungen auf den amerikanischen Anleihemärkten.

Die durch die weltweite Nachfrage nach der Leitwährung für Transaktions-, Anlage- und Reservezwecke verursachte Höherbewertung des US-Dollar führt über negative Leistungsbilanzsalden zu einem entsprechenden Export der nachgefragten Dollar-Bestände in den Rest der Welt. Obwohl die persistenten Leistungsbilanzdefizite und die dadurch steigende Nettoauslandsverschuldung der USA vielfach kritisiert werden, sind sie vor diesem Hintergrund eine Konsequenz aus der Funktion des US-Dollar als Leitwährung. Die Nettoauslandsverschuldung der USA stellt für sich genommen zwar kein Solvenzproblem dar, denn die USA können unbegrenzt US-Dollar drucken, um ihre Auslandsverbindlichkeiten zu bedienen. Problematisch wäre jedoch eine rasche Liquidierung der Dollar-Reservebestände im Rest der Welt, die beispielsweise als Folge eines plötzlichen Vertrauensverlusts in die amerikanische Devise auftreten könnte. Der dadurch ausgelöste Wertverlust des US-Dollar an den Devisenmärkten würde dabei möglicherweise zu einer raschen Substitution von Dollar-Guthaben in andere Währungen führen und den Status des US-Dollar als Weltwährung gefährden.

Aber auch ohne einen plötzlichen Vertrauensverlust könnten sich ähnliche Wirkungen aus einer gegebenenfalls politisch motivierten Auflösung oder starken Reduzierung von Dollar-Reservebeständen der großen Dollar-Gläubigerländer, und hier allen voran China, ergeben. Von den offiziellen Dollar-Devisenreserven im Umfang von derzeit ca. 6,5 Billionen US-Dollar befindet sich allein etwa ein Drittel im Bestand der chinesischen Zentralbank. China hat sich durch die Anhäufung von Dollar-Reserven jedoch zugleich in erheblichem Maße von Schwankungen des Dollar-Kurses abhängig gemacht. Daher dürfte die chinesische Regierung kein Interesse daran haben, durch schlagartige Umschichtungen ihrer zentralen Devisenbestände einen Kursverfall des US-Dollar und damit eine Vernichtung der eigenen Vermögenswerte auszulösen.

China fördert seit einigen Jahren aktiv die Verwendung des Renminbi als internationale Transaktionswährung, die im Oktober 2016 in den Währungskorb des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen wurde. So schließt die chinesische Regierung bilaterale Handelsabkommen zunehmend in Renminbi ab und hat im März 2018 an der Rohstoffbörse in Shanghai einen eigenen Terminhandel mit Rohöl eingeführt, der in Yuan abgewickelt wird. Auch Russland strebt eine Schwächung des US-Dollar als Weltwährung an. Das russische Gasunternehmen Gazprom fakturiert seine Gaslieferungen inzwischen überwiegend in Euro. Zudem rechnet die von den BRICS-Staaten gegründete Neue Entwicklungsbank in den nationalen Währungen der Mitgliedsländer anstatt in US-Dollar ab. Die amerikanische Handelspolitik sowie die Sanktionsmaßnahmen der Trump-Administration werden die Bemühungen dieser Länder auf eine Ablösung des US-Dollar als Leitwährung mit großer Wahrscheinlichkeit weiter verstärken. So beabsichtigt Russland als Reaktion auf die drohenden neuen US-Sanktionen seine Einlagen in US-Staatsanleihen zu reduzieren, wobei jedoch der Reservebestand Russlands mit insgesamt etwa 350 Mrd. US-Dollar deutlich geringer ausfällt als jener Chinas.

Trotz dieser Bestrebungen erscheint die Führungsposition des US-Dollar auf den internationalen Finanzmärkten dennoch auf absehbare Zeit nicht gefährdet. Das liegt im Wesentlichen an dem Umstand, dass der Euroraum und China, die mit ihrer wirtschaftlichen Größe als einzige Währungsräume das Potenzial haben, den US-Dollar als Leitwährung zu ersetzen, andere wesentliche Charakteristika einer Weltwährung momentan nicht erfüllen.

(Wann) wird der US-Dollar als Leitwährung abgelöst?

Mit der Einführung des Euro im Jahre 1999 waren große Hoffnungen verbunden, die europäische Währung als ebenbürtige Reservewährung neben dem US-Dollar zu etablieren oder sogar als Leitwährung abzulösen.7 Die Finanzkrise von 2008 bis 2009 und die darauf folgende Eurokrise hat allerdings die Konstruktionsfehler der Währungsunion schonungslos offengelegt und die wirtschaftliche und politische Heterogenität sowie die strukturellen und demografischen Probleme der Teilnehmerländer des Euroraums deutlich zutage treten lassen. Zukünftig könnte die Bedeutung des Euro als internationale Transaktions-, Anlage- und Reservewährung jedoch durch eine weitere Vertiefung der Kredit- und Kapitalmärkte im Euroraum gestärkt werden. Geeignete Maßnahmen sind die Vollendung der Bankenunion nach entsprechender Bereinigung der verbleibenden Risiken in den Bankbilanzen sowie eine Umsetzung der geplanten Kapitalmarktunion.

Auch der Renminbi kommt als Weltwährung gegenwärtig nicht in Betracht. Obwohl China im Hinblick auf die Handelsöffnung stärker in die Weltwirtschaft integriert ist als die USA, und diese in den nächsten Jahren im Hinblick auf seine Wirtschaftskraft überholen wird, sind Chinas Finanzmärkte nach wie vor stark unterentwickelt. Ohne eine Vertiefung und Liberalisierung der chinesischen Kapitalmärkte kann der Renminbi einer potenziellen Rolle als Weltwährung daher nicht gerecht werden. Auch müsste die chinesische Regierung bereit sein, den im Zuge der globalen Nachfrage nach Yuan entstehenden Aufwertungsdruck auf die eigene Währung stattzugeben und die mit dem Leitwährungsstatus verbundenen Leistungsbilanzdefizite zu akzeptieren. China unternimmt seit einiger Zeit jedoch konkrete Maßnahmen, um die Attraktivität des Renminbi auf globaler Ebene zu stärken. Neben dem kürzlich begonnenen Abbau von Kapitalverkehrskontrollen sind auch die geopolitisch motivierten Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der „Belt and Road“-Inititiative der chinesischen Regierung durchaus dazu geeignet, die Verwendung des Renminbi als Transaktions- und Reservewährung zumindest in den direkt begünstigten Ländern zu fördern.

Selbst wenn der Euroraum und China in Zukunft in der Lage sein werden, die Rolle als Leitwährungsland zu erfüllen, ist eine vollkommene Verdrängung des US-Dollar als Weltwährung nicht zu erwarten. Vielmehr erscheint ein Szenario mit multiplen Reservewährungen, bestehend aus US-Dollar, Euro und Renminbi, wahrscheinlicher und kann auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll sein.8 In einer zunehmend globalisierten Welt werden sich Länder, die mit dem Euroraum oder China handeln, bei Existenz entsprechend liquider Finanzmärkte verstärkt in Euro bzw. Renminbi verschulden, und diese Währungen zunehmend auch als Reservewährung halten wollen. Neben den daraus resultierenden risikomindernden Diversifikationseffekten kann sich in einem solchen System kein Leitwährungsland mehr übermäßig in eigener Währung zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten verschulden, ohne dass es durch Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverluste zu einer Substitution der Anlagen in die konkurrierenden Leitwährungen käme. Auf diese Weise könnten multiple Reservewährungen auch zu einer von den internationalen Finanzmärkten forcierten Begrenzung wirtschaftspolitisch unerwünschter globaler Leistungsbilanzungleichgewichte beitragen.

  • 1 Da an jedem Devisentausch stets zwei Währungen beteiligt sind, addieren sich die Anteile aller Devisentransaktionen auf 200 %.
  • 2 Vgl. Triennial Central Bank Survey: Foreign Exchange Turnover in April 2016, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel 2016.
  • 3 Stand 1. Quartal 2018, Datenquelle Internationaler Währungsfonds: Currency composition of Official Foreign Exchange Reserves (COFER), Washington DC 2018.
  • 4 Vgl. B. Eichengreen, A. Mehl, L. C. Chiţu: How Global Currencies Work: Past, Present, and Future, Princeton 2017.
  • 5 Vgl. C. Schenk: The Decline of Sterling; Managing the Retreat of an International Currency 1945-1992, Cambridge 2010.
  • 6 Vgl. B. Eichengreen: Exorbitant Privilege: The Rise and Fall of the Dollar and the Future of the International Monetary System, Oxford 2011.
  • 7 Vgl. M. Chinn, J. Frankel: Why the euro will rival the dollar, in: International Finance, 11. Jg. (2008), H. 1, S. 49-73.
  • 8 Vgl. P. Lane: Multiple Reserve Currencies and the International Monetary System: Central Bank Speech, 19.5.2016, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel 2016.

Leitwährung und Weltneuvermessung

Nicht zuletzt als Folge der Neuvermessung der Welt – der Schwerpunktverlagerung der Weltwirtschaft nach Asien – suchen die BRICS-Staaten1 die Ablösung des US-Dollar als Leitwährung durch den chinesischen Yuan. Die Erschütterungen der Weltwirtschaft durch US-Präsident Trumps Isolationismus und Sanktionsbereitschaft können den Aufstieg des Yuan als Leitwährung beschleunigen. Noch ist viel Klempnerarbeit zu erledigen, bevor die Dollar-Dominanz abgebaut werden kann. Diese Arbeit ist in vollem Gang mit dem Aufbau neuer Institutionen abseits des durch den Westen dominierten Finanzsystems, dem Aufbau neuer Transport-, Energie- und Digitalverbindungen im Zuge der chinesischen Seidenstraßen-Initiative und dem Zerfall des globalen Welthandels in regionale Handelsblöcke.

BRICS-Staaten und Dollar-Dominanz

Die fünf BRICS-Staaten bilden einen Verein mit unterschiedlichen Interessen und Stärken. Wenn ein Thema diese Fünf verbindet, dann ist es ihre Ablehnung des US-dominierten Währungssystems. So endete der 10. BRICS-Gipfel in Johannesburg im Juli 2018 wieder einmal mit einem Aufruf gegen die Vorherrschaft des US-Dollar. Seit dem Xiamen-Gipfel 2017 werden fünf weitere ausgesuchte Schwellenländer (BRICS Plus)2 eingeladen, die Dedollarisierung der Weltwirtschaft voranzutreiben.

Die BRICS-Staaten fordern schon seit ihrem ersten Gipfeltreffen 2009, den US-Dollar als internationale Reservewährung zu ersetzen. Unter dem frischen Eindruck der Implosion des globalen Finanzsystems infolge des Lehman-Konkurses3 stellte im selben Jahr die von Joseph Stiglitz geleitete UN-Kommission zur Reform des internationalen Währungs- und Finanzsystems die Forderung, den US-Dollar als internationale Reservewährung zu ersetzen, womöglich mit dem Korb der Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF). Allerdings sind die Sonderziehungsrechte eine Art Kunstgeld, das nicht an Devisenmärkten gehandelt wird. Sie erfüllen nicht alle Funktionen des Geldes: SZR können zwar als Teil der offiziellen Devisenreserven eines Landes fungieren, sie können aber weder zur Intervention an den Devisenmärkten noch als Ankerwährung genutzt werden. So überrascht es wenig, dass der politische Impetus für die SZR als Leitwährung versandet ist, obwohl dieser Währungskorb seit der Aufnahme des chinesischen Yuan repräsentativer geworden ist.4

Der Euro könnte ein ernsthafter Kandidat sein, die Dollar-Dominanz als Leitwährung zu mindern, sofern die institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen würden. Um für globale Transaktionen, besonders für die Reserve­haltung, attraktiv zu sein, sollte der Euro wertstabil und krisenfest sein. Doch die bisherigen Reformen der Euro-Finanzarchitektur haben es nicht geschafft, dieses Vertrauen herzustellen. Deutschlands restriktive Fiskalpolitik schränkt zudem das Angebot von risikofreien Eurobonds ein; diese wären die naheliegende Alternative zu US-Staatsanleihen, die bislang dominierende Form der offiziellen Reservehaltung. Schließlich steht das merkantilistische deutsche Wirtschaftsmodell, das auf externe Wettbewerbsfähigkeit fixiert ist, wegen des Triffin-Dilemmas5 einer Internationalisierung des Euro ebenso im Wege wie früher der Internationalisierung der D-Mark.6

100 Jahre Dollar-Dominanz

Seit das britische Pfund als globale Leitwährung nach dem ersten Weltkrieg abgelöst wurde, „dominiert“ der US-Dollar die Weltwirtschaft, immerhin seit einem Jahrhundert. Die USA hatten Großbritannien als größte Volkswirtschaft bereits Ende des 19. Jahrhunderts überholt, politisch dominierten sie in der Folge des Ersten Weltkriegs. Noch heute thront der Dollar in der Beletage des internationalen Währungssystems:

  1. Ein großer Teil des internationalen Handels, der den Anteil der USA am Welthandelt weit übertrifft, ist in US-Dollar fakturiert und abgerechnet. Dazu trägt auch bei, dass die Preise für die meisten Rohstoffe in Dollar gebildet werden. Die Rolle des US-Dollar als dominante Fakturierungswährung im internationalen Handel und seine verbreitete Verwendung als Transaktionswährung wurde bislang durch Netzwerkeffekte konsolidiert. Der globale Anteil des US-Dollar am internationalen Zahlungsverkehr bewegt sich heute bei 40 %, gefolgt vom Euro mit 35 %.7 Dagegen stagniert der Yuan-Anteil – aufgrund von Abwertungsdruck und der Umsetzung staatlicher Kontrollen zur Verhinderung von Kapitalabflüssen – seit 2016 bei knapp 2 %.
  2. Netzwerkeffekte sind im Hinblick auf die Verwendung als Reservewährung, bei der neben Liquiditätsaspekten auch Diversifikationsargumente eine entscheidende Rolle spielen, weniger bedeutend. Dennoch bleibt der US-Dollar auch die vorherrschende Reservewährung. Am Ende des ersten Quartals 2018 machte er 62,5 % der zugewiesenen offiziellen Devisenreserven der Welt aus. Der Euro stand an zweiter Stelle bei 20,4 %. Der Yuan bringt es derzeit nur auf 1,4 %.8
  3. Die Bankenfinanzierung außerhalb der USA vollzieht sich mehrheitlich in US-Dollar: Laut standortbezogenen Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind 62 % der Fremdwährungsverbindlichkeiten der Banken in US-Dollar denominiert.9 Ebenso vollzieht sich die Unternehmensfinanzierung nicht­amerikanischer Firmen durch Bankkredite und Anleihen mehr in US-Dollar als in anderen Hartwährungen.

Die Leitwährungsfunktionen (Zahlungsmittel, Reservehaltung und Finanzierungsvehikel) sind miteinander multipel verknüpft. Der hohe Anteil der international gehandelten Waren, die in US-Dollar fakturiert werden, treibt die Nachfrage nach sicheren Dollar-Forderungen. Risikofreie Anlagen in US-Dollar zahlen in der Regel geringere wechselkursbereinigte Renditen als die risikofreien Anlagen der meisten anderen Währungen. Die Verletzung der ungedeckten Zinsparität wiederum begünstigt den US-Dollar als billige Finanzierungswährung. Diese Rückkopplungsschleife gilt besonders für die Exportfirma eines Schwellenlandes. Denn die Aufnahme von Dollarkrediten ist wegen dieser Verletzung in der Regel günstiger als die Aufnahme von Krediten in eigener Währung. Dadurch steigt der Anreiz für die Firma, ihre Exporte in US-Dollar abzurechnen, weil sie so mehr Planungssicherheit über ihre zukünftigen Dollarumsätze erhält. Das wiederum ermöglicht es der Firma, sich mit geringeren Wechselkursrisiken in kostengünstigeren US-Dollar zu verschulden.

Die USA genießen als Leitwährungsland das „außerordentliche Privileg“, durch die Bereitstellung internationaler Dollar-Liquidität Kapital importieren zu können. Dabei halten Nicht-US-Bürger ihre Dollar-Anlagen zumeist in niedrig verzinslichen US-Staatsanleihen. Ein Teil dieser Kapitalimporte wird seitens der USA wiederum in hochverzinsliche Auslandsinvestitionen kanalisiert, wodurch für die USA beträchtliche Zinsgewinne entstehen.10 Auch der Rest der Welt hat bislang vom Status des US-Dollar als Leitwährung profitiert. Die Tiefe und Liquidität der amerikanischen Finanzmärkte sowie das ökonomische Gewicht der US-Volkswirtschaft auf den Weltmärkten machen den US-Dollar nicht nur als Transaktions- und Reservewährung attraktiv. Insbesondere Länder mit weniger liquiden Finanzmärkten profitieren vom US-Dollar als Leitwährung auch aufgrund günstiger Refinanzierungsbedingungen auf den US-Anleihemärkten. Der US-Dollar hat darüber hinaus in den letzten Jahrzehnten geringe Inflationsraten und eine relativ hohe externe Wertstabilität aufgewiesen.

Das Unbehagen der Schwellenländer

Was also haben die BRICS-Staaten am US-Dollar als Leitwährung auszusetzen?

1. Eine aktuelle Antwort geben die Währungskrisen Argentiniens und der Türkei – Länder, die noch neulich bevorzugte Kreditnehmer bei ausländischen Banken und auf den globalen Anleihemärkten waren. Nun müssen sie 2018 einen rapiden Verfall des Außenwertes ihrer Währungen hinnehmen und hohe Strafen auf die für Schwellenländer typische „Erbsünde“11 bezahlen. Da viele Schwellenländer recht illiquide und enge Finanzmärkte aufweisen, verführt die Verletzung der ungedeckten Zinsparität zur Aufnahme von Schulden in Fremdwährung. Wenn die Dollar-Kreditaufnahme von Firmen oder Banken erfolgt, die nicht über entsprechende Dollareinnahmen verfügen, entstehen Währungsinkongruenzen in den Unternehmensbilanzen. Diese Bilanzinkongruenzen sind eine Zeitbombe für private Akteure und öffentliche Haushalte durch Eventualverbindlichkeiten für öffentliche Rettungsaktionen.

2. Eine weitere aktuelle Sorge betrifft die Sanktionsfähigkeit der USA. Jede Transaktion, die in US-Dollar oder über eine US-Bank abgewickelt wird, führt automatisch dazu, dass die Handelspartner der amerikanischen Rechtsprechung unterliegen. Die USA führen derzeit Wirtschaftskriege gegen ein Zehntel der Länder der Welt mit einer kumulierten Bevölkerung von fast 2 Mrd. Menschen und einem BIP von mehr als 15 Billionen US-$. Dazu gehören Russland, der Iran, Venezuela, Kuba, der Sudan, Simbabwe, Myanmar, die Demokratische Republik Kongo, Nordkorea, aber auch Länder wie China, Pakistan und die Türkei, die keinen vollständigen Sanktionen unterliegen, sondern Ziele anderer wirtschaftlicher Strafmaßnahmen sind. Der damit ausgelöste Handelskrieg schwächt in ähnlicher Weise die Attraktivität des US-Dollar im internationalen Handel und bei Finanztransaktionen. Länder wie der Iran begrüßen die Möglichkeit, die US-Sanktionen zu umgehen, indem sie Waren nach China exportieren, die in Yuan abgewickelt werden können. Im Juli 2018 notierte der RMB-Tracker von SWIFT12 für den Wert der Yuan-Zahlungen einen Anstieg um 9,9 % im Vergleich zum Juni 2018, während sich der Wert aller übrigen Zahlungswährungen um 2,5 % verringerte.

3. Aus der Vermögensperspektive beunruhigt die Schwellenländer die Gefahr einer Abwertung des US-Dollar. China (mit Hong Kong) und die zwölf größten Schwellenländer hielten zuletzt offizielle Devisenreserven in Höhe von 6,7 Billionen US-$, immerhin fast 60 % der globalen offiziellen Reserven. Zur Krisenabwehr zwingt die Nachfrage nach Devisenreserven die Entwicklungsländer, Ressourcen an die Länder zu transferieren, die diese Reservewährungen ausgeben – ein Fall von „umgekehrter Hilfe“ besonders zugunsten der USA. Wichtige Schwellenländer, oft Nettogläubiger für den Rest der Welt und mit erheblichen Beständen an US-Staatsschulden, befürchten eine bewusste Abwertungsstrategie der USA, die ihre gewaltigen Währungsreserven um hunderte Milliarden US-Dollar entwerten würden. Das Nettoauslandsvermögen Chinas ist in den letzten drei Jahrzehnten stetig gestiegen, auf die Hälfte seines rapide gewachsenen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Aufgrund ihres notorischen Verbrauchsüberschusses haben die USA im selben Zeitraum ihre Nettoschuldenposition auf 40 % ihres BIP ausgedehnt (vgl. Abbildung 1).13

Abbildung 1
Nettoauslandsforderungsposition
Nettoauslandsforderungsposition

Quelle: P. Lane, G.-M. Milesi-Ferretti: The External Wealth of Nations Revisited: International Financial Integration in the Aftermath of the Global Financial Crisis, in: IMF Economic Review, International Monetary Fund, 66. Jg. (2018), H. 1, S. 189-222.

4. Schließlich geht es auch darum, wann sich die weltwirtschaftliche Schwerpunktverschiebung von den USA nach China auch politisch widerspiegelt. Die Weltneuvermessung ist unvollständig und womöglich auf Dauer gefährdet, wenn deren wirtschaftliche Säule nicht durch militärisches Abschreckungspotenzial und Abbau der Dollar-Dominanz abgesichert wird. Historisch stammte die Leitwährung aus der führenden Volkswirtschaft der jeweiligen Zeit. Kaufkraftbereinigt ist China laut IWF-Daten die größte Volkswirtschaft der Welt; sein Anteil am Weltprodukt liegt heute (2018) bei 18,7 %, während der US-Anteil auf 15,1 % geschätzt wird. Seitdem die USA (und die traditionellen OECD-Staaten) an relativer wirtschaftlicher Bedeutung verloren haben, drängt sich die Frage nach der Leitwährung immer wieder auf.

Ausblick

Auf der Beletage des internationalen Währungssystems thront noch der US-Dollar mit führenden Anteilen bei Zahlungsmitteln, Reservehaltung und Finanzierungsvehikeln. Im Keller aber verlegen die Chinesen bereits fleißig die Leitungen für eine Minderung der Dollar-Dominanz durch den Yuan.14 Der Aufbau neuer multilateraler Finanzierungsinstitutionen abseits des durch den Westen dominierten Finanzsystems, neuer Transport-, Energie- und Digitalverbindungen entlang der chinesischen Seidenstraßen und der Zerfall des globalen Welthandels in regionale Handelsblöcke bilden die Voraussetzungen für die Internationalisierung der chinesischen Währung.

Nach Barry Eichengreens Darstellung historischer Veränderungen im internationalen Währungssystem15 ist die Abfolge der Internationalisierung einer Währung: 1. die Förderung ihrer Verwendung bei der Rechnungsstellung und Abrechnung des Handels; 2. die Förderung ihrer Verwendung bei privaten Finanztransaktionen; 3. die Förderung ihrer Verwendung durch Zentralbanken und Regierungen als Reservewährung.

China war nach neuesten Daten (2017) der WTO mit Exporten von mehr als 2,26 Billionen US-$ die größte Exportnation mit einem Anteil am Welthandel von 12,8 %. Chinas Importe beliefen sich 2017 auf 1,84 Billionen US-$, damit blieb China das zweitgrößte Einfuhrland hinter den USA mit einem globalen Importanteil von 10,2 %. Die Abkehr der USA von Multilateralismus und Welthandel fördert den Aufstieg des Yuan. Mega-Projekte, die sich auf die USA konzentrierten – die Transpazifische Partnerschaft (TPP) sowie die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) – wurden ausgesetzt. Die pazifisch-asiatische Region verhandelt stattdessen den von China geförderten Handelsblock „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP), der neben China, Indien und Japan weitere 13 Länder und damit mehr als die Hälfte der Menschheit umfasst.

Da seit Aufgabe der Dollar-Anbindung des Yuan im August 2015 ein empirisch enger Zusammenhang mit Chinas Handelsverbindungen und der jeweiligen Yuan-Korrelation besteht, fördert die RCEP einen Yuan-Block in Asien.16 Dieser Einfluss der chinesischen Währung wurde auch neuerdings bei einigen Währungen Lateinamerikas beobachtet. Der wachsende Yuan-Block wird daher den Yuan in Zukunft aus stabilitäts- und portfoliotheoretischen Gründen auch als Reservewährung fördern.

Eine Schlüsselrolle zur Internationalisierung des Yuan spielt die „Belt and Road“-Initiative (BRI) mit einem geplanten Investitionsvolumen von gut 100 Mrd. US-$, die beim Seidenstraßen-Gipfel im Mai 2017 in Peking vom Staats- und Parteichef Xi Jinping vor 29 Staats- und Regierungschefs der beteiligten Länder Asiens, Afrikas und Europas verkündet wurde. Die Nutzung des Yuan soll durch die Handelsaktivitäten begleitende Zahlungsströme (Yuan-Kredite) in den Staaten entlang der Routen gefördert werden. Die Yuan-Kredite stammen unter anderem von der durch China 2016 gegründeten Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), die außerhalb des von den USA dominierten Bretton-Woods-Systems BRI- Infrastrukturkredite vergibt17.

  • 1 Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
  • 2 Ägypten, Argentinien, Indonesien, Jamaika und die Türkei.
  • 3 Vgl. dazu das Zeitgespräch „Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite –Finanzmärkte stabil?“, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 8, S. 539-557, https://blog.zeit.de/herdentrieb/2018/08/19/lehman-pleite-zehn-jahre-danach_10979 (27.9.2018).
  • 4 H. Reisen: Internationaler Währungsfonds: China erhält gebührenden Platz, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 1, S. 6, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2016/1/internationaler-waehrungsfonds-china-erhaelt-gebuehrenden-platz/ (27.9.2018).
  • 5 Das Reservewährungsland sollte mit Hilfe eines Leistungsbilanzdefizits die Weltwirtschaft fortlaufend mit risikoloser Liquidität versorgen, was auf Dauer das Vertrauen in die Reservewährung untergraben kann.
  • 6 Vgl. dazu S. Dullien: Das deutsche Wirtschaftsmodell steht einem globalen Euro im Weg, Makronom, 4.9.2018, https://makronom.de/swift-alternative-heiko-maas-zahlungssystem-das-deutsche-wirtschaftsmodell-steht-einem-globalen-euro-im-weg-27647 (18.9.2018).
  • 7 M. Frühauf: Die Führungsposition des Dollars ist unangefochten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.9.2018.
  • 8 Internationaler Währungsfonds: Currency Composition of Official Foreign Exchange Reserves (COFER), 1. Quartal 2018, http://data.imf.org/?sk=E6A5F467-C14B-4AA8-9F6D-5A09EC4E62A4 (27.9.2018).
  • 9 G. Gopinath, J. Stein: Banking, Trade, and the Making of a Dominant Currency, NBER Working Paper, Nr. 24485, April 2018.
  • 10 Als Finanzminister bezeichnete Giscard d´Estaing 1965 dieses Phänomen als „exorbitantes Privileg“ der USA.
  • 11 B. Eichengreen, R. Hausmann, U. Panizza: Currency Mismatches, Debt Intolerance and Original Sin. Why They Are Not the Same and Why It Matters, NBER Working Paper, Nr. 10036, Oktober 2003.
  • 12 SWIFT ist das Kürzel für den privaten in Brüssel ansässigen Dienstleister „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“; RMB für Renminbi, die alternative Bezeichnung der Währung der Volksrepublik China.
  • 13 P. Lane, G.-M. Milesi-Ferretti: The External Wealth of Nations Revisited: International Financial Integration in the Aftermath of the Global Financial Crisis, in: IMF Economic Review, International Monetary Fund, 66. Jg. (2018), H. 1, S. 189-222.
  • 14 Zu Chinas Maßnahmen zur Etablierung einer modernen Marktinfrastrukturlandschaft für die Internationalisierung des Yuan vgl. C-L. Thiele: Der Renminbi im internationalen Zahlungsverkehr, Deutsche Bundesbank, Reden, 15.11.2017.
  • 15 B. Eichengreen: The renminbi as an international currency, in: Journal of Policy Modeling, 2011, Bd. 33, H. 5, S. 723-730.
  • 16 R. McCauley, C. Shu: Recent RMB policy and currency co-movements, BIS Working Papers, Nr. 727, Juni 2018.
  • 17 H. Reisen: Die Entwicklungsbanken der Schwellenländer und die multilaterale Finanzarchitektur, in: Wirtschaftsdienst, 95. Jg. (2015), H. 4, S. 274-279, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2015/4/die-entwicklungsbanken-der-schwellenlaender-und-die-multilaterale-finanzarchitektur/ (27.9.2018).

Die Zukunft des US-Dollar

Bei der offiziellen Reservehaltung der Zentralbanken hatte der US-Dollar im ersten Quartal 2018 weltweit einen Anteil von 62 %, gefolgt vom Euro mit 20 % und dem Japanischen Yen und dem Britischen Pfund mit je unter 5 %. Der Chinesische Renminbi hatte einen Anteil von unter 1,5 %.1 Bei den weltweiten Transaktionen auf den Devisenmärkten, die sich insgesamt auf 200 % addieren, da bei jeder Transaktion zwei Währungen beteiligt sind, hatte der US-Dollar 2016 einen Anteil von 88 %, der Euro von 31 % und der Yen von 22 %. Im Jahre 1995 lag der US-Dollar hier bei 83 % und 2001 bei 90 %. Bemerkenswert ist die Entwicklung des Renminbi. Während 2001 sein Anteil bei 0 % lag, konnte er 2016 einen Anteil von 4 % erzielen.2 Bei weltweit grenzüberschreitenden Kreditbeziehungen hatte der US-Dollar im ersten Quartal 2018 einen Anteil von 50 %, gefolgt vom Euro mit 29 %.3 Im März 1999 lag der Anteil des US-Dollar bei grenzüberschreitenden Bankverbindlichkeiten und Wertpapieren bei 45 %, der Anteil des Euro bei 30 %.4

Interessant ist die Entwicklung der Länderanteile am Welt-Bruttoinlandsprodukt (Welt-BIP): Gemessen in aktuellen Preisen hatten die USA im Jahre 2017 einen Anteil am Welt-BIP von rund 24 %, gefolgt von China und der Europäischen Währungsunion (EWU) mit je 16 %. Die Reduzierung des Anteils der USA am Welt-BIP ist nicht dramatisch. Im Jahre 1970 lag er bei 28 %. China hatte 1970 dagegen einen weitaus geringeren Anteil am Welt-BIP von nur 0,8 %.5

Insgesamt zeigten sich in den letzten 30 Jahren keine gravierenden Verschiebungen bei der dominierenden internationalen Rolle des US-Dollar. Bemerkenswert ist, dass der Euro insgesamt keine größere internationale Rolle spielt als es der Summe der nationalen Währungen entspricht, die 1999 mit dem Beginn der EWU durch den Euro ersetzt wurden. Der Renminbi steigerte seine Rolle, ist jedoch bisher als internationale Währung unbedeutend. Eine andere Frage ist die zukünftige Rolle des US-Dollar, des Euro und des Renminbi. Um dieser Frage nachzugehen sollen die Faktoren benannt werden, die eine nationale Währung zu einer international relevanten Währung machen.

Was macht eine Währung international?

Die Vermögenssicherungsqualität einer Währung ist für deren internationale Rolle von entscheidender Bedeutung.6 In diese geht ein ganzer Strauß von Faktoren ein:

  1. Fundamental ist eine geringe aktuelle und erwartete Inflationsrate. Erwartungen schließen das Vertrauen in die Institutionen eines Landes ein, die für eine niedrige Inflationsrate verantwortlich sind. Währungen mit internationalen Funktionen dienen als sicherer Hafen in einer unsicheren Weltwirtschaft. Hohe Inflationsraten zerstören die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes.
  2. Ebenso wichtig ist die Rolle internationaler Währungen als Wertstandard von grenzüberschreitenden Krediten. Die Empirie zeigt, dass nur eine sehr kleine Zahl der derzeit existierenden rund 160 Währungen der Welt genügend Vertrauen genießen, um als internationales Wertaufbewahrungsmittel und als Wertstandard von internationalen Krediten zu dienen.
  3. Relevant für die Vermögenssicherungsqualität des Geldes ist ein stabiler Wechselkurs. Im Idealfall ist der Wechselkurs einer Währung mit internationalen Funktionen stabil, sollte auf keinen Fall abwerten. Wechselkursschwankungen erhöhen nicht nur Unsicherheiten, sondern sie stören die internationalen Funktionen des Geldes. Eine starke Abwertung der Weltreservewährung entwertet internationale Liquidität im Vergleich zu anderen Währungen, während eine starke Aufwertung die reale Schuldenlast der Schuldner erhöht, die in der internationaler Währung verschuldet sind, jedoch nicht in dieser Währung wirtschaften. In diesem Sinne war das Pfund Sterling unter dem Goldstandard mit seinen festen Wechselkursen vor dem Ersten Weltkrieg äußerst funktional
  4. Eine Währung mit internationalen Funktionen muss konvertibel sein. Nur in einem solchen Fall können Anleger nach Belieben Geld in der Währung anlegen und wieder abziehen. Ebenso werden Anleger ein gegenüber Vermögenden freundliches Klima erwarten. Bei Angst vor willkürlichen Restriktionen wird eine Währung keine internationalen Funktionen übernehmen.
  5. Die Größe und Diversität des Vermögensmarktes einer Währung sind ebenfalls wichtig. Beispielsweise müssen auch große Anleger in der Lage sein Geld aus einer internationalen Währung ohne merkliche Wirkung auf den Wechselkurs abzuziehen. Trotz Stabilität und vermögensfreundlicher Politik der Schweiz übernimmt der Schweizer Franken nur geringe internationale Funktionen.
  6. Die internationale politische Rolle und nicht zuletzt die militärische Stärke eines Landes sind für die internationale Rolle seines Geldes ebenso wichtig. Ein sicherer Hafen kann ein Land nur sein, wenn es militärisch stark ist. Internationale Forderungen eines kleinen Landes gegenüber einem militärisch überlegenen Nachbarn sind im Zweifel schwierig einzutreiben. Umgekehrt geht das schon.7 Es bedarf dazu nicht zwingend einer Kanonenbootpolitik, ökonomischer und politischer Druck sind ausreichend.
  7. Schließlich muss bedacht werden, dass es bei Währungen starke Netzwerkeffekte gibt, welche die Nutzung eines verbreitet genutzten Geldes verstärken und stabilisieren. Dies impliziert, dass nicht zu erwarten ist, dass sich der Übergang von einer international dominierenden Währung zu einer anderen harmonisch vollzieht.

US-Dollar und Euro

Wird der US-Dollar vor dem Hintergrund der obigen Kriterien bewertet, dann wird deutlich, dass er bisher von allen derzeit existierenden Währungen der Welt die besten Voraussetzungen mitbringt, die dominierende Währung zu sein. Die Inflationsrate ist in den USA seit Jahrzehnten auf einem relativ niedrigen Niveau. Es gibt kein Land auf der Erde, das in gleichem Maße die Kombination vollständige Konvertibilität, einen großen Vermögensmarkt und hohe Freiheiten für Vermögende bietet. Und auf politischem und militärischem Gebiet kann in absehbarer Zeit kein Land ernsthaft mit den USA konkurrieren.

In Europa ist die Zukunft der EWU mit Unsicherheiten belastet. Um einen langfristig stabilen Währungsraum zu schaffen, wären weitere Integrationsschritte notwendig, die für die EWU in Richtung einer Staatenbildung gehen müssten. Notwendig wären eine eigene fiskalische Rolle des EWU-Zentrums, stärkere Transfermechanismen, Harmonisierung des Steuer- und Lohnbildungssystems und eine Stärkung des Europäischen Parlaments.8 Kurz- und selbst mittelfristig sind solche Schritte eher unwahrscheinlich. Auf politischer Ebene spricht Europa nicht mit einer Stimme und eine europäische Armee gibt es nicht. Diese Schwächen der EWU machen es unwahrscheinlich, dass der Euro die gleiche Relevanz erlangen kann wie der US-Dollar.

Es gibt allerdings auch Risiken für den US-Dollar. Eine protektionistische Handelspolitik der USA ist zwar nicht förderlich, aber mit der internationalen Rolle des US-Dollar vereinbar. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es hohe Zölle in allen Ländern, ohne dass dies der internationalen Rolle der damaligen Leitwährung Pfund geschadet hätte. Das Problem ist, wenn US-Präsident Trump ernsthaft eine Politik verfolgt, die das Leistungsbilanzdefizit der USA beseitigen oder gar einen Überschuss erzeugen soll, wären Handelsbeschränkungen nicht das geeignete Mittel, da diese letztlich nur die Struktur des Handels beeinflussen. Um das Leistungsbilanzdefizit zu eliminieren, muss der internationale Kapitalverkehr reguliert werden. Denn die USA sind als Weltreservewährungsland mit hohen Kapitalimporten von Privaten und Zentralbanken konfrontiert. Dies führt in Ländern, deren Währung international eine Rolle spielt, in der Tendenz dazu, dass die Währung überbewertet wird und Leistungsbilanzdefizite entstehen. Würde der internationale Kapitalverkehr eingeschränkt und würden die USA eine aggressive Unterbewertungspolitik verfolgen, dann hätte dies negative Konsequenzen für die internationale Rolle des US-Dollar. Das Leistungsbilanzdefizit der USA lag 2006 bei sehr hohen 6 % des US-BIP, ist jedoch 2017 auf 2,4 % des BIP abgeschmolzen.9 Derzeit besteht somit keine Notwendigkeit der USA für eine aggressive Politik der Leistungsbilanzreduzierung.

Zudem realisieren die USA eine Reihe von Vorteilen aus der internationalen Rolle des US-Dollar. Sie können sich im Ausland in inländischer Währung verschulden; sie realisieren Seigniorage-Gewinne, also Gewinne aufgrund der Tatsache, dass der US-Dollar in großem Umfang weltweit als Bargeld oder zinslos als Bankeinlage gehalten wird; international wichtige Waren wie Öl werden in US-Dollar fakturiert; der internationale Zahlungsverkehr wird weitgehend von US-Unternehmen abgewickelt; und sie erhalten Wohlfahrtsgewinne aufgrund einer starken Währung. Allerdings erzeugt die überbewertete Währung auch Verlierer insbesondere bei unqualifizierten Arbeitskräften. Denn sie lässt zuerst die arbeitsintensiven und technologisch weniger anspruchsvollen Produktionen ins Ausland wandern. Wollte US-Präsident Trump sich einer merkantilistischen Politik anschließen, die traditionell von Deutschland, China und Japan betrieben wurde, dann hätte die Weltwirtschaft ein Problem, und dies würde zudem der Rolle des US-Dollar schaden.

Der Renminbi als internationale Währung

China verfolgt Strategien der Internationalisierung des Renminbi. So wird versucht, den chinesischen Außenhandel in Renminbi abzuwickeln. Traditionell ist es so, dass beispielsweise ein deutscher Importeur einer chinesischen Ware Euro in US-Dollar und dann US-Dollar in Renminbi tauscht. China hat in den letzten Jahren mit einer Reihe von Ländern, auch Deutschland, sogenannte Swap-Abkommen abgeschlossen, um den Außenhandel direkt in Renminbi abzuwickeln. Bei diesen Abkommen stellen die chinesische Zentralbank und die Zentralbank des Swap-Partners kurzfristig Liquidität zur Verfügung, die es erlaubt, den Handel in einer der beiden Partnerwährungen abzuwickeln.

China hat es geschafft, dass seine Auslandsschulden etwa zu 50 % in Renminbi denominiert sind.10 Dies zeigt, dass die chinesische Währung mehr Vertrauen aufgebaut hat als viele andere Währungen. Es ist zudem davon auszugehen, dass ein beachtlicher Teil der Kreditvergabe im Rahmen des Engagements Chinas in Afrika und im Rahmen der „Belt and Road“-Initiative, die ein Netzwerk von Infrastrukturprojekten und neuen Wirtschaftszonen in Südostasien, Südasien und Zentralasien erschließen und den Handel mit Europa intensivieren soll, in Renminbi denominiert ist. Seit kurzem hat China begonnen, eigene Ölimporte in Renminbi abzuwickeln. Damit ist die Monopolstellung des US-Dollar in diesem Bereich gebrochen.11 Schließlich baut China ein weltweites Zahlungssystem unter eigener Regie auf. All diese Bemühungen werden durch den Handelskrieg mit den USA verstärkt. Jedoch spielt der Renminbi derzeit als Wertstandard für internationale Kredite bei Drittstaaten und als Anlagewährung für internationale Liquidität keine relevante Rolle.

Für die Übernahme umfassender internationaler Funktionen ist der Renminbi mittelfristig noch nicht reif. Die Währung ist nicht konvertibel, sodass schon die institutionellen Voraussetzungen für eine umfassende internationale Funktion fehlen. Eine schnelle Einführung der Konvertibilität ist nicht zu erwarten, da das chinesische Finanzsystem auf einen solchen Schritt nicht vorbereitet ist und das gesamte chinesische Wirtschaftsmodell bisher wesentlich auf einem weitgehend staatlich kontrollierten Finanzsystem beruht.12 Auch ist die politische und militärische Potenz Chinas noch auf einem niedrigeren Niveau als das der USA.

China wird die Rolle des Renminbi im eigenen Außenhandel und bei der eigenen Kreditvergabe weiter stärken und möglicherweise einen eigenen Währungsblock zu schaffen versuchen, jedoch wird der Renminbi kurz- bis mittelfristig kein ernsthafter Konkurrent des US-Dollar werden.

Die Zukunft des Währungssystems

Das zukünftige Währungssystem dürfte noch lange vom US-Dollar dominiert werden, allerdings mit abnehmender Stärke. Der Euro wird aufgrund der internen Probleme der EWU und dem Fehlen der politischen und militärischen Dimensionen einer Weltwährung den US-Dollar schwerlich verdrängen können. Es gibt jedoch ernsthafte Risiken für die zukünftige Stabilität des Währungssystems.

Es ist von den USA nicht zu erwarten, dass sie ihre Wirtschaftspolitik den Anforderungen an die Stabilität einer Weltwährung unterwerfen. Nationale Interessen und binnenwirtschaftliche Konflikte können zu einer Wirtschaftspolitik führen, welche die internationale Rolle der nationalen Währung ausbeuten und/oder destabilisieren. Beispielsweise widersprechen flexible Wechselkurse den Funktionsbedingungen einer internationalen monetären Produktionswirtschaft. Denn bei internationalen Krediten und dem Halten von internationaler Liquidität wirken Wechselkursschwankungen wie Inflation und Deflation. Jedoch kann es im Interesse der USA sein, den Wechselkurs dennoch als wirtschaftspolitisches Instrument einzusetzen.

Langfristig kann die Weltwirtschaft in ein instabiles Szenario geraten, das folgendermaßen aussehen könnte: Die USA verfolgen eine national orientierte Wirtschaftspolitik, welche die Stabilität des US-Dollar wenig im Blick hat. Gleichzeitig bestehen im Euro und langfristig durch den Renminbi Alternativen. Wenn es verschiedene internationale Anlagewährungen gibt, dann können und werden Vermögende je nach verfolgten Wirtschaftspolitiken der Länder und Erwartungen von einer Währung zur anderen springen. Portfolioverlagerungen können dann zu heftigen Wechselkursturbulenzen und Störungen führen. Dies wäre ein Szenario, in dem kein Land der Welt eine gute international stabile Währung zur Verfügung stellt. John Maynard Keynes hat aus diesem Grunde die Idee einer supranationalen Währung, dem Bancor, zumindest für die Reservehaltung der Banken und Mechanismen der Währungsstabilisierung und Beschränkung von Leistungsbilanzungleichgewichten ins Spiel gebracht. Für einen solchen Schritt bedarf es jedoch einer intensiven internationalen Kooperation und starker internationaler Institutionen.13

  • 1 International Monetary Fund: Currency Composition of Official International Exchange Reserves, Washington, verschiedene Jahre.
  • 2 Bank for International Settlement: Triennial Central Bank Survey, Basel 2016.
  • 3 Bank for International Settlement: Locational Banking Statistics, Basel 2018.
  • 4 Bank for International Settlement: Quarterly Review, International Banking and Financial Market Development, Basel, August 1999.
  • 5 Trading Economics, September 2018. In Kaufkraftparitäten gerechnet liegen das BIP der USA und Chinas im Jahre 2018 nahe beieinander.
  • 6 H. Riese: Theorie der Inflation, Tübingen 1986, S. 237 f.
  • 7 Am 4.10.1849 besetzten britische Marine-Infanteristen den Hafen von Trujillo in Honduras, um eine Forderung an die honduranische Regierung in Höhe von 100 000 US-$ einzutreiben. Am 27.4.1895 besetzten britische Marineeinheiten das Zollhaus von Corinto, um finanzielle Forderungen an die nicaraguanische Regierung einzutreiben.
  • 8 H. Herr, J. Priewe, A. Watt (Hrsg.): Saving the Euro: Redesigning Euro Area economic governance, Social Europe, 2017, https://www.socialeurope.eu/wp-content/uploads/2017/06/EURO-web.pdf (17.9.2018).
  • 9 Statistisches Bundesamt, 2018, https://www.destatis.de.
  • 10 China hatte im Juni 2015 eine Bruttoauslandsschuld in Höhe von 1,68 Billionen US-$, davon waren 49 % in Renminbi denominiert, vgl. J. Rong: Does China’s External Debt Pose a Major Risk?, Best Minds, 14.10.2015. Im Juni 2018 betrugen die Bruttoauslandsschulden der USA 19,18 Billionen US-$. Davon sind nur 6,8 % in Fremdwährung denominiert, vgl. U.S. Department of Treasury, Resource Centre, 2018.
  • 11 H. Zschäpitz: China bricht das Dollar-Diktat beim Öl, in: Welt vom 5.9.2018.
  • 12 H. Herr: Der Aufstieg Chinas zu einer ökonomischen Großmacht – Erfolge und Herausforderungen, in: M. Linke, T. Sablowski, K. Steinitz (Hrsg.): China: Gesellschaftliche Entwicklung und Globale Auswirkungen, Manuskripte Neue Folge, Rosa Luxemburg Stiftung 2015.
  • 13 H. Herr: International Monetary and Financial Architecture, in: E. Hein, E. Stockhammer (Hrsg.): A Modern Guide to Keynesian Macroeconomics and Economic Policies, Cheltenham 2011, S. 267-293.

Internationales Währungssystem: US-Dollar, Globalwährung oder ein „chinesisches System“?

Das internationale Finanzsystem stellt die Ordnung der internationalen Finanzbeziehungen dar und reflektiert insofern die jeweils dominierenden ökonomischen Ideen und Machtverhältnisse. Es bildet also auf internationaler Ebene ab, was auf nationaler Ebene als Geldordnung fungiert. Im deutschen Fall ist die nationale Geldordnung an die Europäische Währungsunion (EWU) übertragen worden, mit gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen. Im Vergleich dazu ist das internationale Währungssystem nicht so klar zu fassen. Das beginnt schon damit, dass es rein formal kein internationales Währungssystem gibt, das wie eine nationale Geldordnung rechtlich verbindlich verfasst ist. Vielmehr handelt es sich um eine Mischung von geregelten Bestandteilen und Gewohnheiten. Der Kern des Geregelten ist immer noch der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seinen Abläufen, wie der Überwachung seiner Mitgliedstaaten und der internationalen Finanzmärkte. Anders als bis zum Ende des Bretton-Woods-Systems in den 1970er Jahren, das feste Wechselkurse vorgab,1 sind die Regeln für Wechselkurse nicht mehr festgelegt. Hier sind die Länder frei zu entscheiden, die Wechselkurse flexibel.

Faktisch jedoch intervenieren die meisten Zentralbanken in ihren Währungsmärkten mit verschiedenen Instrumenten und versuchen somit, die Wechselkurse zu beeinflussen.2 Die Mehrzahl der Zentralbanken interveniert direkt auf den Devisenmärkten, in den meisten Ländern gelten Kapitalverkehrskontrollen und selbst in der Geldpolitik (Festlegung des Leitzinses) wird der Wechselkurs berücksichtigt.3 Wenn also die Wechselkurse so häufig beeinflusst werden (ob mit oder ohne Erfolg), kann man dann noch von einem System sprechen, von einer Ordnung der internationalen Finanzbeziehungen?4 Jedenfalls ist es offensichtlich, dass Länder heute sehr frei in der Wahl ihres Wechselkursregimes oder des Grades und der Gestaltung ihres internationalen Kapitalverkehrs sind. Dennoch gibt es im internationalen Finanzsystem einige Elemente von Ordnung, entweder bewusst herbeigeführt oder gewachsen. Zum ersten Bereich zählt der IWF, dazu rechnen aber auch die Treffen der G20-Staatengruppe und der ganze Bereich der Finanzmarktregulierung, die über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel abgewickelt wird.

US-Dollar als Leitwährung

Das herausragende gewachsene Element des internationalen Finanzsystems ist der US-Dollar als Leitwährung. Die Charakteristika einer Leitwährung lassen sich an einigen Indikatoren festmachen:

  1. Reservewährung: Tatsächlich werden Währungsreserven global nach wie vor zu rund 60 % in US-Dollar gehalten. Dieser Anteil ist mit weitem Abstand der größte, vor dem Euro mit rund 20 % und weiteren, weniger wichtigen Währungen.
  2. Umtausch: „Kleinere“ Währungen werden immer zuerst in eine Leitwährung getauscht und von dieser dann gegebenenfalls wiederum in eine andere kleinere Währung. Damit vermeidet man unzählige kleine bilaterale Märkte von Nebenwährungen, die wegen der geringen Transaktionen recht illiquide wären, während die Konzentration des Handels einer Nebenwährung auf den Tausch mit einer Leitwährung alle Transaktionen bündelt. Wieder zeigen die Statistiken der BIZ unzweifelhaft, dass auch in dieser Hinsicht der US-Dollar bei weitem dominiert.
  3. Emissionswährung: Eine Leitwährung wird als Emissionswährung auf internationalen Kapitalmärkten verwendet. Demnach verschulden sich private oder öffentliche Emittenten nicht nur in lokaler, sondern auch in einer internationalen Währung. Wiederum ist es der US-Dollar, der in dieser Funktion im Vergleich zu Euro, Yen oder anderen Währungen dominiert.

Warum der US-Dollar?

Der US-Dollar ist Leitwährung, weil die USA die dominierende Volkswirtschaft in der Welt sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der US-Dollar diese Rolle vom britischen Pfund übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die US-Wirtschaft ihr relativ größtes Gewicht in der Weltwirtschaft erreicht. Sie war zudem besonders produktiv, hatte (anders als in den 1920er Jahren) einen stabilen Finanzsektor und war außenwirtschaftlich (nicht zuletzt durch die Kriegswirtschaft) recht offen. Ferner hatte die USA durch den Krieg die wesentlichen staatlichen Goldreserven bei ihrer Zentralbank akkumuliert. Schließlich dominierte die USA politisch als Kriegsgewinner, größte Militärmacht und einzige Atommacht. In dieser Situation waren die USA der natürliche Dreh- und Angelpunkt der Weltwirtschaft.

All diese Gründe, die für den US-Dollar als Leitwährung sprechen, treffen heute noch zu, aber deutlich schwächer als zum Ende des Zweiten Weltkriegs.5 Nimmt man beispielsweise die Wertschöpfung der Volkswirtschaft als Indikator, so zeigt sich, dass die USA seit 1945 in einem kontinuierlichen Sinkflug begriffen ist. Dies ist Ergebnis der Aufholbewegung der vormals wenig entwickelten Länder. Nach 1945 waren dies Europa sowie Japan, dann kamen in den 1970er Jahren die Newly Industrializing Countries (NICs, wie Südkorea) hinzu, und in den letzten Jahrzehnten haben weitere Entwicklungsländer stark aufgeholt, darunter insbesondere China. Wenn man den US-Anteil mit Wechselkursen, die wegen der geringeren Schwankungen mit Kaufkraftparitäten bereinigt sind, berechnet, so ist das US-Gewicht von rund 35 % (1950) über ca. 22,5 % Mitte der 1980er Jahre auf gut 15 % (2017) gesunken (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Bedeutung einzelner Länder für die Weltwirtschaft
Bedeutung einzelner Länder für die Weltwirtschaft

Quelle: IMF Data Mapper: GDP based on PPP, share of world, https://www.imf.org/external/datamapper/PPPSH@WEO/WEOWORLD/USA (2.10.2018).

Folglich würde man heute – wenn man die Situation neu bewertet – weniger an eine einzige Leitwährung als an eine Gruppe von Währungen denken, die gemeinsam die Leitwährung bilden. Im Grunde hatte Keynes genau dies bereits in seinem Entwurf für die Gestaltung des Bretton-Woods-Systems so geplant, nur entsprach dies damals zwar den britischen Interessen, aber nicht den Gewichten in Weltwirtschaft und Weltpolitik. Im Lauf der Jahrzehnte ist die Kritik an der US-Dominanz in Währungsfragen tendenziell lauter geworden.6 Hierzu gab es bisher vor allem zwei Diskussionsrichtungen: Zum einen wurde über die Ablösung des US-Dollar durch eine andere Währung spekuliert, zum anderen sollte die Alternative in einem Korb von Währungen bis hin zu einer Globalwährung liegen.

Kann eine andere Währung den US-Dollar ablösen?

Die Hauptalternative zum US-Dollar wurde mit dem Boom der japanischen Wirtschaft Ende der 1980er Jahre kurzzeitig im japanischen Yen gesehen, was sich aber mit der Stagnation bzw. dem geringen Wachstum dieser Volkswirtschaft erledigt hat. Anhaltender waren Überlegungen, ob eventuell der Euro den US-Dollar in seiner Rolle gefährden könnte.7 Für den Euro spricht, dass die EU in der Summe eine größere Wertschöpfung als die USA aufweist (allerdings nicht die Euroländer allein), dass die EU international stärker vernetzt ist als die USA und dass sie aufgrund ihrer politischen Zersplitterung und Geschichte im politischen Raum kaum hegemonial auftritt, was den Euro als Leitwährung erträglicher machen könnte.

Allerdings hat die Finanzkrise in Europa ab 2010 diese Überlegungen zumindest einmal aufgeschoben. Die EU schien nun nicht mehr als Hort der Stabilität, sondern viele der Euro-Mitgliedsländer als finanziell und politisch instabil. Die negative Dynamik der letzten Jahre, vorerst kulminierend im EU-Austritt Großbritanniens und erkennbar in den Verwerfungen zwischen manchen mittelosteuropäischen Ländern und dem Rest sowie den Spannungen zwischen Süd- und Nordeuropa, hat alle Chancen für den Euro auf die Rolle als Leitwährung bis auf weiteres zunichte gemacht.8 Im Grunde bleibt dann – als einzelne Währung – nur noch der chinesische Yuan als Alternative übrig, der allerdings die erwarteten klassischen Funktionen schon wegen fehlender freier Verfügbarkeit nicht erfüllt.

Ist eine Globalwährung realistisch?

Sofern keine einzelne Währung den US-Dollar ablöst, kann dies eventuell einer Gruppe von Währungen gelingen. Ein Ansatzpunkt hierfür sind beispielsweise die bereits existierenden Sonderziehungsrechte, zu denen seit kurzem auch der chinesische Yuan beiträgt.9 Etwas radikaler ist die Idee, gleich eine neue Weltwährung zu schaffen, die aber auch irgendwie gehandhabt werden müsste.10 Und wenn diese Handhabung etwas mit der Bedeutung der jeweiligen Volkswirtschaften zu tun hat, dann würden wiederum die USA, China, die EU und Japan eine besonders große Rolle spielen.

Diese Vielzahl an Akteuren steht zugleich für das politische Problem, gleichgültig ob bei den Sonderziehungsrechten oder einer Globalwährung. Im Grunde benötigt man eine Verständigung auf relevante Ziele und Spielregeln. Genau dies aber scheint zur Zeit kaum umsetzbar, wenn man daran denkt, dass die USA sich tendenziell aus internationaler Verantwortung zurückziehen möchten, Europa als Gemeinschaft kaum handlungsfähig ist und China zwar viel von Multilateralismus spricht, aber darunter vermutlich etwas anderes als „der Westen“ versteht.

Hinzu kommt das ökonomische Problem, dass in der gegenwärtigen Verfassung der Weltwirtschaft eine Globalwährung – bei allem Charme den solch ein Schritt hätte – jedenfalls zu früh käme. Am deutlichsten wird dies vielleicht, wenn man versucht die Europäische Währungsunion als Muster zu deuten: die dort praktizierte Geldpolitik mag im Durchschnitt passend sein, aber für Deutschland und andere Länder ist sie sicher zu locker, für andere Länder hingegen eher zu restriktiv. Man kann es nicht allen gleichzeitig recht machen und der Diskurs darüber ist stark von nationalen Präferenzen und Interessen geprägt. Ein ähnliches Modell auf die Welt auszudehnen, erscheint bei der gegenwärtigen Heterogenität der Länder hinsichtlich ihrer offenbarten geld- und währungspolitischen Präferenzen unzweckmäßig. Abgesehen davon fehlt es auch an Offenheit der Arbeits- und Gütermärkte, um die Welt als einen halbwegs optimalen Währungsraum anzusehen.

Was strebt China an?

Der einzig ernsthafte Rivale der USA für eine Führungsrolle in der Weltwirtschaft ist derzeit China. Nicht nur, dass China gerade die USA als größte Volkswirtschaft ablöst, es verfolgt auch eine geradezu gegensätzliche Strategie. Während die USA unter dem gegenwärtigen Präsidenten ihren kurzfristigen nationalen Vorteil suchen, und sich damit als langfristiger Kooperationspartner und Anker in der Weltwirtschaft selbst aus dem Spiel nehmen, bemüht sich China fast schon um das Gegenteil.11 Dabei profitiert es von der US-Politik: Die USA betonen ihre nationale Souveränität, China dagegen seine Bereitschaft zum Multilateralismus, die USA erhöhen gerade die Zollschranken, China dagegen betont seine Bereitschaft zum Freihandel. Darüber hinaus nutzt China seine enormen Währungsreserven, um international zu investieren. Im Rahmen der Gründung von internationalen Entwicklungsbanken und Investitionsprojekten bietet es seine Bereitschaft zur Finanzierung und Durchführung von Investitionen im Ausland an. Das klingt fast wie der ehemalige US-Marshallplan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vermutlich soll es auch so klingen, aber es scheint offensichtlich, dass China eine fundamental andere Ordnungsvorstellung verfolgt als die USA nach dem Zweiten Weltkrieg. In China gibt es keine Ordnung im Sinne einer Marktwirtschaft mit Regeln, die für alle gelten, unabhängigen Gerichten, die diese Ordnung durchsetzen und freien Akteuren, die auf ihre Eigentumsrechte vertrauen können. Vielmehr fehlt es an Gewaltenteilung, weil alle Macht auf die herrschende Partei und ihre Führungsspitze ausgerichtet ist. Diese Machtspitze setzt ihren Machtanspruch notfalls brutal durch. Das zeigt sich im Umgang mit internen Kritikern, selbst wenn sie sich auf formale Rechte des Landes berufen, es zeigt sich aber auch im Umgang mit Meinungsfreiheit (beispielsweise im Internet) wie sie in westlichen Gesellschaften verstanden wird und im Umgang mit anderen Staaten wie Vietnam oder den Philippinen, in deren Nähe im südchinesischen Meer chinesische Inseln (Militärbasen) aufgeschüttet werden.

Elemente eines „chinesischen“ Weltfinanzsystems

Übertragen auf die Weltfinanzen würde China wohl nichts akzeptieren, was nicht seinen Interessen dient. Das unterscheidet dieses Land kaum von den USA als aktuellem Leitwährungsland. Für die USA gilt das Bonmot: „Der US-Dollar ist unsere Währung und euer Problem“, sprich, die US-Regierung entscheidet primär im eigenen Interesse und der Rest der Welt muss sich anpassen. Allerdings ist die US-Regierung einem demokratisch gewählten Parlament verantwortlich, hat eine unabhängige Zentralbank neben sich und hat sich verschiedenen Spielregeln verpflichtet.12

Das chinesische Handeln kann man bisher nur ahnen. So ist der Wechselkurs der eigenen Währung bisher nicht freigegeben, sondern wird exakt gesteuert. Entsprechend gibt es keinen freien internationalen Kapitalverkehr. Der Finanzsektor ist zu einem guten Teil staatlich und wird eng kontrolliert, teilweise auch hinsichtlich der Mittelverwendung; der Zugang für ausländische Wettbewerber ist stark begrenzt.13 Es scheint aktuell nicht vorstellbar, dass ein „chinesisches Weltfinanzsystem“ erhebliche marktwirtschaftliche Elemente enthalten wird oder China sich eine ökonomisch relevante Selbstbindung auferlegt.

Kaum Alternativen zum US-Dollar

Als Ausblick ist festzuhalten, dass die bisher diskutierten Alternativen zum US-Dollar aus den genannten Gründen in der kürzeren Frist voraussichtlich nicht zu einer Ablösung führen werden. Der US-Dollar mag als Leitwährung wanken und heftig kritisiert werden, doch es scheint schwer vorstellbar, dass private Entscheider eine andere existierende Währung oder für ihre Finanztransaktionen eine politisch fragile Konstruktion freiwillig vorziehen. Der US-Dollar bietet derzeit immer noch das beste Paket an erwünschten Eigenschaften für eine Leitwährung und in dieser Lage kommen dann die beharrend wirkenden Netzwerkeffekte als Verstärker hinzu.

Natürlich kann es sein, dass Europa doch stärker zusammen wächst als man es heute glauben mag, dass China sich hin zu einer echten Marktwirtschaft öffnet oder die Welt so sehr kooperiert, dass eine Form von Globalwährung realistisch wird. Aber aus aktueller Sicht sehe ich die erste Alternative zum US-Dollar als Leitwährung in einer Abkehr von den heute üblichen Ordnungsvorstellungen eines internationalen Währungssystems, hin zu einer Art „chinesischem Weltfinanzsystem“14. Soweit man sich das heute vorstellen kann, scheint fraglich, ob solch ein System im Interesse Europas liegt.

  • 1 Vgl. beispielsweise B. Eichengreen: Globalizing Capital. A History of the International Monetary System, Princeton 1996.
  • 2 Vgl. z. B. M. Fratzscher, O. Gloede, L. Menkhoff, L. Sarno, T. Stöhr: When is Foreign Exchange Intervention Effective? Evidence from 33 Countries, in: American Economic Journal: Macroeconomics, 11. Jg. (2019), im Erscheinen.
  • 3 Selbst wenn sich das Mandat nicht auf den Wechselkurs erstreckt, werden geldpolitische Wirkungen auf den Wechselkurs und dessen Rückwirkungen auf die Wirtschaft mit bedacht.
  • 4 Vgl. M. Obstfeld, A. M. Taylor: International Monetary Relations: Taking Finance Seriously, in: Journal of Economic Perspectives, 31. Jg. (2017), S. 3-28.
  • 5 L. Menkhoff: Das Siechtum des US-Dollar als Leitwährung, in: ifo-Schnelldienst, 62. Jg. (2009), H. 16, S. 3-6.
  • 6 B. Kempa: Dollarkrise und Leitwährungsstatus, in: ifo-Schnelldienst, 62. Jg. (2009), H. 16, S. 11-14.
  • 7 M. Chinn, J. A. Frankel: Why the Dollar Will Rival the Euro, in: International Finance, 11. Jg. (2008), H. 1, S. 49-73.
  • 8 Das ändert meines Erachtens auch das aktuelle Bemühen der EU-Kommission nicht grundlegend. Vgl. dazu beispielsweise M. Schieritz: Angriff auf den Dollar, in: Die Zeit, vom 20.9.2018.
  • 9 S. Schulmeister: Globalisierung ohne supranationale Währung: Ein fataler Widerspruch, in: ifo-Schnelldienst, 62. Jg. (2009), H. 16, S. 6-11.
  • 10 Zum Beispiel B. R. Mundell: The Case for a World Currency, in: Journal of Policy Modeling, 27. Jg. (2005), S. 465-475.
  • 11 Bisher beschränkt sich der Einfluss vor allem auf die Region. Vgl. beispielsweise M. Fratzscher, A. Mehl: China’s Dominance Hypothesis and the Emergence of a Tri-polar Global Currency System, in: Economic Journal, 124. Jg. (2014), S. 1343-1370.
  • 12 Vgl. zu den politischen Präferenzen bei der Wahl einer Reservewährung S. Liao, D. McDowell: No Reservations: International Order and Demand for the Renminbi as a Reserve Currency, in: International Studies Quarterly, 60. Jg. (2016), S. 272-293.
  • 13 Die chinesische Regierung hat zuletzt in einigen prominenteren Fällen direkt die Geschäftspolitik von Nicht-Banken gelenkt, vgl. o.V.: HNA will wohl die Deutsche Bank verlassen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.9.2018; H. Ankenbrand: Chaos um angeblichen Abgang von Jack Ma, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.9.2018.
  • 14 Man kann sich auch eine Koexistenz zweier Ordnungen vorstellen, was dann allerdings nicht mehr „ein“ System wäre. Vgl. B. Eichengreen, A. Meh, L. Chitu: How Global Currencies Work: Past, Present, and Future, Princeton 2017.

Wie sich der europäische Zahlungsverkehr vom US-Dollar lösen kann – die betriebswirtschaftliche Sicht

Seitdem die EU und die USA unterschiedliche Iran-Politiken verfolgen, gibt es Bestrebungen, den iranisch-europäischen Handel gegen die Folgen bestimmter zahlungsbezogener US-Sanktionen1 zu immunisieren. Der deutsche Außenminister Heiko Maas erklärte im August 2018, „es [sei] unverzichtbar, dass wir europäische Autonomie stärken, indem wir von den USA unabhängige Zahlungskanäle einrichten, einen Europäischen Währungsfonds schaffen und ein unabhängiges Swift-System aufbauen.“2 Diese Forderung findet grundsätzlich Anklang. Allerdings werden die Wege dahin kontrovers diskutiert.3 Der internationale Zahlungsverkehr funktioniert grundsätzlich gut; eine Absonderung Europas von bewährten Systemen und der Aufbau weniger effizienter alternativer Systeme kann unter Umständen mehr Schaden als Nutzen stiften.

Dieser Beitrag beleuchtet den internationalen Zahlungsverkehr in Bezug auf die US-Sanktionen. Es werden aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Rolle des US-Dollar als Leitwährung und die Stärken und Schwächen des internationalen Korrespondenzbankensystems behandelt. Anschließend werden Vorschläge für modernisierte Systeme bewertet, die zu einer geringeren Abhängigkeit des internationalen Handels von Eingriffen der US-Regierung führen.

Sanktionen der USA

Am 8.5.2018 hat US-Präsident Donald Trump die Wiederaufnahme von Sanktionen gegen den Iran verkündet.4 Es wurden Übergangsfristen eingeräumt, um den Handel mit dem Iran auslaufen zu lassen.5 Am 6.8.2018 endete die 90-Tage-Frist.6 Seitdem sind Sanktionen auf folgende Transaktionen eingeführt:

  • Erwerb von US-Dollar-Banknoten durch die iranische Regierung,
  • signifikante Transaktionen mit iranischen Rial oder Besitz von signifikantem Fondsvermögen oder Konten in Rial,
  • Versicherungen von iranischen Staatsschulden,
  • Handel mit Gold und weiteren wertvollen Metallen,
  • Transfer von verschiedenen Metallen und Kohle aus oder in den Iran,
  • Transaktionen mit Bezug zum Automobilsektor,
  • Import in die USA von iranischen Teppichen und Lebensmitteln und damit verbundene Finanztransaktionen.


Am 4.11.2018 läuft die zweite Übergangsfrist ab. Von diesem Datum an gelten Sanktionen auch auf folgende Transaktionen:

  • Transaktionen von Banken mit der iranischen Zentralbank und ausgewiesenen iranischen Finanzinstitutionen,
  • das Anbieten von „specialized financial messaging services“ für die iranische Zentralbank und iranische Finanz­institute,
  • Transaktionen von und mit Versicherungen, Rückversicherungen oder andere Formen der Risikoübernahme,
  • Transaktionen mit dem Schiffssektor,
  • Transaktion mit Bezug zum Öl- und Benzinhandel,
  • Transaktionen mit dem Energiesektor.7

Explizit ist das mit Finanztransaktionen in Verbindung stehende Übermitteln von Daten verboten.8 Damit wird ganz konkret der in Belgien ansässigen Genossenschaft Swift9 untersagt, Überweisungen mit dem Iran zu bearbeiten. Problematisch ist dies, da Swift faktisch das einzige Nachrichtennetzwerk ist, über das der weltweite Auslandszahlungsverkehr abgewickelt wird.10 Eine Bank, die von Swift ausgeschlossen wird, ist damit faktisch vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten.

Welche Strafen Verstöße gegen die Sanktionen zur Folge haben, ist nicht vollständig geregelt. Die Strafen werden beschrieben als „may include, but are not limited to“11. Für „verbotene“ Überweisungen können maximale Strafzahlungen von der doppelten Höhe des Transaktionsbetrages eingefordert werden, wenn eine US-Finanz­institution „wissentlich“ gegen ein Verbot verstößt.12 Wie schwerwiegend Strafen ausfallen können, hat in der Vergangenheit die Bank BNP Paribas erlebt. Die Bank hatte mindestens in der Zeit von 2004 bis 2012 mit verschiedenen sanktionierten Staaten (Iran, Kuba, Sudan) Geschäfte abgewickelt. Als das den US-Behörden bekannt wurde, drohten sie mit Entzug der amerikanischen Bankenlizenz. Durch eine Strafzahlung in Höhe von 8,9 Mrd. US-$ wurde dies abgewendet.13

Details denkbarer Strafen werden in § 561.201-§ 561.205 der Iranian Sanctions Regulations aufgelistet. Anknüpfungspunkte sind „correspondent account[s] or a payable-through account[s] in the United States for a foreign financial institution that the Secretary finds engages in one or more of the activities“14, die mit Sanktionen belegt sind. Es drohen folgende Strafen:

  • Verbot von Handelsfinanzierungen über die betreffenden Konten,
  • Einschränkung von Zahlungsarten wie „personal remittances“,
  • Beschränkungen der Zahl oder Höhe von Zahlungen,
  • Pflicht zur Einholung einer Genehmigung für jede Zahlung über das Konto,
  • Verbot oder Begrenzung der Abwicklung von Devisengeschäften über das Konto.15

Es zeigt sich, dass das Ziel der US-Sanktionen zwar reale Wirtschaftsgüter sind, sie aber an finanzielle Zahlungen ansetzen. Dabei wird insbesondere das internationale Korrespondenzbankensystem genutzt, weil aufgrund der starken Stellung New Yorker Banken im internationalen Zahlungsverkehr viele Transaktionen über Konten in den USA laufen, an denen Strafmaßnahmen anknüpfen können. Es besteht ein hohes Maß an Unsicherheit, was genau sanktioniert ist und wie hoch die Strafen sind. Strafen durch die USA drohen nicht nur den Urhebern sanktionierter Geschäfte, sondern auch Intermediären wie Swift. Das System ist allerdings auch für die USA zu wichtig, um es gänzlich zu boykottieren. Deshalb wird Druck auf die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Swift ausgeübt. Diese sind zugleich Vorstände großer internationaler Banken. Wenn Swift weiterhin Zahlungen mit dem Iran unterstütze, würden diese Vorstände persönlich belangt.16

Zahlungsverhalten aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Im Folgenden untersuchen wir aus betriebswirtschaftlicher Sicht, was an einem internationalen Zahlungssystem wichtig ist, um weniger sanktionsgefährdete Alternativen, die dennoch funktionsfähig sind, vorschlagen zu können.

Die Rolle der Währung

Der US-Dollar ist die weltweit bedeutendste Währung im internationalen Zahlungsverkehr. Laut Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) fanden 2016 weltweit 42 % aller Zahlungen in US-Dollar statt. 44 % des Devisenhandels betreffen Dollartransaktionen und 64 % der Devisenreserven sind in US-Dollar angelegt. Der US-Dollar ist die Währung von 63 % aller Schuldtitel und 59 % aller Kredite.17

Oft wird vom US-Dollar als Leitwährung gesprochen und wichtige makroökonomische Konsequenzen daran geknüpft. Betriebswirte sehen die Vorgänge weniger weitreichend. Das Credo des Betriebswirts lautet vereinfacht: „gut und günstig“. Eine Währung wird dann verwendet, wenn der Zahlungsvorgang und die damit zusammenhängenden sekundären Vorgänge effizient ablaufen. Dazu gehören folgende Eigenschaften: Zahlungen müssen zur gewünschten Zeit in den gewünschten Größenordnungen mit geringen Kosten und großer Verlässlichkeit ausgeführt werden. Um am Zahlungstag wirklich zahlungsfähig zu sein, ist ein ergiebiger Kreditmarkt notwendig. Genauso muss es einen leistungsstarken Geldmarkt geben, an dem Überschüsse temporär angelegt werden können. Weiter ist ein starker Devisenkassamarkt nützlich, um Liquidität in die letztlich gewünschten Währungen tauschen zu können. Des Weiteren werden leistungsstarke Derivatemärkte mit Termin- und Optionsprodukten benötigt, um Währungs-, Zins- und Ausfallrisiken absichern zu können. Schlussendlich müssen alle Verhältnisse eine gewisse Stabilität aufweisen, weil Zahlungsvorgänge unter Einschluss der damit verbundenen Nebengeschäfte (Vorauszahlungen, Lieferantenkredite, Sicherungsgeschäfte, Anlagen) einen gewissen Zeitraum benötigen, in dem sich die ökonomischen Verhältnisse aus Gründen der Planungssicherheit nicht ändern sollten (keine Inflation, keine überraschenden Abwertungen, keine plötzlichen Regulierungen und sonstigen Eingriffe).18

All dies war mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg am Finanzplatz New York in US-Dollar besser als an jedem anderen Platz der Welt vorhanden.19 Hat ein Finanzplatz einmal eine besondere Stellung, kommt es im Lauf der Zeit zu sich selbst verstärkenden Effekten. Denn je mehr Zahlungen und damit zusammenhängende sekundäre Vorgänge an einem Finanzplatz abgewickelt werden, desto effizienter werden die Institutionen (economies of scale und scope) und desto leistungsstärker werden die Märkte, was erneut Nachfrage anlockt.20 Ein letzter Aspekt spielt eine Rolle: Betriebswirte sind risikoavers.21 Ein eingespieltes System ersetzt man nicht leichtfertig durch ein neues unbekanntes. Deshalb kann sich die Rolle einer Leitwährung und eines Finanzplatzes auch dann noch lange halten, wenn sich grundlegende Voraussetzungen verschlechtert haben oder Wettbewerber mit prinzipiell gleichen Eigenschaften entstanden sind.

Das Korrespondenzbankensystem

Ganz konkret wird heute im internationalen Güter- und Dienstleistungshandel über ein dicht gewebtes Netz von Korrespondenzbanken bezahlt. Dabei handelt es sich um ein System von Banken in verschiedenen Ländern, die gegenseitig Zahlungsverkehrskonten mit Guthaben und Kreditlinien unterhalten. Zahlungen werden durch Änderungen von Bestandsgrößen auf Kredit- und Guthabenkonten abgewickelt. Die Bank des Zahlers belastet dessen Konto und erkennt im Gegenzug das Konto der Bank des Zahlungsempfängers. Diese Bank ist dann aufgrund der empfangenen Gutschrift ihrerseits bereit, das Konto des Empfängers bei ihr zu erkennen. Das ist das Grundprinzip.22

Da nun nicht alle Banken auf der Welt miteinander in Kontoverbindung stehen, müssen dritte und vierte Banken eingeschaltet werden. Es lässt sich praktisch immer eine Kette von Banken finden, die miteinander Kontoverbindungen haben. Um die Kette nicht zu lang und damit den Zahlungsvorgang teuer, risikoanfällig und langsam werden zu lassen, hat es sich als nützlich erwiesen, über zentrale Knoten zu gehen, die von vielen Marktteilnehmern benutzt werden. Dies hat lange Tradition. Als sich im Deutschen Reich erste lokale Gironetze gebildet hatten, entstand schnell der Wunsch, eine „Reichs-Girozentrale“ zu haben, um auch überregionale Überweisungen effizient abwickeln zu können.23 Im internationalen Kontext war es schwieriger, solche Girozentralen zu dekretieren.24 Die Effizienzvorteile zentraler Knoten, bei denen viele Banken Zahlungsverkehrskonten besitzen, waren aber gleichwohl vorhanden. Deshalb bildeten sich sukzessive Systeme, bei denen Banken, die besonders häufig frequentiert wurden und mit besonders vielen anderen Banken Konten unterhielten, immer mehr Geschäfte an sich zogen, weil es bei einer Weiterleitung von Zahlungsaufträgen an diese Banken wahrscheinlicher war, dass der Zahlungsauftrag zügig an eine Bank des Endkunden weitergeleitet werden konnte. Sie entwickelten sich automatisch zu den zentralen „Knoten“ im Zahlungsverkehrsnetz.25 Im Gefolge verbesserten sich dann durch die Nachfrage nach Nebenleistungen auch die Geld-, Kredit-, Devisen- und Derivatemärkte, was die Effizienz der Knoten weiter steigerte.

Während die Buchungen der Forderungen und Verbindlichkeiten teuer und aufwendig ist, da diverse Korrespondenzbankbeziehungen unterhalten werden müssen, ist die Übermittlung der Buchungsdaten durch Swift generalisiert. Swift hat ein System standardisierter Nachrichten entwickelt, die über die gesamte Buchungskette weitergegeben werden.26 Zusammen mit einem überaus sicheren Übermittlungsverfahren, das Nachrichtenverlust, -fälschung oder -doppelung, Zweifel von Empfänger und Absender etc. ausschließt,27 hat sich Swift zu einem höchst effizienten Dienstleister entwickelt.28 Die überragende Stellung von Banken am Finanzplatz New York als wichtigstem Knoten im internationalen Zahlungsverkehr lässt sich gut an den Transaktionsdaten von Swift ablesen. Swift hat 2016 6,5 Billionen Zahlungsnachrichten verarbeitet. Davon betrafen 2,7 Billionen, also rund 42 % Zahlungen in die USA oder aus den USA heraus. Zusammen mit 0,5 Billionen inneramerikanischen Zahlungen betrafen 49 % aller Swift-Nachrichten Konten bei Banken in den USA.29 Zum Vergleich: Der Anteil der USA bei Exporten am Weltexport beträgt nur 9 % und bei den Importen 14 %.30 Die USA können also durch die Verwendung amerikanischer Korrespondenzbankkonten einen großen Teil des internationalen Handels einsehen und damit auch sanktionieren.

Damit die Sanktionen treffsicher sind, bedarf es noch Informationen über die Hintergründe von Zahlungen. Dies wird durch das 2010 geschlossene Swift-Abkommen31 erleichtert, durch das die USA Zugang zu allen Überweisungsdaten erhalten. Es handelt sich um ein völkerrechtliches Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, das den Zugriff US-amerikanischer Behörden auf die Daten von Swift regelt.32

Zusammenfassend zeigt sich, dass zum Umgehen der US-Sanktionen eine notwendige (aber sicherlich nicht hinreichende) Bedingung darin besteht, im internationalen Korres­pondenzbankensystem vom Finanzknoten New York abzurücken. Zugleich scheint auch eine Informationssperre über Hintergründe und Details von internationalen Zahlungen notwendig zu sein.

Europäische Alternativen für den Zahlungsverkehr

Wie sollten alternative Zahlungssysteme, die ohne Korrespondenzbankkonten in den USA auskommen und sich vom Knoten New York abkoppeln, beschaffen sein? Folgende Wege alternativer Zahlungssysteme sind grundsätzliche geeignet:

  • Tauschhandel: Die EU-Mitgliedstaaten verständigten sich Ende September 2018 darauf, eine Zweckgesellschaft zu gründen, die einen Tauschhandel zwischen Europa und dem Iran koordinieren soll.33 Grundidee des Tauschhandels ist es, auf eine zwischengeschaltete Geldtransaktion zu verzichten. Tausch- oder Barterhandelssysteme (im Folgenden „Tauschringe“) haben eine lange Tradition. Es gibt sehr viele Varianten je nachdem, welche Funktionen ein Tauschring übernehmen soll. Außer der reinen Tauschfunktion gibt es die Informations-, Makler-, Preisfindungs-, Warenlager-, Warenlieferungs-, Kredit-, Wertanlagefunktion oder die Umtauschfunktion von Guthaben in andere Währungen. Im Idealfall lassen sich alle Arten von Waren tauschen. In einem Tauschring sind auch Vorfinanzierungskredite oder verzinstes Stehenlassen von Gutschriften möglich, was das Finden von Tauschpartnern wesentlich erleichtert. Man unterscheidet bilaterales und multilaterales Tauschen. Bei letzterem gibt es eine Clearingstelle, die den Tauschpartnern Verrechnungseinheiten auf individuellen Konten gutschreibt bzw. belastet.34 Die Clearingstelle kann eine kapitallose Non-Profit-Stiftung sein, sodass keine Finanzbeziehungen irgendwohin existieren. Es können aus beliebigen Drittländern Tauschpartner teilnehmen. Verrechnungseinheiten erwirbt man bei Einlieferung geeigneter Ware oder bei der Clearingstelle gegen Währungen. Empfangene Verrechnungseinheiten verwendet man zum Erwerb von Gütern im Tauschring. Alternativ kann man die Verrechnungseinheiten auch der Clearingstelle andienen und sich dafür Währungen auf einem Bankkonto gutschreiben lassen.35 Man kann die Clearingstelle als Central Counterparty (CCP) ausgestalten. Der Verkäufer einer Ware verkauft an den CCP. Der Erwerber erwirbt die Waren von der Clearingstelle, ohne den Lieferanten zu kennen oder irgendwie mit ihm Kontakt zu haben.

Insgesamt gesehen können solche Tauschsysteme mit den modernen elektronischen Möglichkeiten viel effizienter als früher ausgestaltet werden. Es ist aber zweifelhaft, ob jemals die Effizienz von Finanzmärkten erreicht wird. Außerdem lässt sich ein Tauschring leicht in das US-Sanktionssystem integrieren, selbst wenn die USA keine Informationen über die einzelnen Transaktionen erhalten und keine Konten in den USA involviert sind.

  • Clearing House statt Korrespondenzbank: Eine fortschrittliche Alternative wäre es, wenn sich die Europäische Union mit dem Aufbau eines „Clearing House“ befassen würde. Eine Clearinghaus-Lösung könnte das Korrespondenzbanksystem ersetzen, das fast so alt ist wie die Banken selbst. Dieses System besteht darin, dass alle Banken direkt an eine zentrale Clearingstelle angeschlossen sind, welche die Weiterleitung der Zahlungen besorgt. Die Clearingstelle führt Konten für jedes Clearingmitglied. Im Wertpapiergeschäft zeigt sich, dass wenige moderne Clearinghäuser weltweit sehr effizient den riesigen Handel mit Wertpapieren abwickeln können.36 Auch im Zahlungsverkehr wären solche zentralen Clearingstellen einsetzbar. Dazu wird die Clearingstelle als Zwischenbank bei allen Transaktionen eingeschaltet und dient als direkter Geschäftspartner. Eine Transaktion zwischen Europa und dem Iran würde im ersten Schritt einen Geschäftsabschluss einer europäischen Bank mit der Clearingstelle bedeuten. Die europäische Bank zahlt einen Betrag auf ein Konto der Clearingstelle ein und erhält im Gegenzug ein Dienstleistungsversprechen. Einen direkten Bezug der Zahlung zum Iran gibt es nicht. Damit endet für die europäische Bank die Beteiligung an dem Finanzgeschäft. Die Clearingstelle sorgt nun mit eigenen Verträgen dafür, dass das bei ihr eingezahlte Geld in eine gewünschte Währung getauscht wird und hinterlegt es auf einem eigenen Fremdwährungskonto. Auch hier gibt es keinen Bezug zum Iran. Im nächsten Schritt geht sie eine Geschäftsbeziehung mit einer iranischen Bank ein, deren Konto sie bei der Clearingstelle erkennt. Kein Teilnehmer an einem solchen Clearingsystem hat direkte Zahlungsbeziehungen zu einem anderen Partner. Die Clearingstelle fungiert als CCP.37 Das System ist schlank, weil die langen Ketten des Korrespondenzbankensystems vermieden werden. Moderne Echtzeitzahlungen sind möglich. Abwicklungsrisiken werden minimiert. Ausfälle einzelner Marktteilnehmer können keine systemischen Wirkungen entfalten. Dafür muss es analog dem Verfahren beim Wertpapierclearing Liquiditäts- und Bonitätssicherungsmechanismen und evtl. Margining-Systeme geben. Denkbar wäre es, dass man das Swift-System zu einem zentralen Clearinghaus-System ausbaut oder Teile des Systems, nämlich die geknüpften Kommunikationsnetze zu mehr als 10 000 Banken, dafür nutzt.

Insgesamt könnte eine solche Lösung einen extremen Fortschritt im internationalen Zahlungsverkehr darstellen. Die Bedeutung von Korrespondenzbanken würde zurückgehen (nicht gänzlich verschwinden, weil für Banken mit Negativsalden Liquiditätsspender gebraucht werden). Die Bedeutung von New York als wichtigstem Knoten im Korrespondenzbankennetz würde drastisch reduziert. Damit würde sich auch der Devisen- und Geldhandel teilweise an andere Standorte verlagern. Insgesamt würden die Zugriffsmöglichkeiten der USA auf internationale Zahlungen weitgehend entfallen. Die Clearingstelle selbst, die ein Konto für iranische Banken haben muss, kann US-Sanktionen ausgesetzt sein. Da sie aber keine Beziehungen zu den USA unterhält, können nur indirekte, z. B. auf Personen zielende, Sanktionen treffen.

  • Blockchain: Als eine spezielle Variante eines Clearingsystems kann die Blockchain-Technologie bezeichnet werden. Die Teilnehmer verzichten auf Korrespondenzbankketten. Sie wickeln ihre Überweisungen unter Verwendung der Blockchain (welche die Guthaben und Schulden der Teilnehmer verwaltet) direkt ab. Die Blockchain wird disloziert auf tausenden von Rechnern gespeichert. Es gibt keine zentrale Institution, die verantwortlich gemacht werden könnte. Die Teilnehmer agieren anonym über ihre Schlüssel, deren Eigentümer nicht bekannt sind.38 Swift startete im letzten Jahr eine Machbarkeitsstudie zur Anwendung der Blockchain-Technologie. Vor allem sollten Echtzeitüberweisungen verbessert werden, da aktuell Nostro-Konten der Banken häufig nur einmal täglich saldiert werden. Untertägige Liquiditätspositionen sollten besser steuerbar gemacht werden, da die Blockchain den Datenabgleich in Echtzeit ermöglicht. Allerdings hält Swift die Technologie noch nicht für ausgereift, um ausreichend viele Transaktionen zwischen allen angeschlossenen Instituten zu verarbeiten.39 Auch Geschäftsbanken verfolgen Projekte, das Korrespondenzbankensystem ad acta zu legen. JP Morgan berichtete im September 2018, dass an ihr Blockchain-gestütztes Zahlungssystem bereits 75 Banken angeschlossen seien.40 Die Motivation zur Entwicklung des Systems hat nichts mit US-Sanktionen zu tun. Es geht darum, bisher nicht angegangene Probleme des Korrespondenzbankensystems zu lösen, um aggressiven FinTechs, die an solchen Lösungen arbeiten, zuvorzukommen. Im Ergebnis entstehen schlanke Zahlungssysteme, bei denen alle angeschlossenen Banken mit einer zentralen Clearingstelle in direkter Verbindung stehen und umständliche Korrespondenzbankenketten vermeiden. Solche Systeme wären geeignet, wenn sie in Europa betrieben würden, um US-Sanktionen, die an Konten in den USA anknüpfen, aus dem Wege zu gehen.
  • Zentralbank-gestützter Zahlungsverkehr: Abschließend sei noch eine ganz andere Lösung skizziert. Die EU könnte den iranbezogenen Zahlungsverkehr von solchen Institutionen abwickeln lassen, die absolut unangreifbar durch US-Sanktionen sind. Als unangreifbar können das Euro-System und die europäischen Zentralbanken gelten. Es wäre auf jeden Fall ein allerhöchster politischer Affront, wenn ein fremdes Land Notenbanken anderer Länder angriffe. Die Bundesbank hat früher Konten für jedermann geführt. Zu diesem Verfahren könnten die europäischen Zentralbanken wieder zurückkehren. Ganz konkret sieht der Vorschlag so aus, dass die Unternehmen, die am Iranhandel beteiligt sind (d. h. auch iranische Unternehmen) bei den europäischen Notenbanken Konten eröffnen. Über diese Konten würde unter Zuhilfenahme von Target oder anderen Verrechnungssystemen der Zahlungsverkehr im Notenbankkreis abgewickelt. Ein solches Verfahren würde auch helfen, den Euro als internationale Verrechnungswährung zu fördern.

Schlussbetrachtung

Alle alternativen Zahlungssysteme könnten allerdings von den USA mit wenigen Federstrichen in ihre Sanktionsbestimmungen einbezogen werden. Solche Systeme sind nur insoweit vorteilhaft, als der Zugriff der USA auf Institutionen außerhalb ihres Landes etwas schwieriger ist als auf Korrespondenzbankkonten am Finanzplatz New York. Die Idee der EU, einen Tauschhandel für die Irangeschäfte aufzubauen, ist nur eine ganz kurzfristig wirkende Lösung. Sie wird nie die Effizienz reiner Zahlungssysteme erreichen. Sie fordert die USA geradezu zu einer Erweiterung ihrer Sanktionsliste heraus. Deshalb wird sie ohne politische Unterstützung nicht funktionieren. Letztlich ist sie dann nur eine Maßnahme, die es der US-Regierung ermöglicht, das Gesicht zu wahren, weil niemand gegen den Wortlaut der jetzt gültigen Sanktionen verstößt.

Insgesamt drängt es sich auf, statt mit viel Aufwand halbgare Umgehungssysteme (Tauschhandel) für Sanktionen, die sowieso jederzeit geändert werden können, zu schaffen, einen nachhaltigeren Weg zu gehen. Dieser Weg besteht darin, wirklich effiziente Systeme zu gestalten, die modern sind, die Nachteile des komplizierten Korrespondenzbankensystems überwinden und zu einer langfristigen, sicheren Abkoppelung Europas von US-amerikanischen Zahlungsverkehrsbanken führen.

Wie dieser Weg aussehen könnte, entwickelt sich derzeit. Er beinhaltet Lösungen mit zentralen Clearingstellen mit oder ohne Blockchain. An solchen Systemen wird an mehreren Stellen intensiv gearbeitet. Swift in Belgien, Clearstream in Luxemburg und das London Clearing House (LCH) stehen bereit, sich zu Clearingstellen in einem zentralisierten modernen Zahlungssystem zu präparieren. Dies ist die Chance der Europäer, sich von der Dominanz des Finanzplatzes New York zu lösen, ja mehr noch, es ist die Chance, die Bedeutung New Yorks generell zu verringern, indem zentrale Geschäftsfelder von dort abgezogen werden.

Title:The US Dollar as the Leading Currency – No Alternative?

Abstract:The importance of the industrialized countries – including the USA – for world production has been declining for a long time. By contrast, China’s share in particular has increased significantly. Nevertheless, the US dollar has largely fulfilled the criteria for a leading currency function so far, even if this is increasingly criticised due to the protectionist rhetoric of the US. Accordingly, central banks worldwide hold their reserves primarily in US dollars and transactions are largely conducted in US currency. This position brings great advantages – such as making it easier for the US to monitor and enforce sanctions, among other things – and therefore great incentives for the US to maintain its position as the leading currency. Whether other currencies, especially the renminbi, will be able to fulfil the lead currency function is questionable. Similarly, it does not seem realistic that market participants will be able to engage in a global currency.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2355-y