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Die ökonomische Forschung zum Thema „Weihnachten“ hat sich mit dem potenziellen Wohlfahrtsverlust durch Weihnachtsgeschenke beschäftigt. Joel Waldfogel hat in einem vieldiskutierten Aufsatz untersucht, ob der subjektive Wert der Geschenke geringer ist als seine Kosten. Dieser Ansatz ignoriert die Wohlfahrtswirkung der Geschenke auf die Schenkenden. In einer Umfrage unter Studenten wurde gezeigt, dass das Schenken einen Mehrwert schafft, weil es den Schenkenden Freude bereitet. Dies sollte bei der wirtschaftlichen Bewertung von Weihnachtsgeschenken nicht ignoriert werden.

Alle Jahre wieder befassen sich Ökonomen mit Weihnachten. Ein wesentliches Element der Weihnachtstradition besteht im Austausch von Geschenken innerhalb der Familie und zwischen Freunden. Dies provoziert aus ökonomischer Perspektive mehrere Fragen. Eine Frage besteht darin, was die schenkende Person motiviert, ein Geschenk zu machen. Eine zweite Frage nimmt die Perspektive der beschenkten Person ein und untersucht, was die beschenkte Person von einem Geschenk hat (und ob andere Geschenke nicht besser wären).

Waldfogels Veröffentlichung

Die zweite Frage ist ausgehend von der bahnbrechenden Veröffentlichung von Joel Waldfogel ausführlich diskutiert worden.1 Laut Waldfogel besteht eine Diskrepanz zwischen den Kosten eines Geschenks und dem Wert, den die Beschenkten dem Geschenk beimessen. In einer Umfrage unter Studierenden hat Waldfogel herausgefunden, dass regelmäßig die Kosten den Wert des Geschenks übersteigen. Offenbar besteht ein erhebliches Problem darin, passende Geschenke zu finden. Das Phänomen ist in der Alltagserfahrung nicht ganz unbekannt: Omas gestrickter Pullover kratzt und passt farblich nicht ganz zur übrigen Kleidung. Der Waldfogelschen Logik zufolge wäre es wohlfahrtssteigernd, anstelle von Sachgeschenken lediglich Bargeld zu überreichen. Anstatt den kratzigen Pullover zu tragen, kann man sich dann mit geschenktem Geld selbst etwas Passendes kaufen.

Waldfogels Ergebnis hat seinerzeit eine ausführliche Debatte ausgelöst, in der methodische Aspekte seiner Untersuchung kritisch hinterfragt wurden. In Abhängigkeit von den Bewertungs- und Messmethoden variieren die Befunde zur Wohlfahrtswirkung von Weihnachten. In den meisten Studien zur Frage der Wohlfahrtsgewinne oder -verluste obliegt es den Beschenkten, die Kosten ihrer Geschenke zu schätzen. Interessanterweise liegen sie typischerweise dabei ziemlich richtig.2 Die Frage, ob die Kosten den subjektiven Wert der Geschenke aus der Perspektive der Beschenkten übersteigen, reagiert offenbar sensibel auf die Methode, mit der die Wertschätzung der Geschenke durch die Beschenkten gemessen wird. So finden einige Analysen bei anderer Messmethoden durchaus positive Wohlfahrtseffekte.3

Joachim Weimann hat in seinem Beitrag für den Wirtschaftsdienst vor einigen Jahren bereits die Frage aufgeworfen, ob denn eine Tradition wie das Schenken zu Weihnachten tatsächlich dauerhaft Bestand haben würde, wenn sie so inhärent ineffizient wäre.4 Schließlich ist aber auch die Frage der Treffsicherheit von Geschenken nicht exogen gegeben, sondern lässt sich von Schenkenden wie Beschenkten beeinflussen. Weimann merkt an, dass etwa Wertgutscheine die Gefahr eines Wohlfahrtsverlustes verringern könnten, da die Beschenkten sich dann selbst ihr konkretes Geschenk aussuchen können. Eine weitere Möglichkeit bieten Sammlerkollektionen, die sich alle Jahre wieder durch ein weiteres Sammlerstück ergänzen lassen.

Nicht vernachlässigt werden sollte eine Möglichkeit, mit der die Beschenkten Einfluss auf die Geschenke nehmen können, der Wunschzettel. Ebenso wie Weihnachten selbst ist dies eine Tradition, die jedes Jahr von Millionen von Kindern durchaus effizienzsteigernd eingesetzt wird. Offenbar gibt es Institutionen, die den potenziellen Ineffizienzen bestimmter Traditionen entgegenwirken.

Die Sicht der Schenkenden

Vielleicht ist aber der gesamte Prozess des Schenkens auch weniger ineffizient als bislang herausgefunden wurde. Die Forschung in der Folge zu Waldfogels Untersuchung hat sehr auf die Perspektive der Beschenkten (die Nachfrageseite) abgestellt. Dies ist vielleicht eine zu einseitige Betrachtung. Schenken ist ein sozialer Vorgang, der aus zwei Seiten besteht: Der Seite der Beschenkten und der Seite der Schenkenden. Die Angebotsseite, die Perspektive der schenkenden Person, wurde bislang eher weniger berücksichtigt.

In einer Befragung unter Studierenden der Universität Göttingen untersuchen Laura Birg und Simon Pommeranz den Wohlfahrtseffekt des weihnachtlichen Schenkens insbesondere aus der Perspektive der Schenkenden.5 In ihrer Umfrage finden sie heraus, dass für die Befragten das Schenken von Sachgeschenken im Durchschnitt einen positiven Wohlfahrtseffekt auslöst. Die Befragten sollten Aussagen über Sachgeschenke treffen, die sie zu schenken planen und teilweise auch schon gekauft hatten. Sie sollten dann angeben, in welcher Höhe sie ein Geldgeschenk anstelle des Sachgeschenks machen würden.

Die Höhe des hypothetischen Geldgeschenks verrät etwas über die Vermutung der schenkenden Person, wie das Geschenk wohl bei der beschenkten Person ankommt. Übersteigt das hypothetische Geldgeschenk die Kosten des Sachgeschenks, könnte dies so gedeutet werden, dass die schenkende Person davon ausgeht, dass aus der Perspektive der beschenkten Person der Wert des Geschenks seine Kosten übersteigt. Umgekehrt kann ein geringerwertiges Geldgeschenk so gedeutet werden, dass die schenkende Person davon ausgeht, dass die subjektive Wertschätzung des Sachgeschenks unterhalb der Kosten des Geschenks liegt. Für vergleichsweise günstige Geschenke gaben die Befragten im Durchschnitt an, dass der Betrag des hypothetischen Geldgeschenks die Kosten des Geschenks übersteigt. Bei sehr teuren Geschenken verhält es sich genau umgekehrt: Das hypothetische Geldgeschenk ist deutlich kleiner als die Kosten des Geschenks. Insbesondere bei teuren Geschenken sind sich die Befragten offenbar nicht so sicher, ob die subjektive Wertschätzung die hohen Kosten des Geschenks rechtfertigt.

Darüber hinaus sollten die Befragten angeben, wie viel Geld man ihnen als Kompensation zahlen müsste, wenn sie ein Geldgeschenk statt des Sachgeschenks machen müssten. Mit dieser Antwort wird die Freude des Schenkenden am Sachgeschenk gemessen. Tatsächlich geben die schenkenden Personen im Durchschnitt an, dass man sie für den Verzicht auf das Sachgeschenk zugunsten eines Geldgeschenks entschädigen müsste. Es ist ihnen also etwas wert, ein Sachgeschenk zu machen. Im Verhältnis zum Kaufpreis des Geschenks sinkt die verlangte Kompensation allerdings: Überdurchschnittlich teure Geschenke bereiten also auch der schenkenden Person eher unterdurchschnittlich viel Freude.

Die Freude am Schenken kann durch Altruismus bedingt sein, aber auch etwa durch die Freude am Prozess des Schenkens oder eigene Freude an dem Geschenk. Selbst wenn beim Beschenkten der gestrickte Pullover, der etwas kratzt und farblich nicht ganz passend ist, nicht auf ungeteilte Freude stößt, so hat Oma, die den Pullover gestrickt oder und die Wolle ausgesucht hat, Freude im Prozess der Erstellung.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass, der Waldfogel- Überlegung folgend, nicht alle Geschenke passend sind, könnte die positive Wohlfahrtswirkung bei den Schenkenden hinreichend groß sein, um den Wohlfahrtsverlust der Beschenkten überzukompensieren. Durch eine umfassendere Analyse unter Beachtung beider Marktseiten ließe sich so vielleicht der angekratzte wohlfahrtsökonomische Ruf von Weihnachten also retten: Die Freude von Schenkenden und Beschenkten zusammen könnte im Durchschnitt die Kosten der Geschenke überwiegen. Jedoch kann es außer der reinen Freude auch noch andere Gründe für Geschenke geben. So könnte es auch sein, dass Menschen anderen Menschen etwas schenken, weil sie etwas von ihnen wollen. In diesem Kontext können Geschenke ein Signal sein, das Interesse an einer langfristigen Beziehung ausdrückt. Wer allerdings zu gute Geschenke macht, läuft Gefahr, dass andere Personen aus opportunistischen Gründen, also nur wegen der Geschenke, an der Beziehung interessiert sind. Ineffiziente Geschenke ermöglichen es daher, Interesse an einer Beziehung zu signalisieren, ohne ausschließlich Opportunisten anzulocken.6 Zu Weihnachten passt dieser Zusammenhang allerdings nur eingeschränkt. Vielfach finden Weihnachtsgeschenke ja innerhalb langjährig bestehender Beziehungen statt. Innerhalb solcher Beziehungen können Sachgeschenke dazu dienen, Kenntnis über die Präferenzen der beschenkten Person zu signalisieren (und damit etwa Wertschätzung auszudrücken oder Reputation aufzubauen). Ein Bargeldgeschenk kann genau dies nicht. Insofern ist die (vermeintliche) Ineffizienz des Sachgeschenks eine Voraussetzung dafür, dass es seine Signalfunktion überhaupt ausüben kann.7

Weihnachten ist aber nicht nur ein Fest der Geschenke. Es ist ein Fest der Besuche, der Reisen, des guten Essens und der vielen vorbereitenden Einkäufe. Das geänderte Konsumverhalten vor Weihnachten fördert Erstaunliches über die Funktionsweise von Märkten zutage.8

Wohlfahrtsgewinne zu Weihnachten

Vor Weihnachten wird mehr eingekauft, etwa Geschenke, aber auch Lebensmittel für die vielen Einladungen zum Essen. Auch wenn dies einen positiven Nachfrageschock bedeutet, steigen die Preise für viele Güter vor Weihnachten im Durchschnitt nicht. Sie sinken sogar. Hierfür gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Eine Erklärung besteht darin, dass Such- und Vergleichskosten für die Kunden unabhängig von der gekauften Menge sind. Wenn vor Weihnachten mehr gekauft wird, dann lohnt es sich für Konsumenten mehr, Preise zu vergleichen. Hierdurch steigt die Preiselastizität der Nachfrage.9 Eine weitere Erklärung besteht darin, dass zwischen Geschäften in der Regel eine stillschweigende Absprache besteht, überhöhte Preise zu verlangen. In Zeiten erhöhter Nachfrage ist der Anreiz hoch, die implizite Absprache zu brechen und durch niedrige Preise Kunden in den eigenen Laden zu locken.10

Weihnachten geht mit reger Reisetätigkeit einher. Nun könnte man meinen, dass dies zu einem Anstieg der Preise an den Tankstellen führt. Allerdings ist dies wiederholt nicht nachgewiesen worden. In mehreren Untersuchungen konnte kein Anstieg der Preise für Pkw-Kraftstoffe vor Weihnachten nachgewiesen werden.11

Weihnachten ist also nicht nur früher als man denkt, sondern vielleicht auch besser als sein Ruf. Auch wenn nicht alle Geschenke immer perfekt passen, bereitet der Prozess des Schenkens offenbar Freude. Und noch größer wird die Freude aus ökonomischer Sicht auch dadurch, wenn man erkennt, dass die vermeintliche Ineffizienz vielleicht weniger schädlich ist als man denkt. Sie gehört einfach dazu wie Omas kratziger Pullover.

  • 1 Vgl. J. Waldfogel: The Deadweight Loss of Christmas, in: American Economic Review, 83. Jg. (1993), H. 5, S. 1328-1336.
  • 2 K. E. Principe, J. G. Eisenhauer: Gift-giving and deadweight loss, in: Journal of Socio-Economics, 38. Jg. (2009), H. 2, S. 215-220.
  • 3 Vgl. etwa S. Solnick, D. Hemenway: The Deadweight Loss of Christmas: Comment, in: American Economic Review, 86. Jg. (1996), H. 5, S. 1299-1305; und J. List, J. F. Shogren: The Deadweight Loss of Christmas: Comment, in: American Economic Review, 88. Jg. (1998), H. 5, S. 1350-1355.
  • 4 Vgl. J. Weimann: Die Ökonomik der Weihnachtsgeschenke, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), H. 12, S. 842-843.
  • 5 Vgl. L. Birg, S. Pommeranz: The Deadweight Loss of Christmas, Reply, Cege Discussion Paper, Nr. 361, 2018.
  • 6 Vgl. C. Camerer: Gifts as Economic Signals and Social Symbols, in: American Journal of Sociology, 94. Jg. (1988), S. S180-S214.
  • 7 Vgl. C. Prendergast, L. Stole: The non-monetary nature of gifts, in: European Economic Review, 45. Jg. (2001), S. 1793-1810.
  • 8 Für eine Übersicht über die ökonomische Forschung zu Weihnachten vgl. L. Birg, A. Goeddeke: Christmas Economics – A Sleigh Ride, in: Economic Inquiry, 54. Jg. (2016), H. 4, S. 1980-1984. Vgl. auch ausführlicher: L. Birg, A. Goeddeke: Christmas Economics – A Sleigh Ride, Cege Discussion Paper, Nr. 220, 2014. Vgl. für eine Zusammenfassung P. Bernau: Sieben gute Nachrichten über Weihnachten. Fazit – das Wirtschaftsblog, 2014, https://blogs.faz.net/fazit/2014/12/22/sieben-gute-nachrichten-ueber-weihnachten-5138 (21.10.2019).
  • 9 Vgl. E. J. Warner, R. B. Barsky: The Timing and Magnitude of Retail Store Markdowns: Evidence from Weekends and Holidays, in: Quarterly Journal of Economics, 110. Jg. (1995), H. 2, S. 321-352.
  • 10 Vgl. J. J. Rotemberg, G. Saloner: A Supergame-Theoretic Model of Price Wars during Booms, in: American Economic Review, 76. Jg. (1986), H. 3, S. 390-407.
  • 11 Vgl. J. Hall, R. Lawson, L. Raymer: Do Gas Stations Raise Prices on the Weekend or Holidays?, in: Atlantic Economic Journal, 35. Jg. (2007), H. 1, S. 119-120; und M. C. Davis: On Which Days Do Gasoline Stations Raise Prices?, in: Atlantic Economic Journal, 38. Jg. (2010), H. 1, S. 113-114 für die USA. Die Lage in Australien untersuchen J. D. Mitchell, L. L. Ong, H. Y. Izan: Idiosyncrasies in Australian petrol price behaviour: evidence of seasonalities, in: Energy Policy, 28. Jg. (2000), H. 4, S. 243-258; sowie A. Valadkhani: Seasonal patterns in daily prices of unleaded petrol across Australia, in: Energy Policy, 56. Jg. (2013), S. 720-731. Für den kanadischen Markt vgl. C. Erutku: Les Prix élevés de l’essence avant les longues fins de semaine: mythe ou réalité?, in: Canadian Public Policy/Analyse de Politiques, 33. Jg. (2007), H. 1, S. 85-91.

Title:Good Economic News for Christmas

Abstract:The Christmas economics has addressed the potential welfare loss due to the purchase of Christmas gifts. This occurs when the subjective value of the gifts is less than the cost of the gift. This approach ignores the welfare effect of the gifts on the gift-givers. In a survey among students, it was shown that gift-giving also creates value by giving pleasure to the gift-givers. This should not be ignored in the economic evaluation.


DOI: 10.1007/s10273-019-2543-4

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