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Die „Digitalisierung gestalten“ – so lautet der Titel der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung. Sie basiert unter anderem auf der Digitalen Agenda 2014 bis 2017, in der zahlreiche Ziele definiert wurden, um die digitale Transformation in Deutschland voranzutreiben. Mit der Umsetzungsstrategie werden von den Ministerien identifizierte Ziele auf die operationale Ebene heruntergebrochen und mit konkreten Zeitplänen versehen. Nach fünf Handlungsfeldern – digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft im digitalen Wandel, moderner Staat – gliedern sich Ziele und Umsetzungsmaßnahmen und werden den jeweils zuständigen Ressorts zugeordnet. Wenn es bei einem Großprojekt wie dem der digitalen Transformation nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben soll, sind die Entwicklung einer Strategie und die Definition von Zielen und Maßnahmen zu deren Umsetzung essenziell. Doch was verbirgt sich hinter dieser Umsetzungsstrategie?

Ein Vorhaben aus dem Handlungsfeld „Digitale Kompetenz“ hat es in den letzten Tagen zu großer medialer Präsenz gebracht: der DigitalPakt Schule. Der Bund stellt für alle 43 000 allgemeinbildenden und beruflichen Schulen digitale Infrastruktur zur Verfügung, die Länder sollen in die Qualifizierung von Lehrpersonal und in Lehrkonzepte investieren und sich um die Wartung der Hardware und Software kümmern. Die für die Investitionen des Bundes in den Ländern geforderte Grundgesetzänderung wurde im Bundesrat abgelehnt und wird nun im Vermittlungsausschuss weiter diskutiert.

Ökonomisch betrachtet setzt der DigitalPakt Schule an der richtigen Stelle an, da er berücksichtigt, dass für den kompetenten Umgang mit digitalen Endgeräten und Inhalten sowohl in Technologie als auch in die Kompetenzen der Lehrkräfte und in gute Lehrkonzepte investiert werden muss. Jedoch droht nun die Umsetzung an den Zuständigkeiten zu scheitern, der Verwaltungsaufwand zur Erreichung des gesetzten Ziels ist enorm.

Ein weiteres Vorhaben der Umsetzungsstrategie genießt derzeit besonders große Aufmerksamkeit: die künstliche Intelligenz (KI). Sie fällt in das dritte Handlungsfeld der Umsetzungsstrategie „Innovation und Digitale Transformation“. Der Anfang Dezember 2018 in Nürnberg veranstaltete Digitalgipfel der Bundesregierung war ausschließlich der KI gewidmet. Künstliche Intelligenz wird derzeit als die nächste „General Purpose Technology“ gehandelt, also als Technologie, die sich durch eine hohe Innovationsdynamik, die Diffusion in alle Wirtschaftszweige sowie durch komplementäre Innovationen bei den Anwendern auszeichnet. Die Bundesregierung hat Mitte November 2018 ihre KI-Strategie mit dem Ziel verabschiedet, die „Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Deutschland auf ein weltweit führendes Niveau zu bringen“. Die KI-Strategie enthält wiederum zwölf Handlungsfelder, die von Investitionen in die Forschung in Deutschland und Europa über Innovationswettbewerbe, Gründungsfinanzierung und Fachkräfteausbildung bis hin zur Anpassung des Ordnungsrahmens und den Dialog in der Gesellschaft reichen.

Viele der genannten Unterziele und Maßnahmen gehen in die richtige Richtung und berücksichtigen, dass es eines Ökosystems bedarf, um die gesamte Wertschöpfungskette von der Erforschung über die Entwicklung bis hin zur Anwendung von KI-basierten Lösungen zu unterstützen. Grundsätzlich positiv hervorzuheben sind Investitionen in die KI-Forschung und in die Einrichtung von (betrieblichen) Experimentierräumen, um neue Entwicklungen in der Anwendung auch selbst testen zu können. Ebenso begrüßenswert sind die geplanten Maßnahmen, die dazu dienen, Daten verfügbar zu machen und deren Nutzung zu erleichtern, denn Daten sind essenziell für KI-Anwendungen, insbesondere für maschinelles Lernen. Nennenswert sind z. B. der Aufbau einer nationalen Cloud-Plattform sowie die Prüfung einer gezielten Förderung von offenen und datenschutzkonformen Trainingsdatensätzen für lernende Systeme. Bereits existierende und teils positiv evaluierte Förderprogramme wie EXIST werden finanziell aufgestockt und für KI-Projekte geöffnet.

Gleichwohl enthält die lange Liste der Maßnahmen auch Elemente, die seit Jahren im Kontext der Förderung von innovativen Gründungen und von Innovationen diskutiert werden, wie die Schaffung von Anreizen für die verstärkte Bereitstellung von privatem Wagniskapital oder die in zahlreichen Studien als wirksam belegte und von der Bundesregierung in Aussicht gestellte steuerliche F&E-Förderung. Diese Maßnahmen sind nicht KI-spezifisch, sondern generell förderlich für Innovationen, und es stellt sich die Frage, warum sie nicht zügig und beherzt umgesetzt werden, anstatt sie bei jedem neu aufkommenden Technologietrend wieder zu diskutieren und im Planungsstadium verharren zu lassen.

Fraglich ist auch, ob speziell für die Umsetzung der KI-Strategie parallele institutionelle Strukturen aufgebaut und etabliert werden müssen, wie ein speziell auf KI fokussiertes „Observatorium, das die Verbreitung und Wirkung von KI im Sinne einer Technikfolgenabschätzung“ beobachtet. Solche Einrichtungen, auf deren Erfahrungen und Wissen hier sicherlich aufgesetzt werden kann, gibt es bereits. Ebenso ist nicht klar, ob es einer verordneten Kooperation zwischen deutschen und französischen Forschungseinrichtungen bedarf oder ob nicht die Förderung des internationalen Austauschs von Wissenschaftlern innerhalb Europas, aber auch zwischen Deutschland und dem Rest der Welt der zielführendere Weg wäre. Letztlich geht es darum, in der Spitzenforschung mitzumischen und Spitzenwissenschaftler nach Deutschland und Europa (zurück) zu holen oder hier zu halten.

Spannend wird es, wenn in der KI-Strategie nach dem Matrjoschka-Prinzip die Entwicklung weiterer Strategien in Aussicht gestellt wird, so z. B. die nationale Weiterbildungsstrategie im KI-Handlungsfeld „Arbeitswelt und Arbeitsmarkt: Strukturwandel gestalten“, mit der „Möglichkeiten für flexiblere und weniger formalisierte Wege digitaler Weiterbildung geschaffen und eine Verbesserung der Übersichtlichkeit und Qualität von Qualifizierungsangeboten“ erreicht werden sollen. Auch dies zweifelsohne ein wichtiges Element der digitalen Transformation.

Die KI-Strategie konsequent weiter zu verfolgen ist sicherlich richtig, jedoch sollte die Bundesregierung darauf achten, sich nicht im Dickicht der Strategien zu verzetteln. Dauerthemen sollten nicht aus den Augen verloren werden und entsprechende Maßnahmen entweder jetzt zügig umgesetzt oder, im Falle von begründeten Gegenargumenten, aufgegeben werden. Alles andere stellt die Glaubhaftigkeit der ganzen Strategie infrage. Das systematische Monitoring gesetzter Zielgrößen und die frühzeitige Planung der Evaluation von Maßnahmenpaketen sind zentral für die effiziente Allokation von Ressourcen und für die Glaubwürdigkeit der politischen Akteure. Die KI-Strategie darf nicht dasselbe Schicksal ereilen wie das Dauerthema „schnelles Internet“. Zu oft wurden hier Ziele festgelegt, die nicht erreicht und stattdessen von immer ambitionierteren Zielen abgelöst wurden (mindestens 30 Mbit für alle Haushalte, mindestens 100 Mbit, prioritär Glasfaser und noch besser 5G, das Ganze möglichst flächendeckend). Diese Ziele nimmt keiner mehr wirklich ernst.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2375-7