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Der typische deutsche Konjunkturzyklus hat eine Länge von etwa vier bis fünf Jahren. Er ist recht ausgeprägt und erklärt allein etwa 27 % der Schwankungen in der BIP-Wachstumsrate. 83 % der Konjunktur geht auf Schwingungen mit einer Länge von über zwei Jahren zurück, nur 17 % können durch kürzere Schwingungen erklärt werden. Die Entwicklung der BIP-Wachstumsrate ist Granger-kausal zu den Investitionen – nicht umgekehrt. Dieser Zusammenhang geht auf Investitionen in die Ausrüstung zurück – nicht auf Investitionen in Bauten. Dabei werden die Investitionen vor allem durch die Auslandsnachfrage (Exporte) und nicht durch die Inlandsnachfrage getrieben.

In der Konjunkturprognose und -analyse wird von einem starken Zusammenhang zwischen den Wachstumsraten von Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Investitionen ausgegangen. Allerdings wird die Investitionsentwicklung in Relation zum robusten gesamtwirtschaftlichen Aufschwung gerade in den letzten Jahren als eher gemäßigt wahrgenommen. Um das Verständnis für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und ihre Beziehung zur Investitionstätigkeit zu vertiefen, werden die Daten im Folgenden näher betrachtet. Mittels Spektralanalyse soll sowohl der deutsche Konjunkturzyklus quantitativ vermessen, als auch getestet werden, ob und wie die Wachstumsraten von BIP und Investitionen zusammenhängen. Von besonderem Interesse ist hier zum einen, ob Investitionen die Konjunktur treiben oder ihr folgen. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, ob die inländische oder ausländische Nachfrage wichtiger für die Entwicklung der Investitionen ist.

Der spektralanalytische Ansatz erlaubt die Zerlegung von Zeitreihen in harmonische Schwingungen mit unterschiedlichen Laufzeiten.1 Es ist auch möglich, eine dominierende Schwingung – den „Konjunkturzyklus“ – zu identifizieren. Zudem können Aussagen zur Relevanz verschiedener Schwingungen getroffen werden, indem quantifiziert wird, welcher Anteil der Gesamtvariation der BIP-Wachstumsrate durch eine bestimmte Schwingung erklärt wird. Ähnlich kann bei der Analyse mit Hilfe der Granger-Kausalität zwischen Investitionen und Konjunktur nicht nur getestet werden, ob und in welche Richtung die Kausalität geht. Es kann zusätzlich geschaut werden, an welchen Frequenzen – also bei kurzfristigen oder eher langfristigen Schwingungen – Investitionen und Konjunktur zusammenhängen. (vgl. Kasten 1).2

Kasten 1
Kurze Zusammenfassung der Methode

Eine zentrale theoretische Eigenschaft einer Zeitreihe (z. B. BIP-Wachstumsrate) ist, dass sie als eine gewichtete Summe aus Sinus- und Kosinusfunktionen dargestellt werden kann (Fourier-Transformation). Um in der Praxis die Spektraldarstellung einer Zeitreihe zu schätzen, existieren verschiedene Ansätze. Hier wird die direkte (parametrische) Schätzmethode gewählt, da sie gegenüber der indirekten Schätzmethode Effizienzvorteile aufweist. Verglichen mit alternativen Ansätzen zur Messung von Konjunkturzyklen wie etwa Filter (z. B. Hodrick-Prescott-Filter) oder Abzählkriterien ist der entscheidende Vorteil der Frequenzanalyse, dass sie auf schwächeren Annahmen basiert.1

Empirisch kann eine Zeitreihe xt (z. B. BIP-Wachstumsrate) im Zeitbereich häufig gut als Autoregressive-Moving-Average-Modell (ARMA-Modell) dargestellt werden:

A(L)xt = B(L)ut, ut~WN(0,σ2)

wobei ut die Residuen sind. Als direkte Schätzmethode wird das Ableiten der Frequenzdarstellung aus den AR- und MA-Parametern in den Lag-Polynomen A(L) und B(L) bezeichnet. Die Frequenzdarstellung hat die Form:

In dieser Notation gibt fx (λ) den Wert des Spektrums an der Frequenz λ an und i2 = -1.

In dieser Arbeit wird für die auf Quartalsfrequenz vorliegende Wachstumsrate des BIP über den Zeitraum 1970 Q1 bis 2017 Q1 ein univariates ARMA-Modell angepasst und dann in den Frequenzbereich transformiert.2 Die Modellierung folgt dem Prinzip der Sparsamkeit. Ein AR-Modell der Ordnung 6 wird um nötige MA-Terme erweitert, bis die Residuen die Eigenschaften eines weißen Rauschens aufweisen, also frei von Autokorrelation sind. Daraufhin werden schrittweise alle insignifikanten Terme entfernt und dabei sichergestellt, dass die Residuen ihre Eigenschaften beibehalten. Das finale Modell (mittelwertbereinigt) sieht wie folgt aus

xt = 0,913xt-1 - 0,090xt-5 - 0,612ut-4 + ut

Ergebnisse von Autokorrelationstests zeigen, dass die Residuen die erwünschten Eigenschaften aufweisen.

  • 1 Filter setzen voraus, dass der Konjunkturzyklus vor der Analyse bereits bekannt ist. Die Ergebnisse bei der Verwendung von Abzählkriterien sind davon anhängig, welches Kriterium vom Anwender vor der Analyse festgelegt wird.
  • 2 Ursprungswerte, Veränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal; Quelle: Statistisches Bundesamt.

Konjunkturzyklus

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der deutschen Konjunktur und der privaten Investitionen in Form von Quartalsbeobachtungen der Wachstumsraten im Vergleich zum Vorjahresquartal von 1992 bis 2017.3 Beide Variablen verhalten sich zyklisch. Auch ist ein gewisser Gleichlauf von BIP und Investitionen zu erkennen. Nicht offensichtlich sind jedoch die genaue Länge des Konjunkturzyklus sowie die Richtung des Zusammenhangs von BIP und Investitionen.

Abbildung 1
Entwicklung der deutschen Konjunktur und der privaten Investitionen
Entwicklung der deutschen Konjunktur und der privaten Investitionen

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Abbildung 2
Deutsche Konjunkturzyklen, 1970 Q1 bis 2017 Q1
Deutsche Konjunkturzyklen, 1970 Q1 bis 2017 Q1

Quelle: eigene Berechnungen.

Die spektralanalytische Beschreibung der deutschen Konjunktur ist in Abbildung 2 zusammengefasst. Um ein Verständnis für die Daten über einen längeren Zeitraum zu entwickeln, bezieht die Schätzung zunächst alle Daten von 1970 bis zum 1. Quartal 2017 ein. Die schwarze Kurve zeigt den Einfluss von Schwingungen mit unterschiedlicher Laufzeit auf die Bewegung der BIP-Wachstumsrate. Der Einfluss von einjährigen Schwingungen liegt z. B. nahezu bei Null. Längerfristige Schwingungen haben einen erkennbaren Einfluss. Die dominierende Schwingung hat eine Dauer von etwa fünf Jahren. Der durchschnittliche Konjunkturzyklus kann als die Umgebung um das Maximum der Kurve interpretiert werden. Das Ergebnis eines deutschen Konjunkturzyklus von fünf Jahren liegt sehr nahe an der mittleren Zyklusdauer über eine Reihe von alternativen Methoden hinweg.4

Die Fünfjahres-Schwingung ist recht ausgeprägt und erklärt allein etwa 27 % der Variation in der deutschen BIP-Wachstumsrate.5 Insgesamt ist die Entwicklung des BIP vor allem durch längerfristige Schwingungen geprägt. Zyklen mit einer Länge von mehr als zwei Jahren erklären 83 % der Bewegung der BIP-Wachstumsrate; kürzere Zyklen nur 17 %.6

Abbildung 3
Deutsche Konjunkturzyklen in verschiedenen Zeiträumen
Deutsche Konjunkturzyklen in verschiedenen Zeiträumen

Quelle: eigene Berechnungen.

Abbildung 3 zeigt eine weitere Eigenschaft der deutschen Konjunktur. Verkürzt man den Beobachtungszeitraum um 20 Jahre und betrachtet nur die Zeit von 1991 bis 2017, scheint der Konjunkturzyklus in jüngerer Vergangenheit eine geringere Dauer von etwa vier Jahren aufzuweisen. Allerdings ist bei der Differenz von einem Jahr unklar, ob es für dieses Resultat strukturelle Gründe gibt oder die Differenz im Rahmen der statistischen Unsicherheit liegt.

Zusammenhang von Konjunktur und Investitionen

Die Kausalitätsanalyse der Wachstumsraten von BIP und Investitionen kommt zu folgenden Ergebnissen. Investitionen sind nicht signifikant Granger-kausal zum BIP. Diese Aussage gilt für alle Frequenzen über einem halben Jahr. Andersherum ergibt sich, dass Konjunktur signifikant Granger-kausal zu Investitionen ist. Diese Aussage ist jedoch nur für Entwicklungen der Konjunktur gültig, die zwei oder mehr Jahre andauern.7

Die Orientierung der privaten Investitionen an der Konjunktur dürfte eine Erklärung für die jüngste Phase der Investitionszurückhaltung sein.8 In den letzten Jahren befand sich die deutsche Wirtschaft im Bereich der Normalauslastung.9 Damit sind von der konjunkturellen Situation zuletzt keine übermäßigen Anreize zu (Erweiterungs-)Investitionen ausgegangen. Betrachtet man innerhalb der privaten Investitionen die Bereiche Ausrüstungen und Bauten getrennt, so ergibt sich, dass der Zusammenhang von der Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen getragen wird.

Das empirische Resultat der Granger-Kausalität von BIP-Wachstum hin zu Investitionen10 unterstreicht die Bedeutung der erwarteten Erträge als zentrales Investitionsmotiv. Die erwarteten zukünftigen Erträge scheinen sich dabei vor allem an der aktuellen konjunkturellen Situation zu orientieren und dürften momentan ein stärkeres Investitionsmotiv sein als die sehr niedrigen nominalen Zinsen.

Zusammenhang von Investitionen und Exporten

In einem nächsten Schritt wird die Konjunktur zerlegt und untersucht, ob sich Investitionen an der Inlandsnachfrage oder der Nachfrage aus dem Ausland, also den Exporten orientieren. Zwischen der Inlandsnachfrage und den Investitionen lässt sich keine Granger-Kausalität nachweisen. Allerdings zeigt sich, dass Investitionen den Exporten (statistisch signifikant über alle Frequenzen) nachlaufen.

Schaut man sich die Entwicklung der Exporte und der Investitionen über die Zeit an, ergibt sich eine Parallele zu den Ergebnissen aus dem Frequenzbereich. Die Korrelation von Exportwachstum und zukünftigen Werten der Investitionswachstumsrate liegt stets oberhalb der Korrelation zwischen Exportwachstum und vergangenen Werten der Investitionswachstumsrate.11

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass vor allem die zuletzt gemäßigte Nachfrage aus dem Ausland nach komplexen Investitionsgütern ein relevanter Erklärungsfaktor für die schwache Entwicklung bei den Investitionen ist. Da das weltwirtschaftliche Umfeld sich derzeit wieder dynamischer entwickelt, dürften auch die Investitionen bald wieder an Fahrt aufnehmen.

Fazit

Die Exportentwicklung war in der Vergangenheit stets ein wichtiger Faktor für wirtschaftliche Aufschwünge in Deutschland.12 Im aktuellen Aufschwung war dies bisher anders, da das BIP-Wachstum vor allem durch die starke Binnennachfrage getragen wurde. Ist dies eine Ausnahme oder die neue Regel? Ein Blick in die aktuelle Jahresprojektion der Bundesregierung zeigt, dass es wohl eher eine Ausnahme ist. Gesamtwirtschaftlich setzt sich das robuste Wachstum fort. Dabei ziehen die Exporte im Zuge des spürbar dynamischeren weltwirtschaftlichen Umfelds wieder stärker an und die Investitionen folgen ihnen mit etwas zeitlicher Verzögerung. Der durchschnittliche Zusammenhang, den die formale Analyse für den Zeitraum von 1991 bis heute findet, pendelt sich am aktuellen Rand also gerade wieder ein.

* Der Aufsatz gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und nicht notwendigerweise die des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

  • 1 Zur Methode vgl. J. D. Hamilton: Time Series Analysis, Princeton 1994; L. H. Koopmans: The Spectral Analysis of Time Series, New York 1995; und J. Wolters: Stochastic Dynamic Properties of Linear Econometric Models, in: M. Beckmann, H. Künzi (Hrsg.): Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Berlin, Heidelberg 1980.
  • 2 Vgl. J. Geweke: Measurement of Linear Dependence and Feedback Between Multiple Time Series, in: Journal of the American Statistical Association, 77. Jg. (1982), H. 378, S. 304-324; J. Breitung, B. Candelon: Testing for Short- and Long-Run Causality: A Frequency-Domain Approach, in: Journal of Econometrics, 132. Jg. (2006), H. 2, S. 363-378; und J. Breitung, S. Schreiber: Assessing Causality and Delay within a Frequency Band, in: Econometrics and Statistics, 2018 (im Erscheinen).
  • 3 Für die Wachstumsraten gt wird hier die Berechnung gt = [ln(xt) - ln(xt-4)] * 100 verwendet.
  • 4 Dies ergibt sich aus der Betrachtung des Durchschnitts der in Schirwitz aufgeführten Zyklenlänge (Dauer von Hochpunkt zu Hochpunkt) für mehrere Methoden (BBQ-Algorithmus, Zeitungs-Ansatz, Ansatz nach Boldin und Markov-Switching-Ansatz). Vgl. B. Schirwitz: A comprehensive German business cycle chronology, in: Empirical Economics, 37. Jg. (2009), H. 2, S. 287-301.
  • 5 27 % entspricht dem Anteil der Fläche des grauen Balkens an der gesamten Fläche unterhalb der Spektraldichtefunktion.
  • 6 Schwingungen in dem häufig mit Konjunkturzyklen assoziierten Bereich von zwei bis acht Jahren erklären etwa 67 % der Variation der BIP-Wachstumsrate.
  • 7 Die Testergebnisse beruhen auf dem Verfahren von Breitung und Schreiber. Detaillierte Resultate sind auf Anfrage beim Autoren dieses Beitrags zu erhalten. Vgl. J. Breitung, S. Schreiber, a. a. O.
  • 8 Weitere wichtige Faktoren sind z. B. Unsicherheit oder Demografie.
  • 9 Vgl. Jahreswirtschaftsbericht 2018: Wirtschaftlich gestärkt in die Zukunft, Kapitel II: Jahresprojektion 2018 der Bundesregierung, S. 40-50.
  • 10 So z. B. auch M. Blomström, R. E. Lipsey, M. Zejan: Is Fixed Investment the Key to Economic Growth?, in: The Quarterly Journal of Economics, 111. Jg. (1996), H. 1, S. 269-276; K. Bauknecht: Kredit, Wachstum und die Geldmenge – Erläuterungen zu Draghis jüngsten Kommentaren, in: IKB Kapitalmarkt-News vom 6.8.2013.
  • 11 Ein weiteres Ergebnis ist jedoch, dass es auch eine starke zeitgleiche Korrelation gibt. Diese kann nur im Rahmen eines strukturellen Modells interpretiert werden.
  • 12 Vgl. D. Marin: Is the Export-led Growth Hypothesis Valid for Industrialized Countries?, in: Review of Economics & Statistics, 74. Jg. (1992), H. 4, S. 678-688; T. I. Palley: The Rise and Fall of Export-led Growth, Levy Economics Institute, Working paper, Nr. 675, 2011.

Title:Assessing the German Business Cycle and the Role of Investment

Abstract:On average, the German business cycle is four to five years long. The cycle is quite pronounced and explains about 27 % of the variation in year­on­year GDP growth. For fluctuations with a duration of more than two years, there is a significant unidirectional Granger causality running from GDP growth to investment. A closer look reveals two things: first of all, that the Granger causality runs from GDP to investment in equipment and machinery, not investment in construction, and second, that it is lagged foreign demand (exports) rather than domestic demand that has predictive power for investment.


DOI: 10.1007/s10273-018-2252-4