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Die Digitalisierung stellt den öffentlichen Sektor auf unterschiedlichen Ebenen vor Herausforderungen, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt. Aus wissenschaftlicher Perspektive beschäftigen sich bisher nur wenige Studien mit dieser Thematik. Dabei können eine Verschärfung der Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie eine Erosion der Steuerbasis die Folge der zunehmenden Digitalisierung sein. Steuertechnische Chancen der Digitalisierung bestehen in einer verbesserten Datenlage.

Erst allmählich wendet sich die theoretische wie empirische wirtschafts- bzw. finanzwissenschaftliche Literatur den Herausforderungen sowie möglichen Chancen und Risiken für den öffentlichen Sektor bzw. die staatliche Finanzpolitik zu, die mit der Nutzung und Verbreitung digitaler Technologien einhergehen. Ebenso wie in der öffentlichen Diskussion liegt der Fokus dabei primär auf den Folgen für das Steuer- und Abgabensystem. Wie sich die Digitalisierung auf die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte auswirken könnte, ist bisher nur in Teilbereichen näher beleuchtet worden. Eine systematische und umfassende Analyse der möglichen Wirkungen, um daraus fundierte wirtschaftspolitische Empfehlungen abzuleiten, steht bislang aus. Eine wesentliche Ursache hierfür ist, dass bislang weder eindeutige Evidenz zu den ökonomischen Effekten der Nutzung digitaler Technologien, die Einfluss auf den Staatshaushalt haben könnten, vorliegt noch Konsens über künftige relevante Entwicklungen besteht. Herausforderungen für die Einnahmenseite des Staatshaushaltes bzw. für die Steuer- und Abgabenpolitik durch die Nutzung digitaler Technologien betreffen im Wesentlichen drei Bereiche:

  • Rolle des Steuer- und Abgabensystems als Verteilungsinstrument: Implikationen der Digitalisierung für die personelle, funktionale und räumliche Einkommensverteilung (Polarisierungsthese);
  • Finanzierungsgrundlagen der sozialen Sicherung: Implikationen der Auswirkungen der Digitalisierung für Beschäftigung und funktionale Einkommensverteilung (Erosionsthese);
  • steuertechnische Aspekte.

Bezüglich der Ausgaben der öffentlichen Hand stellt sich einerseits die Frage, ob und wie die Digitalisierung die staatliche Aufgabenerfüllung zu verändern vermag – hier geht es mithin um die fortschreitende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Andererseits wäre zu untersuchen, wie die durch Digitalisierung ausgelösten Änderungen der sozio-ökonomischen Strukturen direkt oder indirekt neue Aufgabenfelder für den Staat bedeuten, traditionelle Politikfelder eventuell obsolet machen und somit per Saldo den Staatshaushalt ent- oder belasten. Während strategische Überlegungen zur Digitalisierung der Verwaltung mit zunehmender Verbreitung von E-Government schon weiter fortgeschritten sind, werden direkte und indirekte Auswirkungen der Digitalisierung auf die Ausgabenstrukturen bisher selten thematisiert.

Polarisierungsthese

Durch die Nutzung digitaler Technologien könnte zunächst die funktionale, räumliche und personelle Ungleichheit zunehmen. In den letzten Jahrzehnten hat die Progressivität der Steuersysteme in den Industrieländern tendenziell abgenommen,1 sie wirken also der in vielen Ländern steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit immer weniger entgegen. Diese Entwicklung wird jüngst zunächst allgemein – unabhängig von möglichen verteilungsrelevanten Effekten der Digitalisierung – aus Verteilungsperspektive thematisiert und führt zu Forderungen nach steuerpolitischen Maßnahmen, die die Umverteilungswirkungen der Steuer- und Abgabensysteme stärken können: ganz aktuell z. B. durch den IWF2 oder die OECD.3 Nach Ansicht eines neueren Strangs der Literatur ergibt sich aus der erwarteten ungleichheitsverstärkenden Wirkung der Digitalisierung ein weiteres Argument, die Progressivität der Steuer- und Abgabensysteme wieder zu stärken,4 einschließlich einer Besteuerung der „(Eigentümer der) Roboter“.5

Gleichzeitig soll mit den so generierten Einnahmen ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden. Dieses soll angesichts des prognostizierten digitalisierungsbedingten Bedeutungsverlusts der Erwerbsarbeit für jene potenziellen Erwerbspersonen, für die keine bezahlten Beschäftigungsmöglichkeiten mehr existieren, eine soziale Mindestabsicherung bieten und als gesamtwirtschaftliches Stabilisierungsinstrument in der digitalen Ökonomie6 dienen. In seiner weitestgehenden Ausprägung sieht das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens – wie der Negativsteuervorschlag von Milton Friedman7 – die vollkommene Substitution sämtlicher Sozialleistungen durch einen einheitlichen Transfer vor.

Die Digitalisierung hat der – nicht neuen – Debatte um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens neuen Auftrieb verliehen. Bemerkenswert ist dabei, dass das Grundkonzept von einem breiten Spektrum an politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen mit jeweils sehr unterschiedlichen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Grundeinstellungen und damit verbundenen Ausgestaltungsvarianten unterstützt wird. Jüngst plädierten auch der IWF8 und die UNCTAD9 für tiefergehende Analysen des Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens, da es ungleichheitsreduzierend wirken könne. Eine Einschätzung, die allerdings bei weitem nicht unumstritten ist: Nicht nur, weil die Verteilungswirkung natürlich von der Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens abhängig ist, sondern auch, weil eine über die reine Existenzsicherung hinausgehende gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe entscheidend an der Integration in Beschäftigung bzw. sinnstiftende Arbeit hänge. Jedenfalls sollten die Vor- und Nachteile10 eines bedingungslosen Grundeinkommens – einschließlich der Frage seiner Finanzierbarkeit und seiner Einbettung in die bestehenden Systeme der sozialen Sicherung – vor dem Hintergrund der Polarisierungsthese auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden: Ebenso wie weitere aktuelle Vorschläge zur Bekämpfung der steigenden sozialen Ungleichheit, wie jenes jüngst von Tony Atkinson11 sowie Giacomo Corneo12 vorgebrachte Konzept eines Staatsfonds, dessen Erträge eine „soziale Dividende“ (eine universelle Transferleistung für alle) finanzieren sollen.

Die zunehmend erschwerte Besteuerung von Unternehmen, für die die Nutzung digitaler Technologien das zentrale Geschäftsmodell darstellt, verschärft digitalisierungsbedingte Polarisierungstendenzen im Unternehmenssektor und insbesondere die Herausbildung natürlicher Monopole. Einzelne „Superstar-Firmen“ können ihre dominanten Marktpositionen umso besser stärken, je weniger die Besteuerung einer weiteren Akkumulation entgegenwirkt. Auch in diesem Zusammenhang ist zu diskutieren, welche Rolle – neben ordnungs- und wettbewerbspolitischen Maßnahmen – die Steuerpolitik in einem wirtschaftspolitischen Instrumenten-Mix spielen kann und soll, der die marktbeherrschende Stellung einzelner multinationaler Internetkonzerne einschränken will.

Schließlich geht die aktuelle Forschung auch von einer zunehmenden regionalen Polarisierung durch Digitalisierung aus. Das für die USA vielfach dokumentierte Auseinanderdriften in der regionalen Entwicklung (Schlagwort „Great Divergence“)13 wird durch die fortschreitende Digitalisierung noch verstärkt. Eine tendenziell ähnlich starke räumliche Konzentration der wirtschaftlichen Aktivität ist auch für Europa feststellbar. Wenn die ungleiche regionale Verteilung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen tatsächlich zunehmen sollte, stellt sich die Frage nach einem stärkeren nationalen, aber auch europäischen Ressourcenausgleich. Im Kern geht es darum, inwiefern (sinnvoller) regionaler Strukturwandel mit der Wahrung des Grundsatzes gleichwertiger Lebensverhältnisse in Einklang gebracht werden kann.

Erosionsthese

In der aktuellen Debatte wird auch eine als Erosionsthese zu bezeichnende Erwartung wieder aufgegriffen: Danach führe die Nutzung digitaler Technologien zu einem langfristigen Rückgang der Lohnquote und einer Erosion des Ausmaßes der voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Insbesondere in den vorwiegend aus Beiträgen auf die Lohnsumme finanzierten Sozialstaaten, wie Deutschland und Österreich, werde dadurch die Finanzierungsbasis der sozialen Sicherung ausgehöhlt. Dies erfordere es, Alternativen zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme zu identifizieren. Besondere Aufmerksamkeit erlangte in diesem Zusammenhang in Österreich und Deutschland das – theoretisch wie politisch sehr umstrittene – Konzept einer Wertschöpfungsabgabe, das in den letzten Jahren in Österreich wieder verstärkt diskutiert wurde. Dieses war Ende der 1970er Jahre vom damaligen deutschen Sozialminister Herbert Ehrenberg unter dem Begriff „Maschinensteuer“ in die Diskussion eingebracht und 1983 vom österreichischen Sozialminister Alfred Dallinger aufgegriffen worden. Es sieht grundsätzlich eine Erweiterung der aus Arbeitseinkommen bestehenden Finanzierungsbasis der sozialen Sicherung um weitere Wertschöpfungselemente (Fremdkapitalzinsen, Gewinne und gegebenenfalls Abschreibungen) vor.14 Eine solche Wertschöpfungsabgabe soll die Finanzierungsbasis der sozialen Sicherung angesichts des erwarteten Rückgangs des Arbeitseinsatzes in der Produktion und damit der Lohnsumme als primäre Finanzierungsbasis der sozialen Sicherung langfristig sicherstellen.

Im internationalen Diskurs firmiert die Idee, eine mögliche Erosion der Arbeitseinkommen und damit der Finanzierung der sozialen Sicherung durch die Besteuerung der „Roboter“ (also automatisierter Maschinen und Produktionsprozesse) bzw. deren Eigentümer zu kompensieren, unter dem Begriff der „Robot Tax“. Diese Debatte wird von Protagonisten (etwa Bill Gates oder Yanis Varoufakis) wie Gegnern (etwa Lawrence Summers) in Form von prononcierten wirtschaftspolitischen Stellungnahmen geführt.15 Auch die genaue Ausgestaltung einer solchen „Robot Tax“, über vage Bezüge auf die unter Einsatz von „Robotern“ erwirtschafteten Gewinne bzw. die daraus entstehenden Einkommen für deren Besitzer hinaus, wurde in diesem internationalen Diskurs bislang nicht spezifiziert, sodass eine theoretische wie empirische Abschätzung ihrer Effekte kaum möglich ist. Sehr wahrscheinlich wäre jedenfalls eine Verlangsamung des technischen Fortschritts. Während dies von manchen Befürwortern begrüßt wird, da es der Volkswirtschaft mehr Zeit zur Anpassung an die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Digitalisierung verschaffe, sehen Gegner diese Wirkung als problematisch an, da sie Wohlfahrt und Wettbewerbsfähigkeit erhöhende Innovationen behindere.16 Zudem sieht sich die Durchsetzung einer Wertschöpfungs- bzw. Robotersteuer mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wie sie der bestehende intensive internationale Steuerwettbewerb und die Möglichkeiten multinationaler Unternehmen, ihre steuerpflichtigen Gewinne durch entsprechende Konstruktionen zu minimieren, allgemein für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen mit sich bringen.

Steuertechnische Chancen und Risiken

Die langfristige Tragfähigkeit der Finanzierungsbasis der öffentlichen Hand ist eng verbunden mit steuertechnischen Herausforderungen bei der Besteuerung von Einkommen bzw. Gewinnen sowie Umsätzen im Rahmen digitaler Geschäftsmodelle. Gelingt es nicht, die mit digitalen Geschäftsmodellen erzielten Einkommen, Gewinne und Umsätze umfassend in die Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer einzubeziehen, wird die Steuerbasis für die Finanzierung der öffentlichen Haushalte entsprechend ausgehöhlt (erweiterte Erosionsthese). Steuertechnische Chancen und Risiken bestehen auch hinsichtlich der Besteuerung von multinational aktiven Unternehmen in der nicht-digitalen Ökonomie.

Aus steuertechnischer Sicht dürfte die Digitalisierung mit ambivalenten Effekten verbunden sein. So betont die Europäische Kommission17 einerseits das Potenzial digitaler Technologien für die Verbesserung des Steuervollzugs. Auch die OECD arbeitet durch die Digitalisierung ermöglichte innovative Ansätze für einen optimierten Steuervollzug heraus.18 Ähnlich weist auch Jacobs darauf hin, dass der Zugang zu Informationen über Steuerzahler sowie das Informations­verarbeitungspotenzial der Steuerverwaltungen zentral sowohl für den Steuervollzug als auch für das Design von Steuersystemen sei.19 Die Nutzung digitaler Technologien erweitere die verfügbaren Informationen der Steuerverwaltungen und verbessere so die Steuervollzugsmöglichkeiten – mit allen damit verbundenen Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes. Die Digitalisierung erweitere darüber hinaus aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten für die Steuerpolitik: So könnte etwa die Besteuerung der Individuen künftig nicht nur wie bisher auf jährlichen Einkommen, sondern auch auf Lebenseinkommen oder -vermögen beruhen. Eine entsprechend modifizierte Ausgestaltung der Einkommensteuertarife könne den Trade-off zwischen Effizienz und Verteilung abmildern. Den potenziellen Beitrag der Plattformökonomie zu einer Verbesserung des Steuervollzugs behandeln Aslam und Shah:20 Digitale Plattformen in der Peer-to-Peer-Ökonomie könnten künftig für die Steuerverwaltung Drittinformationen liefern oder sogar als „Vollzugsgehilfen“ agieren, indem sie etwa für vormals informelle und undokumentierte Aktivitäten Quellensteuern einbehalten und an den Fiskus abführen. Allerdings wirft die breitflächige Auslagerung hoheitlicher Aufgaben an private Akteure auch eine Reihe nicht nur rechtlicher, sondern auch (gesellschafts-)politischer sowie verwaltungstechnischer Fragen auf.

Gleichzeitig geht die Digitalisierung mit einem fehlenden oder unzureichenden Zugriff auf Steuersubjekte bzw. -basen einher, wodurch eine angemessene Besteuerung erschwert oder gänzlich unmöglich wird.21 Dabei ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden:

  1. Die Digitalisierung bringt spezifische Besteuerungsprobleme mit sich, die direkt die digitale Ökonomie betreffen. Diese digitalen Geschäftsmodelle beruhen vielfach auf Daten in Form von Input, virtueller nicht-monetarisierter Währung, Vermögenswerten und/oder Wertschöpfung. Diese ersetzen bzw. ergänzen traditionelle Inputs (Arbeit, Kapital, Energie) sowie Geldwährungen und generieren neue Formen der Wertschöpfung. Damit schwinden die Anknüpfungspunkte für die traditionellen Formen der Besteuerung (Arbeit und Kapital sowie monetarisierte Umsätze und Wertschöpfung) zunehmend. Gelingt es nicht, neue Bemessungsgrundlagen zu erschließen, die an Daten sowie durch digitale Geschäftsmodelle generierter Wertschöpfung anknüpfen, besteht die Gefahr einer Erosion der Staatsfinanzen.
  2. Ein eher indirekter Einfluss der Digitalisierung besteht darin, dass der Einsatz digitaler Technologien die „aggressive Steuerplanung“ international tätiger Unternehmen erleichtert und damit deren Besteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuer unterminiert.22

Während sich die mit der Digitalisierung direkt oder indirekt verbundenen Besteuerungsprobleme – auch im internationalen Kontext – allmählich deutlich herauskristallisieren,23 sind viele Fragen hinsichtlich geeigneter Lösungsansätze noch ungeklärt:

  • zur adäquaten Handlungsebene im internationalen Kontext (national versus supranational) bzw. der Abstimmung der Maßnahmen und Initiativen;
  • zu den geeigneten Maßnahmen selbst und ihrer Umsetzbarkeit;
  • zur Einbettung steuerlicher Rahmenbedingungen für die digitale Ökonomie in die bestehenden Ansätze und Diskussionen auf supranationaler Ebene (EU, OECD, G20) zur Sicherstellung der Besteuerung der Gewinne insbesondere von multinationalen Unternehmen in einer globalisierten Ökonomie;24
  • zur Abstimmung der in den letzten Jahren vielfach unkoordiniert gesetzten Initiativen und Maßnahmen.25

Dass umfassende, langfristig tragfähige Lösungen auch eines gewissen Maßes an internationaler Kooperation bedürfen, ist unbestritten. Weniger Konsens besteht über deren genauer Ausgestaltung und Reichweite: Der erwähnte jüngste Bericht der OECD26 arbeitet die länderspezifisch divergierenden Perspektiven heraus – in Hinblick auf Art und Dringlichkeit der digitalisierungsbedingten steuerlichen Herausforderungen sowie angemessene Maßnahmen und ihrer internationalen Koordination.

Digital tätige globale Unternehmen (wie z. B. Google oder Microsoft), aber auch binnenorientierte digitale Geschäftsmodelle werden offenbar gegenüber „traditionellen“ Unternehmen oft geringer besteuert. So beträgt in der EU28 der effektive Durchschnittssteuersatz (EATR) für digitalisierte Geschäftsmodelle mit 8,5 % bis 8,9 % weniger als die Hälfte des effektiven Durchschnittssteuersatzes traditioneller Geschäftsmodelle, der zwischen 20,9 % und 23,2 % liegt.27 Diese geringere effektive Steuerbelastung beruhe auf den Charakteristika digitaler Geschäftsmodelle, die wesentlich auf intangiblen Assets basieren und von spezifischen Steueranreizen profitieren. Aggressive Steuerplanung könne die effektive Steuerlast dann gar auf null drücken. Neben Wettbewerbsverzerrungen unterhöhle dies die Grundlagen der staatlichen Finanzen im Allgemeinen und des Sozialstaats im Besonderen. Als die zentralen Herausforderungen an die Steuerpolitik seien die Frage nach dem Ort der Besteuerung und die Frage nach der Grundlage der Besteuerung zu klären:28 Es gelte also, die Besteuerungsrechte in Fällen festzustellen, in denen Unternehmen nur digital, aber nicht physisch präsent sind (Digitale Betriebsstätte29) und die Wertschöpfung von Geschäftsmodellen zu bestimmen, die primär auf intangiblen Assets, Daten und Wissen beruhen. Beide Fragen sind für die Sicherstellung einer angemessenen Besteuerung von Gewinnen und Umsätzen im Rahmen digitaler Geschäftsmodelle von zentraler Bedeutung.30

In einem Überblick über sieben ausgewählte EU-Länder zeigen Lenaerts et al., dass die Besteuerung von Unternehmen der Plattformökonomie (wie z. B. Uber oder AirBnB) von den nationalen Regierungen als prioritär gesehen werden.31 Denn das geltende steuerliche und abgabenrechtliche Regelwerk erweist sich für die Einbeziehung der erwirtschafteten Einkünfte in Einkommens- bzw. Unternehmensbesteuerung sowie Sozialversicherung und der erzielten Umsätze in die Umsatzsteuer als zunehmend unzureichend. Gleichzeitig steckt die Erarbeitung von steuerlichen Rahmenbedingungen, die eine ausreichende Besteuerung dieser Unternehmen sicherstellen können, erst in ihren Anfängen. Als einen ersten Schritt hin zu einer effektiveren Besteuerung der Digitalunternehmen hat die Europäische Kommission im März 2018 eine „Digitalsteuer“ vorgeschlagen. Diese soll als Zwischenlösung erhoben werden, bis die letztlich angestrebte einheitliche Körperschaftsbesteuerung auf Basis einer harmonisierten Bemessungsgrundlage mit Formelzerlegung umgesetzt werden kann. Die Digitalsteuer sieht vor, dass der Verkauf von Nutzerdaten, die Schaltung von Online-Werbung und die Bereitstellung von Online-Marktplätzen mit einer Steuer von 3 % auf die entsprechenden Umsätze belegt werden. Dabei sollen nur Unternehmen steuerpflichtig sein, deren weltweiter Gesamtumsatz über 750 Mio. Euro und deren EU-weiter digitaler Umsatz über 50 Mio. Euro liegen. Der Vorschlag hat eine intensive Diskussion darüber ausgelöst, ob die bestehenden traditionellen Prinzipien der räumlichen Anknüpfung der Unternehmensbesteuerung noch angemessen seien oder ob vielmehr ein grundsätzlicher Regimewechsel weg vom Quellen- hin zum Bestimmungslandprinzip erforderlich sei.32

Auffallend ist, dass in der nationalen wie internationalen Auseinandersetzung um Alternativen zur Finanzierung der Einnahmen der öffentlichen Hand weitere, neben der Wertschöpfung der Unternehmen bzw. den „Robotern“ bestehende, mögliche Finanzierungsquellen bislang kaum thematisiert werden. Dabei legen zentrale Charakteristika der digitalen Ökonomie verschiedene alternative Anknüpfungspunkte nahe. Unmittelbar drängen sich alternative Bemessungsgrundlagen auf, die an Daten in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen und Funktionen (Input im Produktionsprozess, Währung, Vermögenswert, Wertschöpfung) anknüpfen und herkömmliche Bemessungsgrundlagen, die in der digitalen Ökonomie nicht oder nur schwer zu erfassen sind, ersetzen oder ergänzen können. Aber auch Ressourcensteuern, etwa auf Seltene Erden als für die Herstellung der digitalen Hardware unverzichtbare, aber mit erheblichen ökologischen, sozialen und politischen Problemen (insbesondere in den Abbauländern, den Krisen- und Kriegsregionen in Afrika) verbundene Rohstoffe, wären denkbar. Auch weitere Alternativen, über Steuern im engeren Sinne hinaus, sind bisher wenig analysiert worden: etwa die Möglichkeit, aus der Versteigerung von Lizenzen zum Betrieb digitaler Plattformen bzw. der Erhebung von Lizenzgebühren Einnahmen für die öffentliche Hand zu erzielen.

Auswirkungen auf die Staatsausgaben

Der Großteil der Literatur zum Einfluss der Nutzung digitaler Technologien auf Höhe und Struktur der öffentlichen Ausgaben stammt aus Beraterkreisen bzw. aus Politik und öffentlicher Verwaltung.33 Aber auch internationale Organisationen, wie IWF, OECD oder EU, nehmen sich zunehmend dieser Thematik an. Akademische Literatur gibt es zu diesem Thema bisher relativ wenig.

Inwieweit die Digitalisierung die öffentlichen Haushalte per Saldo eher belastet oder zu Einsparungen führen kann, ist eine a priori offene Frage. Einerseits birgt die Digitalisierung ein Rationalisierungs- und Einsparpotenzial: für die öffentliche Verwaltung insgesamt (E-government), aber auch für bestimmte öffentliche bzw. öffentlich finanzierte Dienstleistungen, z. B. in den Bereichen Gesundheit34 oder Pflege. Kanbur nennt – im Zusammenhang mit Entwicklungsländern – drei Kanäle, über die der Einsatz digitaler Technologien die administrativen Kosten von Armutsbekämpfungsprogrammen bzw. Sozialtransfers reduzieren kann: die Reduktion von Verwaltungskosten bei der Auszahlung von Geldtransfers durch deren digitale Überweisung; die biometrische Identifikation von Transferempfängern; und die Erhöhung der Transparenz in der Implementierung von Transferprogrammen, die die Bekämpfung von Korruption erleichtert.35 Andererseits wird betont, dass die Herausforderungen durch die verstärkte Nutzung digitaler Technologien ein entsprechendes Engagement der öffentlichen Hand erforderten: insbesondere in Form von physischen Investitionen in die IKT-Infrastruktur oder in die Mobilitätsinfrastruktur (z. B. für den Betrieb selbstfahrender Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr), die Gestaltung der rechtlichen Infrastruktur (z. B. Datensicherheit, Urheberrecht), aber auch in die Anpassung von Strukturen und Kompetenzen innerhalb der öffentlichen Verwaltung, um die Potenziale der Digitalisierung nutzen zu können36 und mit neuen Risiken umzugehen. Von besonderer Bedeutung sind Investitionen in Aus- und Weiterbildung,37 und zwar über den gesamten Bildungslebenszyklus hinweg:38 in die frühkindliche Förderung und Erstausbildung, aber auch in ein leistungsfähiges System der Aus- und Weiterbildung für Erwachsene in Kombination mit entsprechenden Existenzsicherungsleistungen.39 Darüber hinaus wird auch die Sicherheitspolitik im Inneren wie im Äußeren angesichts von Cyber-Kriminalität, -Terrorismus und -Krieg vor gänzlich neue Herausforderungen gestellt.40

In anderen Politikfeldern gibt es vermutlich eher indirekte Auswirkungen auf die staatlichen Ausgabenstrukturen, etwa um unerwünschte Verteilungseffekte des digitalen Wandels abzufedern. In diesem Zusammenhang sind z. B. Anpassungshilfen für Gemeinden, Städte und Regionen zu nennen, die durch den beschleunigten Strukturwandel und die zunehmende regionale Ungleichverteilung der wirtschaftlichen Aktivität Einnahmeausfälle zu erwarten haben.

Abschlussbemerkungen

Der öffentliche Sektor ist in vielerlei Hinsicht durch den digitalen Wandel betroffen. Aus makroökonomischer Perspektive kann der digitale Wandel den Handlungsspielraum des Staates vergrößern, wenn er zu zusätzlichem Wachstum führt. Aus struktureller Perspektive sind in vielen Bereichen Ausmaß und konkrete Ausprägung der digitalisierungsbedingten Effekte noch nicht absehbar. Klar ist allerdings, dass die Digitalisierung für die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben sowohl Chancen als auch Risiken beinhaltet und dass Finanz- wie Ordnungspolitik vor großen Herausforderungen stehen, die neben nationalen auch supranational koordinierte wirtschaftspolitische Initiativen erfordern. Jedenfalls sind von der Nutzung digitaler Technologien mit großer Wahrscheinlichkeit durchaus bedeutende Effekte für den öffentlichen Sektor zu erwarten, sodass eine vertiefte theoretische wie empirische Auseinandersetzung mit diesem gesamten Themenkomplex dringend geboten erscheint.

Der Beitrag beruht auf dem Kapitel „Herausforderungen, Chancen und Risiken der Digitalisierung für den öffentlichen Sektor“, in: J. Bock-Schappelwein, M. Böheim, E. Christen, S. Ederer, M. Firgo, K. S. Friesenbichler, W. Hölzl, M. Kirchner, A. Köppl, A. Kügler, C. Mayrhuber, P. Piribauer, M. Schratzenstaller: Politischer Handlungsspielraum zur optimalen Nutzung der Vorteile der Digitalisierung für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand, WIFO-Studie, Wien 2018.

  • 1 Z. B. M. Förster, A. Llena-Nozal, V. Nafilyan: Trends in Top Incomes and their Taxation in OECD Countries, OECD Social, Employment and Migration Working Paper, Nr. 159, 2014; IMF: Fiscal Monitor: Tackling Inequality, Washington DC 2017; OECD: The Role and the Design of Net Wealth Taxes in the OECD, Paris 2018.
  • 2 IMF, a. a. O.
  • 3 OECD, a. a. O.
  • 4 UNCTAD: Trade and Development Report. Beyond Austerity: Towards a Global New Deal, New York, Genf 2017.
  • 5 T. Straubhaar: Radikal gerecht, Hamburg 2017, S. 18.
  • 6 V.-V. Pulkka: A Free Lunch with Robots – Can a Basic Income Stabilise the Digital Economy?, in: Transfer: European Review of Labour and Research, 23. Jg. (2017), H. 3, S. 295-311.
  • 7 M. Friedman: Capitalism and Freedom, Chicago 1962.
  • 8 IMF, a. a. O.
  • 9 UNCTAD, a. a. O.
  • 10 Für einen Überblick siehe R. Hauser: Alternativen einer Grundsicherung – soziale und ökonomische Aspekte, in: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, 55. Jg. (2006), H. 3, S. 339-363; oder F. Habermacher, G. Kirchgässner: Das bedingungslose Grundeinkommen: Eine (leider) nicht bezahlbare Idee, Discussion Paper, Nr. 7, 2016.
  • 11 A. B. Atkinson: Inequality, Oxford 2015.
  • 12 G. Corneo: Ein Staatsfonds, der eine soziale Dividende finanziert, School of Business Economics Discussion Paper, Nr. 13, 2017.
  • 13 E. Moretti: The New Geography of Jobs, Boston, New York, 2013.
  • 14 Zu einem Überblick über die österreichische Diskussion vgl. M. Schratzenstaller, S. Bach, M. Arnold, A. Mattes: Die Wertschöpfungsabgabe als alternatives Instrument zur Finanzierung der sozialen Sicherung aus österreichischer Perspektive, in: WIFO-Monatsbericht, 89. Jg. (2016), H. 10, S. 747-759.
  • 15 Zu einem Überblick vgl. S. Merler: Taxing Robots?, Bruegel blog post, März 2017, http://bruegel.org/2017/03/taxing-robots/ (24.10.2018).
  • 16 UNCTAD, a. a. O.
  • 17 Europäische Kommission: A Fair and Efficient Tax System in the European Union for the Digital Single Market, https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/communication_taxation_digital_single_market_en.pdf (24.10.2018).
  • 18 OECD: The Tax Challenges Arising from Digitalisation – Interim Report 2018, Paris 2018.
  • 19 B. Jacobs: Digitalisation and Taxation, in: S. Gupta, M. Keen, A. Shah, G. Verdier (Hrsg.): Digital Revolutions in Public Finance, Washington DC 2017.
  • 20 A. Aslam, A. Shah: Taxation and the Peer-to-Peer (P2P) Economy, in: S. Gupta, M. Keen, A. Shah, G. Verdier (Hrsg.), a. a. O.
  • 21 Europäische Kommission, a. a. O.; OECD: The Tax Challenges Arising..., a. a. O.
  • 22 M. Devereux, J. Vella: Implications of Digitalization for International Corporate Tax Reform, Oxford University Centre for Business Taxation Working Paper, Nr. 17/07, 2017.
  • 23 Für einen Überblick und konkrete Beispiele vgl. OECD: Herausforderungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft, Paris 2015; E. Hadzhieva: Tax Challenges in the Digital Economy, Study for the European Parliament, Brüssel 2016; K. Lenaerts, M. Beblavý, Z. Kilhoffer: Government Responses to the Platform Economy: Where Do We Stand?, CEPS Policy Insights, 2017, (2017-30), https://www.ceps.eu/system/files/PI2017-30_Government%20Responses%20to%20the%20Platform%20Economy.pdf (24.10.2018); Europäische Kommission, a. a. O.; und OECD: The Tax Challenges Arising..., a. a. O.
  • 24 E. Hadzhieva, a. a. O.
  • 25 M. Devereux, J. Vella, a. a. O.
  • 26 OECD: The Tax Challenges Arising..., a. a. O.
  • 27 Europäische Kommission, a. a. O.
  • 28 Ebenda. Vgl. dazu auch OECD: The Tax Challenges Arising..., a. a. O.
  • 29 Zu einer Diskussion verschiedener Optionen zur effektiveren Besteuerung von Internet-Unternehmen, vgl. J. Becker, J. Englisch: Ein größeres Stück vom Kuchen: Besteuerung der Gewinne von Google + Co., in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 11, S. 801-808.
  • 30 M. Olbert, C. Spengel: International Taxation in the Digital Economy: Challenge Accepted?, in: World Tax Journal, 1. Jg. (2017), H. 9, S. 3-46.
  • 31 K. Lenaerts et al., a. a. O.
  • 32 Vgl. zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Digitalsteuer-Vorschlag C. Fuest, V. Meier, F. Neumeier, D. Stöhlker: Die Besteuerung der Digitalwirtschaft – Zu den ökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der EU-Digitalsteuer, München 2018.
  • 33 Z. B. die Beiträge in A. Hildebrandt, W. Langhäußer (Hrsg.): CSR und Digitalisierung: Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung, Berlin 2017.
  • 34 A. Kröhling: Digitalisierung – Technik für eine nachhaltige Gesellschaft?, in: A. Hildebrandt, W. Langhäußer (Hrsg.): CSR und Digitalisierung: Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung, Berlin 2017, S. 23-49.
  • 35 R. Kanbur: The Digital Revolution and Targeting Public Expenditure for Poverty Reduction, in: S. Gupta, M. Keen, A. Shah, G. Verdier (Hrsg.), a. a. O.
  • 36 Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Digitale Transformation der Verwaltung, Gütersloh 2017.
  • 37 OECD: OECD Digital Economy Outlook 2017, Paris 2017.
  • 38 L. Feld, A. Doerr, D. Nientiedt, E. A. Köhler: Ordnungspolitische Herausforderungen der Digitalisierung, Sankt Augustin, Berlin 2016.
  • 39 J. Bock-Schappelwein, U. Famira-Mühlberger, T. Horvath, U. Huemer: Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt. Eine Analyse des Geschlechterverhältnisses in Österreich – Aktualisierung 2017, WIFO-Monographien, 2017.
  • 40 N. Kshetri: Pattern of Global Cyber War and Crime: A Conceptual Framework, in: Journal of International Management, 11. Jg. (2005), H. 4, S. 541-562.

Title:Implications of Digitalisation on the Public Sector – a First Overview

Abstract:Digitalisation is associated with manifold challenges for the public sector. There have been relatively few scientific studies to address these challenges, particularly regarding potential effects on public expenditures. It is obvious, however, that digital change implies opportunities as well as threats for public revenues and expenditures. Fiscal and regulatory policies are confronted with significant challenges, which require supranationally coordinated policy initiatives in addition to national measures. In-depth theoretical and empirical analyses is required to examine digital technology’s sizeable potential impact on public finances.


DOI: 10.1007/s10273-018-2369-5