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Die Europäische Kommission hat ein Reformpaket für eine anspruchsvolle, zielgerichtete und effiziente Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik geschnürt – unter anderem mit neu eingeführten Eco-Schemes und anderen Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Räume. Die beiden dabei genutzten Maßnahmentypen sind in zwei unterschiedlichen Fördersystemen verankert, was erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert. Vor allem die landwirtschaftliche Tierhaltung hat aktuell viel Aufmerksamkeit erhalten: Ein hoher Fleischkonsum wird für umweltschädlich gehalten, die Haltungsbedingungen widersprechen häufig dem Tierwohl. Um das Verbraucherverhalten zu ändern, wird die Schaffung eines einheitlichen, leicht verständlichen und verpflichtenden staatlichen Tierwohllabels als zentral angesehen. Letztlich können aber von strengeren Tierschutzmaßnahmen Einkommens- und Wohlfahrtsverluste für Erzeuger und Volkswirtschaft ausgehen.

Die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik – eine Chance für effektive agrarumweltpolitische Instrumente?

In der Landwirtschaft werden in vielen Bereichen die umweltpolitischen Ziele nicht erfüllt.1 Mit einem Reformpaket hat die Europäische Kommission daher im Juni 2018 neue Vorschläge für die Gestaltung der Agrarpolitik gemacht, um die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) stärker in Einklang mit den gesellschaftlichen Erwartungen zu bringen.2 Die wesentlichen Neuerungen des Kommissionsvorschlags für die GAP: die Verantwortung wird hin zu den Mitgliedstaaten delegiert und für die Zielerreichung der Agrarpolitik soll die Ergebnisorientierung gesteigert werden. Ausgehend vom Kommissionsvorschlag wird es in erster Linie vom politischen Gestaltungswillen der Mitgliedstaaten abhängen, ob eher am Status quo der Agrarförderung festgehalten oder ob eine anspruchsvolle, zielgerichtete und effiziente Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik entwickelt wird. Welche Richtung der europäische Rahmen im Trilog und die späteren nationalen Ausgestaltungen einschlagen werden, wird sich frühestens in den nächsten Monaten zeigen.

Governance-Struktur: das neue Umsetzungsmodell

Auch in der neuen Förderperiode soll die GAP weiterhin aus zwei Säulen bestehen. In der 1. Säule befinden sich die Direktzahlungen und die Junglandwirteförderung, sowie die neu eingeführten Eco-Schemes. Die 2. Säule beinhaltet die Programme zur Förderung der Ländlichen Räume (ELER) unter anderem mit ihren Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) und die Ausgleichszulage. Im Folgenden sollen die beiden grundlegenden Innovationen des Vorschlags näher betrachtet werde.

Die Dezentralisierung soll den Entscheidungsspielraum für die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung spezifischer (Umwelt-)Maßnahmen bzw. bei den gewählten Kontroll- und Überwachungsstrukturen erweitern. Zentrale Elemente der Dezentralisierung sind: die Anforderung, einen GAP-Strategieplan zu erstellen, größere nationale Spielräume bei der Ausgestaltung des Verwaltungs- und Kontrollsystems und eine Reform des Berichtswesens der Mitgliedstaaten gegenüber der EU-Kommission zu ermöglichen.3 In Zukunft soll die Kommission stärker die Mitgliedstaaten kontrollieren, indem sie sich auf die Erreichung von Förderzielen fokussiert (= Ergebnisorientierung). Dieser neue Ansatz soll den gegenwärtigen Fokus auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zahlungen ersetzen. Angestrebt ist ein System, in dem die „Leistung“ der Mitgliedstaaten primär danach bewertet wird, ob sie die geplanten Ergebnisse im Sinne von der Zahl der geförderten Projekte, Betriebe oder Flächen fristgerecht erreichen. Die Mitgliedstaaten sollen zukünftig ihre gewählten agrarpolitischen Maßnahmen, Fördersätze und Kontrollen als Interventionen konsistent in einem sogenannten GAP-Strategieplan darlegen. Dieser Strategieplan basiert auf einer Darstellung der Ausgangssituation mit einer darauf aufbauenden Stärken-Schwächen-Analyse. Die Dezentralisierung bedeutet weiter, dass die EU-Kommission nur noch den Rahmen für das Verwaltungssystem setzt und sich auf eine Kontrolle der Mitgliedstaaten beschränkt. Somit prüft die EU-Kommission zukünftig nicht mehr den Endbegünstigten einer Förderung, sondern lediglich den Mitgliedstaat und dessen Kontrollsystem. Dies führt zu größeren Freiheitsgraden für die Mitgliedstaaten in der Gestaltung und Umsetzung ihrer Maßnahmen. Dies heißt allerdings nicht, dass die Mitgliedstaaten die Begünstigten nicht mehr selbst kontrollieren müssten. Die EU-Kommission prüft das System auf Funktionalität durch Stichprobenkontrollen der Verwaltung. Werden in einem System durch diese erhebliche Defizite aufgedeckt, kann die EU-Kommission Nachbesserungen einfordern oder im Extremfall Finanzmittel zurückhalten, bis die Mängel abgestellt sind.4 Die größere Flexibilität soll von den Mitgliedstaaten genutzt werden, ein höheres Ambitionsniveau in Hinblick auf die Umweltziele der GAP zu erreichen.5

Grundsätzlich ist die Begrifflichkeit „neue Ergebnisorientierung“ eher irreführend. Nach der Strategieplanverordnung werden die Ergebnisse weiterhin primär über Outputindikatoren gemessen. Zudem gab es auch bisher schon einen Ergebnisfokus mit einem Indikatorenset.6 Die nun von der EU-Kommission vorgesehenen Ergebnisindikatoren stellen im Umweltbereich vorrangig auf flächenbezogene Maßnahmen ab und vernachlässigen investive Maßnahmen sowie Maßnahmen zur Erhöhung des Humankapitals in diesem Bereich (z. B. Beratung, Schulung, Zusammenarbeit). Somit stehen diesen Maßnahmen nach der vorliegenden Systematik keine Leistungen (Ergebnisse) in Form von Indikatoren gegenüber, d. h. die Ergebnisindikatoren sind unvollständig. Ferner ist die „Aussagefähigkeit“ der bisher von der Kommission vorgelegten Indikatoren sehr beschränkt, weil alle flächenbezogenen Maßnahmen lediglich auf Basis ihrer Fläche berücksichtigt werden, obwohl sie sich in ihrer Flächeneffektivität deutlich unterscheiden. Ein Beispiel aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) verdeutlicht dies. Demnach würde entsprechend des Verordnungsentwurfs 1 ha Zwischenfruchtanbau den gleichen Ergebnisbeitrag im Hinblick auf den Klimaschutz liefern wie die Wiedervernässung von 1 ha organischen Bodens (Ergebnisindikator R.12). Zudem wird bei R.12 die physische Fläche aller Fördermaßnahmen als Anteil an der landwirtschaftlichen Fläche berichtet. Mitgliedstaaten erreichen somit mit flächendeckenden Maßnahmen auf niedrigem Umweltambitionsniveau nur auf den ersten Blick „gute Ergebnisse“.

In den Verordnungsentwürfen fehlt eine Operationalisierung des zentralen Begriffs „Ambitionsniveau“. Werden die Legislativvorschläge in diesem Aspekt von EU-Rat und -Parlament bestätigt, bleibt die Festlegung des jeweiligen Ambitionsniveau den Verhandlungen zwischen Kommission und dem jeweiligen Mitgliedstaat bei der Notifizierung der Strategiepläne überlassen. Das Ergebnis wird somit wesentlich von den Interessen und dem Verhandlungsgeschick dieser beiden Parteien abhängen. Das EU-Parlament hat auf die im Strategieplan getroffenen Vereinbarungen dann keinen Einfluss mehr und büßt daher an Gestaltungsmöglichkeiten ein.

Instrumente der grünen Architektur

Innerhalb der Governance-Struktur ist die Gestaltung der „grünen Architektur“ ein zentrales Element. Diese umfasst Elemente, die in der bisherigen Förderperiode in den Instrumenten „Greening“, den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der 2. Säule und im Cross-Compliance (nun: erweiterte Konditionalität) geregelt waren. Ein neues Instrument sind die sogenannten Eco-Schemes.

Zusammen mit dem Ordnungsrecht legen die Konditionalitäten die Grundanforderungen fest, die jeder Begünstigte von flächenbezogenen Maßnahmen der GAP einhalten muss. Die Konditionalitäten beinhalten die jetzigen Anforderungen des Cross-Compliance sowie die Verpflichtungen des bisherigen „Greenings“. Ein Teil der Cross-Compliance-Anforderungen sind auch im landwirtschaftlichen Ordnungsrecht kodifiziert und haben meist nur eine geringe Regelungstiefe. Dies verdeutlicht vor allem die gegenwärtige Architektur der flächenbezogenen Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik (vgl. Abbildung 1). Hier wird ersichtlich, dass die Anforderungen auf Flächen mit Schutzgebietsverordnungen im Rahmen der Natur- und Wasserschutzgebiete oder der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bereits die Vorgaben der bisherigen Cross-Compliance-Regelung übersteigen können. In der Praxis des Ordnungsrechts werden in der Regel nur Handlungen untersagt, jedoch keine Aktivitäten vorgeschrieben. Dies ist aber vor allem im Naturschutz oft nicht ausreichend für die Zielerreichung. Landwirte mit Naturschutzflächen setzen dort oft nur in unzureichendem Maße Maßnahmen um. Auch die Konditionalitäten sind zukünftig im GAP-Strategieplan zu spezifizieren. Ziel sollte es sein, diese Maßnahmen besser aufeinander abzustimmen, um damit die Förderprogramme für die Landwirte attraktiver zu machen.

Abbildung 1

Schematische Darstellung der gegenwärtigen Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik

Schematische Darstellung der gegenwärtigen Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik

Anmerkung: AUK II = Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der 2. Säule; GLÖZ = Standards zur Erhaltung von Flächen im guten landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand; CC = Cross-Compliance.

Quelle: Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz: Zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2020, Stellungnahme, Berlin 2019.

Zukünftig sollen aus dem Budget der 1. Säule Eco-Schemes finanziert werden. Diese Zahlungen sollen für Bewirtschaftungsmaßnahmen erfolgen, die den Zielen des Umwelt-und Klimaschutzes dienen. Landwirtschaftliche Betriebe können auf freiwilliger Basis teilnehmen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Finanzmittel, die bisher ohne Lenkungswirkung ausgezahlt werden, zur Erreichung von Umweltzielen zu nutzen. Allerdings lassen die Legislativvorschläge den Mitgliedstaaten so viel Gestaltungsspielraum, dass die Eco-Schemes wenig zielgerichtet und wenig ambitioniert ausgestaltet werden können. Damit besteht die Gefahr, dass sie ähnlich wie das „Greening“ zu einem im Hinblick auf die genannten Ziele7 weitgehend wirkungslosen Politikinstrument werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Festlegung der Zahlungen in den Eco-Schemes nicht an den Kosten für die Landwirte orientieren muss.

Die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen verbleiben weiterhin in der 2. Säule. Förderungen für Umwelt- und Klimamaßnahmen (also auch Maßnahmen, bei denen es sich nicht um Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen handelt) sollen 30 % des Budgets dieser Säule ausmachen. Basierend auf den Zahlen der aktuellen Förderperiode würden alle Bundesländer diese Anforderung erfüllen.8 Werden die Eco-Schemes mit einem hohen Budgetanteil ausgestattet, wird es jedoch für einige Länder schwer, die 30 % für die 2. Säule zu erreichen. Ursache hierfür ist, dass die Verausgabung der Direktzahlungen nur in verhältnismäßig geringem Umfang Verwaltungskapazitäten bindet, und man aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere Umweltmaßnahmen, die sich einfach abwickeln lassen, über die Eco-Schemes implementieren wird. Im Ergebnis verbleiben für die Länder für die 2. Säule nur solche Maßnahmen, bei denen die Erreichung des 30 %-Ziels mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden ist.

Die Wirksamkeit der „grünen Architektur“ hängt nicht nur von der Gestaltung der GAP-Instrumente ab, sondern auch von der Verfügbarkeit der Mittel. Daher sind sowohl die Gesetzgebung der GAP als auch die Ausstattung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 von Bedeutung. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass je niedriger das verfügbare Agrarbudget ausfällt, desto niedriger wird das Ambitionsniveau der GAP in Hinblick auf Aspekte des Umwelt- und Ressourcenschutzes sein. Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Frühjahr 2019 war ursprünglich eine Festlegung des MFR für 2019 geplant. Der aktuelle Verlauf der Verhandlungen zeigt aber, dass dieser Zeitplan kaum haltbar ist. Aus Brüsseler Kreisen ist zu vernehmen, dass eine Einigung mittlerweile für den Zeitraum der deutschen Ratspräsidentschaft ab dem 3. Quartal 2020 erwartet wird.9 Auch sind weitere Kürzungen des MRF im Vergleich zum Kommissionsvorschlag möglich. So hat die deutsche Bundesregierung den Vorschlag im EU-Rat für Allgemeine Angelegenheiten eingebracht, die Zahlungen der Mitgliedstaaten zum MRF auf 1 % des Bruttonationaleinkommens (bisher 1,03 %, Kommissionsvorschlag: 1,11 %) zu kürzen. Zudem soll der Anteil des Agrarbudgets noch einmal eingeschränkt werden, um die Mittel für die Budgets Forschung und künstliche Intelligenz zu nutzen. Auch die Arbeiten an den drei Legislativvorschlägen zur GAP stocken. Die April-Beschlüsse des Agrarausschusses sind nicht unverändert ins Parlament eingebracht worden, sondern die Fraktionsvorsitzenden der Parteien haben diese in das nun neu konstituierte Gremium zurückverwiesen. Damit fehlen wichtige Informationen, um konkrete Aussagen über das zukünftige Ambitionsniveau der GAP in Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz treffen zu können.

Herausforderungen im Kontext des deutschen Föderalismus

Die 1. Säule wurde bislang und wird auch zukünftig durch ein Bundesgesetz geregelt. Dies gilt auch für die Konditionalitäten und die zu entwickelnden Eco-Schemes. Die 2. Säule liegt nach wie vor in der Zuständigkeit der Bundesländer. Zwar fungiert die auf Bundesebene angesiedelte Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) in etlichen Fällen bereits als nationale Rahmenregelung nach der ELER-Verordnung, allerdings wird ein größerer Teil der investiven, beratenden, planerischen und flächenbezogenen Maßnahmen von den Ländern eigenständig konzipiert und finanziert. Für diese Maßnahmen gibt es keine gewachsenen Koordinations- und Austauschstrukturen zwischen Bund und Ländern. Dennoch muss dieses Maßnahmenspektrum, selbst wenn es „lediglich“ in den regionalen Teilen des GAP-Strategieplans beschrieben ist, sich konsistent in die Gesamtarchitektur des GAP-Strategieplans und der künftigen grünen Architektur einfügen.

Ein gutes Beispiel für die Herausforderungen des Abstimmungsprozesses sind die Eco-Schemes. Aus Sicht der Bundesländer sollten die Eco-Scheme-Programme nicht zu einer nennenswerten Umverteilung der Mittel aus der 1. Säule zwischen den Ländern führen. Somit müssen die Eco-Schemes für landwirtschaftliche Betriebe in allen Bundesländern möglichst attraktiv sein. Diese Bedingung stellt eine Herausforderung für jede zielgerichtete Gestaltung der Eco-Schemes dar. Wählt man ein System, in dem die landwirtschaftlichen Betriebe darüber frei entscheiden können, in welchem Umfang die Maßnahmen umgesetzt werden, so unterscheidet sich dies im Falle einer bundesweit einheitlichen Eco-Scheme-Prämie nach den für die Landwirte entstehenden Opportunitätskosten. Die Folge wird eine regionale Umverteilung der Zahlungen sein. Dieser Umverteilung kann nur durch eine Differenzierung der Eco-Scheme-Prämie nach lokalen Parametern begegnet werden. Ohne diese Differenzierung fühlen sich einzelne Länder benachteiligt, da „ihre“ landwirtschaftlichen Betriebe möglicherweise nicht die gleichen Möglichkeiten haben, mit den Eco-Schemes Einkommen zu generieren wie die Betriebe in anderen Bundesländern. Differenzierte Zahlungsniveaus erhöhen jedoch den Verwaltungsaufwand. Insbesondere der Aufwand für Planung und Berichterstattung steigt aufgrund der Vorgaben des Strategieplans für die Verwaltung sehr stark an.

Schlussfolgerung für eine zukunftsorientierte europäische Agrarpolitik

Die Interventionen der im Legislativvorschlag vorgesehenen „grünen Architektur“ müssen anspruchsvoll und zielgerichtet sein, um einen nennenswerten Beitrag zur Lösung der Herausforderungen im Klima- und Umweltschutz in landwirtschaftlichen Systemen zu leisten. Um die Möglichkeiten der Agrarumwelt-und Klimamaßnahmen und Eco-Schemes effektiv zu nutzen, ist es unerlässlich, das von der Kommission vorgeschlagene Überwachungs- und Bewertungssystem anzupassen. Die beiden Maßnahmentypen sind in zwei völlig unterschiedlichen Fördersystemen verankert, deren intrinsische Logik nicht identisch ist. Sollen verschiedene Fördermaßnahmen aus beiden Systemen auf der gleichen Fläche kombiniert werden, erfordert dies einen erheblichen Abstimmungsaufwand für die Verwaltung, z. B. in Hinblick auf die Festlegung von Förderhöhen, Auflagen und Kontrollterminen. Die Wirksamkeit der Umweltmaßnahmen hängt wesentlich von der Mittelverfügbarkeit ab. Durch die verzögerte Festlegung des Agrarbudgets im MFR sind Aussagen darüber, welche Umwelteffekte mit der GAP erreicht werden können im Augenblick kaum möglich.

  • 1 Vgl. G. Pe‘er et al.: A Greener Path for the EU Common Agricultural Policy, in: Science, 365. Jg. (2019), H. 6452, S. 449-451.
  • 2 Vorschläge für eine Verordnung des EU-Parlaments und des Rates: COM (2018) 392 final, COM (2018) 393 final, COM (2018) 394 final.
  • 3 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz: Zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2020, Stellungnahme, Berlin 2019.
  • 4 Vgl. B. Fährmann et al.: Der ELER in der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. Wie bewerten EvaluatorInnen die europäische Verordnungsentwürfe?, Thünen Working Paper, Nr. 107, Braunschweig 2018; vgl. B. Fährmann, R. Grajewski: Weniger Aufwand, mehr Ergebnisse?, in: LandInForm, 2018, H. 3, S. 48-49.
  • 5 Art. 92 COM (2018) 392 final.
  • 6 Vgl. B. Fährmann et al., a. a. O.
  • 7 Artikel 28, Absatz 4 COM (2018) 392 final.
  • 8 Vgl. N. Röder et al.: Status quo und aktuelle Entwicklungen der landwirtschaftlichen Flächennutzung in Deutschland, in: Natur und Landschaft, 2018, H. 6, S. 250-257.
  • 9 Vgl. o. V.: Kürzungen am EU-Agrarbudget könnten noch höher ausfallen, in: Agra-Europe (AgE), unabhängiger europäischer Presse- und Informationsdienst für Agrarpolitik und Agrarwirtschaft vom 23.9.2019, Nr. 39.

Tierwohl und Klimaschutz beim Lebensmittelkonsum –Verbraucherverhalten und politische Maßnahmen

Zunehmend mehr Verbraucher äußern, dass ihnen Kriterien wie Tierwohl und Klimaschutz beim Lebensmitteleinkauf immer wichtiger werden, sind aber gleichzeitig nicht bereit, höhere Preise zu bezahlen bzw. ihr Kaufverhalten so zu verändern, dass sie vermehrt tierische durch pflanzliche Lebensmittel ersetzen. Diese Widersprüche stellen insofern ein Problem dar, als die Land- und Ernährungswirtschaft Mehrkosten durch die Einhaltung höherer Tierwohlstandards hat und diese auch nur zu höheren Preisen anbieten kann und Klimaziele nur erreicht werden können, wenn grundlegende Umstellungen im Verbraucherverhalten stattfinden.

Tierwohl und Lebensmittelkonsum

Laut Umfragen hat Tierschutz beim Lebensmittelkonsum für gut zwei Drittel der Verbraucher einen hohen Stellenwert.1 Ein höherer Tierschutz bedeutet unter anderem, dass Tiere mehr Platz im Stall sowie Auslauf ins Freie haben, Tiertransportzeiten möglichst kurz sind, aber auch Eingriffe wie Kastrationen bei Schweinen z. B. nur unter Betäubung stattfinden. Da diese Maßnahmen mit zusätzlichen Kosten für die Land- und Ernährungswirtschaft verbunden sind, schlägt sich dies in einer Erhöhung der Verbraucherpreise nieder. Laut Befragungen wären immerhin 80 % der Verbraucher auch bereit, diese höheren Preise zu zahlen, wobei die durchschnittliche Mehrzahlungsbereitschaft zwischen 36 % und 58 % liegt.2 Dieses Ergebnis, das geäußerte Zahlungsbereitschaften spiegelt, widerspricht jedoch Resultaten, die auf Basis realer Kaufsituationen beobachtet werden. Die Beobachtung tatsächlicher Käufe war Gegenstand einer Studie, in der in Super- und Discountmärkten der Abverkauf von verpacktem Schweinefleisch mit und ohne Tierwohllabel untersucht wurde. Unter den rund 18 000 verkauften Produkten fiel nur bei 16 % die Entscheidung auf den Tierwohl-Artikel. Dabei wurden lediglich Preisaufschläge zwischen 9 % und 13 % akzeptiert.3

Neben der Budgetbeschränkung kann eine Erklärung für das Auseinanderklaffen geäußerter und tatsächlicher Mehrzahlungsbereitschaften darauf zurückzuführen sein, dass große Unsicherheiten im Hinblick auf die Möglichkeiten des Einkaufs von Produkten aus tiergerechter Haltung bestehen. Befragungen von Verbrauchern zeigen, dass fast die Hälfte von ihnen (44,7 %) nicht wissen, woran sie Fleisch aus artgerechter Tierhaltung erkennen können.4 Bei der Frage, welche Tierschutzlabels ihnen bekannt sind, werden in erster Linie Biozeichen genannt, nicht aber Labels, die unabhängig von einer ökologischen Herstellungsweise allein auf mehr Tierschutz gerichtet sind. Bei Vorlage einzelner Labels (Neuland, Deutscher Tierschutzbund, Vier Pfoten) verbessert sich die Situation zwar, jedoch kennen auch dann mehr als drei Viertel der Verbraucher die Labels nicht.5

Einzelne Labels sind sicherlich deshalb weitgehend unbekannt, weil es eine Fülle von derzeit auf dem Markt vorhandenen Labels gibt, was auf eine hohe Wettbewerbsintensität in diesem Marktsegment hindeutet. Angeboten werden die Labels durch Tierschutzorganisationen (z. B. Deutscher Tierschutzbund und Vier Pfoten), Fachverbände (z. B. Neuland) sowie Zusammenschlüsse des Lebensmitteleinzelhandels (z. B. Haltungsform). Die den einzelnen Labels zugrundeliegenden Anforderungen sind nur unter Einholung von Informationen miteinander zu vergleichen und die jeweiligen Preisaufschläge somit nicht unmittelbar nachvollziehbar. Nicht zuletzt trägt zur mangelnden Bekanntheit der Labels die mangelnde Warenverfügbarkeit in den Geschäften bei.6

Festzuhalten bleibt, dass sich Verbraucher aufgrund des hohen Stellenwerts einer artgerechten Tierhaltung ein entsprechendes Produktangebot wünschen und dass sie dafür vermutlich auch eine Mehrzahlungsbereitschaft aufweisen. Notwendige Voraussetzung für eine höhere Umsetzung der Mehrzahlungsbereitschaft für breitere Verbraucherschichten ist jedoch ein klar nachvollziehbarer, vertrauenswürdiger und transparenter Mehrwert der Produkte, die in den gängigen Geschäftstypen verfügbar sein sollten.

Bei Tierwohl handelt es sich (wie z. B. auch bei Bio) um ein klassisches Vertrauensgut. Da der Konsument den Mehrwert des Produktes (hier höhere Tierwohlstandards) vor und nach dem Konsum nicht feststellen kann, muss er, wenn er das Produkt zu einem höheren Preis kauft, darauf vertrauen können, dass der Mehrwert gegeben ist. Aufgrund der vorliegenden Informationsasymmetrie bei Vertrauensgütern sind, wenn privatwirtschaftliche Maßnahmen wie Signalling nicht oder nur unzureichend funktionieren, staatliche Regelungen erforderlich, damit ein funktionsfähiger Markt zustande kommt.

Derzeitige staatliche Maßnahmen sind auf die Zertifizierungsregelungen der einzelnen Akteure gerichtet (z. B. Tierschutzbund, Zusammenschlüsse des Lebensmittel­einzelhandels), was solchen Konsumenten Transparenz ermöglicht, die sich intensiver mit den Tierwohlstandards auseinandersetzen und zudem bereit sind, Geschäfte aufzusuchen, die entsprechende Produkte führen. Alle anderen Konsumenten benötigen Regelungen, die mit möglichst geringen Such- und Informationskosten in klar verständlicher Form Sicherheit über den Mehrwert gewährleisten. Diese Voraussetzungen könnten durch ein einheitliches und leicht verständliches staatliches Tierwohllabel erfüllt werden. Eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung aller tierischen Produkte würde zudem sicherstellen, dass das Label vergleichsweise schnell einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt.

Klimaschutz und Lebensmittelkonsum

Im Jahr 2016 war Deutschland für 2,3 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich,7 was einer Menge von etwa 909 Mio. t CO2-Äquivalenten entsprach.8 Bei einer Bevölkerungszahl von ca. 82 Mio. Menschen entfielen damit auf jede Person etwa 11 t CO2-Äquivalente. Da die ernährungsbedingten direkten Treibhausgasemissionen einen Anteil von rund 20 % der Gesamtemissionen darstellen, entfielen auf jede Person etwa 2 t ernährungsbedingte Emissionen.9 In diese Zahl eingerechnet sind alle durch Lebensmittel bedingten Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Agrarproduktion über die Verarbeitung, Vermarktung und den Transport bis hin zur Zubereitung im Haushalt und zur Entsorgung von Nahrungsmittelabfällen. Dabei wird dem Agrarsektor einschließlich der dort eingesetzten Vorleistungen mit 45 % bis 60 % der größte Anteil der Emissionen zugeschrieben.10

Beim Konsum verschiedener Lebensmittel gibt es große Unterschiede hinsichtlich anfallender CO2-Äquivalenzmengen. Diese unterscheiden sich nicht nur zwischen verschiedenen Lebensmitteln, sondern auch bei gleichen Lebensmitteln je nach Transport, Verarbeitung etc. Im Durchschnitt liegen die Äquivalenzmengen zwischen etwa 0,6 kg pro 1 kg Kartoffeln und 20 kg pro 1 kg Rindfleisch.11 Schweinefleisch verursacht mit 8 kg CO2-Äquivalenten zwar deutlich weniger Emissionen als Rindfleisch, aufgrund des hohen Konsums von etwa 54 kg pro Kopf und Jahr entstehen jedoch über den Konsum von Schweinefleisch rund 430 kg CO2-Äquivalente pro Kopf und Jahr, während es bei Rindfleisch mit einem Konsum von rund 13 kg pro Kopf und Jahr nur 260 kg sind.12 Über alle Lebensmittelgruppen betrachtet entfallen etwa 40 % der durch die Ernährung bedingten Treibhausgasemissionen auf den Fleischkonsum und jeweils etwa 30 % auf den Konsum tierischer Produkte (Milch, Eier etc.) und pflanzlicher Lebensmittel.13

Da ernährungsbedingte Emissionen einen wesentlichen Anteil der Treibhausgasemissionen darstellen, wird einer Umlenkung des Ernährungsverhaltens in Richtung auf einen verringerten Konsum tierischer Produkte eine zentrale Bedeutung zur Reduzierung der CO2-Emissionen zugeschrieben.14 In einem Gutachten zum Klimaschutz empfehlen die Beiräte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) daher, das Gestaltungsfeld der Konsumsteuerung aktiver zu nutzen und dabei multiple Maßnahmen und neue Instrumente einzusetzen. Solche Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit eines Individuums werden mit den negativen gesellschaftlichen Wirkungen des Konsums von Produkten mit hohen CO2-Emissionen begründet. Die mit dem Konsum von Lebensmitteln verbundenen CO2-Emissionen verursachen negative externe Effekte, weil die Konsumentscheidung eines Einzelnen negative Auswirkungen auf nicht am Marktgeschehen beteiligte Dritte hat und diese nicht kompensiert werden.

Die Beiräte schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, von denen eine Besteuerung tierischer Produkte mit sozialpolitischer Flankierung als zentral angesehen wird, weil sie ein Instrument zur Internalisierung negativer externer Effekte des Konsums darstellt. Dem Ziel am nächsten käme eine Besteuerung, deren Steuersatz sich am spezifischen CO2-Gehalt eines Lebensmittels orientiert, der mittels eines Life Cycle Assessment berechnet wird. Damit könnten auch Anreize für einen vermehrten Konsum saisonaler und regionaler sowie unverarbeiteter Produkte geschaffen werden. Da ein solches Vorgehen jedoch derzeit schwer umsetzbar und mit erheblichen Administrationskosten verbunden wäre, richten sich die Vorschläge darauf, pauschal bei Fleisch und tierischen Produkten den Mehrwertsteuersatz von bisher 7 % auf 19 % zu erhöhen.15

Inwieweit sich der Konsum von Produkten durch eine Steuererhöhung tatsächlich einschränken lässt, hängt einerseits davon ab, wie stark Konsumenten auf die Preiserhöhungen reagieren, andererseits aber auch davon, inwieweit Hersteller oder Händler die Steuerbeträge auf die Konsumenten überwälzen. Konsumsteuern werden beim Hersteller oder Händler abgeführt, ob und inwieweit diese ihre Preise anheben, bleibt ihnen selbst überlassen. Erfahrungen zur Überwälzung einer Lenkungssteuer auf Konsumenten können z. B. aus der Einführung einer Fettsteuer in Dänemark im Jahr 2011 abgeleitet werden. Dort hat sich gezeigt, dass sich die Preise der untersuchten fetthaltigen Produkte zwar durchweg erhöhten, jedoch schwankten diese Erhöhungen zwischen 25 % und 150 % des Steuerbetrags,16 d. h. zum Teil übernahm der Handel einen Teil des abzuführenden Steuerbetrags, zum Teil nutzte der Handel die Einführung der Steuer jedoch auch dazu, die Gewinnmarge zu erhöhen. Neben der Stärke des umgesetzten Preisanstiegs hängt das Ausmaß, in dem der Konsum eingeschränkt wird von den Ausweichmöglichkeiten der Konsumenten ab. Insbesondere Konsumenten, die hohe Präferenzen für Fleisch bzw. tierische Produkte haben, werden versuchen, innerhalb dieser Produktgruppen auf niedrigere Preissegmente auszuweichen. Auch hier können Erfahrungen aus Dänemark abgeleitet werden. Dort wurde beobachtet, dass Konsumenten von Hersteller- auf Handelsmarken übergegangen sind bzw. vom Supermarkt zum Discounter wechselten. Zusätzlich ist ein Übergang von Bioware auf konventionelle Produkte denkbar.

Trotz der beschriebenen Reaktionsmöglichkeiten der Anbieter und Nachfrager weisen zahlreiche empirische Studien zu den Wirkungen von Lenkungssteuern darauf hin, dass Konsumeinschränkungen stattfinden.17 Die Dimension der Konsumeinschränkung und die damit verbundene Reduzierung von CO2-Emissionen zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Ernährungswirtschaft (ife) in Kiel, in der Simulationen auf Basis aktueller Eigen- und Kreuzpreis­elastizitäten der Nachfrage durchgeführt wurden. Unter der Vorgabe, dass die Steuerbeträge in vollem Umfang auf die Konsumentenpreise überwälzt werden, ergäbe sich durch eine Mehrwertsteuererhöhung von 7 % auf 19 % bei Fleisch und Wurstwaren eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 6,1 Mio. t., bei Einbezug der tierischen Erzeugnisse würde sich die Reduzierung auf 12,0 Mio. t. erhöhen. Die Reduzierung um 12 Mio. t liegt, zumal parallele Anstrengungen z. B. im Bereich der Reduktion der Lebensmittelverschwendung hier nicht einbezogen sind, etwa in der Größenordnung des vom Klimagutachten formulierten moderaten Klimaschutzes für den Konsum von Lebensmitteln in Höhe von 14 Mio. t. Sie befindet sich allerdings deutlich unterhalb der Reduktionsmenge von 34 Mio. t bis 35 Mio. t, die einem ambitionierten Klimaschutz entspräche.18 Eine Reduktion in dieser Größenordnung könnte laut Studie des Kieler ife Instituts z. B. über einen Mehrwertsteuersatz für Fleisch und alle tierischen Produkte in Höhe von 40 % erreicht werden.

Da Konsumenten Erhöhungen von Steuern grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, wird vielfach betont, diese Maßnahme durch ergänzende zu begleiten. Das Klimaschutzgutachten des BMEL19 nennt z. B. neben umfangreichen Informationskampagnen auch verlässliche und verständliche Informationen darüber, wie Konsumenten durch ihr Ernährungsverhalten zur Einsparung von CO2-Emissionen beitragen können. Die höchste Aussagekraft hätte ein verpflichtendes CO2-Fußabdruck-Label auf allen Produkten, das im Idealfall die exakte Menge CO2-Emissionen eines Lebensmittels angibt. Da die Umsetzung eines solchen Labels aufgrund von hohen Transaktionskosten in den nächsten Jahren jedoch nicht realistisch erscheint, wird alternativ ein Positiv-Label für besonders klimafreundliche Lebensmittelgruppen vorgeschlagen. Als weitere Maßnahme wird eine Veränderung der Lebensumwelt durch Nudging genannt, wobei z. B. klimafreundliche Lebensmittel durch Positionierung stärker in den Vordergrund gerückt werden, auch könnten Gemeinschaftsverpflegungen dahingehend beraten werden, klimafreundliche Mahlzeiten verstärkt anzubieten.

Um die Akzeptanz einer möglichen Anhebung der Mehrwertsteuer, deren alleiniges Ziel in einer Lenkungswirkung besteht, zu erhöhen, erscheint es aber auch von zentraler Bedeutung, die erzielten Staatseinnahmen den Haushalten sozial ausgewogen zurückzuvergüten. Damit könnte überzeugend dokumentiert werden, dass es bei der Anhebung nicht um staatliche Einnahmenerzielung geht. Als Rückvergütungsmaßnahmen schlägt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Maßnahmen wie Kopfpauschalen, Reduzierungen anderer Verbrauchsteuern (z. B. für Bahnfahrten) sowie Anhebungen von Transferzahlungen vor.20

Fazit zu Tierwohl und Klimaschutz beim Lebensmittelkonsum

Es wurde aufgezeigt, dass höhere Tierwohlstandards von vielen Verbrauchern zwar explizit gewünscht werden, jedoch Kaufbarrieren aufgrund höherer Preise, mangelnder Transparenz sowie eingeschränkter Warenverfügbarkeit bestehen. Eine Umstellung auf eine klimafreundlichere Ernährung wäre demgegenüber durch eine verstärkte Substitution tierischer durch pflanzliche Lebensmittel vergleichsweise leichter umsetzbar, ist jedoch aufgrund von notwendigen Umstrukturierungen des Lebensmittelwarenkorbs mit Nutzenverlusten für viele Verbraucher verbunden. Um dem ersten Problem zu begegnen, wird die Schaffung eines einheitlichen, leicht verständlichen und verpflichtenden staatlichen Tierwohllabels als zentral angesehen. Über das staatliche Label hinausgehende Standards könnten dem freien Wettbewerb überlassen werden. Angesichts der negativen externen Effekte, die mit dem Konsum von Lebensmitteln mit hohen CO2-Emissionen verbunden sind, wird eine Internalisierung dieser Effekte z. B. über eine Lenkungssteuer als wesentlich für das zweite Problem angesehen. Die Steuer sollte dann jedoch mit umfangreichen Informationen sowie einer sozial ausgewogenen Rückvergütung der Steuereinnahmen einhergehen.

  • 1 A. Zühlsdorf, A. Spiller, S. Gauly, S. Kühl: Wie wichtig ist Verbrauchern das Thema Tierschutz? Präferenzen, Verantwortlichkeiten, Handlungskompetenzen und Politikoptionen, Göttingen 2016.
  • 2 Ebenda.
  • 3 U. Eneking: Kaufbereitschaft bei verpackten Schweinefleischprodukten im Lebensmitteleinzelhandel – Realexperiment und Kassenzonen-Befragung, Studie der Hochschule Osnabrück, Bereich Agrar- und Lebensmittelmarketing, 2019.
  • 4 A. Zühlsdorf, A. Spiller, S. Gauly, S. Kühl, a. a. O.
  • 5 Ebenda.
  • 6 Ebenda.
  • 7 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR für Wirtschaft): Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, Sondergutachten, Wiesbaden 2019.
  • 8 Umweltbundesamt: Jährliche Treibhausgasemissionen in Deutschland, 10.1.2016, https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen (24.9.2019).
  • 9 T. Meier, O. Christen: Gender as a factor in an environmental assessment of the consumption of animal and plant-based foods in Germany, in: International Journal of Life Cycle Assessment, 17. Jg. (2012), H. 5, S. 550-564.
  • 10 Ebenda.
  • 11 Ebenda.
  • 12 World Wide Fund For Nature: Klimawandel auf dem Teller, Berlin 2012.
  • 13 T. Meier, O. Christen, a. a. O.
  • 14 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL: Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung, Gutachten, Berlin 2016.
  • 15 Ebenda.
  • 16 J. D. Jensen, S. Smed: The Danish Tax on Saturated Fat – Short Run Effects on Consumption, Substitution Patterns and Consumer Prices of Fats, in: Food Policy, 42. Jg. (2013), H. C, S. 18-31.
  • 17 S. Thiele, J. Roosen: Obesity, Fat Taxes and their Effects on Consumers, in: H. Bremmers, K. Purnhagen (Hrsg.): Regulating and Managing Food Safety in the EU – A Legal-Economic Perspective, Basel 2018.
  • 18 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL, a. a. O.
  • 19 Ebenda.
  • 20 SVR für Wirtschaft, a. a. O.

Sind Fleischverzicht und verschärfte Produktionsstandards wirklich nachhaltig?

Die Forderung nach einer modernen, umweltfreundlichen und ethischen Agrarpolitik verlangt nach einer ausgewogenen Betrachtung der jeweiligen Ziele und eine geeignete Instrumentenwahl mit den geringsten volkswirtschaftlichen Vermeidungskosten für die Qualitätsverbesserung nicht-ökonomischer Schutzgüter. Es sind allerdings Zweifel angebracht, ob das für Deutschland gelingen kann, insbesondere wenn die nationalen Spielräume für die Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik nach 2020 größer werden sollten.

Die Nutztierproduktion in Deutschland steht nämlich nicht nur im harten europäischen und internationalen Wettbewerb, sondern ist auch erheblichem gesellschaftlichem Druck am eigenen Standort ausgesetzt. Kritiker prangern die vermeintliche Massentierhaltung an und empfehlen einen Verzicht auf Fleisch und Fleischprodukte mit Verweis auf die Gesundheitsvorteile, den Tierschutz, den besseren Umwelt- und Ressourcenschutz sowie den Welternährungsbeitrag einer rein pflanzlichen Ernährung. Die Politik reagiert auf diese massive Kritik mit immer schärferen Tierschutz- und tierbezogenen Umweltstandards, die letztlich zu erheblichen Kostensteigerungen für Produktion und Verarbeitung von tierischen Erzeugnissen führen. Nicht zuletzt steht auch die Futterbasis der heimischen Nutztierproduktion in der Kritik, und es wird aus Klimaschutzgründen eine Beschränkung der Sojaimporte aus Südamerika gefordert.

Vor dem Hintergrund dieser potenziellen Belastungsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Nutztierbranche ist es essenziell, die Kosten und Nutzen einer rein pflanzlichen Ernährung und verschärfter Produktionsstandards im globalen Kontext zu quantifizieren und Antworten zu finden, wie Politik auf Problembereiche mit wirksamen und effizienten Maßnahmen reagieren sollte. Problembereiche dabei sind die Unterernährung in armen Ländern, die Klimabelastung, der Land- und Wasserverbrauch sowie die Nährstoffverluste der tierischen Produktion.

Ein Blick auf die Weltagrarmärkte zeigt, dass gerade Fleisch- und Milchprodukte auch in den nächsten zehn Jahren verstärkt nachgefragt werden. Dazu tragen vor allem das Bevölkerungs- und Einkommenswachstum sowie die Urbanisierung in Entwicklungsländern bei. Ein entsprechendes Ertrags-, Produktions- und Handelswachstum sorgt dafür, dass der Bedarf an Nahrungsgütern bis auf Ausnahmen bei leicht steigenden Nominalpreisen global gedeckt ist. Ausnahmen sind die ca. 800 Mio. unterernährten Menschen weltweit, die vor allem aus Kaufkraftmangel keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung haben.

Hauptakteure im internationalen Handel mit Fleisch, Milchprodukten und Futtermitteln sind zweifellos die EU, China, die USA und Südamerika. Über beste Standortvoraussetzungen für die Futtermittelproduktion verfügen dabei die USA und Südamerika. Die EU hat insbesondere bei der Fleisch- und Milchproduktion noch komparative Vorteile gegen die harte Konkurrenz aus Brasilien, den USA und einigen anderen Ländern. Die Anteile der EU an der Weltproduktion liegen 2018 geschätzt für Rindfleisch bei 11,7 %, für Schweinefleisch bei 19,5 % und für Geflügelfleisch bei 13,0 %. Ob sich dieser Vorteil halten lässt, ist eine Frage der Rahmenbedingungen. Das gilt gerade für Deutschland, wo die Nutztierproduktion unter viel stärkerem gesellschaftlichem und politischem Druck steht und mit viel höheren Produktions- und Schlachtkosten arbeiten muss als in vielen anderen Ländern.

Im Folgenden sollen drei von den Kritikern der Nutztierproduktion erhobenen Forderungen diskutiert werden: ein Fleischverzicht, eine Verschärfung von tierschutzbezogenen Standards und ein Importverbot für Sojafuttermittel.

Wirtschaftliche Konsequenzen

Wenn die Nachfrage nach Fleisch in der EU sinkt, kommt es nach Berechnungen mit einem partiellen Gleichgewichtsmodell zu Preissenkungen mit weltweit veränderten Verbrauchs- und Produktionsstrukturen.1 Geht man von einer Reduzierung um 50 % aus, fallen die Weltmarktpreise für Rindfleisch um 7,4 %, für Schweinefleisch um 10,2 % und für Geflügelfleisch um 5,7 %. Wird zusätzlich um 50 % auf Milchprodukte und Eier verzichtet, sinken die Fleischpreise um ähnliche Größenordnungen, während nun auch die Weltmarktpreise für Milchprodukte um 14,1 % bzw. für Eier um 6,2 % fallen. Die induzierten Fleischpreissenkungen regen einen Mehrverbrauch an Fleisch außerhalb der EU an, sodass etwa 40 % bis 50 % des EU-Fleischverzichts durch Mehrverbrauch in anderen Ländern ausgeglichen werden. Unter der Annahme gleicher Produktqualitäten beim Absatz auf Inlands- und Auslandsmärkten können die EU-Erzeuger ihre Verluste auf heimischen Märkten um bis zu knapp 90 % durch Mehrexporte an Drittländer ausgleichen. Trotzdem sinken die Erzeugereinkommen um 6,5 Mrd. US-$ pro Jahr, wenn der EU-Fleischverbrauch infolge einer vegetarischen Ernährung um 50 % sinkt. Eine vegane Ernährung hätte entsprechend sektorale Einkommensverluste in Höhe von 12,8 Mrd. US-$ pro Jahr zur Folge. Als Summe der Effekte auf Erzeuger, Verbraucher und Steuerzahler ergibt sich die volkswirtschaftliche Wohlfahrt, die bei einem reinen Fleischverzicht um 50 % um 11,6 Mrd. US-$ pro Jahr und bei einer veganen Ernährung um 17,3 Mrd. US-$ sinkt. Dabei steigen die Wohlfahrtverluste in der EU progressiv mit dem Grad der Verbrauchseinschränkung an und erreichen bei einem 90 %igen Verzicht auf tierische Produkte knapp 40 Mrd. US-$ pro Jahr.

Unterstellt man realistischerweise mit einem anderen Modellansatz (generelles Gleichgewichtsmodell)2, dass der Minderabsatz auf heimischen Märkten nicht durch Mehrexporte weitgehend ausgeglichen werden kann, weil sich die Produktqualitäten unterscheiden und neue Märkte nur schwer aufzubauen sind, sinkt die deutsche Fleischproduktion um 27 % bei einem 50 %igen Konsumverzicht nur in Deutschland und um 45 % bei einem 50 %igen Konsumverzicht in der EU28. Entsprechend sinkt der deutsche Fleischexport um 39 %, wenn in der EU als Hauptabsatzgebiet deutscher Erzeuger der Fleischkonsum um 50 % reduziert wird. Bei diesem Szenario und Modelltyp sind dann auch die Verluste an Erzeugereinkommen und volkswirtschaftlicher Wohlfahrt deutlich höher. So steigen die EU-Wohlfahrtsverluste auf 100,7 Mrd. US-$ pro Jahr infolge eines 50 %igen Fleischverzichts in der EU an, also um knapp das Neunfache des partiellen Ansatzes. Ein zusätzlicher 50 %iger Konsumverzicht auf Milch und Milchprodukte würde die Wohlfahrtsverluste in der EU sogar auf 185,7 Mrd. US-$ pro Jahr ansteigen lassen. Deutschland selbst würde bei einem 50 %igen Fleischverzicht (plus Milchverzicht) ausschließlich in Deutschland 8,8 (19,2) Mrd. US-$ pro Jahr und bei einem EU-weiten Fleischverzicht (plus Milchverzicht) 9,3 (20,4) Mrd. US-$ an Wohlfahrt verlieren.

Erschwernisse für die Nutztierbranche können aber nicht nur von der Verbraucherseite ausgehen, sondern auch durch politikbedingte Kostensteigerungen infolge von Tierschutzmaßnahmen und tierbezogenen Umweltstandards. Diese führen zu einer Beschränkung des Angebots. Geht man beispielsweise von einer 50 %igen Reduzierung der EU-Produktion für Fleisch aus und unterstellt wiederum homogene Güter beim Inlands- und Auslandsabsatz, steigen die Weltmarktpreise um absolut ähnliche Größenordnungen wie sie beim Fleischverzicht fallen. Die EU wird vom Exporteur zum Importeur bei Schweine- und Geflügelfleisch und hebt die Rindfleischimporte noch weiter an. Gewinner an Marktanteilen und volkswirtschaftlicher Wohlfahrt sind vor allem die USA und Brasilien. EU-Erzeuger verlieren knapp 25 Mrd. US-$ pro Jahr, und die volkswirtschaftliche Wohlfahrt in der EU sinkt um 22 Mrd. US-$. Das sind deutlich höhere Verluste als bei einem reinen Konsumverzicht.

Über Fleischverzicht und verschärfte Standards in der Nutztierproduktion hinaus fordern Kritiker auch ein Verbot von Sojaimporten zugunsten einer nationalen Eiweißstrategie. Eigenen Berechnungen zufolge hätte das erhebliche negative Konsequenzen für die Nutztierbranche und die deutsche Volkswirtschaft.3 Danach ergeben sich bei einem Importstopp der EU28 Wohlfahrtsverluste von insgesamt knapp 30 Mrd. Euro pro Jahr für die EU und für Deutschland allein etwa 10 Mrd. Euro. Ein deutscher Alleingang hätte ähnlich hohe Verluste in Deutschland zur Folge, während die Rest-EU sogar volkswirtschaftliche Gewinne realisieren könnte. Die EU-Preise für Ölsaaten und pflanzliche Öle würden sich in allen Szenarien verdreifachen bis versechsfachen. Die Produktion von Rindfleisch würde um 5,4 %, von Schweine- und Geflügelfleisch um 7,2 % und von Milchprodukten um 6,6 % zurückgehen. Bei einem deutschen Alleingang würden diese Verluste mit 6,4 %, 8,3 % und 7,4 % noch größer ausfallen, während die Rest-EU Produktionsanteile hinzugewinnen würde. Interessant sind auch noch die Auswirkungen auf die Exporte. Die deutschen Exporte an Weizen würden in den Szenarien um ca. 23 % bis 28 % einbrechen. Die deutschen Fleischexporte sänken zwischen 6 % und 13 %. Der Einbruch der deutschen Exporte von Milchprodukten beliefe sich auf knapp 13 % bei einem EU-weiten Importstopp und auf knapp 15 % bei einem rein deutschen Importstopp, während die Rest-EU Exportanteile gewinnen würde.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass ein Importstopp von Sojafuttermitteln deutliche Preis-, Mengen-, Handels- und Wohlfahrtseffekte auslösen würde, die insbesondere bei einem deutschen Alleingang zu Marktanteilsverlusten und Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen EU-Partnern und der internationalen Konkurrenz führen würden. Bevor also der Handel beschränkt oder unterbrochen und auf die unbestreitbaren Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verzichtet werden sollte, wären alternative Maßnahmen der Umweltpolitik zu bevorzugen, die direkt an der Landnutzung vor Ort ansetzen. Das gilt umso mehr, als der Produktion von Sojabohnen in Südamerika unter Maßgabe einer nachhaltigen Intensivierung sogar eine höhere Ökoeffizienz attestiert wird als der Produktion von Sojabohnen oder Körnerleguminosen in Europa.4

Konsequenzen für die Umwelt

Welche Konsequenzen haben nun Konsumverzicht, verschärfte Standards und Sojaimportverbot für die Umweltsituation bezogen auf die CO2-Bilanz, den Wasserverbrauch und die Landnutzung?

Eigenen Berechnungen zufolge sinken die CO2-äquivalenten Emissionen unter Berücksichtigung von Methan und Lachgas bei einer 50 %igen Reduzierung des Fleisch- und Milchverbrauchs in der EU27 lediglich um 4,2 %. Führen verschärfte Standards in der EU-Nutztierproduktion dagegen zur Produktionseinschränkung um 50 % und damit zu einer Verlagerung ins Ausland, steigen die CO2-äquivalenten Emissionen sogar um 1,4 % an (vgl. Carbon-Leakage-Effekt). Geschieht beides gleichzeitig, kann man davon ausgehen, dass der Klimabeitrag gegen Null geht. Das bestätigt auch Revell in seinen Arbeiten,5 indem er schlussfolgert, dass verbrauchsreduzierende Präferenzenänderungen oder Verbrauchsteuern für Fleisch in entwickelten Ländern weitgehend unwirksame und damit ineffiziente Mittel der Klimapolitik sind. Er begründet das vor allem mit Produktionsverlagerungen an emissionsintensivere Standorte. Auch Grabs stellt die Klimafreundlichkeit einer vegetarischen Ernährung infrage, indem sie auf die oft vernachlässigten Rebound-Effekte verweist.6 Diese ergeben sich, wenn eingesparte Haushaltsmittel für andere Nahrungsmittel oder Nicht-Nahrungsgüter des Warenkorbs (Wohnen, Verkehr, Reisen) ausgegeben werden und auf diese Weise die Klimabilanz belasten.

Schließlich führt auch ein EU-Sojaimportverbot zu einer deutlichen Futterkostensteigerung in der deutschen und der Tierproduktion der EU mit entsprechenden Produktionsverlagerungen ins Ausland an Standorte mit höheren CO2-Emissionen. Südamerikanische Sojaexporte gehen dann vermutlich an diese neuen Standorte statt an die EU, sodass es dadurch keine Entlastungen für Savannenlandschaften und Regenwälder gäbe. Diese lassen sich vermutlich sehr viel kostengünstiger und effizienter durch Maßnahmen vor Ort erreichen, wie die Initiative „Roundtable for Responsible Soy Association“ (RTRS) für eine nachhaltige Sojaproduktion zeigt.

Die aktuelle Klimapolitik scheitert aber nicht nur an solchen Substitutions- und Verlagerungseffekten in Angebot und Nachfrage, sondern weist weitere grundsätzliche Probleme auf. Reagieren Anbieter von Kohlenstoffvorräten (Kohle, Gas, Öl) unelastisch auf Preisänderungen, was nicht unrealistisch ist, sind jegliche nachfrageseitige Einsparbemühungen an fossilen Rohstoffen (unter anderem Fahrverbote, Wärmedämmung, Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) umsonst. Es wird dann keine Tonne CO2 eingespart, weil Mehrverbräuche infolge von Preissenkungen für Kohlenstoffe in anderen Ländern den Minderverbrauch zu Hause genau kompensieren.7 Der gleiche Effekt tritt auf, wenn einige Länder bei starrem Kohlenstoffangebot im Klimaschutz vorangehen und andere als Trittbrettfahrer von niedrigeren Kohlenstoffpreisen profitieren. Schließlich leidet die aktuelle Klimaschutzpolitik an den weitgehend unkoordinierten einzelnen Regelungsbereichen. So ist bekannt, dass das EEG in Deutschland nur dann seine CO2-Einsparwirkungen entfalten kann, wenn gleichzeitig im EU-Emissionshandelssystem die höchstzulässigen Emissionsmengen entsprechend abgesenkt werden. Das ist zumindest lange Zeit nicht in ausreichendem Maß geschehen, sodass deutsche Stromverbraucher mehr als 25 Mrd. Euro zusätzlich an Stromkosten jährlich zu tragen haben, ohne einen wirksamen Klimabeitrag zu leisten.

Auch beim weltweiten Wasserverbrauch erweist sich die Strategie einer 50 %igen Reduzierung von EU-Angebot oder EU-Nachfrage bei Fleisch- und Milchprodukten als wenig wirksam. Maximal sinkt der Wasserverbrauch weltweit um 3 %, wobei er in zahlreichen Entwicklungsländern sogar ansteigt, weil dort die Wasser-Fußabdrücke größer sind als in den Industrieländern. Das macht klar, dass sich Wassereinsparungen wirksamer und effizienter mit anderen Mitteln und an anderen Standorten realisieren lassen als durch Verzicht und Produktionseinschränkungen in Europa. Innovative Bewässerungstechniken in Entwicklungsländern könnten hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Schließlich geht es auch um die Frage, ob ein Konsumverzicht in der EU weltweit Land freisetzen könnte, um statt Futtermitteln für die Nutztierproduktion Nahrungsmittel zur menschlichen Ernährung zu produzieren. Tatsächlich geht beispielsweise der Landverbrauch in Deutschland eigenen Berechnungen zufolge um 21 % bzw. 24 % zurück, wenn Verbrauch bzw. Produktion von Fleisch und Milch um 50 % reduziert werden. Für die weltweite Landnutzung hat das allerdings „nur“ Änderungen von weit weniger als 1 % zur Folge. Ähnlich gering fallen die Effekte aus, wenn die EU28 Verbrauch und Produktion zurückfährt. Dann sinkt der weltweite Landverbrauch um 1,3 % bzw. 0,9 %. Selbst eine weltweite Reduzierung setzt nur Flächen im Umfang von 12 % bis 16 % frei. Mottet et al. erklären das mit dem hohen Anteil von Grasland (2 Mrd. ha) an der Gesamtfläche für die Futtermittelproduktion (2,5 Mrd. ha).8 Die Autoren prognostizieren darüber hinaus, dass der Flächenbedarf der prinzipiell für die menschliche Ernährung geeigneten Flächen bei Unterstellung eines normalen Ertragswachstums bei Futtermitteln und einer moderaten Verbesserung der Futtermittelverwertung bis 2025 sogar leicht sinkt und lediglich der Bedarf an für die menschliche Ernährung ungeeigneten Flächen zunimmt (+14 %). Hinsichtlich einer vegetarischen Ernährung ist kritisch festzuhalten, dass gerade Obst und Gemüse qualitativ hochwertiges, produktives Land erfordern, während Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch auf weniger produktivem Land erzeugt werden können.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Arbeit mit ökologischen Fußabdrücken nicht unproblematisch ist, weil ihnen erstens der gemeinsame Nenner fehlt wie bei der Kosten-Nutzen-Analyse. So kann man Veränderungen der Fußabdrücke für natürliche Ressourcen wie Wasser, Land und Erdatmosphäre zum einen nicht untereinander abwägen und zum anderen auch nicht mit den ökonomischen Fußabdrücken. Zweitens werden oft nur die Abdrücke der Primärproduktion ausgewiesen und nicht diejenigen der gesamten Wertschöpfungskette. Schließlich sind Fußabdrücke drittens je nach Region, Produktart, Produktionsverfahren und Betriebsleiterqualifikation sehr unterschiedlich, was bei induzierten Verlagerungen und Substitutionen von Produktions- und Konsumaktivitäten oft keine Berücksichtigung findet. Bei der Ableitung von Empfehlungen für die Steuerung von Konsum und Produktion von Nahrungsmitteln nur auf Grundlage von ökologischen Fußabdrücken ist deshalb größte Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Zahlreiche gut gemeinte aktuelle Vorschläge gehen wegen unkoordinierter Regelungsbereiche und infolge von Verlagerungsprozessen sogar in die falsche Richtung.

Konsequenzen für die Welternährung

Hinsichtlich der oft zitierten Nährstoffverluste beim Verbrauch tierischer Produkte reicht eine reine Mengenbetrachtung auf der Primärstufe nicht aus. Vielmehr sind die gesamten monetären Kosten der Versorgung mit Kalorien, Proteinen, Fetten und Mikronährstoffen auf der Endverbraucherstufe zu kalkulieren. Dann erweist sich die Vorteilhaftigkeit einer pflanzlichen Ernährung als sehr viel kleiner und mitunter ist sie der Ernährung mit tierischen Produkten sogar unterlegen. So ist die Versorgung mit Proteinen aus Geflügelfleisch kostengünstiger als diejenige aus Weizen und Mais. Und selbst wenn die Kosten der Nährstoffversorgung bei pflanzlichen Produkten geringer sind, wäre immer noch der Wert gegenzurechnen, den Verbraucher dem Verzehr tierischer Produkte beimessen. Und der liegt bei Fleisch häufig weit über allen anderen Produkten, gemessen am Ausgabeverhalten und nicht an Verbraucherbefragungen. Und selbst bei einer reinen Mengenbetrachtung halten Mottet et al. fest, dass alle Rindfleischproduktionssysteme zusammen (inklusive Feedlots) plus die Schweine- und Geflügelproduktionssysteme von Kleinbauern weltweit mehr Proteine in tierischen Produkten produzieren, als sie an Proteinen in grundsätzlich auch für die menschliche Ernährung verwertbaren Futtermitten verbrauchen.9 Danach können die vielfach angeprangerten Nährstoffverluste nicht wirklich bestätigt und schon gar nicht für die Unterernährung in armen Ländern verantwortlich gemacht werden.

Hunger und Armut in Entwicklungsländern entstehen vor allem vor Ort. Die gut gemeinte Vorstellung, man könne durch Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte in westlichen Ländern die Ernährungssituation in armen Ländern verbessern, geht an der Wirklichkeit vorbei. Wenn westliche Länder wirklich etwas für die Verbesserung der Ernährungssituation in Entwicklungsländern tun wollen, sollten sie ihre Märkte öffnen und zur Förderung von Landwirtschaft, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit in den betroffenen Ländern beitragen.

Politikimplikationen

Welche weiteren Schlussfolgerungen für die Politik lassen sich nun aus den bisherigen Überlegungen und empirischen Befunden ziehen? Die Politik trägt einerseits Verantwortung dafür, die Integration Deutschlands in den EU-Binnenmarkt und die internationalen Märkte nicht grundsätzlich infrage zu stellen, auch nicht für die Agrarwirtschaft. Sie hat andererseits die Sorgen ihrer Bürger um Gesundheit, Klima, Umwelt und Welternährung ernst zu nehmen und zu prüfen, mit welchen Mitteln/Maßnahmen die volkswirtschaftlich günstigste Lösung des Problems gefunden werden kann. Dabei ist mit Augenmaß vorzugehen.

Wenn man allerdings die Ergebnisse der empirischen Befunde betrachtet, weisen die untersuchten Maßnahmen/Aktivitäten eine extrem schlechte Kosten-Nutzen-Bilanz auf. Große Einkommens- und Wohlfahrtsverluste für Erzeuger und Volkswirtschaft werden in Kauf genommen für bestenfalls marginale, mitunter aber sogar kontraproduktive Beiträge zur Verbesserung der Umwelt- und Klimabilanz sowie der Ernährungssituation. Anstatt auf aktive Konsumsteuerung und Veränderung von Ernährungsstilen einerseits sowie auf kostenträchtige Produktionsstandards und einseitige Handelshemmnisse im nationalen Alleingang andererseits zu setzen, sollten die vielversprechenden Potenziale von technologischen Fortschritten und Innovationen ausgeschöpft werden. Diese liegen in der Pflanzen- und Tierzucht, der Tierernährung sowie der Tierhaltung und Tiergesundheit. Dazu sind entsprechende Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung von der Politik zu schaffen. Hier hat Deutschland noch Nachholbedarf.

Die bisher verfolgten und vorgeschlagenen Politikkonzepte schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Nutztierbranche. Marktanteile und Arbeitsplätze in der Agrarwirtschaft Deutschlands drohen verloren zu gehen, ohne einen wirksamen Beitrag zu Umwelt-, Klima- und Tierschutz bzw. zur Hungerbekämpfung leisten zu können. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das ist kein Plädoyer gegen intensive Bemühungen zur Verbesserung der genannten Schutzgüter und der Welternährung. Ganz im Gegenteil: Es ist eine Aufforderung zur Suche nach treffsichereren, wirksameren und sparsameren Mitteln der Politik, ohne die Nutztierbranche in ihrer Existenz zu gefährden. Denn zum Konzept einer nachhaltigen Entwicklung gehört auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Politikreformen, die es zu wahren gilt. Dann kann auf eine staatliche Konsum- und Produktionslenkung für eine rein pflanzliche Ernährung verzichtet werden, die offensichtlich mit Blick auf Umwelt, Klima und Welternährung nicht halten kann, was sie verspricht.

* Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine leicht modifizierte Version der Zusammenfassung einer empirischen Studie für die Dr. Alhard von Burgsdorff-Stiftung. Vgl. P. M. Schmitz: Globale Auswirkungen einer rein pflanzlichen Ernährung – Konsequenzen für Wirtschaft, Umwelt und Welternährung, in: Agra-Europe, Dokumentation, 60. Jg. (2019), H. 7, S. 1-46.

  • 1 Zum verwendeten Modell und den Ergebnissen vgl. P. M. Schmitz: Globale Auswirkungen einer rein pflanzlichen Ernährung – Konsequenzen für Wirtschaft, Umwelt und Welternährung, in: Agra-Europe, Dokumentation, 60. Jg. (2019), H. 7, S. 31 ff.; und auch J. Wronka: Ökonomische Auswirkungen unterschiedlicher Produktions- und Handelsstrategien der EU beim Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen – Anwendung des partiellen Gleichgewichtsmodells AGRISIM am Beispiel von Mais und Sojabohnen, Göttingen 2012.
  • 2 Zum verwendeten Global-Trade-Analysis-Project-Modell (GTAP-Modell) und den Ergebnissen vgl. P. M. Schmitz, a. a. O., S. 35 ff.
  • 3 Vgl. P. M. Schmitz: Sektorale und volkswirtschaftliche Auswirkungen von EU-Strategien zur Begrenzung von eiweißreichen Importfuttermittel bzw. zur Umstellung auf gentechnikfreie Futtermittel heimischer Herkunft, Agribusiness-Forschung, Nr. 34, Gießen 2015, S. 1-45.
  • 4 F. Taube: Der zukünftige europäische Weg – Ist nachhaltige Intensivierung möglich? – Europas Beitrag zur zukünftigen globalen Agrarproduktion, in: Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (Hrsg.): Landwirtschaft im Konflikt mit der Gesellschaft? Votum für eine nachhaltige Produktion, DLG-Wintertagung 2013, Bd. 107, S. 17-42.
  • 5 B. J. Revell: Presidential Address: One Man’s Meat … 2050? Ruminations on Future Meat Demand in the Context of Global Warming, in: Journal of Agricultural Economics, 66. Jg. (2015), H. 3, S. 573-614.
  • 6 J. Grabs: The rebound effects of switching to vegetarianism. A microeconomic analysis of Swedish consumption behavior, in: Journal of Ecological Economics, 116. Jg. (2015), S. 270-279.
  • 7 Vgl. H.-W. Sinn: Das grüne Paradoxon – Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik, Berlin 2012.
  • 8 A. Mottet, C. de Haan, A. Falcucci, G. Tempio, C. Opi, P. Gerber: Livestock: On our plates or eating at our table? A new analysis of the feed/food debate, in: Journal of Global Food Security, 14. Jg. (2017), S. 1-8.
  • 9 Ebenda.

Title:The Reform of the Common European Agricultural Policy – An Opportunity for Effective Agri-environmental Policy Instruments?

Abstract:The European Commission has put together a reform package for a demanding, targeted and efficient agri-environmental and climate protection policy – including newly introduced Eco-Schemes and other measures to promote rural areas. The two types of measures used are anchored in two different support systems, which requires considerable administrative effort. Agricultural animal husbandry in particular has received a great deal of attention at present: A high consumption of meat is regarded as harmful to the environment and the husbandry conditions often contradict animal welfare. In order to change consumer behaviour, the creation of a uniform, easily understandable and binding state animal welfare label is regarded as central. Ultimately, however, stricter animal welfare measures can lead to loss of income and welfare for producers and the economy.

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DOI: 10.1007/s10273-019-2513-x