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Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016 hat der Gesetzgeber umstrittene Steuerbegünstigungen für den Erwerb betrieblichen Vermögens nur leicht modifiziert und sogar neue Begünstigungen geschaffen. Die unerwünschten Konsequenzen dieser Politik, nämlich die erhebliche Ungleichbehandlung der Erwerber, die verwaltungstechnischen Probleme sowie ökonomische Ineffizienzen bestehen also fort. Zudem sind die selektiven Ausnahmeregeln ökonomisch nicht begründbar und dienen vorwiegend der politisch einflussreichen Mittelstandsklientel. Eine erneute Verfassungsbeschwerde erscheint notwendig und angesichts der schwerwiegenden Mängel des Gesetzes auch aussichtsreich zu sein.

Eine gute Steuer sollte gerecht, einfach und effizient sein. Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) erfüllt keine dieser Anforderungen. Eine verfassungswidrige Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen scheint vielmehr ein Dauerzustand zu sein. Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits 1995, 2006 und 2014 Verstöße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) festgestellt hat, dürfte auch die Reform von 2016 einer gerichtlichen Überprüfung kaum standhalten, da der Gesetzgeber es erneut versäumte, das verfehlte Grundkonstrukt anzupassen.

Steuerbefreiungen haben gravierende Folgen

Viele Ausnahmeregelungen machen eine Steuergesetzgebung verwaltungsaufwendig, für Bürger unverständlich und intransparent und für die Steuerzahler, die nicht von den Ausnahmen profitieren, unnötig teuer. Kritisch sind insbesondere die Sonderregeln zu sehen, die die politisch einflussreiche Klientel der Erwerber betrieblichen Vermögens, also Erben oder Beschenkte von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen von mehr als 25 % an Kapitalgesellschaften, gezielt begünstigen. So dient etwa ein Drittel des Gesetzestextes des ErbStG dazu, die steuerliche Privilegierung dieser Gruppe zu sichern.1 Hinzu kommen Ausnahmen für Immobilienvermögen und Familienstiftungen, die ebenfalls zur Komplexität und unerwünschten Umverteilungswirkungen beitragen. Der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 20.12.2018 veröffentliche Entwurf einer Erbschaftsteuer-Richtlinie umfasst folglich 192 Seiten.

Bis zu der durch das BVerfG 2006 geforderten Neufassung, die 2009 in Kraft trat, war die Ungleichbehandlung der Vermögensarten stark durch unterschiedliche Bewertungsverfahren bedingt. Seitdem gilt der gemeine Wert, also der Verkehrswert, als Bewertungsgrundlage für alle Vermögensarten. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung durch von der Vermögensart abhängige Ausnahmeregelungen unterlaufen. Dies wurde vom BVerfG 2014 zwar moniert, aber vom Gesetzgeber durch die Reform 2016 nicht beseitigt. Folglich hängt die Höhe der Besteuerung weiterhin maßgeblich von der Art des vererbten Vermögens ab.

Tabelle 1
Steuer bei unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerben, 2017
  Gesamt Erbschaften Schenkungen
  in Mrd. Euro
Gesamtwert der Erwerbe vor Abzug 97,1 42,6 54,5
- Steuerbefreiungen 56,8 12,0 44,8
= Gesamtwert der Erwerbe nach Abzug 40,2 30,6 9,7
+ Berücksichtigung früherer Erwerbe 11,2 2,7 8,6
- Freibeträge -18,3 -10,9 -7,4
+ Von Dritten zu übernehmende Steuer 0,3 0,0 0,3
+ Sonstiges 0,9 0,9 -0,0
= Steuerpflichtiger Erwerb 34,4 23,2 11,2
Festgesetzte Steuer 6,3 5,0 1,3
  in %
Steuerbefreiungen in % des Gesamtwerts vor Abzug 58,5 28,3 82,2
Steuerpflichtiger Erwerb in % des Gesamtwerts vor Abzug 35,4 54,5 20,5
Festgesetzte Steuer in % der Summe aus steuerpflichtigem Erwerb und Steuerbefreiungen 6,9 14,2 2,3
Festgesetzte Steuer in % des steuerpflichtigen Erwerbs 18,3 21,6 11,4

Quelle: eigene Berechnungen mit Daten des Statistischen Bundesamts, Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2017, Tabelle 2.3.2.

Die Privilegierung bestimmter Gruppen von Erwerbern aufgrund nicht überzeugend begründbarer Befreiungen entzieht der Steuer ihre wesentlichen Rechtfertigungen.2 Auch wenn sowohl die Aufrechterhaltung als auch die Abschaffung der Steuer durchaus begründbar sind, scheint ein Konsens zu bestehen, dass eine moderate Besteuerung, die das vom Grundgesetz garantierte Erbrecht (Art. 14) und den Schutz der Familie (Art. 6) respektiert, zu einer gerechteren Steuerlastverteilung beitragen und insbesondere auch unerwünschten, vermögensbedingten Machtkonzentrationen entgegenwirken kann.3 Das BVerfG schrieb in seinem Urteil vom 22.6.1995, dass eine Besteuerung zulässig sei, sofern sie den Erwerber nicht übermäßig belaste bzw. das Erbe grundlegend beeinträchtige und das Vererben nicht als ökonomisch sinnlos erscheinen lasse. Wenn jedoch die vermögendsten Erwerber von der Steuer weitgehend freigestellt werden, können diese Ziele nicht erreicht werden. Die Steuerbelastung wirkt degressiv und die Steuersätze auf das nicht von der Steuer befreite Vermögen müssen entsprechend höher sein, um die durch die Ausnahmen bedingten Steuerausfälle zu kompensieren.

Eine weitere Folge der Ausnahmeregelungen ist, dass sie die durch Wortwahl, Satzbau und Textverweise für das deutsche Steuerrecht typische Komplexität weiter erhöhen. Gerade im ErbStG finden sich zudem Regelungen, die die endgültige Steuerlast von ungewissen Ereignissen über Zeiträume von mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten abhängig macht. So sind Verschonungsregeln nach §13a Abs. 1 und 10 und §13c ErbStG an die Einhaltung von Mindestlohnsummen und Behaltensfristen über fünf bzw. sieben Jahre und die nach §13a Abs. 9 ErbStG an die Einhaltung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen über 20 Jahre geknüpft.4 Dies hat zur Folge, dass bei Verstößen gegen die Verschonungsvoraussetzungen Steuerbescheide im Nachhinein an neue Sachverhalte angepasst werden müssen, was die Finanzverwaltung vor enorme Schwierigkeiten stellen dürfte.5

Kasten 1
Die wichtigsten Steuerbefreiungen

Betriebliches Vermögen:

  • §13a Abs. 1 und 10 ErbStG: Bei Erwerben bis 26 Mio. Euro werden 85 % (Regelverschonung) des Werts bei Einhaltung der Mindestlohnsummen und Behaltensfristen über fünf Jahre von der Steuer befreit. Eine 100 %ige Befreiung (Optionsverschonung) kann bei einer Verlängerung der Fristen auf sieben Jahre erreicht werden.
  • §13c ErbStG: Bei Erwerben über 26 Mio. Euro bis 89,75 Mio. Euro sinkt mit jedem Anstieg des Erwerbs um 750 000 Euro der von der Steuer befreite Anteil um einen Prozentpunkt von 85 % auf 0 % bei Einhaltung der Mindestlohnsummen und Behaltensfristen über fünf Jahre (abschmelzende Regelverschonung). Alternativ sinkt bei einer Verlängerung der Fristen auf sieben Jahre bei Erwerben über 26 Mio. Euro bis 89,99 Mio. Euro der steuerbefreite Anteil entsprechend von 100 % auf 15 % (abschmelzende Optionsverschonung).
  • §13a Abs. 9 ErbStG: Vorwegabschlag von bis zu 30 % vom gemeinen Wert ohne betragliche Begrenzung vor Anwendung der Verschonungsregeln bei bestimmten gesellschaftsvertraglichen Regeln, die insbesondere bei Familienunternehmen zu finden sind (Ausschüttungs- und Verfügungsbeschränkungen, Abfindungsklausel mit Entschädigung unter dem gemeinen Wert).1
  • §13b Abs. 4 Nr. 1 d ErbStG: Ausdehnung der Befreiungen für betriebliches Vermögen auf große Wohnungsunternehmen mit typischerweise mehr als 300 Wohnungen.
  • §13b Abs. 7 ErbStG: Befreiung von zum Betrieb gehörigen, sogenanntem Verwaltungsvermögen wie etwa Geldmittel und Wertpapiere in Höhe von 10 % des betrieblichen Vermögens.
  • §19a ErbStG: Grundsätzliche Anwendung des niedrigeren Tarifs der Steuerklasse I unabhängig von der familiären Bindung des Erwerbers.
  • §28a ErbStG: Erlass der Steuer bei Erwerben über 26 Mio. Euro, soweit der Erwerber die Steuer nicht aus 50 % des erworbenen und 50 % des bereits vorhandenen nicht betrieblichen Vermögens begleichen kann, bei Einhaltung der Mindestlohnsumme und Behaltensfrist über sieben Jahre.
  • §12 ErbStG: Anwendung begünstigender Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes für land- und forstwirtschaftliches Vermögen.

Immobilienvermögen:

  • §13 Abs. 4 a-c ErbStG: Steuerbefreiung für das Familienheim in unbegrenzter Höhe bei Übergang unter Ehegatten sowie im Erbfall für Kinder bis 200 Quadratmeter Wohnfläche, wenn der Erwerber im Erbfall es für zehn Jahre selbst nutzt.
  • §13d ErbStG: Generelle Befreiung von 10 % des Werts der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke.
  • §28 Abs. 3 ErbStG: Bei Bedarf zinslose Steuerstundung bis zu zehn Jahren für geerbtes Wohnvermögen nach §13d und selbstgenutztes Wohneigentum.

Familienstiftung:

  • §1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG: Besteuerung erfolgt nur alle 30 Jahre.
  • §15 Abs. 2 ErbStG: Gewährung des doppelten Freibetrags für Kinder der Steuerklasse I, also insgesamt 800 000 Euro, und Anwendung des Steuersatzes, der für die Hälfte des Vermögens gelten würde (Progressionsvorteil).

1 Der Vorwegabschlag steht im Widerspruch zur allgemeinen Bewertungsvorschrift in §9 Abs. 3 Bewertungsgesetz, wonach Verfügungsbeschränkungen bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen sind und ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Vgl. H.-U. Viskorf: Ex-BFH-Richter hält Reform der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig, in: Handelsblatt vom 29.9.2016; vgl. A. Marko: Erbschaftsteuerreform: Was lange währt, wird nicht immer gut, in: StuB – Unternehmenssteuern und Bilanzen, H. 23, 2016, S. 906.

Das Konzept der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die wichtigsten Steuerbefreiungen

Das Grundprinzip des ErbStG ist einfach. Die Steuerlast ergibt sich aus Produkt von Steuersatz und Wert des Erwerbs. Dabei nimmt der Steuersatz mit der Höhe des Erwerbs und abnehmendem Verwandtschaftsgrad zu. Hierzu gibt es drei Steuerklassen, wobei Klasse I die nächsten Verwandten und Steuerklasse III nicht verwandte Erwerber umfasst. Somit ergibt sich nach §19 ErbStG ein doppelt progressiver Tarif mit Steuersätzen zwischen 0 % und 50 %. Zudem gelten ebenfalls vom Verwandtschaftsgrad abhängige Freibeträge (§16 ErbStG) und besondere Versorgungsfreibeträge (§17 ErbStG). Sie werden unabhängig von der Vermögensart des Erwerbs gewährt. Ein administratives Problem ist die Feststellung des Werts des Erwerbs. Dies gilt insbesondere für betriebliches Vermögen, aber auch für Immobilien, Schmuck, Kunstgegenstände und Hausrat.

Die Komplexität und degressive Wirkung resultieren aus der Vielzahl der Ausnahmen. Sie werden überwiegend ohne Bedarfsprüfung gewährt. Die bedeutendsten und umstrittensten Befreiungsregeln sind die für betriebliches Vermögen, Immobilienvermögen und sogenannte Familienstiftungen, die im Interesse einer Familie errichtet wurden (vgl. Kasten 1). Ein wichtiges Instrument zur steuergünstigen Gestaltung von Schenkungen ist §14 ErbStG, der es Erwerbern erlaubt, Freibeträge und Begünstigungen mehrfach, und zwar einmal innerhalb von zehn Jahren, zu nutzen.6 So kann beispielsweise eine vollständige Steuerbefreiung auf ein betriebliches Vermögen von 52 Mio. Euro erreicht werden, wenn innerhalb von elf Jahren zwei Schenkungen von 26 Mio. Euro erfolgen. Eine Notwendigkeit für diese, den Umverteilungsgedanken konterkarierende Regelung scheint es nicht zu geben.7

Folgen der Steuerbefreiungen für Verteilung und Effizienz

Obwohl für das geltende Recht noch keine Daten veröffentlicht sind, zeigt die Statistik des Jahres 2017 für die nach altem Recht festgesetzten Fälle die Grundprobleme des Steuerkonstrukts, die nach neuem Recht fortbestehen (vgl. Tabelle 1).8 Die Steuerbefreiungen in Höhe von 56,8 Mrd. Euro, die überwiegend betriebliches Vermögen begünstigen, machten fast 60 % des Gesamtwerts der Erwerbe aus. Zudem deutet der hohe Anteil an Schenkungen darauf hin, dass die Befreiungen durch steuerliche Gestaltungen wie die mehrfache Nutzung von Freibeträgen alle zehn Jahre, Übertragungen an vermögenslose Kinder und Enkel, Kreuzschenkungen oder Gründung von Familienstiftungen stark ausgenutzt werden.9 Die festgesetzte Steuer belief sich auf 6,3 Mrd. Euro oder weniger als 1 % der gesamten Steuereinnahmen von 734,5 Mrd. Euro des Jahres 2017.10 Die steuerpflichtigen Erwerbe wurden im Durchschnitt mit 18,3 % belastet. Ohne die Steuerbefreiungen hätte bei gleichem Steueraufkommen ein moderater Steuersatz von 6,9 % ausgereicht.

Bedenklich ist, dass der progressive Steuertarif durch die Steuerbegünstigungen zu einem degressiven Tarif wird, wie Tabelle 2 zeigt. Bei Erwerben bis zu 200 000 Euro steigt die durchschnittliche Steuerbelastung auf 14,4 % und fällt anschließend bis auf nur noch 2,9 % bei Erwerben über 20 Mio. Euro (5. Spalte, Tabelle 2).

Tabelle 2
Unbeschränkt steuerpflichtige Erwerbe nach dem Wert der Erwerbe vor Abzug, 2017
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
in 1000 Euro Relationen in %
5 bis 10 85,3 0,0 0,0 5,3 6,2 0,0
>10 bis 50 94,0 1,6 3,7 7,3 7,8 1,9
>50 bis 100 91,7 2,4 5,3 12,9 14,1 4,8
>100 bis 200 88,7 3,9 8,4 14,4 16,3 8,7
>200 bis 300 85,6 3,4 6,9 11,7 13,7 6,1
>300 bis 500 81,2 7,1 13,9 7,5 9,3 8,2
>500 bis 2500 64,8 23,3 36,4 8,1 12,4 29,0
>2500 bis 5000 48,1 7,0 8,1 9,0 18,7 9,7
>5000 bis 10 000 36,4 6,2 5,5 7,5 20,7 7,2
>10 000 bis 20 000 25,1 6,7 4,1 6,7 26,7 6,9
> 20 000 8,4 38,5 7,8 2,9 34,5 17,1
Gesamt 41,5 100,0 100,0 6,5 15,6 100,0
> 2500 18,0 58,4 25,4 4,6 25,2 41,0

Anmerkung: (1) Wert der Erwerbe vor Abzug; (2) Wert der Erwerbe nach Abzug/Wert vor Abzug; (3) Anteil am Wert der Erwerbe vor Abzug; (4) Anteil am Wert der Erwerbe nach Abzug; (5) Steuer/Wert der Erwerbe vor Abzug; (6) Steuer/Wert der Erwerbe nach Abzug; (7) Anteil am Steueraufkommen.

Quelle: eigene Berechnungen mit Daten des Statistischen Bundesamts, Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik 2017, Tabelle 1.5.1.

Dieser Effekt resultiert aus den erheblichen, mit zunehmenden Werten steigenden Befreiungen. Erwerbe über 20 Mio. Euro stellen zwar 38,5 % aller Erwerbe vor Abzug dar, tragen aber nur 17,1 % zum gesamten Steueraufkommen bei (3. und 7. Spalte, Tabelle 2). Im Gegensatz dazu entfällt auf die 10 % der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen über 50 % des Aufkommens der Lohn- und Einkommensteuer.11 Unter der Annahme, dass ohne Steuerbefreiungen die Belastung auf den steuerpflichtigen Erwerb nicht 18,3 %, sondern infolge der größeren Bemessungsgrundlage nur dem Durchschnittswert aus 6,9 % und 18,3 %, also 12,6 % entsprochen hätte, errechnet sich für 2017 ein Steuerausfall von rund 5 Mrd. Euro.

Die Befreiungen werden hauptsächlich damit begründet, dass den Unternehmen ohne sie Liquidität entzogen würde und so Arbeitsplätze gefährdet würden. Laut Bundesregierung werden jedes Jahr etwa 27 000 Unternehmen, in denen rund 400 000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, übertragen.12 Unterstellt man den wenig wahrscheinlichen Fall, dass jährlich 5 % dieser Arbeitsplätze ohne die Steuerbefreiungen verloren gingen, entspräche dies bei einem Steuerverzicht von etwa 5 Mrd. Euro pro Jahr einer Subvention von 250 000 Euro pro Arbeitsplatz. Eine zinslose Ratenzahlung über zehn Jahre würde hingegen bei einem Zinssatz von 2 % barwertig nur etwa 500 Mio. Euro pro Jahr kosten. Daher erweisen sich die Befreiungen nicht nur als ein ungerechtes, sondern auch ineffizientes Instrument. Das gilt umso mehr, als die Annahme, dass eine Erbschaftsteuer ursächlich für Arbeitsplatzverluste sei, wenig plausibel ist und Liquiditätsproblemen auch ohne Steuerverzicht begegnet werden kann.

Tabelle 3
Verschonungsalternativen für begünstigtes betriebliches Vermögen
  Begünstigtes Vermögen bis 26 Mio. Euro Begünstigtes Vermögen über 26 Mio. Euro
  Fall A1 -- Fall A2.1 Fall A2.2 Fall A2.3
Art der Verschonung §13a Abs. 1 ErbStG Regelverschonung 85 % §13a Abs. 10 ErbStG Optionsverschonung 100 % §13c ErbStG abschmelzende Regelverschonung 85 % §13c ErbStG abschmelzende Optionsverschonung 100 % §28a ErbStG Steuererlass
§13a Abs. 9 ErbStG Vorweg­abschlag für qualifizierte Familienunternehmen bis 30 % bis 30 % bis 30 % bis 30 % bis 30 %
Maximale Verschonungshöhe 85 % von maximal 26 Mio. Euro 100 % von maximal 26 Mio. Euro 85 % bis 0 % von 26 bis 89,75 Mio. Euro 100 % bis 15 % von 26 bis 89,99 Mio. Euro unbegrenzt
MIndestlohnsumme und Behaltensfrist 5 Jahre 7 Jahre 5 Jahre 7 Jahre 7 Jahre

Quelle: eigene Darstellung.

Folgen der Steuerbefreiungen für Erwerbe nach Vermögensart

Die folgenden Belastungsvergleiche verdeutlichen die Privilegien, die Erwerber der von den Befreiungen besonders begünstigten Vermögensarten genießen. Tabelle 3 gibt einen Überblick der Begünstigungen für betriebliches Vermögen, deren steuerliche Auswirkungen im Vergleich zu den Belastungen des nicht begünstigten Vermögens dargestellt werden. Tabelle 4 zeigt eine Übersicht der Auswirkungen der Verschonungsregeln für den Erwerb betrieblichen Vermögens im Vergleich zum Erwerb nicht begünstigten, nicht betrieblichen Vermögens in der Steuerklasse I:

  • Fall A1: Bei Erwerben bis 26 Mio. Euro, die laut Gesetzgeber etwa 99 % der Erwerbe betrieblichen Vermögens ausmachen, ist die Regelverschonungsquote mit 85 % konstant.13 So bleibt der Erwerb nicht betrieblichen Vermögens wegen des Freibetrags nur bis 400 000 Euro, der Erwerb betrieblichen Vermögens hingegen bis 2,667 Mio. Euro steuerbefreit, da nach dem Verschonungsabschlag von 85 % die Freibetragsgrenze noch nicht überschritten wird. Da die Regelverschonung bei einem steuerpflichtigen Erwerb betrieblichen Vermögens von 26 Mio. Euro endet, ergibt sich eine Steuerlast von 665 000 Euro oder 2,6 %, während die Steuerlast für nicht betriebliches Vermögen bei einem steuerpflichtigen Erwerb von ebenfalls 26 Mio. bereits 6,912 Mio. Euro oder 26,5 % beträgt. Bei zusätzlicher Anwendung eines Vorwegabschlags von 30 % nach §13a Abs. 9 ErbStG auf das betriebliche Vermögen kann der Erwerb bei gleicher Steuerlast um das etwa 1,42-fache (= 1/(1-0,3)) höher sein. Daher können nun 3,810 Mio. Euro steuerfrei erworben werden. Der maximale nach der Regelverschonung begünstigte Erwerb erhöht sich auf 37,143 Mio. Euro bei einer Steuerlast von nur 665 000 Euro oder 1,8 %. Bei der in Tabelle 4 nicht dargestellten Nutzung der Optionsverschonung von 100 % nach §13a Abs. 10 ErbStG kann die Steuerlast auf den Erwerb betrieblichen Vermögens bis zu 26 Mio. Euro sogar ganz vermieden werden.
  • Fall A2.1: Im Rahmen der abschmelzenden Regelverschonung bei Erwerben über 26 Mio. Euro steigt die prozentuale Belastung des Erwerbs betrieblichen Vermögens ohne Vorwegabschlag progressiv an, erreicht fast 30 % aber erst bei 89,75 Mio. Euro. Die Steuerlast auf den Erwerb nicht betrieblichen Vermögens über 26 Mio. Euro beträgt in der Steuerklasse I hingegen unabhängig vom Wert des Erwerbs nahezu 30 %. Bei zusätzlicher Anwendung eines Vorwegabschlag von 30 % nach §13a Abs. 9 ErbStG auf das betriebliche Vermögen reduziert sich die Belastung um mehr als 30 %, da der Abschlag nicht nur den Wert des Erwerbs reduziert, sondern auch den Anteil der Verschonung erhöht. Entsprechend ist die prozentuale Belastung bei einem Erwerb von 89,75 Mio. Euro mit 13,3 % deutlich niedriger.
  • Fall A2.2: Bei abschmelzender Optionsverschonung von 100 % bei Erwerben ab 26 Mio. Euro auf 15 % bei 89,99 Mio. Euro nach §13c ErbStG ist die Verschonung des betrieblichen Vermögens gegenüber Fall A2.1 bei gleichem Wert des Erwerbs um jeweils 15 Prozentpunkte höher. Erst bei Erwerben ab 90 Mio. Euro entfällt die Verschonung schlagartig, was verfassungsrechtlich bedenklich sein dürfte.14 Bei Anwendung eines Vorwegabschlags von 30 % nach §13a Abs. 9 ErbStG auf das betriebliche Vermögen können Erwerbe bis 38,214 Mio. Euro steuerfrei bleiben. Berücksichtigt man noch den Freibetrag von 400 000 Euro werden sogar Erwerbe bis 39,285 Mio. Euro (= 27,5 Mio. Euro/(1-0,3) verschont.
  • Fall A2.3: Bei Erwerben über 26 Mio. Euro kann auf Antrag nach §28a ErbStG die Steuer erlassen werden (Verschonungsbedarfsprüfung), sofern 50 % des übertragenen und 50 % des bereits vorhandenen nicht betrieblichen Vermögens des Erwerbers zur Begleichung der Steuer nicht ausreicht. Dies schließt auch ein Familienheim ein, das ansonsten von der Steuer befreit ist.15 Bei einer Übertragung betrieblichen Vermögens auf Kinder, die über kein eigenes Vermögen verfügen, können auf diese Weise sogar Erwerbe von mehreren Milliarden Euro steuerfrei bleiben.16 Da §28a ErbStG nur für Erwerbe über 26 Mio. Euro gilt, die laut Gesetzgeber nur etwa 1 % aller Erwerbe ausmachen, ist es fraglich, ob diese Regelung verfassungskonform ist.17 Dass der Gesetzgeber lediglich die Hälfte des Vermögens bei der Bedarfsprüfung berücksichtigt, ist aus Sicht der nicht privilegierten Steuerzahler ebenso unverständlich wie die Gewährung großzügiger Verschonung ohne Bedarfsprüfung in rund 99 % der Fälle. Die vom BVerfG vertretenen Bedenken, dass eine Bedarfsprüfung, die auch vorhandenes Vermögen einschließt, systemwidrig sei, können nicht überzeugen.18

Die Begünstigungen des Immobilienvermögens sind teils in der Höhe und teils in der Sache unbegründet und somit eine weitere Ursache für ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen. So ist die Privilegierung eines selbstgenutzten Familienheims in der Sache noch nachvollziehbar. Fraglich ist, ob dies auch eine völlige Verschonung ohne Wertobergrenze rechtfertigt, zumal §28 Abs. 3 ErbStG in diesen Fällen eine Steuerstundung über zehn Jahre vorsieht. Dennoch stellt es einen Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit dar, wenn Geldvermögen über der Freibetragsgrenze besteuert und selbstgenutztes Immobilienvermögen in unbegrenzter Höhe freigestellt wird. Dies gilt auch für die in §13 Abs. 4b und 4c ErbStG enthaltenen Regeln, die die Steuerbefreiung des Erwerbs des Familienheims an eine zehnjährige Eigennutzung knüpfen. Statt der Ausnahmen für Familienheime sollten daher die Freibeträge deutlich angehoben werden. Damit wäre auch §28 Abs. 3 ErbStG gegenstandslos. Der Wertabschlag für vermietete Wohnimmobilien von 10 % nach §13 d ErbStG ist ebenfalls unbegründet und sollte gestrichen werden.

Tabelle 4
Übersicht der steuerlichen Belastungen für betriebliches und nicht betriebliches Vermögen
Art Nicht begünstigt Betriebliches Vermögen
Höhe unbegrenzt bis 26 Mio. Euro 26 Mio. bis 89,75 Mio. Euro 26 Mio. bis 89,99 Mio. Euro
Verschonung keine Regel­verschonung Options­verschonung
Umfang der Verschonung -- Fall A1 konstant 85 % Fall A2.1 abschmelzend von 85 % auf 0 % Fall A2.2 abschmelzend von 100 % auf 15 %
Vorweg­abschlag ohne ohne mit ohne mit ohne mit
Erwerb in 1000 Euro Steuerlast in 1000 Euro bei einem Freibetrag von 400 000 Euro
400 0 0 0 -- -- -- --
2 667 431 0 0 -- -- -- --
3 810 648 19 0 -- -- -- --
5 000 874 53 14 -- -- -- --
10 000 2 208 209 124 -- -- -- --
20 000 5 292 494 323 -- -- -- --
26 000 6 912 665 443 -- -- -- --
27 500 8 130 -- 473 812 -- 17 --
37 143 11 023 -- 665 2 385 -- 912 --
39 286 11 666 -- -- 2 799 812 1 444 17
60 000 17 880 -- -- 10 680 3 974 7 980 1 937
89 750 26 805 -- -- 26 536 11 942 22 497 9 115
90 000 26 880 -- -- -- 11 976 22.830 9 141
128 214 38 344 -- -- -- 26 536 -- 22 497
128 571 38 451 -- -- -- -- -- 22 830

Quelle: eigene Berechnungen.

Da der Zweck des Vermögens von Familienstiftungen oder -vereinen definitionsgemäß „wesentlich im Interesse einer Familie“ liegt, sind Begünstigungen schwerlich mit dem Gemeinwohlinteresse zu begründen.

Begründungen der selektiven Steuerbefreiungen

Das BVerfG hat bereits 1995 und 2006 Bewertungsvorschriften, die zu Wertverzerrungen und Belastungsungleichheiten führen, für verfassungswidrig erklärt.19 Können dann Steuerbefreiungen, die zu vergleichbarer Ungerechtigkeit führen, verfassungskonform sein?

In seiner ausschweifenden, 88 Seiten langen Urteilsbegründung von 2014 übernimmt das BVerfG kritiklos drei von Interessengruppen und von diesen beeinflussten Politikern vorgebrachte Argumente, die die Privilegien für Erwerber betrieblichen Vermögens rechtfertigen sollen. Auf die Befreiungen für Immobilienerwerbe und Familienstiftungen ging das Gericht nicht ein.

  1. Die Verschonung der Liquidität kleiner und mittlerer Familienbetriebe zur Sicherung ihres Bestands und zum Erhalt von Arbeitsplätzen sei durch Gemeinwohlgründe gerechtfertigt.
  2. Die Steuerlast solle die Erwerber nicht zum Verkauf dieser Betriebe zwingen.
  3. Die Steuerbefreiungen dienten dem Gemeinwohl, da in personaler Verantwortung geführte mittelständische Unternehmen weniger rendite- und stärker standort- und arbeitsplatzorientiert agierten und die mittelständische Unternehmenslandschaft von besonderer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft sei.20

Keine dieser Begründungen, die auf freiwillige Schenkungen ohnehin nicht zutreffen, ist überzeugend. Die Erhaltung von Arbeitsplätzen ist ein legitimes Ziel der Politik. Allerdings ist die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die Steuerbefreiungen alternativlos seien, da Steuerstundungen zu einem Liquiditätsentzug führten, abwegig. Demnach ist nämlich jede Steuerbelastung potenziell gefährdend für Beschäftigung und Wachstum. Dass diese Gefährdung ausgerechnet bei der Erbschaftsteuer völlig eliminiert werden müsse, ist unhaltbar. Zudem würde eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage deutlich niedrigere Steuersätze erlauben und so Befreiungen entbehrlich machen.21 Dabei sind die geltenden Regelungen kaum geeignet und ineffizient. Die Steuerbefreiung nach §13a ErbStG sieht nämlich für Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern keine Verpflichtungen für den Erhalt der Beschäftigung vor und lässt bei Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern für den maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren einen Abbau zwischen 20 % und 50 % der Belegschaft zu. So können prosperierende Unternehmen von der Befreiung profitieren, während gefährdete Unternehmen, die nur durch Personalabbau überleben könnten, mit der Steuer belastet werden. Eine etwa bei der Vergabe von Sozialleistungen selbstverständliche Bedürfnisprüfung lehnte das Gericht zumindest für kleine und mittelgroße Unternehmen ab, da dies die Steuererhebung erschwere und die Prüfung auf vorhandenes Vermögen des Erwerbers „in erheblichem Widerspruch zur Systematik des Erbschaftsteuerrechts, das für die Bemessung der Steuer allein auf die Bereicherung durch das durch den Erbfall oder die Schenkung Erworbene abstellt“22 stehe.

Die Höhe der Erbschaftsteuer ist jedoch kalkulierbar. Insofern kann man erwarten, dass Unternehmer hierfür, wie für andere Aufwandsarten auch, Vorsorge treffen, etwa durch Bildung von Reserven oder durch eine Lebensversicherung, und nötigenfalls die Steuer aus vorhandenem Vermögen oder durch Kreditaufnahme begleichen. Auch ein Verkauf von Unternehmensteilen ist zumutbar, da dieser nicht ursächlich für Arbeitsplatzverluste ist und keine Gemeinwohlgründe für den Erhalt des Eigentums innerhalb einer Familie vorgebracht werden können.23 Sogar der Gesetzgeber verlangt im Rahmen der Bedürfnisprüfung des §28a ErbStG, dass die Erbschaftsteuer bei Bedarf durch die Veräußerung des ansonsten von der Steuer verschonten Familienheims beglichen werden muss.24

Als Ultima Ratio könnte man es den Erben ermöglichen, die Steuerschuld durch Übertragung von Unternehmensteilen zum gemeinen Wert an die öffentliche Hand zu begleichen. Im Gegensatz zu einer Stundung führte diese Möglichkeit im Sinne des Gerichts zu keiner Zahlungsverpflichtung und somit auch keiner Erhöhung der Verschuldung. Möchte der Staat dennoch Steuerstundungen gewähren, sollte dies nur im Bedarfsfall und bei Nachweis einer angemessenen privaten Vorsorge erfolgen. Zudem müssten diese Stundungsmöglichkeiten allen Erben offenstehen.

Schließlich können auch die vom Gesetzgeber vorgebrachten, aber nicht belegten und vom Gericht ungeprüft übernommenen Ansichten zu den Vorzügen mittelständischer Unternehmenskultur steuerliche Privilegien nicht begründen. Diese Mittelstandsromantik scheint einem von Lobbyisten gerne verbreiteten Mythos zu folgen. Zudem sind mittelständische Unternehmen keineswegs typisch für Deutschland, sondern mit einem Anteil von mehr als 99 % aller Unternehmen der Regelfall in der Europäischen Union. Grotesk sind schließlich die bereits in früheren Urteilen vorgetragenen Kommentare zur generellen Begünstigung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, die unter anderem zum Schutz der Bevölkerungsernährung und aufgrund der strukturellen Besonderheiten wie der starken inneren Bindung der Landwirte an Grund und Boden, der Abhängigkeit von der Natur als besonderem Betriebsrisiko und dem ökologischen Beitrag legitimiert sei.

Fazit zur Erbschaftsteuerreform

Die Ausgestaltung des Erbschaftsteuergesetzes bleibt in jeder Hinsicht unbefriedigend. Die Ungleichbehandlung der Erwerber, die Überforderung der Verwaltung durch komplizierte Sonderregeln sowie die degressive Wirkung und ökonomische Ineffizienz der Steuerbefreiungen, dürften weiterhin in Widerspruch zu dem in der Verfassung verankerten Gleichheitssatz und zu den mit der Steuer verfolgten Zielen stehen.25

Folgt man der Auffassung, dass eine Erbschaft- und Schenkungsteuer ebenso wie eine Vermögensteuer am überzeugendsten damit begründet werden kann, dass sie unerwünschten, vermögensbedingten Machtkonzentrationen entgegenwirkt, müssen die allgemeinen Freibeträge sehr viel höher sein als derzeit. Hohe Freibeträge von mehreren Millionen Euro, die auch die Übertragung von Eigenheimen in Großstädten erlaubten und die Zahl der zu bearbeitenden Fälle drastisch reduzierten, würden auch die Akzeptanz der Steuer deutlich erhöhen. Gemäß Steuerstatistik 2017 ließe sich bei einem Freibetrag von 5 Mio. Euro die Zahl der Fälle um 99 % auf unter 2000 reduzieren, wobei der Wert der Erwerbe vor Abzug der Befreiungen lediglich um die Hälfte sinken würde. Dass dabei das Steueraufkommen ohne Gegenmaßnahmen um fast 70 % fallen würde, spricht nicht gegen dieses Vorgehen, sondern verdeutlicht die ungerechtfertigt degressive Ausgestaltung der derzeitigen Regeln. Zudem könnte bei Besteuerung der Erwerbe über 5 Mio. Euro mit einem durchschnittlichen Satz von 12,6 %, also weniger als der gemäß §19 ErbStG für Erwerbe der Steuerklasse I bis 6 Mio. Euro vorgesehenen Steuersatz von 19 % und weniger als die Hälfte des maximalen Satzes von 30 %, der Ausfall bereits kompensiert werden.

Leider ist nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber den dringenden Handlungsbedarf auch ohne Aufforderung durch Gerichte erkennen und Abhilfe schaffen wird. Aufgrund der sich eintrübenden Konjunktur werden sogar bereits Forderungen nach weiteren Steuervergünstigungen bei der Erbschaftsteuer laut.26 Angesichts der zahlreichen Mängel der Gesetzgebung ist davon auszugehen, dass Erben und Beschenkte den Weg der Verfassungsbeschwerde prüfen werden.

  • 1 Zur Entstehung des „Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, vgl. Deutscher Bundestag, Drucksachen 18/5923, 18/6279, 18/8911, 18/8912, 18/9155, 18/9690 sowie Plenarprotokoll 18/193 vom 29.9.2016.
  • 2 Zur Begründung einer Erbschaftsteuer vgl. J. Sigloch: Erbschaftsteuer – Grundsätzliche Überlegungen und Folgerungen, in: G. Brähler, C. Lösel (Hrsg.): Deutsches und internationales Steuerrecht – Gegenwart und Zukunft, Festschrift für Christiana Djanani, Wiesbaden 2008, S. 655-682; vgl. J. Beckert: Der Diskurs um die Erbschaftsteuer, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 111. Jg. (2007), H. 1, S. 27-31.
  • 3 Für eine moderate Besteuerung vgl. Kronberger Kreis: Erbschaftsteuer: Behutsam anpassen, Kronberger Kreis-Studien, Nr. 46, Stiftung Marktwirtschaft, Berlin 2007, S. 10.
  • 4 Für eine ausführliche Darstellung der Verschonungsregeln vgl. S. Huber, A. Schmidt, K. Horch: Die Erbschaftsteuerreform, Baden-Baden 2017, S. 89 ff.
  • 5 Zur Kritik an der Komplexität der Neuregelung vgl. P. Handzik: Erbschaft- und Schenkungsteuer, Berlin 2017, S. 172 ff.; R. Landsittel: Die Erbschaftsteuerreform 2016 im praxisorientierten Überblick, in: ZErb – Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis, 2016, H. 12, S. 395; A. Marko: Erbschaftsteuerreform: Was lange währt, wird nicht immer gut, in: StuB – Unternehmenssteuern und Bilanzen, H. 23, 2016, S. 906; T. Wachter: Erste Konturen des neuen Erbschaftsteuerrechts, in: FR – Finanz-Rundschau, 2016, H. 15, S. 697 und S. 705.
  • 6 Zu dieser und anderen Gestaltungsmöglichkeiten vgl. L. Zipfel: Vermögensnachfolge, Erbschaftsteuerliche Gestaltungen und Optimierung, Wiesbaden 2014, S. 89, S. 263 ff.
  • 7 Vgl. S. Bach: Erbschaftsteuer, Vermögensteuer oder Kapitaleinkommensteuer: Wie sollen hohe Vermögen stärker besteuert werden?, DIW Discussion Papers, Nr. 1619, Berlin 2016, S. 21.
  • 8 Die Steuer muss innerhalb von vier Jahren, nachdem die Steuerverwaltung von einer Vermögensübertragung Kenntnis erlangte, festgesetzt werden, vgl. P. Mödinger, M. Kaiser: Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen am Beispiel der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik, in: Wirtschaft und Statistik, H. 6, 2018, S. 103.
  • 9 Zu Kreuzschenkungen vgl. M. Breyer: Das neue Erbschaftsteuerrecht, in: FuS Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie, H. 5, 2016, S. 166.
  • 10 Vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 14, Reihe 4, 2018 Finanzen und Steuern, Steuerhaushalt.
  • 11 Statistisches Bundesamt: Lohn- und Einkommensteuer 2015 vom 12.6. 2019, Tabelle B1.1, eigene Berechnung.
  • 12 Deutscher Bundestag, Drucksache 18/5923, S. 21.
  • 13 Ebenda, S. 24.
  • 14 Vgl. T. Wachter, a. a. O., S. 702.
  • 15 Zu diesem Wertungswiderspruch vgl. C. Riedel: Verschonungskonzepte für Unternehmensvermögen nach dem ErbStG 2016, in: ZErb – Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis, 2016, H. 12, S. 379.
  • 16 Ähnliches und weitere Berechnungsbeispiele vgl. B. Scholz, A. Truger: Erbschaftsteuer-Reform 2016: Eine Aktualisierung der Fallbeispiele nach dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss, Kurzexpertise im Auftrag von Campact 2016.
  • 17 Vgl. P. Handzik, a. a. O., S. 260; T. Wachter, a. a. O., S. 701.
  • 18 Vgl. Bundesverfassungsgericht: Urteil des Ersten Senats vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12BVerfG 2014, S. 46.
  • 19 Vgl. Bundesverfassungsgericht: Beschluss des Zweiten Senats vom 22.6.1995, 2 BvR 552/91; Bundesverfassungsgericht: Beschluss des Ersten Senats vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02.
  • 20 Zu der Begründung vgl. Bundesverfassungsgericht 2014, a. a. O., S. 42, 48-49.
  • 21 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/09, Wiesbaden 2008; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Finanzen: Die Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer, Gutachten 1/2012. Beide kritisieren zudem, dass die Ausgestaltung der Steuer einen Anreiz bietet, die Unternehmensnachfolge in der Familie zu regeln.
  • 22 Vgl. Bundesverfassungsgericht 2014, a. a. O., S. 46.
  • 23 Vgl. J. P. Meincke: Rechtfertigung der Erbschaft- und Schenkungsteuer, in: D. Birk, O. Schmidt: Steuern auf Erbschaft und Vermögen, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V., Bd. 22, 1999, S. 45.
  • 24 Vgl. C. Riedel, a.a.O., S. 379.
  • 25 Selbst die Bundestagsabgeordnete Hajduk von Büdnis90/Die Grünen, deren Abgeordnete die Gesetzesänderung 2016 im Bundestag ablehnten, ihr jedoch im Bundesrat zustimmten, nannte das Gesetz schon bei der Abstimmung im Bundestag am 29.9.2016 verfassungskritisch und hielt Klagen gegen das Gesetz für wahrscheinlich.
  • 26 Ioannis Ioannidis, Vorstandsvorsitzender der Oskar Frech GmbH mit dieser Forderung im Beitrag „Maschinenbau leidet unter Handelskonflikten“ auf tagesschau 24 vom 2.8.2019.

Title:Effects of Tax Exemptions in the Context of the Inheritance Tax Reform

Abstract:The 2016 German Inheritance Tax reform brought some modifications to the highly debated new and existing tax exemptions both favouring the transferees of business property. The analysis shows that the unintended consequences of this policy such as unequal treatment of transferees, administrative problems and economic inefficiencies persist. Furthermore, the analysis shows that there is no reasonable economic justification for the existing and highly discriminatory exemptions, which predominantly serve the politically-influential owners of midsize enterprises. Once again, an appeal at the constitutional court may be required and would likely be successful considering the grave shortcomings of the current legislation.

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DOI: 10.1007/s10273-019-2527-4

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