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Zweckgesellschaft für den Iran-Handel: Instex greift zu kurz

Von Tommy Jehmlich, Friedrich Thießen

Um den Handel mit dem Iran trotz US-Sanktionen aufrechtzuerhalten, haben die E3-Länder (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) die Zweckgesellschaft Instex SAS (Instrument for Supporting Trade Exchanges) gegründet, um „den legitimen Handel zwischen europäischen Wirtschaftsakteuren und dem Iran zu ermöglichen“. Die E3-Länder betonen, dass Instex den „legitimen“ Handel mit dem Iran unterstütze, dass dies im Zusammenhang mit der gültigen Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm (JCPoA) stehe, dass Instex höchste Standards hinsichtlich Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Einhaltung von EU- und UN-Sanktionen sichere, dass Instex selbst transparent und wirksam arbeiten werde und dass zunächst die Versorgung der iranischen Bevölkerung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Agrargütern und Lebensmitteln Schwerpunkt des Systems sei. Mit dieser Erklärung argumentieren die E3-Länder bereits gegen die angekündigte Ausweitung der US-Sanktionen auf dieses System. Dabei werden ausschließlich völkerrechtliche und humanitäre Gründe erwähnt, sodass jede Aktion dagegen selbst rechtswidrig oder zumindest unmenschlich wäre.

Wirklich geklärt ist bisher nur wenig. Deshalb wird von Instex auf die Schnelle keine Hilfe im Iran-Handel zu erwarten sein. Aber auch längerfristig deuten sich Probleme an: Die US-Sanktionen richten sich derzeit maßgeblich gegen Zahlungsströme, die mit dem Iran in Verbindung stehen. Daher scheint ein System, das Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Handel verrechnet, statt zu bezahlen, grundsätzlich eine Lösung. Dennoch wird den meisten Firmen nicht klar sein, wie sicher und wie langfristig sie das System vor Sanktionen schützt. So werden viele Firmen den Aufwand scheuen, sich auf das neue System einzulassen. US-Außenminister Mike Pompeo hat bereits kritisiert, er sehe in Instex eine Umgehung der Sanktionen, die nicht geduldet würde. Eine Ausweitung der Sanktionen auf den Tauschhandel könnte jederzeit von den USA beschlossen werden. Dies bedeutet für europäische Firmen, dass sie den Handel mit dem Iran trotz des neuen Systems wohl nicht wieder aufnehmen oder sich alternativ dauerhaft von den USA fernhalten müssen, um nicht vor Ort für den Sanktionsbruch belangt zu werden. Betriebswirtschaftlich gesehen können Verrechnungssysteme wie das geplante kaum die Effizienz von Zahlungssystemen erreichen. Wenn ein solches System dann auch noch von Sanktionen angegriffen würde, stünde Europa mit sehr leeren Händen da.

Instex sollte in eine etwas andere Richtung entwickelt werden: Warum greift Europa nicht die starke Stellung der US-Banken im internationalen Zahlungsverkehr an? Derzeit liegen Reformen bedingt durch die Blockchain-Debatte „in der Luft“. Europäische Banken sind aber, was die Zahlungsinfrastruktur anbetrifft, merkwürdig wenig innovativ. Wirksame Internet- oder Handybezahlverfahren sind nicht in Europa entstanden. Das in Brüssel ansässige SWIFT-System blockiert sich als Genossenschaft selbst, weil viele Genossen von Veränderungen nicht profitieren würden. In dieser Situation wäre es großartig, wenn die E3-Länder das Heft in die Hand nähmen und den Grundstock eines modernisierten europäischen Zahlungssystems legten, das den europäischen Zahlungsverkehr unabhängig von US-Banken macht. Ein solches System würde dem europäischen und internationalen Zahlungsverkehr dienen, würde den Finanzplatz New York angreifen und wäre damit ein deutliches Drohsignal an die USA, welche Folgen es hat, wenn die Interessen Europas so missachtet werden, wie es bei den Iran-Sanktionen der Fall ist.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Resistent gegen Kritik

Von Justus Haucap

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist – wieder einmal – in der Kritik: zum einen wegen des von der ARD beauftragten „Framing Manuals“ und dem kläglichen Versuch der ARD, dies geheim zu halten, zum anderen wegen der beantragten Erhöhung der Rundfunkabgabe. Kern der Kritik ist letztlich die stetige Ausdehnung der abgabenfinanzierten Rundfunkangebote. Warum überaus teure Sportsendungen (und hier inzwischen fast ausschließlich Fußball) durch Abgaben finanziert werden müssen, ist vielen ebenso wenig klar wie die Abgabenfinanzierung zahlreicher Krimisendungen, Helene-Fischer-Shows oder seichter Seifenopern im Vorabendprogramm. Wie diese zur Sicherung der Demokratie beitragen, wie ARD und ZDF es darstellen, ist – freundlich ausgedrückt – zumindest unklar. Zugleich werden anspruchsvolle Sendungen auf hintere Sendeplätze verbannt. ARD und ZDF rechtfertigen ihr Vollprogramm mit 23 Kanälen vor allem damit, dass das Grundgesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung es gestatten, eben dies zu tun. Eine an Zielen und Mitteln orientierte Rechtfertigung fehlt zumeist völlig.

Das von der ARD bestellte Framing Manual rät der ARD sogar explizit dazu, sich in kritischen Diskussionen erst gar nicht auf die Ebene von Fakten zu begeben, sondern an Moral und Gefühle zu appellieren und durch eine geschickte Wortwahl Defizite zu überspielen. Kritik solle man primär mit einer Diffamierung der Kritiker begegnen. Diese Empfehlungen zeugen von einer bemerkenswerten Arroganz im Umgang mit Kritikern, die auch gern pauschal in die AfD-Ecke einsortiert werden. Diese Anleitung – so die korrekte Übersetzung von „Manual“ – zeigt aber auch eine erhebliche Naivität. So hat man in der DDR und anderen totalitären Systemen versucht, Missstände durch neue Wortschöpfungen und mehr oder minder geschickte Rhetorik zu überdecken. In der Regel führt dies jedoch eher zu einer weiteren Entfremdung zwischen Mächtigen und Beherrschten (sowie zahlreichen Witzen), aber vielleicht haben ARD und ZDF ja mehr Glück.

Wenn die stetige Ausdehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt sachlich gerechtfertigt wird, so lautet diese sinngemäß, dass Zuschauer kritische Reportagen, Kultur- und Nachrichtensendungen vor allem deswegen in ARD und ZDF sehen, weil diese auch Seifenopern, Krimis und Bundesliga zeigen. Zwar wird hier durchaus eine Korrelation bestehen, dass aber die Ausstrahlung teurer und zugleich wenig anspruchsvoller Sendungen kausal dafür ist, dass Zuschauer dann auch relativ günstig zu produzierende, aber anspruchsvolle Sendungen ansehen, ist eine doch eher wenig plausible und empirisch auch nicht belegte Behauptung. Das beste Argument für ein öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot kommt aus der Theorie des sogenannten Media Bias. Werbefinanzierte Sender nehmen gegebenenfalls zu viel Rücksicht auf ihre Werbekunden und ganz allgemein mögen Privatsender den politischen Präferenzen ihrer Eigentümer folgen. Dem kann ein öffentlich-rechtliches Angebot etwas entgegensetzen. Konsequenterweise sollte dies dann jedoch auch ganz auf Werbung verzichten und vor allem solche Angebote unterbreiten, bei denen ansonsten eine einseitige Berichterstattung drohen könnte. ARTE, Phoenix, 3Sat, der Deutschlandfunk und auch Tagesschau und heute-Sendung leisten dies in überzeugender Weise zu vergleichsweise geringen Kosten. Seifenopern und teure Sportrechte braucht man dafür nicht.

Ändern wird sich daran freilich auch in Zukunft kaum etwas: Nur wenige Institutionen sind so resistent gegen jedwede Kritik wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Zugleich setzt auch die Politik dem Expansionsdrang kaum Grenzen, denn aus politökonomischer Sicht ist es offenbar für die meisten Politiker keine sonderlich attraktive Strategie, sich kritisch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinanderzusetzen.

Personenbeförderungsgesetz: Reform nicht ohne Taxis

Von Gernot Sieg

Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat in einem Eckpunktepapier erste Überlegungen für die Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vorgelegt, damit auch in Deutschland App-basierte Fahrtvermittler (Transport Network Companies) rechtssicher Dienste wie Fahrtvermittlung und Bündelung von Mitfahrern mit ähnlichen Strecken (Ride-Pooling) anbieten können. Die betroffenen Interessengruppen, Taxifahrer und Taxiunternehmen, Verbraucher, Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und App-Betreiber wie Uber und mytaxi (wird demnächst zu: FREE NOW) reagieren vor und/oder hinter den Kulissen. Wie sind die vorgeschlagenen Maßnahmen vor dem Hintergrund zu bewerten, dass alle Regeln miteinander verzahnt sind und erst die Kombination ein abschließendes Urteil erlaubt?

Das BMVI will die neuen Fahrtvermittler in das PBefG aufnehmen. Dieses ist der richtige Schritt, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen und den Wettbewerb mit traditionellen Taxizentralen zu organisieren. Den ÖPNV-Unternehmen soll erlaubt werden, Ride-Pooling-Dienste (auch subventioniert) anzubieten, um den bisherigen Verkehr zu ersetzen, zu ergänzen oder zu verdichten. Auch privaten Anbietern wird das Ride-Pooling gestattet, jedoch so begrenzt, dass keine bisher ertragreichen Linien (oder Teilnetze) des öffentlichen Verkehrs bedroht werden. Obwohl diese Bedingung in der Praxis zu juristischen Auseinandersetzungen führen kann, ist der grundsätzliche Schutz des traditionellen ÖPNV (Busse und Bahnen) vorm Rosinenpicken durch Konkurrenten zu befürworten. Die neuen Angebote sollen als „Mietwagen mit Fahrer“ in den Rechtsrahmen eingebaut werden. Dafür wird die Rückkehrpflicht abgeschafft, die Streckenführung darf algorithmisch erfolgen und nicht nur der ganze Wagen, sondern auch einzelne Plätze dürfen vermietet werden. Auch die Abschaffung der Rückkehrpflicht und die Gestattung von Ride-Pooling ist sinnvoll, denn so werden kostenverursachende und umweltschädliche Leerfahrten vermieden.

Die Eckpunkte sind jedoch noch kein ausgefeiltes Konzept. Keiner der Eckpunkte beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Reform auf traditionelle Taxis und deren Verhältnis zu den neuen Angeboten. Im Unterschied zu Taxis unterliegen Mietwagen mit Fahrer nicht der Tarifpflicht (können also mit Rabatten, Zuschlägen bei hoher Nachfrage und Kundenbindungsprogrammen ihre Auslastung erhöhen), unterliegen keiner Betriebspflicht (können zu unprofitablen Zeiten also pausieren), unterliegen nicht der Beförderungspflicht (können also unprofitable Fahrten unterlassen oder durch höhere Preise profitabel anbieten) und können die Buchungskanäle (personalaufwendig mit Telefon oder automatisiert mit App) durch Preisunterschiede steuern. Als Privileg der Taxis verbleiben die Markenbindung der Kunden an „Taxis“, die Umsatzsteuervergünstigung des ermäßigten Satzes und ein „Aufstellverbot“ der Mietwagen an bestimmten fahrgastreichen Bereichen (Bahnhöfe, Flughäfen). Ohne unternehmerischen Spielraum werden die traditionellen Taxis verdammt, sich in lange Warteschlangen an Taxiständen einzureihen, um nach ineffizientem Warten eine Monopolrente und Umsatzsteuervergünstigung abschöpfen zu können. Damit traditionelle Taxis auf dem Funktaximarkt mit den neuen Mitbewerbern konkurrieren können, ist eine Aufhebung der Tarifpflicht, zumindest für per Telefon oder Internet vermittelte Fahrten, notwendig. Grundsätzlich gilt darüber hinaus die Empfehlung, den Unterschied zwischen Mietwagen und Taxis aufzugeben und so ein Level Playing Field zu schaffen. Dieses sollte mit (reguliertem) Preiswettbewerb und der Harmonisierung der Umsatzsteuersätze einhergehen. Die politische Chance, die sich gerade bietet, sollte im Sinne der Verbraucher für eine Taximarktorganisation aus einem Guss genutzt werden.

Verteidigungsausgaben: Kernaufgaben des Staats

Von Johannes Blum, Niklas Potrafke

Deutschland gibt als eine der größten Industrienationen weiterhin nur einen geringen Anteil seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus: Die Verteidigungsausgaben Deutschlands betrugen 2018 nach Schätzungen der NATO 1,24 % des Bruttoinlandsprodukts – Platz 17 innerhalb der NATO. In absoluten Werten befindet sich Deutschland auf Platz 3 in Europa – hinter Großbritannien und Frankreich. Die Ausrüstungsmängel und Versäumnisse im militärischen Beschaffungswesen bei der Bundeswehr sorgen regelmäßig für Schlagzeilen, zuletzt im Fall des Segelschulschiffes Gorch Fock, auch wenn die Deutschen ihrer Armee und ihren Soldaten tendenziell mit „freundlichem Desinteresse“ (Joachim Gauck) begegnen. Die Bundesregierung erhöht die Verteidigungsausgaben seit 2016 zwar wieder, erfüllt damit allerdings bei weitem noch nicht die Anforderungen und international getroffenen Vereinbarungen.

Im September 2014 hatten sich die NATO-Staaten auf ihrem Gipfel in Wales verpflichtet, bis 2024 2 % ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Für den exakten Wert von 2,0 % gibt es keinen tieferen Grund, er orientierte sich an Erfahrungswerten des Kalten Krieges sowie den Verteidigungsausgaben von Beitrittskandidaten. Einen Richtwert in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zu vereinbaren war sinnvoll, weil sich jedes Mitgliedsland auf ähnliche Weise – gemessen an seiner Wirtschaftskraft – im NATO-Bündnis einbringen sollte. Denn bei der Bereitstellung des öffentlichen Gutes Sicherheit und gemeinsamer Verteidigung im Bündnisfall gibt es ein Trittbrettfahrerproblem: Jedes Mitgliedsland hat einen Anreiz, möglichst wenig öffentliche Mittel ins Militär zu stecken und sich im Bündnisfall von den Bündnispartnern beschützen zu lassen. Jeder Euro öffentlicher Budgets kann schließlich nur einmal ausgegeben werden und andere Ausgaben (beispielsweise für Transfers) scheinen Politikern mehr Pluspunkte beim Wähler einzubringen als dies Rüstungsprojekte tun (Kanonen versus Butter). Bündnispartner, die das 2 %-Ziel nicht erfüllen, sind Trittbrettfahrer. Zudem halten sich die Länder, deren Regierungschefs 2014 in Wales dem 2 %-Ziel zugestimmt hatten, schlichtweg nicht an eine getroffene Abmachung. Das widerspricht rechtlichen und politischen Grundsätzen, denn Abmachungen sind einzuhalten. Gerade Deutschland steht es nicht gut an, andere Länder in Fällen wie z. B. den europäischen Fiskalregeln an Abmachungen zu erinnern und sich dann selbst nicht an das 2 %-Ziel zu halten. Da überzeugt es auch nicht, wenn Deutschland auf seine international recht hohe Entwicklungshilfe verweist. Verteidigungsausgaben und Entwicklungshilfe sind nicht per se Substitute, sie können genauso gut auch als strategische Komplemente betrachtet werden.

Die Wähler in vielen Industriestaaten haben Politiker in der Vergangenheit für steigende Staatsausgaben und eine Verschiebung innerhalb der Budgets belohnt. Es wird zunehmend mehr für Sozialleistungen ausgegeben. Zwar ist es positiv zu bewerten, wenn in Not geratene Bürger durch Transfers gestützt werden, denn dies macht die soziale Marktwirtschaft stark. Doch geraten die Verhältnisse aus dem Ruder. Die Sozialausgaben erreichen oft nicht Bedürftige, sondern verteilen von der rechten in die linke Tasche um, begünstigen Interessengruppen oder bevorteilen die eigene Wählerklientel. Darüber hinaus verdrängen die steigenden Sozial­ausgaben öffentliche Mittel für andere Staatsausgaben; insbesondere für die Bereitstellung öffentlicher Güter. Der Markt versagt bei der Bereitstellung öffentlicher Güter. Deshalb übernimmt der Staat diese Aufgaben. Dazu gehören eine ansprechende Infrastruktur und die Sicherheit der Bürger nach innen und außen. Auf diese Kernaufgaben sollte sich der Staat konzentrieren, denn von öffentlichen Gütern profitieren alle Bürger.


DOI: 10.1007/s10273-019-2414-z

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