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Im Prozess der Digitalisierung wird zunehmend die Nachfrage nach Bargeld verdrängt und der Zahlungsverkehr privatisiert. Spiegelbild dieser Entwicklung ist ein Machtverlust der Zentralbanken, ihr Instrumentenset droht an Effizienz zu verlieren. Eine in jüngerer Zeit viel diskutierte Reaktion der Zentralbanken auf diese Problematik ist das digitale Zentralbankgeld mit einem Zentralbank-Konto für Jedermann. Dieser Beitrag erläutert die Konzeption, die Ausgestaltungsoptionen, die Einbettung in den operativen Rahmen der Geldpolitik sowie die makroökonomischen Implikationen des digitalen Zentralbankgelds.

Meist müssen wir schmunzeln, wenn von Muscheln, Salz oder Vieh als Zahlungsmittel früherer Jahrhunderte die Rede ist. Späteren Generationen dürfte es ähnlich ergehen: Sie werden schmunzeln, wenn sie von bedrucktem Papier als Zahlungsmittel hören. Der Übergang von einer Geldform zu ihrem Nachfolger spiegelte immer auch technologische Entwicklungen. Der Prozess der Digitalisierung markiert hier den nächsten Schritt. Weil jetzt selbst Kleinstbeträge in Echtzeit auf elektronischem Wege Peer-to-Peer transferiert werden können, verliert Bargeld seinen komparativen Vorteil und droht vom Markt der Zahlungsmittel verdrängt zu werden. Ein Blick nach Schweden scheint wie ein Blick in die Zukunft. Neben der forcierten Verwendung von Debit- und Kreditkarten ist in Schweden insbesondere das mobile Zahlungssystem „Swish“ auf dem Vormarsch, aktuell werden nur noch knapp 20 % aller Point-of-Sale-Transaktionen mit Bargeld abgewickelt, Tendenz stark fallend. Im vergleichsweise bargeldaffinen Deutschland ist der entsprechende Wert bei rund 75 %, Tendenz leicht fallend.1

Die Zurückdrängung des Bargelds in Schweden ist ein mit Effizienzgewinnen einhergehender marktwirtschaftlicher Prozess.2 Ist ein ähnlicher Prozess auch in Deutschland denkbar, obwohl Euro-Banknoten das einzige uneingeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind? Ja, denn entgegen der weit verbreiteten Auffassung folgt aus der Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels kein Annahmezwang für Bargeld. Das Prinzip der Vertragsfreiheit beinhaltet das Recht, die Bezahlung in Bargeld abzulehnen; jedes Unternehmen kann eine „no cash“-Klausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnehmen.

Der Vormarsch elektronischer Zahlungsmittel geht häufig mit einer Privatisierung der Zahlungsinfrastruktur einher. So ist „Swish“ eine App, die von fünf großen schwe­dischen Banken konzipiert worden ist. Zahlungen via Swish werden in einem eigenen Clearing-System bearbeitet, die Zahlungsströme laufen zur Gänze an der schwedischen Zentralbank, der Reichsbank, vorbei. Die Reichsbank sah und sieht sich damit doppelt herausgefordert:

  1. Die Nachfrage nach „ihrem“ Produkt, der Krona, sinkt.
  2. Mangels Kontrolle der Zahlungsströme kann sie ihrer gesetzlichen Aufgabe, einen reibungslosen und sicheren Zahlungsverkehr zu gewährleisten, nicht in gewünschter Art und Weise nachkommen.

Die Reichsbank hat die Herausforderung angenommen und Pläne zur Etablierung eines digitalen Zentralbankgelds (DZBG) entwickelt. Fast alle maßgeblichen Zentralbanken weltweit beschäftigen sich derzeit mit dem Pro und Contra des digitalen Zentralbankgelds, jedoch ist Schweden, neben Uruguay, Vorreiter bei der Konkretisierung und Umsetzung der Pläne. Dieser Beitrag skizziert die Konzeption des digitalem Zentralbankgelds und diskutiert seine Eigenschaft als zusätzliches geldpolitisches Instrument.

Bausteine des digitalen Zentralbankgelds

Die Grundidee des digitalen Zentralbankgelds ist denkbar einfach: Private Haushalte und Unternehmen erhalten einen direkten Zugang zur Zentralbankbilanz, indem sie bei der Zentralbank ein Konto eröffnen und Einlagen bilden können. Die Idee des „Kontos für Jedermann bei der Zentralbank“ ist nicht neu, sie findet sich zum Beispiel bei Tobin.3 Die Umsetzung scheiterte in früheren Jahren unter anderem an der fehlenden technischen Machbarkeit einer ortsungebundenen Kontoführung. Heute liegt es de facto einzig in der Entscheidungsgewalt der Zentralbanken, die Details der Ausgestaltungsmerkmale festzulegen.

Die Einlagen der Privaten sind ebenso wie das traditionelle Zentralbankgeld (Bargeld und Reserven) eine Verbindlichkeit der Zentralbank. Je nach Ausgestaltungsform kann das digitale Zentralbankgeld näher am Bargeld oder näher an den Reserven angesiedelt sein. Während Bargeld in der Volkswirtschaft zirkuliert, aber nicht elektronisch ist, sind die Guthaben der Geschäftsbanken (Reserven) digital, zirkulieren aber nicht. Das digitale Zentralbankgeld verbindet die Eigenschaften: Digitale Einheiten des Zentralbankgelds sind allgemein handelbar und zirkulieren in der Volkswirtschaft.

Das digitale Zentralbankgeld ist ein zentrales System. Im Unterschied zu privat emittierten digitalen Währungen wie Bitcoin oder Ethereum gibt es mit der Zentralbank einen klar identifizierbaren Emittenten, der das Funktionieren des Systems gewährleistet und diskretionär über die „Spielregeln“ entscheidet. Für die generelle Akzeptanz von digitalem Geld dürfte eine verantwortliche Institution von Vorteil sein. Möchte eine Zentralbank primär das Verdrängen des Bargelds kompensieren, so wählt sie ein wertbasiertes (value-based) DZBG. Hiervon zu unterscheiden ist das kontenbasierte (account-based) DZBG, das als Erweiterung des geldpolitischen Instrumentariums anzusehen ist. Beim wertbasierten digitalen Zentralbankgeld halten die Privaten die Forderung gegenüber der Zen­tral­bank nicht in Form eines Kontos, sondern in Form von Wertrepräsentanten, sogenannten Token. Die einfachste und seit über 200 Jahren praktizierte Konkretisierung eines Tokens ist bedrucktes Papier, das Bargeld. Der Zugriff über Prepaid-Karten oder mobile Apps sind weitere Konkretisierungen, die für das digitale Zentralbankgeld vorstellbar sind.

Entscheidet sich eine Zentralbank für ein kontenbasiertes System, so muss sie in einem nächsten Schritt den Kreis der Akteure festlegen, denen eine Kontoeröffnung erlaubt wird. Zwei Szenarien markieren die Endpunkte eines Spektrums.4 Möchte die Zentralbank die Unsicherheit über die Wirkungsweise des digitalen Zentralbankgelds minimieren, so restringiert sie den Kreis der Nutzer auf Geschäftsbanken und Nichtbank-Finanzinstitutionen (NBFI) wie beispielsweise Versicherungen. In diesem Fall ist das digitale Zentralbankgeld mit den Reserven vergleichbar. Geschäftsbanken bekommen eine zusätzliche Alternative, um Zahlungen untereinander abzuwickeln, das digitale Zentralbankgeld ergänzt „Real Time Gross Settlement“-Systeme wie Target2. Für die NBFI eröffnet sich die Möglichkeit, Zahlungen an andere NBFI und/oder Geschäftsbanken über die Konten bei der Zentralbank abzuwickeln, sie müssen hierfür nicht mehr die eigenen Einlagen bei den Geschäftsbanken in Anspruch nehmen. Die Privathaushalte sind von dieser Variante des digitalen Zentralbankgelds kaum betroffen.

Am anderen Ende des Spektrums steht die Option, allen privaten Haushalten und Unternehmen eine Kontoführung bei der Zentralbank zu erlauben.5 Da es kaum vorstellbar ist, dass sich die Zentralbanken selbst in das Tagesgeschäft mit den Endkunden begeben, ist eine Auslagerung der Kontoverwaltung auf private Unternehmen plausibel. Abseits der konkreten Handhabung ist es aus ökonomischer Sicht zentral, wie die Privaten auf die zusätzliche Option reagieren: Kommt es zu massiven Portfolioumschichtungen weg von den Geschäftsbanken und hin zur Zentralbank? Wie sehen die Anpassungsreaktionen der Geschäftsbanken aus? Kommt es zu einem massiven Kapitalimport, weil beispielsweise ein EU-Land wie Schweden allen EU-Bürgern solche Kontoeröffnungen zugestehen muss? Mangels Erfahrungswerten sind hier kaum seriöse Schätzungen möglich, Plausibilitätsüberlegungen müssen an deren Stelle treten. Angesichts der Unwägbarkeiten scheuen die Zentralbanken erwartungsgemäß davor zurück, diese ex­treme Variante des digitalen Zentralbankgelds zu installieren. Dies gilt auch für die schwedische Reichsbank, die die Implementierung eines wertbasierten digitalen Zentralbankgelds als Pilotprojekt beschlossen hat, die hierin aber keine Vorentscheidung über die Einführung des „Zentralbank-Kontos für Jedermann“ sehen will.6 Der allgemeine Zugang zur Zentralbankbilanz wird nicht am Anfang, sondern allenfalls am Ende eines Entwicklungs- bzw. Implementierungsprozesses stehen.

Das letzte zu nennende Ausgestaltungsmerkmal ist die Verzinsung der Einlagen bei der Zentralbank. Die Wahl dieses Zinssatzes ist ein zusätzliches geldpolitisches Instrument, das maßgeblich über die angesprochenen Reaktionen der Privaten und damit über die Wirkungsweise des digitalen Zentralbankgelds entscheidet.

Zum technischen Design des digitalen Zentralbankgelds

Um einen Zahlungsvorgang erfolgreich durchführen und abschließen zu können, muss bei einem kontenbasierten System der Zahlende als Halter eines entsprechenden Kontos identifiziert werden. Bei Überweisungen zwischen Privaten übernimmt diese Aufgabe die Geschäftsbank, bei Zahlungen zwischen Geschäftsbanken übernimmt dies die Zentralbank. Weil dieser Intermediär das Risiko nicht korrekter Überweisungen trägt, gebietet es sein Eigeninteresse, dieses Risiko über die Nutzung der bestmöglichen Sicherheitstechnologie und/oder der Beschränkung auf einen bestimmten Kundenkreis zu minimieren.7

Bei einem wert- bzw. token-basierten System ist eine Überprüfung der Echtheit des Tokens erforderlich. Hier trägt der Empfänger der Zahlung das Risiko eines unechten Tokens. Bei einem Token in Form von Bargeld ist die Überprüfung auf Falschgeld noch recht einfach, bei einem digitalen Wertrepräsentanten ist dies in der Regel komplexer. Weil digitale Token vergleichsweise leicht zu kopieren sind, entsteht die Gefahr einer doppelten (oder mehrfachen) Verausgabung desselben Tokens. Um ein solches Double Spending zu unterbinden, bietet sich aus technologischer Sicht die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) an.

Die DLT beschreibt eine Klasse von Technologien, die Zustandsinformation in einem verteilten Netzwerk speichern. Der bekannteste Vertreter der DLT ist die von den Kryptowährungen bekannte Blockchain.8 Innerhalb der Blockchain werden Transaktionsdaten (Zahlungen) in strukturierter Reihenfolge blockweise gespeichert. Aus diesen Informationen lässt sich der historische Zahlungsverlauf jedes Tokens rekonstruieren. Den Technologien ist gemein, dass sie einen Konsens über die gespeicherten Zustände erreichen müssen, ohne dabei auf einen vertrauenswürdigen Dritten zurückzugreifen. Bei der Bitcoin-Blockchain erfolgt dies durch einen Proof of Work: Die Lösung eines kryptografischen Problems ermittelt den Teilnehmer, der zum Fortschreiben der Transaktionshistorie befugt ist. Dadurch ist sichergestellt, dass jeder Netzwerkknoten über dasselbe Set an Informationen verfügt, eine Überprüfung der Echtheit eines Tokens ist damit problemlos möglich. Besonders ist dabei, dass sich die Teilnehmer im Falle der Bitcoin-Blockchain nicht gegenseitig vertrauen müssen, es kommt zu einer Verschiebung des Vertrauens hin zur Technologie.9 Die Nutzer müssen sich nicht notwendigerweise kennen, um eine Zahlung abwickeln zu können, vielmehr bleiben sie pseudonym. Dieser Typ ist als offene Blockchain bekannt, jeder Knoten kann dem Netzwerk frei beitreten oder es verlassen. Abzugrenzen davon sind die geschlossenen Blockchains, bei denen es einen definierten Kreis an autorisierten Instanzen gibt, die Informationen aus der Blockchain auslesen oder hinzufügen können. Dies erfordert eine zentrale Instanz, die über die Zulassung entscheidet. Die gesetzlichen Regularien sehen im Hinblick auf den elektronischen Zahlungsverkehr hohe Anforderungen an die Kundenidentifikation (Know your customer – KYC) und Geldwäscheprävention (anti-money laundering – AML) vor. Daraus ergibt sich für den Systembetreiber die Notwendigkeit, die Verwendung der Tokens Kunden zuordnen zu können. Die Zentralbank kann die Ausgestaltung somit nicht frei wählen, sie muss sich für ein geschlossenes System entscheiden.

Die Zentralbanken haben die DLT als Kandidaten für ein digitales Zentralbankgeld durchaus wahrgenommen. Vorteile dieser Technologie umfassen z. B. eine erhöhte Transparenz, verbesserte Datenintegrität und eine erhöhte Resilienz durch den Wegfall des Single Point of Failure. Von den Befürwortern der DLT wird zudem häufig die Pseudonymität genannt. Analog zum Bargeld ermöglicht die Technologie Zahlungsabwicklungen ohne Kenntnisse der Identität. Zudem sind Effizienzgewinne aus der Nutzung der DLT möglich, da aufgrund der einheitlichen Aufzeichnungen der Abstimmungsbedarf und damit Kosten reduziert werden können.10

Kritisch sind die noch mangelnde Skalierbarkeit (unzureichende Kapazität) sowie die Energieintensität der DLT. Ein Beispiel: Der für die Abwicklung sämtlicher kanadischer Finanztransaktionen mittels Bitcoin-Blockchain notwendige Strombedarf würde den gesamten derzeitigen kanadischen Stromverbrauch übersteigen.11 Eine Abkehr vom Proof of Work als Konsensmechanismus ist unabdingbar, überlegene Alternativen werden derzeit entwickelt.12 Abadi und Brunnermeier sprechen in diesem Zusammenhang von einem Blockchain-Trilemma, wobei von den drei Zielgrößen „Korrektheit der Transaktionen“, „dezentrale Durchführung“ und „Kosteneffizienz“ nur jeweils zwei erfüllt werden können.13 Bei der Bitcoin-Blockchain werden die ersten beiden Ziele erreicht, es muss auf Kosteneffizienz verzichtet werden. Beim digitalen Zentralbankgeld gewinnt man Kosteneffizienz, muss hingegen das Ziel der Dezentralisierung aufgeben. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass aus heutiger Sicht die DLT nicht überlegen ist. Jedoch ist angesichts der rasch fortschreitenden Entwicklung der DLT eine fortwährende Neuevaluation dieser Einschätzung vonnöten.

Eine schematische Darstellung der Digitalen-Zentralbankgeld-Technologie bietet Abbildung 1.

Abbildung 1
Digitales-Zentralbankgeld-System
Digitales-Zentralbankgeld-System

Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Sveriges Riksbank: The Riksbank’s e-krona project – Report 2, 2018.

Kern des Systems ist die Digitale-Zentralbankgeld-Plattform. Sie ist das zentrale Steuerungsinstrument und wickelt die Transaktionen des digitalen Zentralbankgelds ab. Die Plattform kann, muss aber nicht DLT-basiert sein, wird aber in jedem Fall der Kontrolle der Zentralbank unterliegen, die z. B. die Menge der zu emittierenden Token reguliert. Für die Inte­gration der Plattform in bestehende Systeme sind verschiedene Schnittstellen bereitzustellen. Wie bereits verdeutlicht, wird für die Zentralbank insbesondere die Anbindung der Geschäftsbanken zu forcieren sein, deren Systeme ein Bindeglied zu den Haushalten darstellen. Analoges gilt für Clearing-Häuser, Zahlungsdienstleister, Hersteller von Kassensystemen oder auch Kartengesellschaften. Die von diesen Institutionen verwendeten Systeme nutzen weitere Schnittstellen, um kompatibel zu den von Kunden präferierten Verfahren zu sein. Diesen Umstand kann die Zen­tralbank nutzen, um vergleichsweise schnell eine möglichst hohe Verfügbarkeit des digitalen Zentralbankgelds anbieten zu können.

Eine Schnittstelle zu den Settlement-Systemen der Zen­tralbank wie dem europäischen Target2 oder dem schwedischen Zahlungssystem RIX stellt sicher, dass Kapital ohne Hindernisse in das Digitale-Zentralbankgeld-System gelangen bzw. auch wieder hinausfließen kann. Über diese Schnittstelle erreicht die Zentralbank eine Anknüpfung an das bisher bestehende Zentralbankgeld. Eine weitere Schnittstelle verbindet die Digitale-Zentralbankgeld-Plattform mit den zentralbankinternen Systemen, die eine Administration und Kontrolle der Funktionen der Digitalen-Zentralbankgeld-Plattformen ermöglichen. Dies umfasst die Ausgabe elektronischer Zertifikate sowie die Erstellung der amtlichen Statistiken.

Plant die Zentralbank die Ausgabe des digitalen Zentralbankgelds auch an Nichtbanken, ist den Nutzern eine entsprechende Schnittstelle bereitzustellen, über die sie auf die Digitale-Zentralbankgeld-Plattform zugreifen können. Diese ermöglicht die Entwicklung von mobilen Apps oder die Anbindung von Internet-der-Dinge-Endgeräten. Die Schnittstelle unterscheidet sich insofern von der Schnittstelle der externen Systeme, als die Nutzer des Systems darüber direkt auf die Digitalen-Zentralbankgeld-Systeme zugreifen, ohne dabei auf die Systeme des externen Anbieters angewiesen zu sein. Aus dem Wegfall dieses Intermediärs ergibt sich für die Zentralbank die Verpflichtung zur Umsetzung gesetzlicher Anforderungen, die bislang bei den externen Dienstleistern implementiert sind.

Wie kommt das digitale Zentralbankgeld in Umlauf?

Im Weiteren wird ein kontenbasiertes digitales Zentralbankgeld, bei dem die Privaten ein Konto bei der Zentralbank einrichten und Einlagen bilden können, betrachtet. Völlig analog zum Bargeld ist das digitale Zentralbankgeld eine Verbindlichkeit der Zentralbank und eine Forderung der Privaten, entsprechend ist in der Bilanz der Privaten das digitale Zentralbankgeld ein Aktivposten (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
Stilisierte Darstellung der Bilanzen der Akteure
Stilisierte Darstellung der Bilanzen der Akteure

Quelle: eigene Darstellung.

Eine erste (und unrealistische) Variante, wie das digitale Zentralbankgeld in Umlauf gebracht werden kann: Die Zentralbank schreibt jedem Kontoinhaber einen Betrag X gut. Dieses Szenario ist das digitale Pendant zum Helikopter-Geld von Friedman.14 Auf das Pro und Contra direkter Zahlungen an die Privaten soll hier nicht eingegangen werden, jedoch ist festzuhalten, dass die technische Umsetzung dieser Idee durch das digitale Zen­tralbankgeld erheblich erleichtert wird, die Geschäftsbanken können umgangen werden.

Sind Bargeld und digitales Zentralbankgeld gute Substitute, so ist die für Schweden skizzierte Zurückdrängung der Nachfrage nach Bargeld nicht gleichbedeutend mit einer Zurückdrängung der Nachfrage nach Zentralbankgeld. In der Bilanz der Zentralbank kommt es zu einem Passivtausch, zusätzliche Verbindlichkeiten in Form des digitalen Zentralbankgelds stehen verminderte Verbindlichkeiten in Form des Bargelds gegenüber. Eine Bilanzverlängerung hingegen findet statt, wenn in Analogie zu klassischen Offenmarktgeschäften die Zentralbank Wertpapiere von den Privaten kauft und den Gegenwert als digitales Zentralbankgeld den Privaten gutschreibt. In diesem Fall muss die Zentralbank festlegen, welche Papiere sie bereit ist zu kaufen, welche Qualitätskriterien diese Papiere also erfüllen müssen. Des Weiteren muss sie klären, ob sie alle Papiere, die die Kriterien erfüllen und ihr angeboten werden, bereit ist zu kaufen oder ob es eine Mengenrestriktion gibt. Kumhof und Noone15 favorisieren diesen Weg der Geldschöpfung, sie sprechen sich dafür aus, digitales Zentralbankgeld nur gegen Staatsschuldpapiere zu emittieren. Private, die beispielsweise Spar- oder Sichteinlagen in digitales Zentralbankgeld umwandeln wollen, müssen zunächst den Umweg über den Erwerb besagter Staatsschuldpapiere gehen. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Zentralbank nicht die Kontrolle über die umlaufende Zentralbankgeldmenge verliert. Zudem vermindert sich dadurch, so die Autoren, die Gefahr, dass es in finanziell turbulenten Zeiten zu einer sich beschleunigenden Abwärtsspirale kommt, indem die Privaten massiv Einlagen von den Geschäftsbanken in den vermeintlich sicheren Hafen Zentralbank transferieren.

Ein solcher Transfer von Einlagen bei den Geschäftsbanken (Depositen) zu Einlagen bei der Zentralbank (digitales Zentralbankgeld) steht im Zentrum vieler Analysen zum digitalen Zentralbankgeld. Restringiert man den Blick zunächst auf die bilanztechnische Seite, so liegt bei den Privaten ein Aktivtausch vor, jedoch wechselt die Schuldnerseite von den Geschäftsbanken zur Zentralbank. Die Geschäftsbanken erfahren einen Rückgang der Depositen, womit ein Grundpfeiler ihrer eigenen Refinanzierung und der eigenen Kreditvergabe erodiert. Eine erste Möglichkeit, diesen Mittelabfluss zu kompensieren, besteht in einer Verminderung der eigenen Guthaben bei der Zentralbank, also einer Verminderung der Reserven. Für die Geschäftsbank wäre dies eine Bilanzverkürzung, für die Zentralbank werden Verbindlichkeiten in Form der Reserven ersetzt durch Verbindlichkeiten in Form von digitalem Zentralbankgeld.16 Übersteigt der Mittelabfluss den Umfang der Reserven, müssen die Geschäftsbanken Kredite bei der Zentralbank aufnehmen und/oder das eigene Aktivgeschäft in Form der Kreditvergabe an die Privaten reduzieren. In diesem Fall drohen erhebliche negative Effekte für die Realwirtschaft.

Das Ausmaß der Umwandlung von Depositen bei Geschäftsbanken in Einlagen bei der Zentralbank, oder anders formuliert, die Nachfrage nach digitalem Zentralbankgeld, ist mangels Erfahrungswerten kaum seriös abschätzbar. Klar ist jedoch, dass die Zentralbank über die Konkretisierung einzelner Ausgestaltungsmerkmale des DZGB die Nachfrage maßgeblich beeinflusst. Beim Bargeld ist es üblich, dass die Zentralbanken jede nachgefragte Einheit auch anbieten. Beim digitalen Zentralbankgeld muss das keineswegs so sein. Wie von Kumhof und Noone gefordert, ist eine Verknüpfung mit dem Ankauf von Wertpapieren denkbar, was einer Mengenrestriktion gleichkommt. Des Weiteren ist die Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds ein geldpolitischer Entscheidungsparameter. Je geringer die Zinsdifferenz zu den Depositen, desto stärker wird ceteris paribus die Substitution von Depositen und digitalem Zentralbankgeld sein.

Geschäftsbanken und Finanzmarktstabilität

Wie stark und in welcher Form die Geschäftsbanken von der Einführung eines digitalen Zentralbankgelds betroffen wären, hängt also maßgeblich von der Konkretisierung der diversen Ausgestaltungsmerkmale ab. Um die Depositenabzüge und damit die Implikationen für die Liquidität und die Refinanzierung der Geschäftsbanken zu minimieren, erscheint es opportun, zumindest in einer Einführungsphase das digitale Zentralbankgeld unverzinslich zu belassen. Es wird dann in erster Linie ein sicherer Hafen geschaffen, dessen Ansteuern für die Privaten mit Opportunitätskosten in Höhe der entgangenen Depositenzinsen einhergeht. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld hätte die Einführung des digitalen Zentralbankgelds mithin stärkere Effekte als eine Einführung zu „normalen Zeiten“.

Die Größenordnung der Nachfrage nach e-Krona lässt sich nur approximativ herleiten. Unter Fokussierung auf das Transaktionsmotiv schätzt Segendorf die Nachfrage auf 45 Mrd. Krona, was ungefähr 1,7 % der Depositen entspricht.17 Juks ergänzt die Betrachtung um portfoliotheoretische Überlegungen, mit dem Ergebnis, dass die Nachfrage bei ungefähr 120 Mrd. Krona oder 4,5 % der Depositen liegen wird.18 Beide Autoren erwarten bei dieser Größenordnung keine größeren Verwerfungen bei den Geschäftsbanken.

Diese Zahlen sind jedoch eher als konservative Schätzung einzustufen. Sie basieren auf einem maximalen Zinsabstand zwischen digitalem Zentralbankgeld und Depositen, die Nachfrage der (EU-)Ausländer wird nicht berücksichtigt, die Schätzung gilt für ruhige Zeiten an den Finanzmärkten, wenn die Gefahr eines Bankenzusammenbruchs auf breiterer Front nicht in Form einer Risikoprämie eingepreist wird. Die konservative Schätzung mag auch durch die Überlegung motiviert sein, dass die Prognose (zu) hoher Einlagenabzüge das Gesamtprojekt einer kontenbasierten e-Krona zu gefährden droht. Die Prognose einer wegbrechenden Refinanzierung und damit das Infragestellen des bisherigen Geschäftsmodells würde die bis dato wohlwollende Begleitung des e-Krona-Projekts durch die Geschäftsbanken gefährden. Zudem ist es nicht opportun, die Implementierung eines neuen Instruments anzukündigen und dies mit der Erwartung zu verknüpfen, dass voraussichtlich heftige Finanzmarktturbolenzen folgen würden.

Depositen sind zwar täglich fällig, jedoch stehen sie den Geschäftsbanken aufgrund ihrer Stabilität meist langfristig zur Verfügung. Werden sie dennoch abgezogen, so können Geschäftsbanken,

  • erstens, die Verzinsung der Depositen erhöhen,
  • zweitens, sich verstärkt über die Kapitalmärkte refinanzieren beispielsweise durch Ausgabe von Bankschuldverschreibungen,
  • drittens, die Reserven bei der Zentralbank reduzieren bzw. dort einen Kredit aufnehmen, oder
  • viertens, die Aktivseite der Bilanz über eine verminderte Kreditvergabe verkürzen.

Für alle Alternativen gilt: Sie mindern den Gewinn der Geschäftsbanken. Unabhängig von der Art der Anpassungsreaktion werden die Geschäftsbanken nach Einführung eines kontenbasierten digitalen Zentralbankgelds ihre Gewinnposition kaum halten können.

Digitales Zentralbankgeld und Finanzmarktstabilität

Die zunehmende Fragilität in der Refinanzierung wird für die Geschäftsbanken nicht nur erhöhte Anforderungen an deren Liquiditätsmanagement zur Folge haben, sondern es ist auch eine Anpassung des Risikoprofils im Aktivgeschäft zu erwarten. Durch die Schaffung eines sicheren Hafens, der 24/7 angesteuert werden kann, wird das Monitoring der Einleger erleichtert. Weil als zu riskant angesehene Aktivgeschäfte leichter und schneller mit Einlageabzügen sanktioniert werden können, wirkt dies disziplinierend und risikomindernd. Dies ist eindeutig ein positiver Beitrag des digitalen Zentralbankgelds zur Finanzmarktstabilität.

Die Wirksamkeit dieses Effekts hängt maßgeblich von der Existenz einer Einlagenversicherung ab. Trägt der einzelne Einleger kein Risiko in Form eines (Teil-)Verlusts seiner Einlagen im Fall der Insolvenz einer Bank, so wird er kein Monitoring betreiben. Zudem besteht auch heute die Möglichkeit einer Einlagen­umschichtung von einer in Schieflage geratenen Bank zu einer gesunden Bank. Aber diese Überlegungen sind mikroökonomischer Natur. Auf makroökonomischer Ebene ist der Fall einer generellen Bankenkrise zu beachten. Hier scheiden Transfers zu gesunden Banken meist aus, ebenso verliert die Einlagenversicherung an Glaubwürdigkeit, denn die Summe der Ansprüche an die Versicherung übersteigen bei einer allgemeinen Bankenkrise die Ressourcen deutlich. Wird der Versicherungsschutz als unglaubwürdig eingestuft, so droht ein Bank-Run-Szenario. Das digitale Zentralbankgeld greift hier zweifach ein. Zum einen ist es ein perfekt glaubwürdiger Einlegerschutz, denn durch einen Transfer der Einlagen zur Zentralbank gelingt ein vollständiger Schutz vor einem etwaigen Verlust derselben. Zum anderen aber erleichtert das digitale Zentralbankgeld den Einlagenabzug, da ein Transfer von Depositen von den Geschäftsbanken zur Zentralbank jederzeit und reibungslos möglich ist. Jedwede Komplikation, die beispielsweise bei der Umwandlung von Depositen in Bargeld auftreten kann, entfällt. Als Konsequenz dürfte in turbulenten Zeiten die Wahrscheinlichkeit solcher Abzüge steigen.

Die mit einer allgemeinen Bankenkrise einhergehenden Vermögensverluste werden durch das digitale Zentralbankgeld vermindert, aber die Wahrscheinlichkeit einer allgemeinen Bankenkrise droht infolge der erleichterten Abzüge zu steigen. Das digitale Zentralbankgeld ist mithin ein zweischneidiges Schwert hinsichtlich der Finanzmarktstabilität. Es sei allerdings explizit angemerkt, dass die skizzierten Überlegungen ein hohes Maß an Spekulation beinhalten, denn es gibt bis dato keine soliden theoretischen oder empirischen Analysen, die sich mit dem digitalen Zentralbankgeld in seiner Interaktion mit der Einlagenversicherung und dem Anpassungsverhalten von Einlegern und Geschäftsbanken auseinandersetzen. Hier ist erheblicher Forschungsbedarf zu reklamieren.19

Geldpolitik und makroökonomische Wirkungen

Einlagen von Privaten bei der Zentralbank sind eine Finanz­innovation, die das Instrumentenset der Zentralbank erweitern. Die Entscheidung über die Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds ist als neues geldpolitisches Instrument anzusehen, das die übrigen geldpolitischen Zinssätze ergänzt. Im Gegensatz zu den Kryptowährungen, die die Einflussmöglichkeiten der Zentralbank eingrenzen,20 liegt das digitale Zentralbankgeld in den Händen der Zentralbank. Die Einflussnahme auf die Depositen der Banken und damit auf deren wichtigste Refinanzierungsquelle ist direkter als beim bisherigen Instrumentarium. Dies erhöht die Effizienz des Instrumentariums, der Depositenkanal als Transmissionsmechanismus der Geldpolitik rückt stärker in den Mittelpunkt.21

Die Ergänzung der geldpolitischen Zinssätze heißt konkret: Der Zinssatz für das digitale Zentralbankgeld ist eine neue Untergrenze für die übrigen Zinssätze. Ebenso wie Bargeld ist das digitale Zentralbankgeld als risikoloses und jederzeit zugängliches Asset anzusehen. Liegen die geldpolitischen Zinssätze „zu tief“, würden Banken, Unternehmen und Haushalte Bargeld oder das digitale Zentralbankgeld präferieren und entsprechend ihre Portfolios umschichten. Weil Bargeld zinslos ist, begründet diese Substitutionsmöglichkeit die Nullzinsuntergrenze. Nun haben viele Zentralbanken in den vergangenen Jahren diese Untergrenze durchbrochen, beispielsweise praktiziert die Europäische Zentralbank (EZB) seit Mitte 2014 ununterbrochen einen Negativzins für die Einlagefazilität. Eine solche Negativverzinsung ist möglich, da die Bargeldhaltung mit Transport-, Versicherungs- und Lagerhaltungskosten verbunden ist, weshalb man heute eher von einer „effektiven Zinsuntergrenze“ spricht, die klar im negativen Bereich liegt. Durch das Halten von digitalem Zentralbankgeld entfallen die genannten Kosten. Folglich wird sich die effektive Zinsuntergrenze anheben, sie wird sich der Nullzinsuntergrenze annähern. Für die Geldpolitik engt sich der Handlungsspielraum ein, negative Zinsen sind im Extremfall nicht mehr durchsetzbar.22

Bei einer positiven Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds ist die Frage virulent, inwieweit dies die bekannten Transmissionskanäle der Geldpolitik in ihrer Stärke verändert und/oder ob neue Transmissionskanäle hinzukommen. Die erste Frage wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diskutiert und verneint.23 Betrachtet wird eine Variation des Leitzinses, also in den USA die Federal Funds Rate und im Euroraum der EZB-Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Bei einem perfekten Kapitalmarkt wird die Erhöhung des Leitzinses eins zu eins weitergegeben in eine Erhöhung der Marktzinssätze, die Investitionen der Unternehmen gehen zurück, die Haushalte substituieren intertemporal, d. h., sie sparen mehr und konsumieren weniger. Dieser Zinskanal wird vom digitalen Zentralbankgeld kaum berührt.

Interessanter (und realistischer) erscheint eine Welt imperfekter Kapitalmärkte, in der der Prozess der Kreditvergabe von den Geschäftsbanken eine maßgebliche Rolle spielt. Zur Refinanzierung der eigenen Kreditvergabe müssen Banken Depositen oder andere Fremdmittel attrahieren. Die Aufnahme solcher Fremdmittel beispielsweise über die angesprochene Herausgabe von Bankschuldverschreibungen wird bei einer geldpolitischen Zinserhöhung teurer, es werden weniger Fremdmittel aufgenommen, die Kreditvergabe der Banken und damit die kreditfinanzierten Teile von Investitionen und Konsum sinken ab. Dieser Kreditkanal wird durch das digitale Zentralbankgeld in dem Maße betroffen, wie Depositen von den Geschäftsbanken zur Zentralbank geflossen sind, denn dies bestimmt die Notwendigkeit, Fremdmittel zu gewinnen. In Übereinstimmung mit der schwedischen Reichsbank kommt der IWF zu der Auffassung, dass die Nachfrage nach digitalem Zentralbankgeld von sekundärer Größenordnung ist und damit den Kreditkanal der Geldpolitik nicht signifikant verändert. Allerdings ist insbesondere das Volumen des Einlagenabzugs in Richtung Zentralbank endogen und abhängig von der Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds. Die jeweiligen Einlagen sind gute Substitute, weshalb die Zentralbank über die Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds sehr direkt auf die Depositen bei den Geschäftsbanken einwirken und damit die Schärfe des Kreditkanals maßgeblich beeinflussen kann. Für eine aktive Nutzung dieses Wirkungskanals ist die Kenntnis der Zins­elastizität der Nachfrage nach digitalem Zentralbankgeld vonnöten. Mangels Implementierung des digitalen Zentralbankgelds kann hierüber nur spekuliert werden. Einen Anhaltspunkt liefert die viel beachtete Studie von Barrdear und Kumhof, die in der Kalibrierung ihres Modells für private Anleger eine Zinssemielastizität von 5 und für institutionelle Anleger von 250 unterstellen.24 Ein wichtiger Bestimmungsfaktor für diese Elastizität ist die Existenz einer (glaubwürdigen) Einlagenversicherung. Eine erhöhte Verzinsung des digitalen Zentralbankgelds wird nicht versicherte Einlagen stärker attrahieren als versicherte Einlagen.25

Der Leitzins und der Zinssatz für das digitale Zentralbankgeld sind zwei unabhängige Instrumente, die grundsätzlich separat festgesetzt werden können. Die Interaktion mit den übrigen Instrumenten und damit die Einbettung in den operativen Rahmen der Geldpolitik ist jedoch theoretisch wie empirisch weitgehend unerforschtes Terrain. Wissenschaft und Geldpolitik sind daher gespannt, welche Erfahrungen Pioniere wie Uruguay oder Schweden machen werden.

Die Unsicherheit über die Wirkungsweise des digitalen Zentralbankgelds impliziert eine Unsicherheit über die makroökonomischen Implikationen des digitalen Zentralbankgelds. Nur wenige Simulationsstudien versuchen eine grobe Schätzung der Effekte. Eine Ausnahme ist die Studie von Barrdear und Kumhof, die unter Zugrundelegung eines dynamisch-stochastischen allgemeinen Gleichgewichtsmodells recht optimistisch schlussfolgern: Die Einführung eines digitalen Zentralbankgelds führt zu einer Erhöhung des gleichgewichtigen BIP um rund 3 %.26 Der Effekt speist sich aus reduzierten Realzinsen, die eine verbesserte Finanzintermediation reflektieren, sowie aus einer Absenkung verzerrender Steuern, die infolge höherer Seigniorage-Einnahmen ermöglicht wird, die von der Zentralbank an die Regierung weitergeleitet werden. Darüber hinaus können primär monetäre Schocks durch das neue geldpolitische Instrument besser abgefangen werden, was eine verminderte Output- und Preisvolatilität ermöglicht. Diesen positiven Effekten gegenüberzustellen ist die vermutlich steigende Volatilität des Wechselkurses. Wenn beispielsweise die schwedische Reichsbank das digitale Zen­tralbankgeld implementiert, haben sofort alle EU-Bürger und -Unternehmen die Option eines Kontos bei der Reichsbank. Unter der Prämisse, dass hiervon substanziell Gebrauch gemacht wird, kommt es zu vermehrten internationalen Kapitalbewegungen, der Wechselkurs der Krona wird in Hinblick auf Niveau und Volatilität beeinflusst.

Genaue Wirkungsweise des digitalen Zentralbankgelds schwer vorherzusagen

Wie in Schweden gut zu beobachten ist, führt die technologische Entwicklung zu einer Verdrängung der Nachfrage nach Bargeld und zu einer Privatisierung des Zahlungsverkehrs. Die sachgerechte Reaktion der Zentralbanken ist die Einführung des digitalen Zentralbankgelds (Konto für Jedermann bei der Zentralbank). Dessen breite Implementierung ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Der Zinssatz für Einlagen bei der Zentralbank ist ein neues geldpolitisches Instrument, das makroökonomische Effizienzgewinne und eine verbesserte stabilitätspolitische Reaktion speziell auf monetäre Schocks verspricht.

Allerdings ist die Unsicherheit über die genaue Wirkungsweise dieses Instruments immens. Dies gilt insbesondere für die Einführungsphase, da mangels Erfahrungen die Anpassungsreaktionen der Akteure schwer einzuschätzen sind. Damit dieses neue Instrument nicht selbst als monetärer Schock wirkt, ist die Vorgehensweise der schwedischen Reichsbank zu begrüßen. Sie wird dieses In­strument zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts und in Form eines wertbasierten Systems testen, um auf Basis der Erfahrungen über die weiteren Ausgestaltungsmerkmale zu entscheiden.

  • 1 Vgl. Sveriges Riksbank: Payment Patterns in Sweden, Mai 2018; sowie Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2017, Vierte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln, Frankfurt a. M. 2017.
  • 2 Verteilungseffekte sind hier ausgeblendet. Insbesondere einkommensschwache Haushalte, die verstärkt auf Bargeld setzen (müssen), dürften negativ betroffen sein. Vgl. hierzu L. Hernandez, N. Jonker, A. Kosse: Cash versus Debit Card: The Role of Budget Control, in: Journal of Consumer Affairs, 51. Jg. (2017), H. 1, S. 91-112.
  • 3 Vgl. J. Tobin: Financial Innovation and Deregulation in Perspective, in: Bank of Japan Monetary and Economic Studies, 3. Jg. (1985), H. 2, S. 19-29.
  • 4 Vgl. M. Kumhof, C. Noone: Central Bank Digital Currencies – Design Principles and Balance Sheet Implications, Bank of England Staff Working Paper, Nr. 725, 2018.
  • 5 Eine Änderung des Bundesbankgesetzes wäre hierfür nicht erforderlich. Gemäß § 22 Bundesbankgesetz darf die Bundesbank alle Geschäfte, die sie mit Kreditinstituten betreibt, auch mit natürlichen und juristischen Personen im In- und Ausland betreiben. Die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2010 vom Versicherungsunternehmen Talanx eingereichte Klage auf Einrichtung eines Girokontos bei der Bundesbank hatte dennoch keinen Erfolg, denn die Bundesbank darf, muss aber nicht mit Nichtbanken Geschäfte tätigen.
  • 6 Vgl. den Präsidenten der Riksbank S. Ingves: The E-Krona and the Payments of the Future, 2018, https://www.riksbank.se/en-gb/press-and-published/speeches-and-presentations/2018/ingves-the-e-krona-and-the-payments-of-the-future/ (12.3.2019).
  • 7 Vgl. hierzu den illustrativen Beitrag von C. Kahn, F. Rivadeneyra, T.-N. Wong: Should the Central Bank Issue E-Money?, Federal Reserve Bank of St. Louis Working Paper, Nr. 2019-003A, 2019.
  • 8 Für eine Einführung vgl. V. Brühl: Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers: Funktionsweise, Marktentwicklungen und Zukunftsperspektiven, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 2, S. 135-142, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/2/bitcoins-blockchain-und-distributed-ledgers-funktionsweise-marktentwicklungen-und-zukunftsperspektiv/ (25.4.2019).
  • 9 Vgl. W. Blocher, A. Hanl, J. Michaelis: Revolutionieren Kryptowährungen die Zahlungssysteme?, in: Wirtschaftspolitische Blätter, 64. Jg. (2017), H. 4, S. 543-552.
  • 10 Vgl. J. Chapman, C. A. Wilkins: Crypto “Money”: Perspective of a Couple of Canadian Central Bankers, Bank of Canada Staff Discussion Paper, Nr. 2019-1,2019.
  • 11 Ebenda.
  • 12 Vgl. für eine Übersicht A. Hanl: Some Insights into the Development of Cryptocurrencies, MAGKS Discussion Paper, Nr. 04-2018, 2018.
  • 13 Vgl. J. Abadi, M. Brunnermeier: Blockchain Economics, NBER Working Paper, Nr. 25407, 2018.
  • 14 Vgl. M. Friedman: The Optimum Quantity of Money and Other Essays, Chicago 1969, sowie für eine aktuelle Analyse des Arguments W. H. Buiter: The Simple Analytics of Helicopter Money: Why It Works – Always, in: Economics: The Open-Access, Open-Assessment E-Journal, 8. Jg. (2014), H. 2014-28, S. 1-51.
  • 15 Vgl. M. Kumhof, C. Noone, a. a. O.
  • 16 Für eine vertiefte bilanztechnische Analyse vgl. R. Juks: When a Central Bank Digital Currency Meets Private Money: Effects of an E-Krona on Banks, in: Sveriges Riksbank Economic Review, 29 Jg. (2018), H. 3, S. 79-99.
  • 17 Vgl. B. Segendorf: How Many E-krona are Needed for Payments?, in: Sveriges Riksbank, Economic Review, 29. Jg. (2018), H. 3, S. 66-78.
  • 18 Vgl. R. Juks, a. a. O.
  • 19 Ein erster modelltheoretischer Ansatz findet sich bei D. Andolfatto: Assessing the Impact of Central Bank Digital Currency on Private Banks, Federal Reserve Bank of St. Louis Working Paper, Nr. 2018-026B, 2018.
  • 20 Vgl. dazu A. Hanl, J. Michaelis: Kryptowährungen – ein Problem für die Geldpolitik?, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 5, S. 363-370, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/5/kryptowaehrungen-ein-problem-fuer-die-geldpolitik/ (25.4.2019).
  • 21 Vgl. I. Drechsler, A. Savov, P. Schnabl: The Deposits Channel of Monetary Policy, in: Quarterly Journal of Economics, 134. Jg. (2017), H. 4, S. 1819-1876.
  • 22 Die Zentralbank kann auch das DZBG mit einem Negativzins versehen. In einer Welt ohne Bargeld ist dieser Zins dann die Zinsuntergrenze. In einer Welt mit Bargeld und DZBG kann der Zins für das DZBG nicht geringer sein als die effektive Zinsuntergrenze. Vgl. hierzu M. Nessé, P. Sellin, P. Asberg Sommar: The Implications of an E-krona for the Riksbank’s Operational Framework for Implementing Monetary Policy, in: Sveriges Riksbank Economic Review, 29. Jg. (2018), H. 3, S. 29-42.
  • 23 Vgl. T. Mancini-Griffoli, M. S. M. Martinez, I. A. Peria, A. Ari, J. Kiff, A. Popescu, C. Rocchon: Casting Light on Central Bank Digital Currency, IMF Staff Discussion Note, Nr. 18/08, 2018.
  • 24 Vgl. J. Barrdear, M. Kumhof: The Macroeconomics of Central Bank Issued Digital Currencies, Bank of England Staff Working Papers, Nr. 605, 2016.
  • 25 Vgl. hierzu E. Mark, A. Hortacsu, G. Matvos: Deposit Competition and Financial Fragility: Evidence from the US Banking Sector, in: American Economic Review, 107. Jg. (2017), H. 1, S. 169-216.
  • 26 Vgl. J. Barrdear, M. Kumhof, a. a. O.

Title:Central Bank Digital Currency as a New Instrument of Monetary Policy

Abstract:Digitalisation increasingly replaces the demand for cash and leads to a privatisation of payment systems. A reflection of this development is a loss of power by the central banks, threatening the efficiency of the current set of instruments. A recently discussed central bank reaction is digital currency. This article discusses the concept, the design options, the implementation into the monetary policy framework and the macroeconomic consequences of a central bank digital currency.


DOI: 10.1007/s10273-019-2454-4