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Auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts das Stadium der Klimaneutralität zu erreichen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn Maßnahmen für den Klimaschutz nicht auf einzelne Länder konzentriert bleiben. Um die nationale Ebene zu verlassen und sicherzustellen, dass die Emission von Treibhausgasen global reduziert wird, bietet sich der Emissionshandel als ein effizientes Instrument an. Allerdings müsste der CO2-Preis global vereinheitlicht werden, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und die Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) kommt. In diesem Zusammenhang wird die Einführung von CO2-Steuern gefordert. Deutschland wird seine klimapolitischen Ziele für 2020 verfehlen. Wenn es für die folgenden Jahrzehnte gelingen soll, die erforderlichen deutlichen Rückgänge bei den Treibhausgasemissionen zu erreichen, muss es hier zu einem politischen und gesellschaftliche Umdenken kommen. Wie hoch die Anforderungen sind, zeigt ein Vergleich zwischen den in der Vergangenheit erreichten und den zukünftig notwendigen Anstrengungen.

Deutschlands Rolle für den globalen Klimaschutz

Der Schutz des globalen Klimas gehört zu den bedeutendsten Herausforderungen für die internationale Politik und setzt Wirtschaft und Gesellschaft in den Industriestaaten, aber auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern unter erheblichen Veränderungsdruck. Dies betrifft die Verringerung von Treibhausgasemissionen ebenso wie die notwendige Anpassung an ein verändertes Klima. Vermeidungsnotwendigkeiten und potenziell vermeidbare Schäden sind ungleich zwischen den Ländern verteilt, woraus sich Verteilungsprobleme und unterschiedliche Anspruchsniveaus beim Klimaschutz ergeben. Dieser Zustand unterscheidet sich fundamental von einem Idealbild des international koordinierten Klimaschutzes mit einer konsensualen Lastverteilung, einheitlichen Preissignalen und möglichst effizientem Klimaschutz.

Da es an der dazu notwendigen internationalen Koordination fehlt, werden nationale Ziele und Politiken verfolgt, die den realen Problemen der unvollständigen globalen Klimaordnung nicht gerecht werden. Die vermeintliche Machbarkeit in nationaler Verantwortung und die Folgen der unterschiedlichen internationalen Anspruchsniveaus und Vorgehensweisen stehen im Konflikt. Die selbst auferlegte Vorreiterrolle Deutschlands im internationalen Klimaschutz muss deshalb neu gedacht werden.

Ungelöste globale Verteilungsfragen

Der Schutz des Klimas hat die Charakteristika eines globalen öffentlichen Gutes, während für die Anpassung an den Klimawandel typischerweise private oder lokale und nationale öffentliche Güter bereitgestellt werden müssen. Schon diese Gutseigenschaften sprechen dafür, dass der globale Klimaschutz hinter dem Optimum zurückbleibt, während entsprechende Anpassungsmaßnahmen (oder die Inkaufnahme von Schäden) umfangreicher und größer sind, als im kostengünstigsten Idealfall notwendig.1 Die Frage der Verteilung der Minderungspflichten, die sich zu einer notwendigen Stabilisierung des Klimas auf ein beherrschbares Erwärmungsniveau summieren sollen, blockiert den globalen Klimaschutz seit über einem Vierteljahrhundert. Das Klimarahmenabkommen der Vereinten Nationen wurde 1992 unterzeichnet und trat 1994 in Kraft. Das Kyoto-Abkommen von 1997 war der erste Vertrag mit einer Verteilung von verbindlichen Minderungszielen für wichtige Industriestaaten. Ein Nachfolgeabkommen konnte bis zum Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 nicht erreicht werden. Die Verlängerung durch eine zweite Verpflichtungsperiode bis 2020 beschränkt sich lediglich auf wenige Industrieländer (im Wesentlichen auf die Europäische Union)2 mit einem kleinen Teil der weltweiten Emissionen und ist kein Schritt hin zu einer Erweiterung und Vereinheitlichung der klimapolitischen Anstrengungen gewesen. So sind die aufstrebenden Schwellenländer – vor allem China mit seinen seit den 1990er Jahren rasant gewachsenen Emissionen – und die USA nicht zur Emissionsbegrenzung verpflichtet.

Klimaabkommen von Paris

Das Klimaabkommen von Paris wurde deshalb 2015 im Konsens der Staaten beschlossen, weil es auf eine konkrete Lastverteilung verzichtet hat, die von allen Partnern als fair empfunden worden wäre. Statt verbindlicher Reduktionsziele mit einem vergleichbaren Anspruchsniveau zu verabreden wurden freiwillige Beiträge zum Klimaschutz gesammelt. Diese freiwilligen Beiträge sollen in regelmäßigen Abständen erhöht werden – ob sie auf ein vergleichbares Niveau kommen werden, ist dennoch zweifelhaft. Es ist wie der Versuch, ein öffentliches Gut nicht über Steuern, sondern über Spenden zu finanzieren. Freifahrerverhalten bleibt attraktiv, sodass schon in Paris absehbar war, dass die Gesamtsumme an Reduktionsverpflichtungen hinter dem globalen Reduktionsziel zurückbleibt und die Höhe der einzelnen Beiträge sehr unterschiedlich sein wird.

Der Verzicht auf einen einheitlichen Bewertungsmaßstab, an dem sich die Minderungsziele der wichtigsten Emittentenländer orientieren, war möglicherweise die einzige Chance, den globalen Klimaschutzprozess weiter voranzubringen. Eine Einigung des Verteilungskonflikts insbesondere zwischen den USA, Europa und China schien nicht mehr erreichbar. Mit den freiwilligen Verpflichtungen wird zumindest politischer und öffentlicher Druck für höhere Selbstverpflichtungen und die Einhaltung dieser Ziele etabliert.

Die freiwillige Definition der Reduktionsziele mit unterschiedlichen Anspruchsniveaus auf nationaler Ebene bedeutet, dass die daraus resultierenden Klimapolitiken strenger oder weniger streng ausfallen können und damit die Klimaschutzkosten für die Unternehmen und Verbraucher variieren. Anspruchsvolle Reduktionsziele für die inländischen Emissionen bedeuten, dass auch teurere Reduktionsmöglichkeiten ergriffen werden müssen. Damit steigt der implizite oder explizite Preis für Treibhausgasemissionen im Vergleich zu den Ländern mit weniger anspruchsvollen Zielen.

Handel mit Emissionsrechten

Das Abkommen von Paris brachte somit neben einem ökologischen Fortschritt durch die freiwilligen Klimaschutzbeiträge zahlreicher Länder aus ökonomischer Perspektive ein ungelöstes Verteilungsproblem und daraus resultierende allokative Ineffizienzen. Höhere Emissionskosten im einen und niedrigere im anderen Land verhindern, dass die international günstigsten Reduktionspotenziale genutzt werden können. Die nicht einheitlichen (impliziten) Preise sind Indikatoren fehlender Effizienz in der Klimapolitik.3 Ohne einen Handel mit Emissionsrechten kann ein grenzüberschreitender Preisausgleich nicht stattfinden. Durch einen solchen Handel könnten teurere Klimaschutzmaßnahmen im Inland durch günstigere Reduktionsmöglichkeiten im Ausland substituiert werden, wodurch die Klimaschutzgesamtkosten für das globale öffentliche Gut verringert werden können.4 Eine rechtliche Basis für einen solchen Handel ist im Abkommen von Paris zwar prinzipiell verankert (Artikel 6), aber bisher nicht konkretisiert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um Distributionsfragen von Allokationszielen zu trennen und unabhängig von der Lastverteilung einen international kostengünstigen Klimaschutz zu realisieren.

Können Emissionsrechte gehandelt werden, sind unterschiedliche Anspruchsniveaus weniger problematisch. Ohnehin sollte bei der Lastverteilung nicht nur das Anspruchs-, sondern auch das Wohlstandsniveau eine entscheidende Rolle spielen.5 Denn wirtschafts- und wachstumsstarke Nationen sind in der Lage, einen höheren finanziellen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten als diejenigen Länder, die beispielsweise schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Für Industriestaaten mit anspruchsvollen Reduktionszielen wie Deutschland ist dies besonders bedeutsam, um eine doppelte Mehrbelastung zumindest partiell abzubauen: Die höhere Belastung durch das überdurchschnittliche Anspruchsniveau sollte nicht durch eine zusätzliche Mehrbelastung durch systematisch höhere spezifische Vermeidungskosten pro Tonne Treibausgas­emission noch weiter erhöht werden. Zudem ermöglicht ein Handel mit Emissionsrechten über die Grenzen hinweg, dass die Emissionen nicht an dem Ort erfolgen müssen, an dem die primären Emissionsrechte liegen, die über die bestehenden Emissionen und die eingegangene Reduktionsverpflichtung definiert werden. Im Extremfall würde das bedeuten, dass industrielle Produktion dort stattfinden müsste, wo noch freie Emissionsrechte liegen – nicht dort, wo es aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll wäre. Beim Klimaschutz ist der Ort der Emission für das Umweltgut irrelevant, sodass eine gleichmäßige Verteilung der Emissionen nicht gesichert werden muss. Durch den Handel bleibt es möglich, die Produktionsstandorte beizubehalten und die notwendigen Emissionsrechte aus Drittländern zu beziehen. Für die Sicherung bestehender Industriestandorte ist das von hoher Bedeutung. Die Handelbarkeit der Emissionsrechte gibt diesen einen Preis, der international übergreifend gilt. Das senkt die Anreize, Produktion an weniger ambitionierte Standorte zu verlagern und begünstigt diejenigen Unternehmen, die in emissionsarme Technologien und Produkte investieren.

Grenzen der Machbarkeit auf nationaler Ebene

Die nationale Klimapolitik in Deutschland ist stark durch nationale Ziele und nationale Instrumente geprägt. Grenzüberschreitende Effekte können dabei der nationalen Machbarkeit entgegenstehen. Dies gilt grundsätzlich für die mit dem Klimaschutz verbundenen Kostenbelastungen von Unternehmen, die sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen. Ein aktuelles Beispiel für die Fokussierung auf nationale Zielgrößen ist der von der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ vorgeschlagene vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle,6 der die nationalen Emissionswerte verbessern soll, aber nicht an einer effizienten Reduktion von Treibhausgasemissionen in Europa – geschweige denn im globalen Kontext – orientiert ist.

Das generelle Problem ist das fehlende internationale Preisniveau für Klimaschutzkosten. Deutlich höhere Kosten in Deutschland können zwar politisch gewollt sein, um einen ambitionierteren Klimaschutz zu realisieren, verschaffen aber international tätigen Unternehmen mit hohem Energieverbrauch oder hohen Emissionen Probleme im Wettbewerb. Gerade in der Grundstoffwirtschaft werden standardisierte Produkte hergestellt, die nicht zuletzt wesentliche Vorleistungen für die Produktion klimafreundlicher Güter und Anlagen darstellen. Da diese international zu weitgehend einheitlichen Preisen gehandelt werden, sind die Möglichkeiten erheblich eingeschränkt, Kostenbestandteile an die Kunden weiterzugeben, wenn nicht die relevanten Wettbewerber ähnliche Kosten weitergeben müssen. Umgekehrt bedeutet das, dass der wesentliche Teil der Klimakosten nicht von den Endverbrauchern dieser Produkte getragen wird, sondern bei den Grundstoffproduzenten verbleibt. Um zu verhindern, dass die Investoren dieser Unternehmen die aus den Mehrkosten resultierenden Renditeverlust nicht dauerhaft tragen wollen und daher Produktion aus dem Inland mit hohen Klimakosten in Länder mit niedrigen Kosten für Emissionen verschieben, sind an verschiedenen Stellen Ausnahmen für diese Unternehmen definiert – durch die teilweise kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten, durch eine Kompensation für emissionshandelsbedingt höhere Strompreise sowie durch verringerte Sätze bei Energiesteuern und der EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare Energien). Ohne diese Maßnahmen wären die Emissionen im Inland zwar durch die Produktionsverlagerung geringer, global gäbe es aber keine entsprechende Veränderung, sodass der Nutzen für den Klimaschutz gering oder sogar negativ wäre.

Die Absicherung gegen eine unerwünschte Nebenwirkung der Klimapolitik ist notwendig, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zu verbinden, erhöht aber den Reduktionsdruck auf andere Emittenten und begrenzt die Möglichkeit, im Wettbewerb die preisgünstigsten Reduktionspotenziale zu identifizieren und zu nutzen. Auch die Etablierung eines umfassenden Instruments, wie es der Emissionshandel ist, für alle relevanten Emittenten wird dadurch erschwert, dass die ungewollte Verschiebung von Produktion und Emissionen ins Ausland (Carbon Leakage) sicher vermieden werden soll. Werden bisher nicht vom Emissionshandel erfasste Sektoren wie Verkehr und Wärme integriert, verschärfen sich die Verteilungswirkungen zulasten der Industriesektoren mit der höchsten Wettbewerbsintensität und den preissensitivsten Nachfragern. Die Ursache hierfür liegt in dem fehlenden internationalen Level für die Bepreisung von Emissionen. Ein international vereinbarter einheitlicher Preis für Treib­hausgasemissionen – beispielsweise in Form einer globalen CO2-Steuer – würde diese Probleme abbauen. Aber auch solch ein einheitlicher Preis würde der nationalen Politik Grenzen setzen, wenn sie anspruchsvoller – oder weniger anspruchsvoll – ausgestaltet werden soll.

Der Kohleausstieg ist ein Beispiel dafür, wie die nationale Perspektive eine klimapolitische Machbarkeit unterstellt, die mit einer internationalen Perspektive nicht in Einklang zu bringen ist. Zum einen kann die Grundlastfähigkeit der Braunkohleverstromung in Ermangelung umfangreicher Speicherkapazitäten nicht ohne weiteres durch witterungsabhängige erneuerbare Erzeugungsquellen ersetzt werden, sodass an wind- und sonnenarmen Tagen im Zweifelsfall Strom aus ausländischen Erzeugungsquellen mit hohen Emissionen importiert werden muss. Zum anderen verringert sich die Nachfrage nach Emissionsrechten, wenn die emissionsintensive Braunkohle früher aus der Verstromung genommen wird, als dies durch Investitions- und Brennstoffkosten sowie Emissionshandelskosten angezeigt ist. Dies wiederum führt zu einem niedrigeren Preis, wodurch andere Nachfrager zum Zuge kommen. Die Rechte können dann zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort von anderen Emissionsquellen eingesetzt werden. Die Gesamtemissionen über die Zeit ändern sich damit nicht. Diese werden nur dann reduziert, wenn das Angebot an Emissionsrechten in gleichem Maße reduziert wird. Dies geschieht teilweise über die Marktstabilitätsreserve, kann aber auch über eine weitere Stilllegung von Zertifikaten erreicht werden. Aber selbst wenn auf diesem Weg eine Emissionsreduktion erreicht werden kann, ist dies vermutlich kein effizienter Klimaschutz. Alternativ könnte auch auf die technologiespezifische Vorgabe verzichtet und ausschließlich die gewünschte Zahl an Emissionsrechten stillgelegt werden. Anschließend würden am Markt die zulässigen Emissionen dort eingesetzt werden, wo sie europaweit den größten wirtschaftlichen Nutzen bringen – oder umgekehrt die Treibhausgase dort reduziert werden, wo die Klimaschutzkosten am geringsten sind. Dass dies gerade bei der Kohleverstromung in Deutschland der Fall ist, erscheint nicht wahrscheinlich.

Eine deutsche Rolle mit internationaler Perspektive

Der internationale Charakter des öffentlichen Gutes Klimaschutz und der fehlende einheitliche Preis für Emissionen bedeuten, dass die internationale Perspektive bei der Gestaltung der nationalen Klimapolitik ausreichend berücksichtigt werden sollten. Das bedeutet nicht, dass die klimapolitischen Ambitionen auf das Niveau der weniger anspruchsvollen Länder zurückgeführt werden müssen. Die internationale Perspektive angemessen zu berücksichtigen, bedeutet hingegen beispielsweise Folgendes:

  • Mit hoher Ernsthaftigkeit müssen die Versuche weitergeführt werden, eine allgemein als angemessen akzeptierte Verteilung der Reduktionslasten herbeizuführen. Das bedeutet insbesondere, dass sowohl die USA als auch China nicht dauerhaft mit deutlich niedrigeren CO2-Kosten operieren dürfen als Europa, wenn Europa den eigenen Anspruch aufrechterhalten und weiterentwickeln will –, was aus Klimaschutzgründen geboten ist.
  • Der internationale Handel mit Emissionsrechten, wie er im Pariser Abkommen angelegt ist, muss implementiert werden. So muss die Übernahme klimapolitischer Verantwortung nicht zwingend mit Emissionsreduktionen im eigenen Staatsgebiet und den damit verbundenen möglichen Ineffizienzen und negativen Wettbewerbswirkungen verbunden sein.
  • Die Probleme, die mit einer vollständigen Bepreisung für Unternehmen im internationalen Wettbewerb verbunden sind, müssen anerkannt und die entsprechenden Maßnahmen dauerhaft gesichert werden. Dies sind keine Subventionen zur Aufrechterhaltung nicht wettbewerbsfähiger Produktion, sondern eine Begrenzung von Zusatzbelastungen, die für die Übernahme überdurchschnittlicher Reduktionsverpflichtungen notwendig sind.
  • Klimaschutz darf den internationalen Handel als wohlstandsschaffendes Instrument nicht gefährden. Grenzabgaben für Produkte aus Drittländern mit niedrigeren Klimaschutzstandards würden erhebliche Risiken eines eskalierenden Protektionismus mit sich bringen und damit Klimaschutz zulasten des wirtschaftlichen Wohlstands betreiben.

Damit ergibt sich eine besondere Rolle, die Deutschland im internationalen Klimaschutz spielen kann. Deutschland ist wie wenige andere Länder auf industrielle Produktion, internationale Offenheit und Innovation in Hochtechnologien angewiesen, die die Basis für Wohlstand bilden. Die Verantwortung für den Klimaschutz wird damit insbesondere dadurch getragen, dass technologische Lösungen entwickelt werden, die international anwendbar sind und damit einen besonders großen Hebel für den Klimaschutz ausüben können. Deutschland kann dann eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es gelingt, zu zeigen, dass Klimaschutz und industrielle Produktion miteinander vereinbar sind. Dies zu demonstrieren ist wichtiger, als das Land mit den strengsten Klimaschutzanforderungen zu sein. Würde hingegen das deutsche Beispiel zeigen, dass Klimaschutz zulasten von industriell basiertem Wohlstand geht, würden andere Länder von höheren Ambitionen abgeschreckt – das Ziel des globalen Klimaschutzes läge in noch weiterer Ferne.

  • 1 H. Bardt: Klimaschutz und Anpassung. Merkmale unterschiedlicher Politikstrategien, in: Die ökonomischen Kosten des Klimawandels und der Klimapolitik, in: Vierteljahreszeitschrift zur Wirtschaftsforschung, 74. Jg. (2005), H. 2, S. 259-269.
  • 2 O. Geden: Die Implementierung der „Kyoto-II“ Verpflichtungen in EU-Recht, SWP-Aktuell, Nr. 69, Berlin 2013, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2013A69_gdn.pdf (12.2.2019).
  • 3 H. Bardt: Law of one price – Klimapolitik zwischen Allokation und Verteilung; in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 68. Jg. (2018), S. 303-322.
  • 4 H. Bardt, T. Schaefer: Globaler Klimaschutz braucht internationale Märkte, in: et – Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 66. Jg. (2016), H. 3, S. 39-42.
  • 5 H. Bardt, T. Schaefer: Wege zu einem erfolgreichen Klimaabkommen von Paris – Vorschlag für eine wohlstandsadäquate Lastverteilung, IW policy paper, Nr. 13, Köln 2015.
  • 6 Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, Abschlussbericht, Berlin 2019, https://www.kommission-wsb.de/WSB/Redaktion/DE/Downloads/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (12.2.2019).

Globales Preisabkommen für Treibhausgase: ein Weg zu effektivem Klimaschutz?

Trotz aller Warnungen von Klimaexperten und aller Lippenbekenntnisse der Politik haben sich die globalen Treib­hausgasemissionen, vor allem von Kohlendioxid (CO2), in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter erhöht. Die von Deutschland und Europa erreichten Einsparungen wurden durch die stark gestiegenen Emissionen von Schwellenländern, allen voran China, konterkariert. So haben sich die Treibhausgasemissionen Chinas zwischen 1990 und 2014 mehr als vervierfacht und stiegen von 2,8 Mrd. auf 11,6 Mrd. t CO2-Äquivalente.1 China war im selben Zeitraum für mehr als die Hälfte des Anstiegs der weltweiten Treibhausgasemissionen von 33,8 Mrd. auf 48,9 Mrd. t verantwortlich und damit der Haupttreiber des weltweiten Treibhausgasausstoßes. Dadurch hat sich der globale Ausstoß an Treibhausgasen seit 1990 um beinahe 50 % erhöht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, auf welche Weise der weltweite Treibhausgasausstoß effektiv begrenzt werden kann: Sollten Klimaschutzinstrumente auf nationaler Ebene ansetzen, supranational umgesetzt, etwa EU-weit, oder im globalen Maßstab implementiert werden. Dieser Beitrag argumentiert, dass einseitige nationale Klimaschutzanstrengungen wirkungslos verpuffen und die weltweiten Treibhausgasemissionen ohne eine internationale Kooperation in Form eines globalen Klimaschutzabkommens über einen weltweit einheitlichen Preis für Treibhausgase, das zwingend von den bedeutendsten Ländern unterzeichnet werden muss, nicht wirksam gesenkt werden können. Ein solches Klimaschutzabkommen ist trotz der auf der Weltklimakonferenz in Paris erzielten Einigung eines Großteils der Länder der Welt zu mehr Klimaschutz vonnöten, denn die Welt ist noch weit entfernt von einem effektiven Klimaschutzregime. Das Pariser Abkommen in Form eines Sammelsuriums freiwilliger nationaler Selbstverpflichtungen bietet allenfalls einen Grundriss für den Aufbau eines solchen Regimes. Ein tragfähiges institutionelles Gerüst gibt es dafür aber noch nicht.2

Zwar hat man sich 2015 in Paris auf ein Klimaschutzziel – unter anderem auf das Langfrist-Ziel der Temperatur-Stabilisierung bei einer Erhöhung um 2°C über dem vorindustriellen Niveau – einigen können. Im Gegensatz zum früheren internationalen Abkommen, dem Kyoto-Protokoll, wurden jedoch keine verbindlichen nationalen Emissionsziele vereinbart. Vielmehr haben sich die Konferenzteilnehmer auf ein System freiwilliger Selbstverpflichtungen verständigt (vgl. Tabelle 1), bei dem basierend auf den vor der Paris-Konferenz von den Staaten eingereichten INDCs (Intended Nationally Determined Contributions) bis zum Jahr 2020 selbstbestimmte nationale Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contributions, NDCs) vorgelegt werden sollen.

Schwächen des Pariser Abkommens

Ein wesentlicher Schwachpunkt dieser Art von Klimaschutzabkommen ist, dass unklar bleibt, wer zur Verantwortung gezogen wird, wenn das 2°C-Ziel nicht eingehalten werden sollte. Und auch an der Einhaltung der freiwilligen Selbstverpflichtungen gibt es erhebliche Zweifel:

  • Erstens werden diese Versprechungen über Emissionsminderungen bis 2030 bislang nicht durch überzeugende nationale wirtschaftspolitische Strategien untermauert. Dies wäre jedoch unabdingbar, stellen diese Versprechungen für die große Mehrheit der Länder doch radikale Veränderungen gegenüber den Emissionstrends der Vergangenheit dar. So stellt sich insbesondere die Frage, wie Länder wie Australien oder Kanada, deren Emissionen in der Vergangenheit tendenziell immer weiter angestiegen sind, nun auf einen Emissionspfad umschwenken wollen, mit dem sie bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen um 26 % bis 28 % bzw. um 30 % senken können (vgl. Tabelle 1). Immerhin sind die CO2-Emissionen Australiens zwischen 1990 und 2012 um rund 40 % gestiegen.
  • Zweitens: Wenn Länder ihre freiwilligen Selbstverpflichtungen nicht einhalten, gibt es keine formalen Sanktionen. Vielmehr verbleibt als einziger informeller Sanktionsmechanismus das internationale Brandmarken jener Länder, die ihre freiwilligen Selbstverpflichtungen nicht einhalten.

Zu den massiven Zweifeln an der Einhaltung der Zusagen gesellt sich ein gravierender Nachteil dieses Systems freiwilliger Selbstverpflichtungen: Deren Verkündung erfolgte gänzlich unkoordiniert und ohne jegliche Orientierung am Kriterium der Kosteneffizienz. Denn die individuellen Minderungszusagen beruhen weder auf einer koordinierten Aufteilung des zur Einhaltung des 2°C-Ziels zulässigen Emissionsbudgets auf die einzelnen Staaten, noch orientieren sich die Selbstverpflichtungen an den Grenzvermeidungskosten der Minderung von Emissionen.

Bedeutung der Kosteneffizienz

Wenn jedoch mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen das Maximum an Emissionsminderung erreicht werden soll, ist es zwingend nötig, dass beim Klimaschutz kein Geld verschwendet wird und dieser vielmehr kosteneffizient erfolgt. Somit sollten die Minderungsmaßnahmen mit den geringsten Vermeidungskosten zuerst ergriffen werden. Die niedrigsten Vermeidungskosten haben aber vor allem jene Länder, die aufgrund veralteter Technik mit geringer Energieeffizienz produzieren und ihren Energiebedarf vorwiegend mit fossilen Brennstoffen decken, allen voran die kostengünstige Kohle. Dazu gehören die Schwellen- und Entwicklungsländer, mithin jene Länder, die – unter Hinweis auf die Industrieländer als den bisherigen Hauptverantwortlichen für den hohen globalen Treib­hausgasausstoß und ihre eigenen beschränkten finanziellen Möglichkeiten – die gebotene drastische Verringerung ihrer Emissionen verweigern und dies voraussichtlich auch in Zukunft tun werden. Dieses Dilemma kann gelöst und globale Emissionen können kosteneffizient verringert werden, wenn die Allokations-Entscheidung von der Entscheidung, wer die Kosten dafür zu tragen hat, getrennt wird.

Tabelle 1
Freiwillige Zusagen (INDCs) der größten Emittenten laut Pariser Abkommen 2015
  Reduktionszusagen Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen 2012 in %
China Senkung der CO2-Intensität (Emissionen pro Einheit BIP) bis 2030 um 60 % bis 65 % gegenüber 2005 28,0
USA Reduktion der Treibhausgas- emissionen um 26 % bis 28 % zwischen 2005 und 2025 17,4
EU28 Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 % gegenüber 1990 8,7
Indien Senkung der Treibhausgas- Intensität bis 2030 um 33 % bis 35 % gegenüber 2005 6,2
Russland Reduktion der Treibhausgas- emissionen bis 2030 um 25 % bis 30 % gegenüber 1990 (unter Einbeziehung von Senken) 5,2
Japan Reduktion der Treibhausgas- emissionen bis 2030 um 25 % gegenüber 2005 3,9
Kanada Reduktion der Treibhausgas- emissionen bis 2030 um 30 % gegenüber 2005 1,7
Australien Treibhausgasemissions-Reduktion bis 2030 um 26 % bis 28 % gegenüber 2005 1,2

Quelle: M. Farid, M. Keen, M. Papaioannou, I. Parry, C. Pattillo, A. Ter-Martirosyan and other IMF Staff: After Paris: Fiscal, Macroeconomic, and Financial Implications of Climate Change, IMF Staff Discussion Note SDN, Nr. 16/01, S. 14.

Vor diesem Hintergrund stellt Joachim Weimann die Hypothese auf, dass globaler Klimaschutz nur dann erfolgreich betrieben werden kann, wenn neben der Etablierung eines einheitlichen CO2-Preises das Ergreifen von Vermeidungsmaßnahmen unabhängig von der Frage erfolgt, wer die Kosten dafür zu tragen hat.3 Diese beiden Bedingungen werden vom Pariser Abkommen mit seinem System an freiwilligen Selbstverpflichtungen zur Einhaltung nationaler Emissionsminderungsziele gerade nicht erfüllt: Die Vermeidungskosten sind vom jeweiligen Land zu tragen, nicht etwa von einem anderen, reicheren Land, und die großen Unterschiede in den Vermeidungskosten zwischen Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern werden nicht zur Erhöhung der Kosteneffizienz ausgenutzt, indem Bemühungen zur Treibhausgasvermeidung von Ländern mit hohen Vermeidungskosten auf Länder mit geringen Kosten übertragen werden.

Dementsprechend hat jede rein national ausgerichtete Klimapolitik den Nachteil, dass sie aus globaler Sicht nicht kosteneffizient erfolgt. Erschwerend kommt im Falle Deutschlands hinzu, dass mit dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energietechnologien der Treibhausgasausstoß auf eine besonders teure Art und Weise verringert wird,4 obwohl die Treibhausgasemissionen andernorts und auf andere Weise wesentlich kostengünstiger gesenkt werden könnten. Mit Subventionen für grüne Technologien, wie sie auch in vielen anderen OECD-Ländern gewährt werden, wird jedoch das Gegenteil von kostengünstigem Klimaschutz betrieben, wie der Nobelpreisträger Jean Tirole und sein Koautor kritisieren.5 Diese Autoren haben große Unterschiede in den impliziten CO2-Preisen dieser Subventionen festgestellt und diese auf bis zu 1000 Euro pro Tonne beziffert.

Internationale Kooperation nötig

Weimann kritisiert am Pariser Abkommen besonders, dass es die Art von Klimaschutzpolitik, wie sie von Deutschland betrieben wird, „quasi zum Goldstandard erklärt“6. Aus diesem und den oben genannten Gründen erwartet Weimann ein Scheitern des Pariser Abkommens, ebenso wie viele andere Experten, etwa Ottmar Edenhofer, Christian Flachsland und Ulrike Kornek oder Peter Cramton, Axel Ockenfels und Steven Stoft.7 So befürchten Edenhofer, Flachsland und Kornek, dass das Pariser Abkommen mit seinem System der freiwilligen nationalen Selbstverpflichtungen an mangelnder internationaler Kooperation aufgrund fehlender gegenseitiger Verpflichtungen und instabiler Anreizstrukturen scheitern könnte.8 Scheitern heißt, dass die beteiligten Länder kaum mehr Klimaschutz betreiben als es in ihrem eigenen Interesse ist und daher das avisierte 2°C-Ziel verfehlt würde. In diesem Fall würden die ambitionierten bedingungslosen Klimaschutzbemühungen Deutschlands weitgehend nutzlos verpuffen. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, dass einseitige Klimaschutzbemühungen das Nichtstun anderer Länder fördern und so das Zustandekommen wirksamer internationaler Klimaschutzabkommen erschweren würden.9

Tatsächlich ist davon auszugehen, dass Staaten nur dann ambitionierte Treibhausgasminderungsmaßnahmen ergreifen werden, wenn sie darauf vertrauen können, dass andere Länder ebenfalls akzeptable Anstrengungen unternehmen.10 Zeigt sich daher im Nachgang zum Pariser Abkommen, dass die eigenen Anstrengungen nicht durch eine entsprechende Klimapolitik in anderen Ländern erwidert werden, könnte das zu einer Abwärtsspirale in den internationalen Klimaschutzbemühungen führen, anstatt zu einem gegenseitigen Anstacheln, wie es vielfach erhofft wird. Einsichten aus der experimentellen Spieltheorie zeigen jedoch, dass für ein Anstacheln gegenseitige Verpflichtungen mit wirksamen Sanktionen erforderlich wären.11 Tatsächlich ergibt sich sowohl aus zahlreichen Labor- und Feldexperimenten als auch aus theoretischen Studien das robuste Ergebnis, dass konditionale Kooperation (I will if you will) zu höheren Kooperationsniveaus führen kann,12 die weit über das von den Ländern im eigenen Interesse Getane hinausgehen. Cramton, Ockenfels und Stoft sehen daher konditionale Kooperation bzw. reziprokes Verhalten als den entscheidenden Schlüssel für den Abschluss eines gemeinsamen Klimaschutzabkommens an, das nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, sondern über das vom reinen Eigeninteresse der Länder geprägte Maß an Klimaschutz hinausgeht.13

Ein solches internationales Klimaschutzabkommen kann, das zeigt die Geschichte des Kyoto-Protokolls und der Verhandlungen um einen Nachfolgevertrag, insbesondere aber das Scheitern der Weltklimakonferenz von Kopenhagen sowie die Art des Pariser Abkommens, nicht auf Mengenzielen basieren.14 Zu dieser Schlussfolgerung kam am 11. März 2013 auch die US-Regierung.15 Auch der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat wiederholt erklärt, warum es keinen Grund gibt, an das Zustandekommen eines auf mengenbasierten Emissionsregeln beruhenden internationalen Klimaschutzabkommens zu glauben. Dies liegt Stiglitz zufolge unter anderem daran, dass sich reiche und arme Länder niemals auf ein mengenbasiertes Abkommen einigen können.16 Aus diesem und anderen Gründen kommt Martin Weitzmann zu dem Schluss, dass Verhandlungen über eine globale Emissionsobergrenze grundsätzlich zum Scheitern verurteilt sind.17

Alternative: ein global einheitlicher CO2-Preis

Als aussichtsreiche Alternative zur wirksamen Minderung des weltweiten Treibhausgasausstoßes hat der kürzlich mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnete William Nordhaus den Abschluss eines Abkommens über einen global einheitlichen CO2-Preis vorgeschlagen,18 ebenso wie viele andere Ökonomen.19 Tatsächlich ist ein global einheitlicher CO2-Preis das fundamentale Prinzip, das ursprünglich auch dem Kyoto-Protokoll zugrunde lag. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass ein einheitlicher CO2-Preis die Voraussetzung für kosteneffizienten Klimaschutz wäre. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Klimaschutzvorreiter wie Deutschland Treib­hausgasemissionen zu hohen Kosten reduzieren, während kostengünstige Vermeidungsmaßnahmen in Trittbrett fahrenden Ländern nicht ergriffen würden.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die politische Umsetzung eines global einheitlichen CO2-Preises jedem Land individuell überlassen bleiben und in der Praxis relativ einfach erfolgen kann, etwa mittels der Einführung von CO2-Steuern, wie sie aktuell von einer großen Zahl von Ökonomen für die USA geforderte werden, oder der Erhöhung von bestehenden Steuern auf fossile Energieträger. Alternativ kann in bestehenden oder neu zu etablierenden Emissionshandelssystemen ein Mindestpreis für Zertifikate eingeführt werden. Es kann sogar im Eigeninteresse eines Landes sein, den in einem globalen Abkommen festgelegten einheitlichen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen, wenn die dadurch erzielbaren Einnahmen in dem Land verbleiben. Diese Einnahmen könnten für vielerlei Zwecke verwendet werden, um die Unterstützung in der Bevölkerung für eine solche Maßnahme zu erhöhen, etwa zur Reduktion bestehender Steuern oder zur Entlastung ärmerer Bevölkerungsgruppen, die von einer CO2-Pönale relativ zum Einkommen am stärksten betroffen sind. In diesem Punkt unterscheidet sich ein solches Klimaschutzregime fundamental von einem überregionalen Emissionshandelssystem, bei dem finanzielle Mittel aus Ländern mit hohen Emissionen − und folglich fehlenden Zertifikaten − in Länder mit geringem Treibhausgasausstoß und einem entsprechendem Zertifikateüberschuss fließen.

Um arme Länder zur Teilnahme an einem solchen Abkommen zu motivieren, sollten sie unter der Bedingung, dass sie einen Mindestpreis für CO2-Emissionen einführen, Transferzahlungen von den reichen Industriestaaten erhalten. Diese Transferzahlungen könnten aus dem sogenannten Green Climate Fund stammen,20 der bis zum Jahr 2020 von reichen Ländern wie Deutschland mit 100 Mrd. US-$ ausgestattet werden soll. Auf diese Weise könnten die Lasten zwischen armen und reichen Ländern besser verteilt und die Allokation der Vermeidungsmaßnahmen kann von der Frage der Kostenverteilung getrennt werden – laut Weimann eine wesentliche Voraussetzung für kosteneffizienten Klimaschutz.21

Im Gegensatz zu einer freiwilligen Festlegung auf Emissionsbeschränkungen erscheint aus diesen Gründen die freiwillige Teilnahme an einem internationalen Preisabkommen sehr viel wahrscheinlicher. Derzeit ist ein internationales Abkommen über einen global einheitlichen CO2-Preis allerdings kein Gegenstand politischer Debatten. Ohne eine solche Einigung ist jedoch zu befürchten, dass das Pariser Klimaschutzabkommen mit seinem wenig überschaubaren System an unkoordinierten Minderungszusagen einzelner Staaten, mit deren Nichteinhaltung keinerlei Sanktionen verbunden sind, scheitert.

Um die Chancen für das Zustandekommen eines weltweiten Preisabkommens zu erhöhen, sollte der einheitliche CO2-Preis anfänglich auf einem niedrigen Niveau festgesetzt werden. In Abhängigkeit der Teilnahmebereitschaft an einem solchen Abkommen und der Kooperationswilligkeit der beitretenden Länder könnte dann der CO2-Preis sukzessive erhöht werden, um so den globalen Treibhausgasausstoß stabilisieren und letztlich irgendwann einmal reduzieren zu können. Das haben alle bisherigen Abkommen und Bemühungen nicht einmal ansatzweise geschafft.

  • 1 CAIT: Climate Data Explorer, World Resources Institute, Washington DC 2015, http://cait.wri.org.
  • 2 O. Edenhofer, C. Flachsland, U. Kornek: Der Grundriss für ein neues Klimaschutzabkommen, in: ifo Schnelldienst, 69. Jg. (2016), H. 3, S. 11.
  • 3 J. Weimann: Anspruch und Wirklichkeit: Kann das Pariser Abkommen funktionieren?, in: ifo Schnelldienst, 69. Jg. (2016), H. 3, S. 3-5.
  • 4 M. Frondel, N. Ritter, C. M. Schmidt, C. Vance: Die ökonomischen Wirkungen der Förderung Erneuerbarer Energien: Erfahrungen aus Deutschland, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 59. Jg. (2010), H. 2, S. 107-133; M. Frondel, C. M. Schmidt, C. Vance: Revisiting Germany‘s Solar Cell Promotion: An Unfolding Disaster, in: Economic Analysis and Policy, 44. Jg. (2014), H. 1, S. 3-13; M. Frondel, S. Sommer, C. Vance: The Burden of Germany’s Energy Transition – An Empirical Analysis of Distributional Effects, in: Economic Analysis and Policy, 45. Jg. (2015), H. C, S. 89-99.
  • 5 C. Gollier, J. Tirole: Negotiating Effective Institutions Against Climate Change, in: Economics of Energy & Environmental Policy, 4. Jg. (2015), H. 2, S. 5-28.
  • 6 J. Weimann, a. a. O., S. 4.
  • 7 O. Edenhofer et al., a. a. O., S. 11-14; P. Cramton, A. Ockenfels, S. Stoft: An International Carbon-Price Commitment Promotes Cooperation, in: Economics of Energy & Environmental Policy, 4. Jg. (2015), H. 2, S. 51-64.
  • 8 O. Edenhofer et al., a. a. O., S. 13.
  • 9 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Klimapolitik zwischen Emissionsvermeidung und Anpassung. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, Berlin, Januar 2010, S. 16.
  • 10 J. Aldy, W. Pizer, K. Akimoto: Comparing emissions mitigation efforts across countries, in: Climate Policy, 17. Jg. (2017), H. 4, S. 501-515.
  • 11 E. Ostrom, J. Walker: Trust and Reciprocity: Interdisciplinary Lessons for Experimental Research, in: E. Ostrom, J. Walker (Hrsg.): Biological Foundations of Reciprocity, Russell Sage Foundation, New York 2005.
  • 12 P. Cramton, A. Ockenfels, S. Stoft, a. a. O., S. 53.
  • 13 Ebenda, S. 51.
  • 14 Ebenda, S. 53.
  • 15 US-Regierung: ADP Workstream 1: 2015 Agreement – Submission of the United States, 11.3.2013, https://unfccc.int/files/documentation/submissions_from_parties/adp/application/pdf/adp_usa_workstream_1_20130312.pdf (11.3.2019).
  • 16 J. E. Stiglitz: Overcoming the Copenhagen Failure with Flexible Commitments, in: Economics of Energy & Environmental Policy, 4. Jg. (2015), H. 2, S. 29-36.
  • 17 M. Weitzman: Internalizing the Climate Externality: Can a Uniform Price Commitment Help?, in: Economics of Energy & Environmental Policy, 4. Jg. (2015), H. 2, S. 37-50.
  • 18 W. Nordhaus: The Climate Casino, New Haven, London 2013; W. Nordhaus: Climate Clubs: Overcoming Free-riding in International Climate Policy, in: American Economic Review, 105. Jg. (2015), H. 4, S. 1339-1370.
  • 19 P. Cramton, S. Stoft: Global Climate Games: How Pricing and a Green Fund Foster Cooperation, in: Economics of Energy & Environmental Policy, 1. Jg. (2012), H. 2, S. 125-136; R. Cooper: Global Carbon Tax? Council on Foreign Relations, Commissioned Briefing Notes for the CIGI/CFGS L20 Project, 2004; J. E. Stiglitz, a. a. O.; M. Weitzman, a. a. O.
  • 20 GFC: Green Climate Fund, 2016, https://www.greenclimate.fund/ (11.3.2019).
  • 21 J. Weimann, a. a. O.

Instrumente der Klimapolitik – effiziente Steuerung nur im Zusammenwirken

Soll die Veränderung des Weltklimas in Grenzen gehalten werden, ist sofortiges Handeln erforderlich. Jedes Jahr, in dem die Treibhausgasemissionen weiter ansteigen, erhöht den Handlungsdruck und führt zu der Gefahr, dass dieses Ziel letztlich nur noch durch einen disruptiven Minderungspfad zu erreichen sein wird. Berechnungen der einschlägigen Klimamodelle zufolge sollten die CO2-Emissionen weltweit bis zur Jahrhundertmitte netto bei Null liegen, wenn der Temperaturanstieg auf 1,5°C beschränkt werden soll (-45 % 2030 gegenüber 2010). Eine Begrenzung auf 2°C würde erfordern, die Netto-Nullemissionen im Zeitraum 2065 bis 2080 zu erreichen (-25 % bis 2030).1

Mit der Unterzeichnung des sogenannten Paris Agreement im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen am 12. Dezember 2015 in Paris hat die Staatengemeinschaft auf die Herausforderungen reagiert und den globalen Klimaschutzbemühungen Schwung gegeben. Die Vereinbarung von Paris hat den 194 Mitgliedsstaaten ins Stammbuch geschrieben, im Verlaufe der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Stadium der Treibhausgasneutralität zu erreichen. Wird diese Zielsetzung ernst genommen, besteht zumindest die Chance innerhalb des 2°C-Korridors zu verbleiben. Letztendlich heißt die Vorgabe – unter der Voraussetzung, dass es zu keinem großmaßstäblichen Einsatz der CO2-Abtrennung und Speicherung kommt – nichts anderes als eine vollständige Dekarbonisierung des Energiesystems bereits bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen.

In Deutschland sind etwa 83 % der Treibhausgasemissionen auf den Verbrauch fossiler Energieträger zurückzuführen. Klimapolitik ist daher zu mehr als 80 % Energiepolitik. Dies gilt umso mehr, wenn man davon ausgeht, dass im Bereich der Energieversorgung schnellere Erfolge erreicht werden können und mehr Optionen zur Verfügung stehen als etwa im Bereich der Industrieprozesse und der Landwirtschaft, die den Rest der Emissionen größtenteils verursachen. Klimaschutz und Energiewende gehören somit zusammen. Mit der Zieltrias Klimaschutz – Energieeffizienz – Erneuerbare Energien, die sowohl die EU als auch Deutschland verfolgen, wird die Verbindung auch auf politischer Ebene anerkannt. Mit der hierdurch indizierten Sektorkopplung wachsen auch Strom-, Wärme-, Industrie- und Verkehrswende mehr und mehr zusammen, und es muss nach integrierten Lösungen gesucht werden.

Entsprechend der Zieltrias haben sich die EU und Deutschland quantitative Ziele gesetzt für:

  1. Reduktion von Treibhausgasemissionen,
  2. Energieeffizienz bzw. Reduktion des Energieverbrauchs und
  3. Anteile der erneuerbaren Energien.

Dabei leiten sich aus dem Klimaschutz jeweils Langfristziele für 2050 ab, und von diesen wiederum Zwischenziele für 2020, 2030 und 2040. Deutschland hat sich bereits mit dem Energiekonzept von 2010/2011 ein umfassendes Zielsystem bis einschließlich 2050 gegeben. Um das Oberziel von 80 % bis 95 % Treibhausgasminderung gegenüber 1990 zu erreichen, soll der Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 halbiert und der verbleibende Verbrauch zu mindestens 60 % aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.2 Hinzu kommen nicht nur Zwischenziele, sondern auch sektorale Unterziele (z. B. für die Stromnachfrage).

Es fragt sich jedoch: Sind wir auf dem richtigen Weg, die Ziele zu erreichen? Wenn nein, bedeutet das, dass die Ziele zu hoch gesteckt sind oder vielmehr, dass die Politik noch keine effektive und effiziente Steuerung erreicht hat? Und wie könnte eine solche Steuerung aussehen?

Wo stehen wir heute, wie groß ist die Klimaschutzlücke und warum?

Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes lagen die deutschen Treibhausgasemissionen 2017 knapp 28 % unter dem Wert von 1990. Aufgrund der in den letzten Jahren fehlenden Dynamik bei der Reduktion der Treibhausgase ist mittlerweile das Ziel für 2020, die Emissionen um 40 % zu senken, in weite Ferne gerückt. So gehen aktuellere Studien und Berechnungen davon aus, dass 2020 gegenüber 1990 mit einer Minderung von rund 31 % bis 35 % zu rechnen ist.3 Wachstum und fehlende ökonomische Anreize sorgen dafür, dass insbesondere von einem höheren Energiebedarf als erwartet und damit tendenziell emissionssteigernden Effekten auszugehen ist. Ein zentraler Grund für die Klimaschutzlücke ist zudem auf die niedrigen CO2-Preise im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) zurückzuführen. In der Konsequenz verharrt die Kohleverstromung, vor allem die Braunkohleverstromung, bis dato quasi auf dem Niveau des Jahres 2010.

Spätestens nach Abschluss des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien ist klar, dass die Zielverfehlung für 2020 eingestanden und der politische Fokus nun auf das Jahr 2030 gerichtet wird. Um die Zielsetzung von 55 % Treibhausgas-(THG)-Minderung bis 2030 auf jeden Fall zu erreichen, soll dazu 2019 ein Klimaschutzgesetz erlassen werden. Die stärkere Legitimität der Zielvorgabe ist auch dringend erforderlich, denn neuere Szenarioanalysen4 lassen in den Referenzszenarien ohne weitere Maßnahmen nur Minderungen von ca. 45 % bis 47 % bis 2030 und ca. 62 % bis 2050 erwarten, was wiederum eine deutliche und wachsende Zielverfehlung bedeuten würde. Dabei steht fest, dass es mit einer konsistenten Klima- und Energiepolitik durchaus möglich ist, die Ziele für 2030 und 2050 zu erreichen, denn die Potenziale sind vorhanden; das zeigen zahlreiche Szenarien. In den vergangenen Jahren hat sich dabei zwischen verschiedenen Modellierungsstudien eine Art Konvergenz entwickelt, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1
Vergleich verschiedener Energieszenarien
Vergleich verschiedener Energieszenarien

1 Öko-Institut, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung: Klimaschutzszenario 2050, im Auftrag des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUB), Berlin 2015;  2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland, Berlin 2017;  3 The Boston Consulting Group (BCG), Prognos: Klimapfade für Deutschland, für den BDI 2018, https://e.issuu.com/embed.html#2902526/57478058;  4 Deutsche Energie-Agentur (dena): dena-Leitstudie Integrierte Energiewende. Impulse für die Gestaltung des Energiesystems bis 2050, Berlin 2018, https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9261_dena-Leitstudie_Integrierte_Energiewende_lang.pdf.

Quelle: Wuppertal Institut; eigene Darstellung.

Die Szenarien, die für unterschiedliche Auftraggeber (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Bundesverband der Deutschen Industrie und Deutsche Energie-Agentur) erstellt worden sind, stimmen darin überein, dass die Potenziale der Energieeffizienz groß genug sind, um das Ziel einer Halbierung des Primärenergieverbrauchs bis 2050 zu erreichen. Auch ein Anteil erneuerbarer Energien von ca. 50 % bis 90 % an der Primärenergie ist bis 2050 möglich, und beides zusammen kann das Klimaziel von 80 % bis 95 % THG-Minderung bis 2050 ermöglichen. Wird eine 95 %-ige Minderung der THG-Emissionen angestrebt, dann muss sich der Anteil erneuerbarer Energien an der oberen Bandbreite orientieren.

Darüber hinaus zeigen die Szenariostudien, dass die mittels Energieeffizienz und erneuerbarer Energien eingesparten Energiekosten mittel- bis langfristig höher sind als die im gleichen Zeitraum notwendigen Investitionen in die Energiewende. Möglich wird dies durch die teilweise schnell sinkenden Kosten von erneuerbaren Energien und Schlüsseltechnologien für die Energiewende wie z. B. Batterien; die Potenziale der Energieeffizienz sind ohnehin zum großen Teil bereits unter heutigen Bedingungen wirtschaftlich. Das gilt zumindest aus der Perspektive der Gesamtwirtschaft, das muss aber nicht immer für den Einzelnen oder die Einzelne gelten, z. B. für Vermieterinnen oder Mieter mit ihren je eigenen Nutzen-Kosten-Kalkülen, und es gibt generell divergierende Prioritäten und zahlreiche nicht-monetäre Hemmnisse.

Wenn die Ziele im Referenzpfad verfehlt werden, liegt dies mithin daran, dass die Politik noch zu schwach und zu wenig zielgenau ist, um die Hemmnisse zu überwinden und die Anreize so zu setzen, dass die Kalküle und Prioritäten aller Handelnden mit denen der Gesamtwirtschaft in Übereinstimmung gebracht werden. Dies betont z. B. auch immer wieder die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ in ihren Stellungnahmen.

Wie könnte eine effektive und effiziente politische Steuerung aussehen?

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gilt vielen als Vorbild für die Effektivität von Politikinstrumenten, weil über einen längeren Zeitraum die Ausbauziele zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit der angeschobenen Dynamik immer wieder übertroffen wurden. Aber auf der anderen Seite wird die Effizienz des Instruments bezweifelt, weil die Kosten, die von den Stromverbrauchern zu tragen sind, hoch erscheinen. Zeitweise sanken tatsächlich die Vergütungssätze nicht so schnell wie die Kosten der Anlagen, wodurch Investoren5 aufgrund der attraktiven Bedingungen über einige Jahre für sehr hohe Zubauraten gesorgt haben. Die hiermit verbundenen Kosten belasten die Mechanik des EEG und entsprechend die heutige EEG-Umlage substanziell, während die heutigen Zubauraten die EEG-Umlage aufgrund der starken Kostendegressionen kaum noch neu belasten.

Es stellt sich jedoch ohnehin die Frage, wie „Effizienz“ definiert ist. Für die ökonomische Effizienz scheint das klar, es geht um maximalen Output für gegebenen Input. Aber welcher Output zählt – nur die erzielte THG-Minderung oder auch die zahlreichen damit verbundenen Zusatznutzen, die Kosteneinsparungen der Investoren sowie die Einsparungen und die weiteren Vorteile für die Gesamtwirtschaft, etwa aus Beschäftigungsimpulsen? Und wessen Input zählt – der staatliche Einsatz oder der Einsatz zahlreicher privater Investoren? Zudem: geht es um eine statische oder dynamische Betrachtung? Das „teure“ EEG hat wesentlich dazu beigetragen, dass neue Photovoltaik- und Windenergieanlagen schon heute selbst in Deutschland wirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber neuen Kohle- und Gaskraftwerken sind, ganz zu schweigen von den Impulsen, die hierdurch für den Umbau des globalen Energiesystems ausgelöst wurden.

Schon diese am Beispiel des EEG noch relativ einfache Analyse zeigt, wie schwer eine ganzheitliche Beurteilung von Politikinstrumenten ist. Wir schlagen daher folgende Definition für eine in sich konsistente, effektive und effiziente sowie sozialverträgliche operative Zielsetzung der Klimapolitik vor: Ziel der politischen Steuerung ist es

  1. die energie- und klimapolitischen Ziele mit gesamtwirtschaftlich geringsten Kosten zu erreichen. Dabei sollten durch Hemmnisabbau und adäquate Anreize insbesondere diejenigen Potenziale möglichst vollständig ausgeschöpft werden, deren ökonomischer Zusatznutzen aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive höher ist als die Zusatzkosten für Investition und Betrieb. Zusatznutzen und -kosten werden dabei an der Referenzentwicklung gemessen.
  2. Dabei sind unbillige Härten z. B. für einkommensschwache Haushalte und Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu vermeiden. Vielmehr sollten möglichst alle sozialen Gruppen und Wirtschaftszweige von erzielten Einsparungen profitieren und insbesondere Energieeffizienzmaßnahmen für diese gezielt erschlossen werden.
  3. Stets ist die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
  4. Die für das Erreichen der Langfristziele der vollständigen Dekarbonisierung des Energiesystems erforderlichen technologischen, ökonomischen und sozialen Innovationen müssen hinreichend früh auf den Weg gebracht werden.

Klimapolitik ist in weiten Teilen Politik für die Energiewende einschließlich Wärmewende sowie Industriewende und Mobilitätswende. Weil die Sektoren zunehmend zusammenwachsen, ist ein sektorübergreifender Teil des regulatorischen Gesamtkonzepts erforderlich (und des damit einhergehenden Politikpakets bzw. Politikmixes). Wir nennen diesen Teil den sektorübergreifenden Governance-Rahmen. Aber es bedarf zudem einer gezielten Kombination sektor- und technologie- sowie oft zielgruppenspezifischer Instrumente und deren intelligenter Verknüpfung, um Hemmnisse für die Akteure in den sektoralen und oft technologiespezifischen Wertschöpfungsketten bei Gebäuden, im Verkehr, bei Industrieanlagen, abzubauen. Auch das EEG verbindet ja mehrere Instrumente zu einem wirksamen Paket, nicht zuletzt ist es auch ein Instrumentarium der Technologiepolitik.

Die eigentlichen klimapolitischen Instrumente (EU-Emissionshandel und CO2-Steuern) sind somit Teil des sektor­übergreifenden Governance-Rahmens. Sie verbessern die ökonomischen Rahmenbedingungen für Klimaschutz-Investitionen, aber sie adressieren nicht die Vielzahl der nicht-ökonomischen Hemmnisse. Zum Governance-Rahmen gehören weiterhin:

  1. Zielvorgaben, die am besten auf Basis partizipativer Szenarioprozesse bestimmt werden und entsprechend mit einer ganz anderen Umsetzungskultur verbunden sind;
  2. Policy Roadmaps, die den Handelnden im Markt langfristige Sicherheit geben;
  3. steuernde Institutionen sowie Umsetzungsagenturen und
  4. ein sicherer Finanzierungsrahmen für die langfristige Aufrechterhaltung der sektor- und technologiespezifischen Politikinstrumente.

Die sektoralen Politikpakete enthalten als Kerninstrumente das „Fördern, Fordern und Informieren“. Dabei dienen gut gemachte Verbote und Standards dem Umwelt- und Verbraucherschutz, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag: Sie schließen Technik mit übermäßigen Emissionen, auch von Schadstoffen, und überhöhtem Energieverbrauch vom Markt aus, weil sie über den Lebenszyklus teurer sind als noch auf dem Markt erlaubte Technik. Mittel- bis langfristig sollte es allerdings Ziel sein, z. B. hocheffiziente A+++ Kühlschränke und klimaneutrale Gebäude schon allein aus wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heraus zum Standard werden zu lassen. Den Weg der Innovation, Markteinführung und -durchdringung ebnen die Förder- und Informationsinstrumente, die Aufmerksamkeit schaffen und Investitionsprioritäten durch ihre Anreize verändern, im Verbund mit ergänzenden Instrumenten wie Aus- und Weiterbildung, sektoralen Netzwerken (zum Erfahrungsaustausch Gleichgesinnter) sowie Reallaboren und der klassischen Innovationsförderung. Im Zusammenwirken mit allen diesen Instrumenten entfaltet ein konsistentes, stärker auf Klimaschutz ausgerichtetes Steuern- und Abgabensystem dann wesentliche unterstützende Wirkung, indem es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusätzlich verbessert. Moderate zusätzliche Staatseinnahmen daraus können wiederum der verlässlichen Finanzierung der Instrumentenpakete dienen. Nach unseren Analysen könnten etwa 5 Mrd. Euro bis 10 Mrd. Euro pro Jahr an zusätzlichen Mitteln des Bundeshaushalts genügen, um die Energie- und Klimaziele bis 2030 zu erreichen und deutlich höhere Einsparungen für Bürger und Unternehmen sowie letztlich sogar den Staatshaushalt zu erzielen.6

In der EU und Deutschland hat sich im Prinzip in vielen Bereichen ein entsprechender Politikmix bereits herausgebildet.

Abbildung 2
Prototypisches Politikpaket zur Steigerung der Energieeffizienz
Prototypisches Politikpaket zur Steigerung der Energieeffizienz

Quelle: U. Schneidewind: Die große Transformation, Frankfurt a. M. 2018.

Abbildung 2 stellt dies am Beispiel der Energieffizienzpolitik im Überblick dar. Er ist Ergebnis vielfältiger Diskussionen und Lernprozesse in der Praxis, aber er ist durchaus noch verbesserungsfähig, was seine Konsistenz, Effektivität und auch Effizienz angeht. Trotz der Anstrengungen der vergangenen Jahre fehlt es zudem an Finanzmitteln und Personal des Staats für die entschiedene Umsetzung der Politik. Zu verbessern ist aber auch die übergreifende Steuerung der Klima- und Energiepolitik. Beispielsweise hat das Wuppertal Institut für die Energieeffizienzpolitik die Notwendigkeit und Aufgaben für eine übergreifende Bundesagentur für Energieeffizienz analysiert und dafür einen Bedarf von ca. 300 Stellen abgeschätzt.7 Neben der Förderung der Innovationen für ein klimaneutrales Energie- und Verkehrssystem hat die Politik zudem die Aufgabe, die gezielte „Exnovation“ (z. B. Atomausstieg und perspektivische Beendigung der Kohleverstromung sowie der Nutzung fossiler Kraftstoffe) zu steuern und zu begleiten.

Was ist für die Umsetzung zu tun?

Auch wenn es gelingt, entlang der oben skizzierten Linien eine konsistente Klima- und Energiepolitik zu entwickeln, die erwarten lässt, für die Gesamtwirtschaft effektiv und effizient zu sein, mag es im Einzelnen Widerstände im politischem Raum oder von betroffenen Wirtschaftszweigen geben. Dies zeigt sich z. B. daran, dass in jüngster Zeit der Kapazitätsausbau bei den erneuerbaren Energien teilweise an Schwung verloren hat oder bei der teils harschen Diskussion um die Wärmedämmung.

Die Energiewende gelingt daher nicht ohne eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Hierfür bedarf es neuer partizipativer Elemente der Politikgestaltung. Die Entwicklung des Klimaschutzplans in Nordrhein-Westfalen unter Einbindung von mehr als 400 Stakeholdern aus allen zentralen Bereichen (d. h. Energiewirtschaft, energieintensive Industrie, Verbraucherzentrale, Umweltverbände, Gewerkschaften, Kirchen etc.) ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Die offene Diskussion über das Für und Wider der einen oder anderen Maßnahme und das gemeinsame Ringen um einen aus der jeweiligen Perspektive der beteiligten Stakeholdern umsetzbaren Weg hat sich als zentraler Mehrwert herausgestellt. Aber nicht nur die Diskussionskultur kann als positiver Effekt verbucht werden, sondern auch die vermutlich höhere Bereitschaft für den beschlossenen Weg, für die gemeinsam ausgewählten Strategien einzustehen. Partizipative Prozesse sind dementsprechend ein probates Mittel für die Erhöhung der Umsetzungskultur. Das Ringen um den gemeinsamen Weg hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Er kostet Zeit, die aufgrund der pausenlos zu treffenden Entscheidungen möglicherweise nicht vorhanden ist. Die Kunst wird daher sein, die richtige Balance zu finden zwischen Beteiligung und Reaktionsfähigkeit.

Notwendig erscheint zudem eine gleichermaßen adaptive wie reflexive Politikgestaltung. Adaptiv bedeutet, sich zuzugestehen, dass man Fehler machen kann und zudem die Bereitschaft zu haben, die zuvor getroffen Maßnahmen daraufhin anzupassen. Für die Ausgestaltung eines treibhausgasneutralen Energiesystems gibt es keine Blaupause, an der man sich orientieren kann. Im Gegenteil: Wir haben es mit einem hoch dynamischen System zu tun, einer hohen Komplexität aufgrund der Vielzahl der relevanten Variablen im System und vielen Unsicherheiten. Daher ist eine Politik erforderlich, die einerseits Pfade vorgibt, die eine klare Richtungssicherheit haben und sich an der beschriebenen Vision der Treibhausgasneutralität orientieren, andererseits aber hinreichend flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren kann.

Auf internationaler Ebene geht es schließlich darum, ein Level Playing Field zu schaffen, d. h. alle Länder erhalten möglichst gleiche Rahmenbedingungen für die Umsetzung und Unternehmen, die in Klimaschutzmaßnahmen investieren wollen, werden nicht bestraft. Eine Schlüsselrolle kann dabei ein möglichst einheitlicher CO2-Preis spielen. Im Verbund mit Frankreich und Großbritannien kommt Deutschland dabei eine besondere Bedeutung zu. International geht es aber auch darum, die Kräfte zu bündeln, wenn es heißt, neue Technologien zu entwickeln und in den Markt einzuführen. Anders ausgedrückt: Es geht um mehr grenzüberschreitende Forschungskooperationen, Innovationsallianzen und aufeinander abgestimmte Markteinführungsmechanismen. Wahrlich keine einfachen Zeiten für die Entscheidungsträger. Der Klimawandel schreitet aber stetig weiter voran: Klimaschutz duldet daher keinen Aufschub, auch und gerade nicht für die Politik!

Deutsche Klimaziele 2030 – zur Größe der Herausforderungen

Deutschland wird die von der Bundesregierung für das Jahr 2020 gesetzten Klimaziele voraussichtlich deutlich verfehlen. Statt wie geplant nur 750 Mio. t CO2-Äquivalente sind in Deutschland 2017 noch 905 Mio. t CO2-Äquivalente1 ausgestoßen worden, und es sollen bis 2030 die Emissionen dann noch weiter auf höchstens 563 Mio. t gesenkt werden. Gleichzeitig wird die Bevölkerung und soll die Wirtschaftsleistung weiter wachsen und die letzten verbliebenen deutschen Kernkraftwerke vom Netz genommen werden.

Das mit dieser Zielsetzung verbundene Ambitionsniveau lässt sich durch historische Gegenüberstellungen ermessen: Zwischen 2005 und 2017 wurden die Emissionen lediglich um etwa 90 Mio. t gemindert. Nun sollen in einem vergleichbaren Zeitraum fast 350 Mio. t Minderung erreicht werden. Das entspricht also grob einer Vervierfachung der Minderungsgeschwindigkeit. Oder anders: Die angestrebte Minderungsmenge von 2017 bis 2030 entspricht in etwa der tatsächlich in dem deutlich längeren Zeitraum von 1990 bis 2017 erreichten Menge, wobei zusätzlich zu beachten ist, dass diese Minderung jedoch zu größten Teilen im ersten Drittel des Zeitfensters – und im Kontext der Sondereffekte durch die deutsche Wiedervereinigung – stattgefunden hat.

Bereits bei aggregierter Betrachtung wird also deutlich, dass die deutschen Klimaziele für das Jahr 2030 voraussichtlich nur dann erreicht werden können, wenn die politischen Interventionen im Vergleich zur Energie- und Klimapolitik der vergangenen Dekade tiefgreifender ausfallen würden. Dieser Beitrag ergänzt diese Beobachtung durch eine disaggregierte Betrachtung der aus den Klimazielen – in Verbindung mit weiteren, impliziten politischen Zielen für Wirtschaftsleistung und Versorgungssicherheit – ableitbaren Strukturanpassungen in den wichtigsten Sektoren. Grundlage dieser Darstellung sind die Ergebnisse der im vergangenen Jahr veröffentlichten dena-Leitstudie.2 Diese von der Deutschen Energie-Agentur (dena) initiierte Studie bildet mittels der Expertise von über 60 Partnern unterschiedliche technologische Transformationspfade ab und bewertet sie unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen im Energiesystem. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat diese Szenarien als wissenschaftlicher Hauptgutachter in einem integrierten Modell des Energiesystems zusammengefasst und ökonomisch analysiert.

Die dena-Studie zeigt anhand zweier Szenarien unterschiedliche Transformationspfade auf, die es ermöglichen könnten, die Ziele zu erreichen. Das eine Szenario setzt dabei den Fokus auf eine Elektrifizierung des Endenergieverbrauchs, das andere betrachtet eine technologisch ausgewogenere (möglichst „technologieneutrale“) Entwicklung. Die Studie untersucht und vergleicht die technischen und ökonomischen Aspekte dieser Szenarien (auch über 2030 hinaus). Ein zentrales Ergebnis ist, dass eine Elektrifizierung des Endverbrauchs durch erhöhte Kapitalkosten für Anlagentechnik und Infrastruktur zu weitaus höheren Gesamtkosten führt. Bis 2030 übertreffen die Gesamtkosten der Elektrifizierung bereits jene eines technologieneutralen Ansatzes um etwa 140 Mrd. Euro. Das technologieneutrale Szenario markiert also eine untere Schwelle des ökonomischen Ambitionsniveaus der Veränderung. Daher konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf dieses Szenario. Wollte man darüber hinaus die Klimaziele mit zusätzlichen Vorgaben für eine verstärkte Elektrifizierung verbinden, wären die nachfolgend dargestellten Herausforderungen entsprechend höher anzusetzen.

Endenergiesektoren

In den Sektoren jenseits der Energiewirtschaft fruchten die bisherigen Maßnahmen zur Minderung nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße. Die dena-Leitstudie zeigt auf: Sollten sich die momentan zu beobachtenden Entwicklungen in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie fortsetzen, wird das Treibhausgasminderungsziel für 2030 um 8 Prozentpunkte (etwa 100 Mio. t) verfehlt und dies bei bereits optimistischen Annahmen zu Energieeffizienz und Elektrifizierung aller Sektoren.3

Laut des technologieoffenen Szenarios der dena-Leitstudie müssten die Treibhausgasemissionen in den Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude um 137 Mio. t CO2-Äquivalente sinken, wenn die Ziele für 2030 erreicht werden sollen. Gegenüber dem Emissionsniveau von 2015 handelt es sich dabei um eine Minderung um insgesamt 29 % (jährlich 2,3 %). Noch einmal zum Vergleich: Zwischen 2005 und 2015 sind die Emissionen in diesen Sektoren bei einer jährlichen Minderungsrate von lediglich 0,6 % nur um knapp 32 Mio. t gesunken und das fast ausschließlich im Gebäudesektor.

Am ehesten zugänglich erscheint, wie schon in den vergangenen Jahren, der Gebäudesektor. Die nötigen Handlungsfelder umspannen hier sowohl die Gebäudehülle als auch die Anlagentechnik. Damit der Gebäudesektor seinen Beitrag zur Zielerreichung leisten kann, ist laut dena-Leitstudie eine Erhöhung der jährlichen durchschnittlichen Sanierungsraten auf 1,4 % nötig. Bisher lagen die Sanierungsraten durchschnittlich bei etwa 1,0 % jährlich. Diese Beschleunigung der Sanierung scheint vordergründig marginal. Die Hürden sind jedoch als hoch einzuschätzen: Hohe Investitionskosten, die damit einhergehende Amortisationsdauer, fehlende Investitionsanreize für Vermieter sowie hohe Informationskosten erschweren gegenwärtig eine entsprechende Zunahme der Gebäudesanierung.

In der Anlagentechnik sollte vor allem die Beheizungsstruktur geändert werden. Laut dena-Leitstudie ist hierzu zunächst einmal eine erhöhte Austauschrate von Heizungstechnologien erforderlich (>3,5 % im Jahresdurchschnitt). Besonders elektrischen Wärmepumpen wird eine zunehmende Bedeutung im Gebäudesektor eingeräumt: Im dena-Szenario werden im Jahr 2030 etwa 3,4 Mio. Wohngebäude durch solche Heizungssysteme beheizt, ein Marktanteil von knapp 18 % (heute etwa 2 %). Um diesen Anteil zu erreichen, ist ein durchschnittlicher jährlicher Absatz von knapp 200 000 elektrischen Wärmepumpen nötig. Zum Vergleich: 2018 wurden in Deutschland etwa 84 000 neu installiert, bei einem Marktwachstum von etwa 8 % gegenüber dem Vorjahr.4 Auch hier hängt somit die gegenwärtige Entwicklung dem gewünschten Zielwert hinterher.

Wenn sich die Anlagentechnik im Gebäudesektor strukturell ändern soll, bedeutet dies zudem eine Abkehr von Ölheizungen. Neben einem Austausch von Niedertemperatur- auf effiziente Brennwerttechnologie verringert sich 2030 die Zahl ölbeheizter Wohnhäuser auf noch 4,5 Mio., ein Marktanteil von 22 % (heute etwa 30 %). Somit müssten jährlich etwa 110 000 Ölheizungen ausgetauscht und ersetzt werden.

Ebenso wie der Gebäudesektor müsste der Verkehr seinen Beitrag zur Zielerreichung leisten, indem der Energiebedarf und der Einsatz CO2-intensiver Antriebstechnologien zurückgehen. In der dena-Leitstudie wird davon ausgegangen, dass der Bedarf an Güterverkehrsleistung bis 2030 aufgrund einer wachsenden Wirtschaftsleistung um etwa 13 % zunehmen wird. Die Personenverkehrsleistung bleibt dagegen in etwa konstant. Laut dena-Leitstudie müsste bis 2030 im Personenverkehr der spezifische Energieverbrauch5 um knapp 40 % zurückgehen. Zum Vergleich: Seit 2005 sank der spezifische Verbrauch eines durchschnittlichen Pkw in Deutschland um etwa 10 %.6 Dies erfolgt zum einen durch die zunehmende Effizienz der Antriebstechnologien, je nach Antriebsart wird ein Rückgang des Kraftstoffverbrauchs von 15 % bis 20 % angenommen. Zum anderen wächst der Markt neuer Antriebskonzepte mit höheren Wirkungsgraden.

Elektrische, hybrid-elektrische sowie gas- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge nehmen im Verkehrssektor eine wichtige Rolle für die Treibhausgasminderung ein. Das dena-Szenario geht davon aus, dass 5,6 Mio. vollelektrische Pkw (batterie- und wasserstoffbetrieben) und 16,5 Mio. Plug-in-Hybride auf deutschen Straßen fahren werden, zusammen etwa 48 % des Fahrzeugbestands (heute etwa 0,2 %). Der Einsatz von Erdgas und Wasserstoff ist besonders im Güterverkehr ein wichtiger Baustein zur Emissionsminderung. Ausgehend von einem schwindend geringen Anteil heute werden demnach 2030 etwa 700 000 erdgas- und wasserstoffbetriebene Antriebe im Güterverkehr eingesetzt (ein Marktanteil von knapp 22 %). Reine Otto- und Dieselmotoren machen im Straßenverkehr dagegen nur noch einen Anteil von 26 % aus (heute etwa 97 %).

Der Industriesektor wird in der dena-Leitstudie ebenso eingehend wie differenziert untersucht. Die Treibhausgasemissionen in diesem Sektor sind seit 2005 kaum zurückgegangen, müssten jedoch laut dena-Szenario bis 2030 um 28 Mio. t CO2-Äquivalente gegenüber 2015 sinken. Einfluss hierauf hat zum einen das Wirtschaftswachstum, das mit 1,2 % geringer angenommen wird, als in den vergangenen Jahren realisiert. Des Weiteren wird von laufender Erhöhung der Energieeffizienz in den abgebildeten industriellen Prozessen sowie von erhöhten Recycling-Quoten und Nutzungen des Digitalen Binnenmarktes, also einer verbesserten Integration von Erzeugungsspitzen bei der Erneuerbaren Energie, ausgegangen.

Der vermehrte Einsatz von Erdgas statt Kohle und Öl stellt ebenso einen Hebel zur Treibhausgasminderung in der Industrie dar. Im Ergebnis sinkt der industrielle Endenergieverbrauch leicht (von 823 TWh 2015 auf 800 TWh 2030), während sich der Anteil von Strom und Gas zulasten von Kohle und Öl deutlich erhöht. Bleiben die Energieeffizienzmaßnahmen aus, läge der Endenergiebedarf der Industrie 2030 um 106 TWh höher, was jährlichen Mehremissionen von etwa 10 Mio. t CO2-Äquivalente entspräche.

Energiewirtschaft

Verbindendes Glied ist der Energiesektor, dessen Emissionen den Endenergiesektoren entsprechend ihrem Stromverbrauch zugerechnet werden müssen. Durch die zunehmende Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren würde die Nettostromnachfrage laut hier betrachtetem dena-Szenario bis 2030 um etwa 20 % auf etwa 700 TWh zunehmen. Dennoch sinken in diesem Szenario die Emissionen dieses Sektors auf etwa 144 Mio. t CO2-Äquivalente, ein Rückgang von etwa 69 % gegenüber 1990 und somit eine Unterschreitung des sektoralen Ziels nach Klimaschutzplan um 7 Prozentpunkte – wohlgemerkt trotz Abschaltung der verbliebenen deutschen Kernkraftwerke.

Die damit eingehergehende strukturelle Veränderung der Kraftwerkslandschaft ist beträchtlich: Laut Szenario müssten dem deutschen Stromsystem zwischen 2015 und 2030 9 GW Wind-Offshore, 39 GW Wind-Onshore sowie 26 GW Gaskraftwerke – netto, d. h. bereinigt um stillzulegende Anlagen am Ende ihrer technischen Lebensdauer – hinzugefügt werden, während sich gleichzeitig die Leistung von Kohlekraftwerken mehr als halbieren würde. Bis 2030 würden zudem zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 50 Mrd. Euro allein in den Verteilnetzen ausgelöst werden.

Eine darüber hinausgehende strikte Elektrifizierungsstrategie würde noch anspruchsvollere Maßnahmen implizieren. Denn eine noch stärkere Elektrifizierung der Endenergiesektoren würde – ceteris paribus – naturgemäß die Stromnachfrage weiter erhöhen: laut dena-Leitstudie auf bis zu knapp 850 TWh bis 2030. Zwar emittieren in einem solchen Szenario die Endenergiesektoren geringere Mengen an direkten Treibhausgasen – aufgrund der verstärkten Elektrifizierung. Doch reichen die frei werdenden Emissionsmengen nicht aus, den zusätzlich erforderlichen Strom durch Erdgas herzustellen. Weitere 8 GW Wind-Onshore-Kapazitäten wären damit erforderlich. Ferner würden die höheren Spitzenlasten zusätzlich gesicherte Leistung in Form von weiteren knapp 20 GW Gaskapazitäten erforderlich machen, und es müssten weitere Investitionen in das Netz fließen. Eine Elektrifizierung der Endenergiesektoren verschiebt also die Minderungsherausforderung in den Umwandlungssektor. Die dena-Studie zeigt, dass eine solche Verschiebung Grenzen der Wirtschaftlichkeit hat.

Erhebliche Veränderung des Kapitalstocks

Die in dem dena-Szenario beschriebene Transformation des Energiesystems ist über alle Sektoren investitionsintensiv. Für Investitionen in Heizungstechnologien und Sanierung fallen in den privaten Haushalten bis 2030 gegenüber der Referenzentwicklung Mehrkosten von etwa 8 Mrd. Euro jährlich an, durchschnittlich 220 Euro pro Haushalt. Im Verkehrssektor ergeben sich Mehrkosten durch kapitalintensivere Antriebstechnologien sowie den Zubau von Infrastrukturen (vor allem im Strom- und Tankstellennetz). Die Summe der Mehrbelastung wird allein für den Personenverkehr jährlich auf etwa 7,5 Mrd. Euro geschätzt, durchschnittlich 170 Euro pro Pkw. Die Kapitalkosten des Industriesektors werden in der dena-Leitstudie nicht berücksichtigt. Durch eine Umstellung der Prozessketten und Investition in Effizienzmaßnahmen wären jedoch auch hier nicht unbedeutende Mehrkosten zu erwarten.

Im Energiesektor verschafft das graduelle Auslaufen der Förderung der Erneuerbaren Energie aus den frühen 2000er Jahren politisch zwar ein wenig Luft. Der zusätzliche Bedarf an Anlagen zur Stromerzeugung aus sogenannten erneuerbaren Energieträgern, an konventionellem Back-Up und Netz ist jedoch so umfangreich, dass per saldo mit zusätzlichen Kostenbelastungen von jährlich etwa 10 Mrd. Euro gegenüber einer klimazielverfehlenden Referenzentwicklung gerechnet wird. Zusätzliche Kostensteigerungen würden sich durch steigende Stromgroßhandelspreise infolge der Verschiebung von Nuklear und Kohle zu Gas sowie die erwartete Erhöhung der Kosten für Zertifikate aus dem EU-Emissionshandelssystem ergeben. Der Ausbau von Anlagen für Erneuerbare Energien mit Null-Grenzkosten würde nur wenig an dem resultierenden Aufwärtstrend der Stromgroßhandelspreise ändern, da die Einspeisung Erneuerbarer Energien einer hohen Gleichzeitigkeit unterliegt und somit Kostensteigerungen in wind- und sonnenarmen Stunden nicht verhindert. In der Modellrechnung für die dena wird das Gleichzeitigkeitsproblem einerseits durch die steigende Stromnachfrage und andererseits durch die Annahme von ausreichendem Netzausbau im In- und Ausland entschärft. Abschaltungen von Anlagen für Erneuerbare Energien spielen in dieser Rechnung daher nur eine untergeordnete Rolle: Ohne den entsprechenden Netzausbau würde sich allerdings ein völlig anderes Bild ergeben.

Zudem fallen Kosten für die vorzeitige Abschreibung noch nicht amortisierter Anlagen an. Diese Kosten stellen entweder entgangene Produzentenrenten dar oder sie werden mittels Entschädigungszahlungen an Kraftwerks- und Tagebaubetreiber durch die Allgemeinheit kompensiert, wie es aktuell auch von der Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (WSBK) vorgeschlagen wird.

Ausblick

Die Transformationspfade der dena-Leitstudie sind – wie alle anderen derartigen Szenarien auch – weder eine Prognose noch ein Master-Plan.7 Dennoch beschreiben sie mögliche Veränderungen, die mit dem Ambitionsniveau der Klimaziele 2030 konsistent sind. Im Vergleich zur gegenwärtigen Marktentwicklung werfen sie insbesondere die Frage auf, wie die nötigen zusätzlichen Investitionen angereizt sowie die entstehenden Mehrkosten verteilt werden sollen. Hierbei befindet sich die Politik unter anderem im Spannungsfeld zwischen sozial- und industriepolitischer Perspektive. Die Energiewende wird nur dann gesellschaftlich umsetzbar sein, wenn Deutschland einerseits weiterhin Standort integrierter Wertschöpfungsketten bleibt, andererseits aber auch die Kostenbelastung privater und staatlicher Haushalte angemessen und sozialverträglich gestaltet wird. Für diesen Zielkonflikt gibt es kein Patentrezept, zumal das europäische Beihilferecht die Möglichkeiten für nationale industriepolitische Eingriffe in erheblicher Weise einschränkt.

Der Zielkonflikt zwischen Erreichung der Klimaziele und der wirtschaftlichen Belastbarkeit von Industrie, Haushalten und Staat sowie die Verteilung der entstehenden Belastungen zwischen den gesellschaftlichen Akteuren sind die Schlüsselfragen für die zukünftige Gestaltung der deutschen Energie- und Klimapolitik. Angesichts der Größenordnung der absehbaren Belastungen erscheint der Vergleich zu dem sogenannten Lastenausgleich nicht abwegig, mit dem seit 1952 die Heterogenität der jeweiligen wirtschaftlichen Belastungen durch die Kriegsfolgen zum Ausgleich gebracht worden ist. Die jüngst vorgelegten Ergebnisse der WSBK können als erster Schritt in eine solche Richtung gedeutet werden.

  • 1 Nahzeitprognose des Umweltbundesamts, Stand: 30. Juli 2018.
  • 2 dena: dena Leitstudie Integrierte Energiewende, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). Berlin 2018.
  • 3 Eine Halbierung der Kohleverstromung im Vergleich zu 2015 ist bereits berücksichtigt.
  • 4 Bundesverband Wärmepumpe (BWP): Zahlen & Daten – Absatzzahlen, BWP, Berlin 2019.
  • 5 Kilowattstunde je Personenkilometer.
  • 6 Umweltbundesamt (UBA): Entwicklung des spezifischen Energieverbrauchs im Personenverkehr, UBA Berlin 2018.
  • 7 Für eine Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen von Energieszenarien vgl. C. Dieckhoff et al.: Zur Interpretation von Energieszenarien, Schriftenreihe Energiesysteme der Zukunft, München 2014.

Title:Instruments of Climate Policy: Efficient Management or Failed State Intervention?

Abstract:At the UN climate conference in Paris, participants committed to reaching climate neutrality in the second half of the 21st century. This is only possible, however, if climate protection measures are not concentrated on individual countries. Emissions trading is an efficient tool to help reduce greenhouse gas emissions on a global scale. The CO2 price would need to be harmonised globally in order to avoid distortions of competition and carbon leakage. To achieve this, there has been a call for the introduction of CO2 taxes. Germany will miss its climate policy targets for 2020. If the necessary significant reductions in greenhouse gas emissions are to be reached in the coming decades, a political and social rethink is needed. A comparison between the efforts of the past and those that must be undertaken in the future demonstrates just how far we have to go.

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DOI: 10.1007/s10273-019-2415-y

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