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Digitalunternehmen siedeln sich häufig konzentriert in Städten an. Solche Technologie-Cluster oder Tech-Hubs spielen eine entscheidende Rolle für digitale Innovationen und ziehen Fachkräfte, Unternehmen und Investitionen an. Der hier vorgestellte Index ermittelt die wichtigsten Tech-Hubs anhand der räumlichen Konzentration von Technologiebeschäftigung und künftiger technologischer Wettbewerbsfähigkeit. München führt den Tech-Hub-Index an, gefolgt von Berlin. Der Tech-Hub-Index zeigt aber auch, dass die Größe der Stadt kein entscheidendes Kriterium ist. Zu den zehn wichtigsten Technologiestandorten zählen mit Darmstadt, Erlangen, Karlsruhe und Aachen auch vier kleinere Städte.

Die regionale Konzentration von Unternehmen und die damit verbundenen ökonomischen und wirtschaftspolitischen Implikationen sind seit Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Stichwort der „industriellen Distrikte“ ein zentraler Gegenstand, nicht nur in der Regionalökonomie, sondern auch in der Wachstumsdebatte. In modernerer Form hat der Cluster-Ansatz einige dieser Ideen wieder aufgegriffen, weiterentwickelt und wirtschaftspolitisch populär gemacht.1 Während sich diese Ansätze stark auf die Vorteile durch die räumliche Nähe von Wertschöpfungsstufen oder Zulieferern konzentrieren, prägen zwei relativ neue Entwicklungen die regionale wirtschaftliche Konzentration zusätzlich.

Treiber für regionale Konzentration in Städten

Erstens hat sich gezeigt, dass auch die digitale Industrie zu Clusterbildung neigt, was in dieser relativ jungen Industrie nicht unbedingt zu erwarten war. Zum einen war die ursprüngliche Erwartung, dass digitale Technologien generell den „death of distance“2 einleiten würden. Zum anderen bündelt sich gerade in der digitalen Industrie das Know-how zu raumüberbrückenden Technologien. Dennoch haben digitale Technologien die Tendenz zur Agglomeration eher verstärkt.3 Die Ausnahmestellung des Silicon Valleys als Innovationszentrum in der digitalen Wirtschaft steht dafür exemplarisch. Wenn man Wagniskapital als einen möglichen Indikator für Innovationsaktivität nimmt, zeigt das Beispiel USA, dass drei Viertel der Wagniskapital-Investitionen auf nur zehn Metropolregionen entfallen und dabei auf das Silicon Valley und San Francisco alleine 40 % dieser Investitionen.4 Global betrachtet finden über 60 % der weltweiten Wagniskapital-Investitionen in den zehn führenden Metropolen statt.5

Zweitens hat sich gezeigt, dass sich Cluster in den wissensintensiven Dienstleistungen primär in Städten bilden, während die verarbeitende Industrie sich sehr viel stärker in ländlichen Regionen konzentriert.6 Die Bevölkerungsdichte ist hier ein entscheidender Faktor ebenso wie die Anziehungskraft von Städten auf hochqualifizierte Arbeitnehmer. Die Gründe sind vielfältig und reichen von höherer Lebensqualität in Städten bis zu kulturellen und ökonomischen Faktoren. Richard Florida hat für diese hochqualifizierten Arbeitnehmer und ihre Erwartungen an Standortfaktoren den Begriff der „kreativen Klasse“ geprägt.7 Ökonomisch schlägt sich dieser Trend in einem höheren Humankapitalniveau und einer höheren Produktivität in Städten nieder.8

Die aus diesen Trends entstehenden Technologie-Cluster, auch „Tech-Hubs“ genannt, ziehen entsprechende Talente, Unternehmen und Investitionen an, welche die Basis für Innovationen in Form von Patenten, neuen Produkten und neuen Unternehmen bilden.9 Die Digitalisierung der Wirtschaft bringt es mit sich, dass digitale Innovationen und Start-ups nicht nur für die originär digitalen Industrien wie Software, Social Media oder Web Services erfolgskritisch sind, sondern auch für traditionelle Industrien. Digitale technologische Innovationen ermöglichen autonomes Fahren ebenso wie neue Zahlungsverkehrssysteme. Insofern kommt es zu einer Konvergenz zwischen digitaler Technologie und traditionellen Branchen, die sich schon in den Wortkombinationen wie FinTech, InsurTech oder auch PropTech zeigt.

Ein indexbasierter Ansatz für deutsche Städte

Wenn digitale Innovation vor allem in Städten stattfindet und zunehmend auf die gesamte Wirtschaft abstrahlt, ergibt sich für Deutschland daraus die Frage, wo die deutschen Tech-Hubs liegen und welche Städte das größte technologische Potenzial aufweisen. Ein neuer Index untersucht diese Fragen mit Fokus auf der Konzentration von Technologie-Beschäftigten. Dabei wird die aktuelle Technologie-Beschäftigung und das künftige technologische Potenzial der 50 größten Metropolregionen Deutschlands analysiert, um die aktuell führenden deutschen Tech-Hubs zu ermitteln.

Dazu wird erstens über 15 Indikatoren hinweg die gegenwärtige räumliche Konzentration der Technologiebeschäftigung in Deutschland untersucht. Technologiebeschäftigung wird dabei differenziert in Beschäftigung in der Industrie- und Kommunikationsindustrie (IKT) – als originär digitale Branche – und in Beschäftigung in mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Berufen (MINT) in der gesamten Wirtschaft. Der letzte Aspekt ist aufgrund der Digitalisierung traditioneller Sektoren wichtig und trägt deren steigender (digitaler) Technologieintensität Rechnung, indem beispielsweise auch Informatiker und Naturwissenschaftler in der Automobilindustrie oder der Versicherungsbranche zur Technologie-Beschäftigung gezählt werden. Zweitens wird die Position der Städte für die künftige technologische Wettbewerbsfähigkeit anhand fundamentaler Faktoren wie der Zahl der MINT-Studenten, der Reputation der technischen Universitäten und der Attraktivität für MINT-Studenten als künftiger Arbeitsort untersucht.

Der Index liefert folgende Hauptergebnisse:

  • München und Berlin sind die führenden Metropolregionen, wobei München einen deutlichen Vorsprung hat.
  • Kleinere Tech-Hubs können wettbewerbsfähig sein: Darmstadt, Erlangen, Karlsruhe und Aachen liegen im Spitzenfeld und vor deutlich größeren Städten.
  • Es ist eine deutliche Konzentrationstendenz bei der Technologiebeschäftigung in Deutschland erkennbar, die gegenläufige Tendenzen zwischen den Metropolregionen aufweist.

Wissen, Spill-over-Effekte und Technologie-Arbeitsmärkte

Technologie- und innovationsintensive Branchen und Unternehmen sind vor allem in zweierlei Hinsicht von den Standortbedingungen abhängig: zum einen hinsichtlich der Rolle von Wissen und seiner Verbreitung in regionalen Ökosystemen und zum anderen von spezialisierten Arbeitsmärkten. Ökosysteme sind eine Metapher dafür, dass Innovationen über Unternehmensgrenzen hinweg entwickelt werden und verschiedene Akteure, wie Unternehmen, Universitäten, Risikokapitalgeber und Start-ups einschließen.10 Funktionierende Ökosysteme erlauben Zugriff auf externe Ressourcen und externes Wissen, die vor allem kleine oder neugegründete Unternehmen nicht intern bereitstellen oder produzieren können. Gleichzeitig sind Start-ups zentral für digitale Innovation. Software-basierte Innovation benötigt im Vergleich zu kapitalintensiven Industrien nicht unbedingt große Forschungsabteilungen, sondern kann ebenso in kleinen Teams und Start-ups stattfinden. Gleichzeitig ist Software einfach zu skalieren und die marginalen Produktionskosten digitaler Güter tendieren gegen null.11

Ein zentraler Aspekt von Ökosystemen und somit von Technologie-Standorten betrifft den Wissenstransfer und die Weitergabe von Informationen. Schmidt und Grote haben für die Entwicklung von Finanzzentren auf die zentrale Rolle von Erfahrungs- und Expertenwissen hingewiesen, das in vielen Fällen nur im persönlichen Austausch und in fortgesetzten Interaktionen kommuniziert werden kann.12 Diese Art von Wissen spielt in Innovationsprojekten und bei der Identifizierung neuer Innovationsfelder und -projekte eine große Rolle und verschafft Wettbewerbsvorteile für Akteure, die in den Ökosystemen ansässig sind. Daneben führt räumliche Nähe zu „zufälligen“ Informationen, die nicht über offizielle Kanäle oder formelle Kommunikation verbreitet werden, die aber für Innovation wichtig sind. Wissens-Spill-over und damit auch höhere Produktivität finden sehr viel leichter bei fortgesetzter Interaktion und räumlicher Nähe statt.13

Zudem setzt digitale Innovation hochspezialisierte Experten voraus, die ein kritischer Engpassfaktor sind. Wie Moretti argumentiert, zieht es Technologie-Talente und Unternehmen in die Metropolen, trotz hoher Lohnkosten und Immobilienpreise. Der Hauptgrund liegt in der Struktur der Arbeitsmärkte für Tech-Talente. Die Größe und Dichte städtischer Arbeitsmärkte sind entscheidend und erleichtern das Matching zwischen Angebot und Nachfrage nach (hoch-)spezialisierten Fähigkeiten. Unternehmen haben auf dichten Arbeitsmärkten mehr Auswahl und bessere Chancen, hochspezialisierte Arbeitnehmer zu finden. Gleichzeitig haben Arbeitnehmer bessere Einsatzmöglichkeiten für ihre spezialisierten Fähigkeiten und eine Art Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, da die Auswahl von potenziellen Arbeitgebern groß ist.14 Aus diesen Überlegungen kann im Hinblick auf die Beurteilung von Technologiestandorten abgeleitet werden, dass einerseits das Vorhandensein einer kritischen Masse von Tech-Talenten sowie ein unterstützendes Ökosystem, das Spill-overs von Wissen und damit Innovationen ermöglicht, entscheidende Faktoren für die Qualität und die Zukunftsaussichten von Technologie-Standorten sind.

Konzentration der Technologiebeschäftigung und fundamentale Faktoren

Beide Aspekte werden im Tech-Hub-Index in zwei Subindizes operationalisiert. Der Statusindex analysiert die Technologie-Beschäftigung in den deutschen Metropolregionen. Dafür werden die Verteilung der absoluten Beschäftigung in der IKT-Industrie und die Beschäftigungsdynamik der letzten fünf Jahre gemessen. Diese absoluten Werte werden ergänzt durch den Anteil der IKT-Beschäftigung an der gesamten Beschäftigung einer Metropolregion, um Aussagen über die Spezialisierung auf die IKT-Industrie treffen zu können.

Abbildung 1
Tech-Hub-Status und Tech-Hub-Potenzial
Tech-Hub-Status und Tech-Hub-Potenzial

Quelle: Deloitte: Deutschlands Tech Hubs – Performance und Potenzial der deutschen Metropolen, Datenland Deutschland Studienreihe 2018, https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/Innovation/Tech-Standorte-Deutschland-Ranking-Deloitte-2018.pdf (1.10.2019).

Dieselbe Methodik (Verteilung, Dynamik, Anteil an der gesamten Beschäftigung) wird auf die MINT-Beschäftigung angewandt. Die Einbeziehung der MINT-Beschäftigung dient dazu, die Technologie-Beschäftigung in den nicht digitalen Industrien zu messen und so die Digitalisierung auch in den traditionellen Branchen abzubilden. Weitere Bestandteile des Status-Index sind die Beschäftigungs- und Akademikerquote in den Städten, die näherungsweise angeben, wie hoch die allgemeine Humankapitalausstattung ist und somit indizieren, wie effektiv Technologien in den Ökosystemen angewendet werden können.15

Der Potenzialindex misst fundamentale Faktoren, die entscheidend für die künftige Attraktivität des lokalen Ökosystems sind. Dazu gehört erstens der Talentpool der MINT-Studenten, die dem lokalen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden. Dieser Talentpool wird absolut und als Anteil der gesamten Studierenden gemessen. Letzteres lässt Rückschlüsse auf die Spezialisierung der Universitäten auf MINT-Fächer zu und kann die zahlenmäßigen Vorteile größerer Universitäten im Index ausgleichen. Ein zweiter Faktor ist die Attraktivität eines Standorts für MINT-Studenten als künftige Technologie-Beschäftige und wie hoch die Bereitschaft von MINT-Studenten ist, am Studienort zu bleiben. Beide Indikatoren zielen damit ebenfalls auf das künftige Arbeitsangebot in den technologischen Bereichen ab. Die Ergebnisse beruhen auf einer Umfrage unter MINT-Studenten.

Der dritte Faktor des Potenzialindex ist die Reputation der örtlichen technischen Universitäten als Näherungswert für die Qualität der technischen Forschung und damit die Innovationskraft eines Standorts. Als Rahmenbedingung fließt dazu die prognostizierte Dynamik auf dem lokalen Arbeitsmarkt und die erwartete Entwicklung der Arbeitskräfte bis zum Jahr 2030 in den Index mit ein.16

Tech-Hubs: Die deutschen Städte im Vergleich

Das übergreifende Bild der deutschen Tech-Hubs, das sich aus den beiden Subindizes ergibt, zeigen Tabelle 1 und Abbildung 1. Es lassen sich aus den Gesamtergebnissen drei allgemeine Schlussfolgerungen ziehen.

Die Big 2: München und Berlin

Erstens, die deutschen Tech-Talente ballen sich vor allem in den Metropolregionen München und Berlin, die die beiden ersten Plätze des Index belegen. München liegt dabei deutlich vor Berlin. Dies liegt daran, dass München sowohl in den originär digitalen Industrien (IKT) wie auch in den MINT-Berufen in der gesamten städtischen Wirtschaft deutlich mehr Beschäftigte aufweist. Die IKT-Beschäftigung in München liegt bei 141 000 Personen, während die Zahl der MINT-Beschäftigten bei 358 000 liegt – jeweils gut 30 000 mehr als Berlin. In der originären IKT-Industrie hat München circa doppelt so viele Beschäftigte wie Hamburg oder Frankfurt. Bei der Dynamik der MINT-Beschäftigung liegt München mit 14 % Wachstum in den letzten fünf Jahren ebenfalls vorn. Bezüglich des künftigen Potenzials ist vor allem die Münchner Spitzenstellung bei der technologischen Forschung, gemessen als Reputation der technischen Universitäten, wichtig.

Berlin hat die zweithöchste Zahl an Beschäftigten in der IKT-Branche sowie bei den MINT-Beschäftigten in der städtischen Wirtschaft. Die Dynamik in der IKT-Branche ist mit 13 % Wachstum über die letzten fünf Jahre in Berlin am höchsten, ebenso die absolute Zahl der MINT-Studenten. Allerdings ist der Anteil der MINT-Berufe an der Gesamtbeschäftigung in Berlin äußerst niedrig.

Tabelle 1
Tech-Hub-Ranking für Deutschland
Rang Metropolregion Tech-Hub-Status Tech-Hub-Potenzial
1 München 1 1
2 Berlin 2 3
3 Darmstadt 9 2
4 Hamburg 8 4
5 Stuttgart 6 5
6 Erlangen 3 9
7 Dresden 4 8
8 Frankfurt am Main 7 10
9 Karlsruhe 12 7
10 Aachen 18 6
11 Nürnberg 5 21
12 Münster 17 13
13 Köln 10 20
14 Regensburg 11 17
15 Hannover 21 11
16 Bonn 14 14
17 Düsseldorf 13 18
18 Leipzig 16 15
19 Heidelberg 25 12
20 Ulm 22 19

Quelle: Deloitte: Deutschlands Tech Hubs – Performance und Potenzial der deutschen Metropolen, Datenland Deutschland Studienreihe 2018, https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/Innovation/Tech-Standorte-Deutschland-Ranking-Deloitte-2018.pdf, (1.10.2019).

Hamburg liegt auf dem vierten Platz und schneidet überdurchschnittlich bei der Spezialisierung auf die IKT-Industrie ab, wenn auch mit relativ geringer Dynamik. Auch die Anziehungskraft auf MINT-Studenten als künftiger Arbeitsort ist in Hamburg hoch. Stuttgart dagegen hat seine Stärken bei der MINT-Beschäftigung und den MINT-Studenten.

Die urbanen Hidden Champions

Das zweite Hauptergebnis des Index zeigt, dass die Größe einer Stadt nicht ausschlaggebend ist. Auch kleinere Städte haben sich zu wichtigen Technologiestandorten entwickelt. Unter den zehn wichtigsten Tech-Hubs befinden sich mit Darmstadt, Erlangen, Karlsruhe und Aachen vier kleinere Städte. Darmstadt liegt auf Platz 3 vor vielen deutlich größeren Städten. Die Stadt sticht erwartungsgemäß bei der Universitäts-Reputation und den MINT-Studenten hervor, aber auch bei wirtschaftsnahen Indikatoren wie der MINT-Beschäftigung.

Dies gilt auch für andere Universitätsstädte, die neben der universitären Reputation und Stärken in der Talent-Pipeline der MINT-Studenten auch als Standort für die Technologie-Industrie wettbewerbsfähig sind. Erlangen beispielsweise hat mit einem Anteil von 30 % an der gesamten städtischen Beschäftigung die größte Spezialisierung auf MINT-Berufe und liegt auch beim Anteil der komplexen MINT-Berufe, also den Berufen, die ein mindestens fünfjähriges Studium voraussetzen, weit vorn. Regensburg hat hinter München den größten prozentualen Zuwachs bei der MINT-Beschäftigung in den letzten fünf Jahren. Der Trend, dass auch kleinere Tech-Hubs ihren Platz im Standortwettbewerb finden, ist auch in den USA zu beobachten, wo in Austin, Boulder oder Raleigh neue Konkurrenz für das Silicon Valley oder Boston entsteht.17

Deutliche Konzentrationstendenzen

Die Kombination der beiden Dimensionen des Index zeigt, dass es im Einklang mit den theoretischen Vorüberlegungen sehr deutliche Konzentrationstendenzen unter den deutschen Städten im technologischen Standortwettbewerb gibt. Die Digitalisierung der Wirtschaft bedeutet nicht, dass der Beschäftigungsaufbau gleichmäßig oder positiv verläuft. Es entsteht eine sehr deutliche regionale Kluft. Beispielsweise entwickelten sich die Beschäftigungszahlen der IKT-Industrie in Dortmund und Kassel deutlich zurück, Saarbrücken und Hagen erlebten einen leichten Rückgang von MINT-Beschäftigten in den letzten fünf Jahren. In Bochum sank die Zahl der MINT-Beschäftigten sogar um 10 %.

Abbildung 2
Wirtschaftsleistung in Abhängigkeit vom Anteil der komplexen MINT-Berufe, 2017
Wirtschaftsleistung in Abhängigkeit vom Anteil der komplexen MINT-Berufe, 2017

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Oxford Economics.

Darüber hinaus unterscheidet sich auch die Struktur der MINT-Beschäftigung sehr deutlich. Der Anteil der komplexen MINT-Berufe an der gesamten MINT-Beschäftigung liegt in Stuttgart, Karlsruhe und Aachen bei über 50 %, in Erlangen und München bei über 60 %. Gleichzeitig liegt derselbe Anteil in Dortmund oder Augsburg bei unter 40 %, in Trier sogar bei unter 30 %. Dabei lässt sich vermuten, dass Innovation eher in den Städten stattfindet, die einen hohen Anteil an fortgeschrittenen technologischen Experten haben.

Technologiebeschäftigung und Produktivität

Aus standortpolitischer Sicht wird oft angenommen, dass die Wertschöpfung von Arbeitsplätzen im Technologiesektor hoch und die Arbeitsplätze hochqualifiziert und gut bezahlt sind. Technologie-Arbeitsplätze würden damit über mehrere Wirkungskanäle zum Wohlstand einer Stadt beitragen – direkt, über eine Steigerung des städtischen Einkommens, und indirekt, über eine höhere Produktivität und eine höhere Innovationsrate. Außerdem geht Moretti für die USA davon aus, dass ein Arbeitsplatz in den breitgefassten „innovation industries“ fünf Arbeitsplätze im nicht-handelbaren Sektor nach sich zieht; Yogalehrer sind ein Beispiel dafür.18

Für die deutschen Städte zeigt sich eine positive Korrelation zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen und dem Anteil an Technologie-Beschäftigten – hier gemessen als komplexe MINT-Berufe, die als besonders hochqualifiziert und innovativ angesehen werden können. Auch wenn die kausale Beziehung damit nicht belegt werden kann, so scheint bei dieser Korrelation zumindest plausibler, dass der Anteil der komplexen MINT-Beschäftigung das Pro-Kopf-Einkommen positiv beeinflusst als dass es MINT-Beschäftigte in Städte mit hohem Wohlstand zieht (vgl. Abbildung 2).

Schlussfolgerungen aus dem Tech-Hub-Index

Die Ergebnisse des Tech-Hub-Index legen drei Schlussfolgerungen nahe:

  1. Die Digitalisierung der Wirtschaft führt nicht unbedingt zu flächendeckender regionaler Konvergenz – momentan sind die Effekte eher gegenläufig. Tech-Talente ballen sich sehr ausgeprägt in den Metropolen und den kleineren Tech-Hubs, die auch gleichzeitig die besten Standortbedingungen für die Zukunft aufweisen. Die regionale Kluft weitet sich und wird durch den Trend zur Urbanisierung verstärkt. Ob die nächste Generation digitaler Technologien, wie z. B. künstliche Intelligenz, oder steigende Immobilienpreise den Urbanisierungstrend umkehren können, ist vorstellbar, aber kurz- und mittelfristig eher unwahrscheinlich.
  2. Die nationale Standortkonkurrenz ist wichtig, aber nicht alles. Ein Ergebnis einer Umfrage unter MINT-Studenten zeigt, dass diese hoch mobil sind. Neun von zehn MINT-Studenten sind bereit, für eine Arbeitsstelle den Wohnort zu wechseln.19 Über die Hälfte ist auch bereit, ins Ausland zu gehen. Dies zeigt, dass auch die internationale Dimension des Standortwettbewerbs höchst relevant ist und die führenden deutschen Standorte zum einen Tech-Talente halten und gleichzeitig ausländische Talente anziehen müssen.
  3. Die städtischen Ökosysteme dürften sich in Zukunft noch stärker differenzieren und die Standortentscheidungen von Unternehmen prägen. Die Digitalisierung der Wirtschaft, die sich beispielsweise in den Segmenten FinTech, Industrie 4.0 oder Robotics zeigt, führt zu einer Kombination von Softwareindustrie und traditionellen Branchen. Damit ändern sich auch die Know-How-Anforderungen für erfolgreiche Innovation. Die Kombination digitaler und Maschinenbau-Kompetenzen im Bereich Robotics sind hierfür ein Beispiel. Dadurch eröffnen sich zum einen neue Spezialisierungsmöglichkeiten für Städte und Regionen. Zum anderen dürften die lokalen Talent-Pools und Innovationsbedingungen für die Standortentscheidungen von Unternehmen in ihren speziellen Segmenten noch wichtiger werden.
  • 1 Vgl. A. Marshall: Principles of Economics, London 1920; M. Porter: The Competitive Advantage of Nations, New York 1990; P. Krugman: Increasing Returns and Economic Geography, in: Journal of Political Economy, 99. Jg. (1991), H. 3, S. 483-499.
  • 2 Vgl. F. Cairncross: The Death of Distance, Boston MA 1997.
  • 3 Vgl. A. Goldfarb, C. Tucker: Digital Economics, NBER Working Paper, Nr. 23684, 2017.
  • 4 Vgl. R. Florida, K. King: Spiky Venture Capital. The Geography of Venture Capital Investment, Martin Prosperity Institute, 2016.
  • 5 Vgl. R. Florida, I. Hathaway: How the Geography of Startups and Innovation Is Changing, in: Harvard Business Review, 27.11.2018, https://hbr.org/2018/11/how-the-geography-of-startups-and-innovation-is-changing (29.5.2019).
  • 6 Vgl. OECD: The Metropolitan Century: Understanding Urbanisation and its Consequences, Paris 2015.
  • 7 Vgl. R. Florida: The Rise of the Creative Class, New York 2002.
  • 8 Vgl. E. Glaeser, J. Gottlieb: The Wealth of Cities: Agglomeration Economies and Spatial Equilibrium in the United States, in: Journal of Economic Literature, 47. Jg. (2009), H. 4, S. 983-1028.
  • 9 Manche Autoren gehen so weit zu argumentieren, dass die eigentlich relevante Ebene für die Analyse von Innovation die Stadt sein sollte und nicht das einzelne Unternehmen, weil erst das Zusammenspiel von Unternehmen, Talenten und anderen Institutionen auf regionaler Ebene Innovationsprozesse, Kreativität und damit Wertschöpfung in Gang setzt. Vgl. R. Florida, P. Adler, C. Mellander: The City as Innovation Machine, Martin Prosperity Institute, Working Paper Series, 2016.
  • 10 Vgl. C. Mason, R. Brown: Entrepreneurial Ecosystems and Growth Oriented Entrepreneurship, Background Paper for OECD LEED Programme, 2013.
  • 11 Vgl. A. Goldfarb, C. Tucker, a. a. O.
  • 12 Vgl. R. Schmidt, M. Grote: Was ist und was braucht ein bedeutender Finanzplatz?, Working Paper Series, Finance and Accounting, Goethe Universität Frankfurt, Nr. 150, 2005.
  • 13 Vgl. E. Glaeser, J. Gottlieb, a. a. O.
  • 14 Vgl. E. Moretti: The New Geography of Jobs, New York 2013.
  • 15 Datengrundlage für IKT-Beschäftigung ist die regionalökonomische Datenbank von Oxford Economics. Die regionalen Daten für MINT-Beschäftigung beruhen auf einer Spezialauswertung der statistischen Landesämter, während Akademiker- und Beschäftigungsquote auf Daten der Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen. Die acht Bestandteile des Index werden gleichgewichtet.
  • 16 Datengrundlage für MINT-Studenten ist das Statistische Bundesamt, für die Reputation der technischen Universitäten das Times Higher Education Ranking (bei mehreren Universitäten in einer Stadt wurde der Durchschnitt genommen), für die prognostizierte Beschäftigungsdynamik wurde die regionalökonomische Datenbank von Oxford Economics herangezogen. Der Survey unter MINT-Studenten wurde im März 2018 unter 860 Teilnehmern durchgeführt. Die sechs Bestandteile des Index werden gleichgewichtet.
  • 17 Bloomberg Brain Concentration Index 2018, https://www.bloomberg.com/toaster/v1/charts/1e67fe8e515344ef804303f30337c48a.html?brand=business&webTheme=default&web=true&hideTitles=true (29.5.2019).
  • 18 Vgl. E. Moretti, a. a. O.
  • 19 Deloitte: MINT-Talent Monitor 2018, https://www2.deloitte.com/de/de/pages/trends/mint-talent-monitor-2018.html (16.7.2019).

Title:Tech-Hub-Index: Comparison of German Cities

Abstract:Knowledge-intensive services and digital industries tend to cluster in cities. The resulting technology clusters – Tech Hubs – are crucial for digital innovation as well as attracting talents, companies and investments. The article applies an index-based approach to determine Germany’s Tech Hubs. It looks at the concentration of technological employment and potential of Germany’s metropolitan areas across 15 dimensions. The results show that Munich and Berlin are the leading Tech Hubs in Germany. However, smaller cities are also highly competitive. Generally speaking, technology employment tends to be concentrated in particular areas such as university towns.


DOI: 10.1007/s10273-019-2518-5