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In den vergangenen anderthalb Jahren hat sich der Rohölpreis mehr als verdreifacht. Ein solcher Preisanstieg kann erhebliche negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Ob dies der Fall ist, hängt jedoch von den Ursachen des Ölpreisanstiegs ab. Es zeigt sich, dass die Rohölpreise hauptsächlich aufgrund der zunehmenden globalen realwirtschaftlichen Aktivität angestiegen sind. Nur zu einem geringen Teil lässt sich diese Entwicklung mit einen Rückgang der physischen Rohölversorgung erklären.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren ist der Rohölpreis um 150 % gestiegen. Anfang 2016 lag er bei etwa 30 US-$ pro Barrel, derzeit befindet er sich bei etwa 75 US-$ (vgl. Abbildung 1). Ein derartiger Preisanstieg kann die weltwirtschaftliche Dynamik erheblich belasten. Ob das tatsächlich der Fall ist, hängt aber maßgeblich von den Ursachen des Ölpreisanstiegs ab. In der Literatur werden drei Ursachen (Schocks) diskutiert.

  1. Der Ölpreis kann steigen, weil die Ölfördermenge gesenkt wurde (Ölangebotseffekt).
  2. Ein spekulationsbedingter Anstieg der Ölnachfrage kann zu höheren Ölpreisen führen (ölmarktspezifischer Nachfrageeffekt); diese können sich aufgrund von pessimistischeren Erwartungen über das zukünftige Ölangebot oder gestiegene Unsicherheit ergeben. Beide Ursachen dürften einen dämpfenden Effekt auf die weltwirtschaftliche Entwicklung haben.
  3. Eine stark expandierende Weltwirtschaft kann den Energiebedarf und die allgemeine Nachfrage nach Rohstoffen steigen lassen, aus der sich unter anderem Ölpreissteigerungen ergeben (Weltkonjunktureffekt). Hierbei ist der Ölpreisanstieg eine Begleiterscheinung der guten globalen Konjunktur und wirkt nicht notwendigerweise dämpfend.

In der Öffentlichkeit wurde in den vergangenen Monaten vor allem die Ölangebotsseite für die steigenden Ölpreise verantwortlich gemacht. Dieser Beitrag untersucht, ob dies tatsächlich der Fall ist.

Abbildung 1
Rohölpreis
Rohölpreis

Anmerkung: Der Wert für Juli 2018 ergibt sich aus dem Durchschnitt der Tageswerte bis zum 11.7.2018.

Quelle: Energy Information Administration (EIA).

Die Bedeutung der drei Ursachen für einen Ölpreisanstieg wird mit Hilfe eines strukturellen Zeitreihenmodells untersucht.1 Das vektor-autoregressive Modell enthält vier Variablen: Kilians Maß für die globale reale Aktivität, die weltweite Ölproduktion, den realen Ölpreis und die Lagerbestände an Öl. Das Modell wird für den Zeitraum Februar 1973 bis Februar 2018 geschätzt. Die rohölpreistreibenden Schocks werden anhand von Vorzeichen- und Preiselastizitätsrestriktionen identifiziert. Aus 5 Mio. Rotationen haben 158 986 Modelle die Vorzeichenrestriktionen erfüllt und 126 Modelle sowohl Vorzeichenrestriktionen als auch die Elastizitätsgrenzen. Die Beiträge der einzelnen Schocks werden für ein repräsentatives Modell gezeigt. Abbildung 2 zeigt die prozentualen Beiträge der drei Ölpreisschocks zur Abweichung des Rohölpreises (oberes Panel) und der realen Aktivität (unteres Panel) vom jeweiligen Mittelwert zwischen Januar 2010 und Februar 2018.2 Der Haupttreiber für die Ölpreisanstiege seit Mitte 2016 ist die stark expandierende Weltwirtschaft. Die Wiederbelebung der Weltkonjunktur ging einher mit einer steigenden Nachfrage nach Industrierohstoffen, was unter anderem zu einem Anstieg des Rohölpreises führte. Die ölmarktspezifische Nachfrage wirkte seit Mitte 2016 durchgehend ölpreissenkend. Hierfür dürften optimistischere Erwartungen und eine höhere Sicherheit verantwortlich gewesen sein, die dazu führten, dass Öl nicht verstärkt auf Lager gehalten wurde.

Abbildung 2
Beiträge der drei Ursachen für die Entwicklung...
Beiträge der drei Ursachen für die Entwicklung

1 Prozentuale Abweichung vom Mittelwert.

Hinweis zur Dimension der Balken: Beitrag zur prozentualen Abweichung des Ölpreises vom Mittelwert bzw. der realen Aktivität vom Mittelwert.

Quellen: Energy Information Administration (EIA); OECD; Kilian-Index, http://www-personal.umich.edu/~lkilian/reaupdate.txt (23.7.2018); eigene Schätzungen.

Das Ölangebot wirkte hingegen in den vergangen zwei Jahren nicht sonderlich preistreibend. Seit September 2017 geht von der geförderten Rohölmenge ein moderater Aufwärtsdruck auf die Ölpreise aus, davor dämpfte das Ölangebot dagegen die Preise. Zwar wurde im November 2016 eine Kooperationsvereinbarung zwischen OPEC- und einigen Nicht-OPEC-Ländern zur Kürzung der Ölfördermengen beschlossen, die, wie Abbildung 3 zeigt, auch umgesetzt wurde. Darüber hinaus kam es zu einem über die Vereinbarung hinausgehenden Rückgang der Ölförderung in Venezuela. Zum einen war dies eine Folge des Generalstreiks als Reaktion auf Berichte über mögliche Massenentlassungen von Raffineriepersonal. Zum anderen dürften die veraltete Infrastruktur und die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen zum Rückgang der Fördermenge beigetragen haben. Die weltweite Fördermenge reduzierte sich allerdings nur kurzzeitig im Sommer 2017, da die niedrigere Ölfördermenge der an der Kooperationsvereinbarung beteiligten Länder sukzessive durch die gestiegene Ölproduktion in den USA kompensiert wurde. Im April 2018 liegt die geförderte Menge daher in etwa auf dem durchschnittlichen Niveau des ersten Halbjahres 2016. Auf Grundlage dieser Ergebnisse können die vergangenen Rohölpreisanstiege nur im geringen Ausmaß durch das Ölangebot erklärt werden.

Abbildung 3
Ölfördermengen
Ölfördermengen

Anmerkung: Daten sind aktuell bis April 2018 verfügbar.

Quellen: Joint Organisations Data Initiative (JODI); OPEC; eigene Berechnungen.

Dementsprechend erklärt sich der Anstieg der realen Aktivität3 seit Februar 2016 vor allem durch die Entwicklung der weltweiten Nachfrage. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2017 wurden die globalen konjunkturellen Impulse zunehmend positiv, sodass die Aktivität nun deutlich über ihrem langfristigen Mittelwert liegt. Zusätzlich sorgte die ölmarktspezifische Nachfrage für positive Impulse in der zweiten Jahreshälfte 2017, wenn auch nur in einem geringeren Ausmaß. Dagegen belastete der Rückgang des Ölangebots die reale Aktivität, dessen negative Impulse besonders in den vergangenen Monaten deutlich stärker wurden.

Die bisherige Analyse endet im Februar 2018, da für Kilians Maß der realen Aktivität keine aktuelleren Daten verfügbar sind. Zwischen Februar und April 2018 kam es zu weiteren Rückgängen der Ölförderung in den OPEC-Ländern und den kooperierenden Nicht-OPEC-Ländern (vgl. Abbildung 3). Wie schon in den Monaten zuvor wurde auch dieser Rückgang zum Teil von anderen ölfördernden Ländern, allen voran den USA, kompensiert.4 Es ist daher davon auszugehen, dass trotz der anhaltenden politischen Unruhen in Venezuela und der angespannten Beziehungen zwischen den USA und dem Iran die globale Ölförderung auch in den kommenden Monaten nur in geringem Ausmaß zurückgehen wird. Auch hat die OPEC jüngst angekündigt, ihre Ölförderung ab Juli 2018 wieder anzukurbeln, möglicherweise um die Förderausfälle in Venezuela auszugleichen. Somit dürften weitere potenzielle Rohölpreisanstiege nur zu einem geringeren Teil durch Beschränkungen des Ölangebots verursacht werden. Vielmehr gibt es erste Anzeichen dafür, dass es im Laufe des Jahres 2018 aufgrund von verstärkter Lagerhaltung zu neuen Ölpreissteigerungen kommen könnte.

Abbildung 4
Rohölpreis aus Terminkontrakten
Rohölpreis aus Terminkontrakten

Anmerkung: Der Wert für Juli 2018 ergibt sich aus dem Durchschnitt der Tageswerte bis zum 12.7.2018.

Quellen: Intercontinental Exchange (ICE).

Nach einem stetigen Rückgang seit März 2017, in der Regel ein Zeichen für optimistische Erwartungen und geringe Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Fördermenge und Nachfrage, sind die Erdölvorräte der OECD-Staaten im Januar und Februar 2018 wieder gestiegen. Allerdings gehen die Finanzmärkte zurzeit weiterhin davon aus, dass es einen leichten Abwärtsdruck auf den zukünftigen Ölpreis geben wird. So liegt der Preis für Öl-Futures für September 2018 immer noch über dem Futurepreis für September 2019 (vgl. Abbildung 4). Für die Finanzmärkte scheinen demnach die jüngsten Meldungen der OPEC über eine Anhebung der Ölfördermenge eine größere Bedeutung zu haben als die verstärkte Lagerhaltung von Rohöl.

Insgesamt ist also der Rohölpreisanstieg bis Anfang 2018 vor allem auf die weltweite konjunkturelle Entwicklung und nur in geringerem Maße auf einen Rückgang der Ölfördermenge zurückzuführen. Auch bis Mitte 2018 dürfte die globale Wirtschaftsdynamik der Haupttreiber geblieben sein. Dagegen dürften die im Kooperationsvertrag zwischen einigen ölexportierenden Ländern festgelegten Produktionsbeschränkungen sowie der Iran-USA-Konflikt nur einen moderaten Effekt auf den Ölpreis haben, da diese durch eine verstärkte Ölförderung in anderen Ländern kompensiert wurden.

  • 1 Vgl. L. Kilian, D. Murphy: The role of inventories and speculative trading in the global market for crude oil, in: Journal of Applied Econometrics, 29. Jg. (2014), H. 3, S. 454-478; J. Güntner: How do oil producers respond to oil demand shocks?, in: Energy Economics, 44. Jg. (2014), S. 1-13.
  • 2 Aktuellere Daten lagen zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels leider nicht vor. Vgl. T. Wollmershäuser et al.: ifo Konjunkturprognose Sommer 2018: Gewitterwolken am deutschen Konjunkturhimmel, in: ifo Schnelldienst, 71. Jg. (2018), H. 12, S. 33-87.
  • 3 Die reale Aktivität basiert auf den Frachtraten von verschiedenen Massengütern und misst die weltweite Nachfrage nach Industrierohstoffen. Ein großer Vorteil dieses Maßes im Vergleich zur globalen Industrieproduktion ist, dass man keine Wechselkurse zur Aggregation über die Länder benötigt.
  • 4 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Europäische Zentralbank, vgl. I. Álvarez, F. Skudelny: Werden die jüngsten Ölpreissteigerungen Bestand haben?, in: EZB-Wirtschaftsbericht, Ausgabe 2, 2018, S. 41-45.

Title:On the Determinants of the Increase in Crude Oil Prices Since 2016

Abstract:Over the past year and a half, the price of crude oil has more than tripled. Such a price increase can have severe negative effects on the global economy. The effects depend on the underlying causes of the oil price rise. We find that the rise in crude oil prices is mainly due to an increase in global real economic activity and can only be explained to a small extent by a decline in the physical supply of crude oil.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2338-z

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