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Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren wurde die Schuldenbremse eingeführt. Seither haben sich die öffentlichen Haushalte deutlich erholt – wohl überwiegend nicht aufgrund der Schuldenbremse. Vielmehr haben der lang anhaltende Aufschwung und dauerhaft niedrige Zinsen zu einem Rückgang der Defizit- und Schuldenquote geführt. Heute steht die Schuldenbremse wieder in der Kritik: Die Defizitgrenze reduziere die Staatsverschuldung auf einen zu niedrigen Wert. Eine niedrige Verschuldungsquote wäre nicht sinnvoll, wenn der Zins für Staatsanleihen langfristig unter der Wachstumrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts liegt. Zudem würde eine höhere Verschuldung das Angebot an sicheren öffentlichen Schuldtiteln und damit das Finanzsystem stabilisieren. Außerdem wird befürchtet, dass die Begrenzung des Defizits Anreize für Politiker setzt, weniger in langfristige Projekte zu investieren. Nicht zuletzt beschneide die Schuldenbremse die Möglichkeit, bei einem konjunkturellen Abschwung zu reagieren. Relativ einfach ließe sich die Kritik auffangen, wenn strukturelle Neuverschuldung in Höhe der Investitionen zugelassen würde (goldene Regel).

Für eine nachhaltige Finanzpolitik mit der Schuldenbremse

Im Jahr 2009, auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise, hat die deutsche Politik die Verfassungsregeln für die öffentliche Verschuldung grundlegend reformiert und die sogenannte Schuldenbremse eingeführt. Art. 109 (3) Satz 1 des Grundgesetzes stellt fest: „Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“ Für den Bund gilt diese Regel als erfüllt, wenn das konjunkturbereinigte Defizit nicht mehr als 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt. Eventuelle Überschreitungen dieses Betrags werden in einem Kontrollkonto erfasst und müssen ‚konjunkturgerecht‘ (Art. 115 (2) Satz 3 Grundgesetz) zurückgeführt werden. Für den Bund ist die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2016 verpflichtend. Die Länder regeln die Ausgestaltung der Schuldenbremse selbst. Unabhängig davon, ob und wie sie dies tun, müssen aber auch die Länder ab 2020 ihre Haushalte ausgleichen.

Diese Reform war eine Reaktion auf wachsende Sorgen über die Nachhaltigkeit der deutschen Staatsfinanzen. Die Staatsverschuldung war im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit den 1970er Jahren immer weiter angestiegen. 2009 war absehbar, dass 2010 die Schuldenquote 80 % des Bruttoinlandsprodukts überschreiten würde. Hinzu kam die Erwartung, dass der demografische Wandel die Staatsausgaben in den kommenden Jahrzehnten weiter in die Höhe treiben würde. Außerdem galt es, in der kritischen wirtschaftlichen Lage des Jahres 2009 das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Solidität der deutschen Staatsfinanzen zu stärken.

Kritik an der Schuldenbremse und Ergebnisse nach dem ersten Jahrzehnt

Die Schuldenbremse war allerdings von Anfang an umstritten. Vier Kritikpunkte standen und stehen bis heute im Mittelpunkt der Debatte:

  • Erstens sei zu wenig Spielraum vorhanden für antizyklische Finanzpolitik.
  • Zweitens sei die Finanzierung öffentlicher Investitionen mit Schulden anders zu beurteilen als die Finanzierung konsumtiver Ausgaben.
  • Drittens würden ausgeglichene Haushalte dazu führen, dass die Staatsverschuldungsquote auf Dauer gegen Null konvergiere.
  • Viertens verhindere die Schuldenbremse nicht ein Ausweichen auf implizite Verschuldung durch Leistungsversprechen vor allem der umlagefinanzierten Sozialversicherungen.

Heute, zehn Jahre nach der Verabschiedung der Schuldenbremse, sieht ihre Bilanz nicht schlecht aus. Notwendige antizyklische Finanzpolitik hat sie nicht verhindert, auch wenn man einräumen muss, dass größere Konjunkturschwankungen in den Jahren seit der globalen Finanzkrise ausgeblieben sind. Die Schuldenbremse bietet jedoch erhebliche Spielräume für antizyklische Politik, nicht nur durch die Konjunkturbereinigung der Defizitgrenze, sondern auch durch die Möglichkeit, das Ausgleichskonto zu nutzen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass notwendige öffentliche Investitionen durch die Schuldenschranke verhindert wurden. Gesunken sind die öffentlichen Investitionen in Deutschland1 vor allem vor Einführung der Schuldenbremse. Seit dem Jahr 2009 haben sie sich eher wieder erholt (vgl. Abbildung 1).

Natürlich ist unbekannt, wie sich die öffentlichen Investitionen ohne Schuldenbremse entwickelt hätten, aber dass die Ausgaben deutlich schneller gestiegen wären, ist nicht sehr plausibel, zumal seit Jahren für Investitionen verfügbare Mittel nicht abgerufen werden.

Die Staatsschuldenquote ist seit ihrem Höchststand 2010 in der Tat gesunken, aber von einem Verschwinden der deutschen Staatsschulden sind wir weit entfernt. Im Jahr 2019 wird die Schuldenquote voraussichtlich die im Vertrag von Maastricht verankerte Höchstgrenze von 60 % des Bruttoinlandsprodukts unterschreiten. Auch hier gilt, dass wir nicht wissen, wie die Schuldenquote sich ohne Schuldenbremse entwickelt hätte. Sicherlich war der Rückgang der Zinsen ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung, und Wünsche nach Mehrausgaben und Steuersenkungen wurden wohl eher mit Verweis auf das politisch gesetzte Ziel der „schwarzen Null“ abgewehrt als mit Verweis auf die Schuldenbremse. Dass die Politik der schwarzen Null im Bundeshaushalt überhaupt so große politische Unterstützung fand, hat allerdings mit einem breiten Konsens in Politik und Bevölkerung zu tun, dass eine Rückführung der Staatsverschuldung der richtige Weg ist. Man kann die Einführung der Schuldenbremse auch als Ausdruck dieses politischen Konsenses betrachten.

Abbildung 1
Öffentliche Investitionen in Deutschland, 1998 bis 2018
Bruttoanlageinvestitionen in % des BIP
Öffentliche Investitionen in Deutschland, 1998 bis 2018

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2019.

Bestätigen muss man allerdings, dass die Politik in den letzten Jahren der Versuchung nicht widerstehen konnte, durch neue Leistungsversprechen der umlagefinanzierten Sozialversicherungen – Mütterrente, Rente ab 63, Haltelinie für das Rentenniveau von 48 % usw. – die implizite Staatsverschuldung in die Höhe zu treiben. Auch hier ist schwer abzuschätzen, ob diese Instrumente in geringerem Umfang genutzt worden wären, wenn die Schuldenbremse mehr Raum für explizite Verschuldung eröffnet hätte.

Die Schuldenbremse in den Bundesländern

Obwohl die Schuldenbremse für die Bundesländer erst ab dem Jahr 2020 verpflichtend ist, haben einige Bundesländer bereits geregelt, wie sie für ihre Landeshaushalte umgesetzt wird. Mit der Verankerung in den Landesverfassungen oder Haushaltsordnungen können die Landesregierungen verfügbare Spielräume in der Stringenz des Neuverschuldungsverbots nutzen. Spielräume ergeben sich in erster Linie durch die Einführung von Konjunkturkomponenten, Ausnahmeregelungen im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, Vorgaben für Tilgungspläne und die Behandlung von Extrahaushalten.

Es ist naheliegend zu fragen, wie die Finanzpolitik der Bundesländer, welche die Schuldenbremse früher als andere auf Landesebene verankert haben, sich entwickelt hat. In sieben der acht deutschen Bundesländer, die dies getan haben, ist die Schuldenquote danach gesunken. Nur in Hamburg sank die Verschuldungsquote nicht (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
Verschuldung der Länder mit Schuldenbremse in der Verfassung
Verschuldung in % des Bruttoinlandsprodukts
Verschuldung der Länder mit Schuldenbremse in der Verfassung

Daten zur Verschuldung spiegeln Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts wider und beinhalten Kernbudgets und Extrahaushalte. Die gestrichelte Linie gibt den Zeitpunkt an, zu dem die Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen wurde.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2019.

In den Bundesländern, welche die Schuldenbremse nicht umgesetzt haben, zeigt die Verschuldungsquote ebenfalls einen insgesamt fallenden Verlauf (vgl. Abbildung 3). Dennoch ist die durchschnittliche Verschuldungsquote in den Bundesländern mit Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung insgesamt geringer (27,0 %) als in Bundesländern ohne Verankerung in der Verfassung (31,5 %). Auch fiel der Rückgang der Verschuldungsquote innerhalb der letzten fünf Jahre in Ländern mit Schuldenbremse in der Verfassung leicht höher aus (-21,3 % gegenüber -18,7 % in Ländern ohne Schuldenbremse in der Verfassung).2

Abbildung 3
Verschuldung der Länder ohne Schuldenbremse in der Verfassung
Verschuldung in % des Bruttoinlandsprodukts
Verschuldung der Länder ohne Schuldenbremse in der Verfassung

Daten zur Verschuldung spiegeln Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts wider und beinhalten Kernbudgets und Extrahaushalte.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2019.

Es liegt auf der Hand, dass die Entwicklung der Schuldenquoten nicht ohne weiteres als Folge der Umsetzung der Schuldenbremse betrachtet werden kann. Es ist möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich, dass eine vorgezogene Umsetzung der Schuldenbremse vor allem in den Bundesländern politische Unterstützung erfuhr, in denen dies ohne größere Anpassungen in den Landeshaushalten möglich war. Wie Abbildung 4 illustriert, waren es eher die wohlhabenderen Bundesländer, die die Schuldenbremse früh umgesetzt haben. Die Investitionen waren ebenfalls höher als in den Bundesländern, die 2018 die Schuldenbremse noch nicht umgesetzt hatten.

Wie ist die Anwendung der Schuldenbremse auf die deutschen Bundesländer zu beurteilen? Gegen strikte Verschuldungsregeln in den deutschen Bundesländern könnte sprechen, dass die deutschen Landesregierungen kaum Steuerautonomie haben. Sie können nur die Grunderwerbsteuersätze selbst bestimmen. Das Grunderwerbsteueraufkommen ist mit ca. 13 Mrd. Euro pro Jahr recht gering. Durch strikte Verschuldungsregeln verlieren die Länder ein wichtiges Instrument zur Generierung von Staatseinnahmen und büßen so Autonomie ein.3 Eine überzeugende Lösung dieses Problems wäre jedoch nicht ein Verzicht auf die Schuldenbremse, sondern eine Erweiterung der Steuerautonomie der Länder, beispielsweise durch Zu- und Abschlagsrechte bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer.4 Letztlich ist eine Einbeziehung der Bundesländer in die Verschuldungsregeln unumgänglich, einerseits um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen insgesamt zu sichern, andererseits um sicherzustellen, dass die rechtlichen Verpflichtungen, die Deutschland im Rahmen der europäischen Verschuldungsregeln eingegangen ist, eingehalten werden.

Internationale Evidenz zu Wirkungen von Fiskalregeln

Kritiker von Fiskalregeln behaupten immer wieder, derartige Regeln würden letztlich kaum Wirkung entfalten, weil die Politik sie nur so lange einhält, wie es ohne größere Anstrengungen möglich ist. Das würde bedeuten, dass die Vorteile aus der deutschen Schuldenbremse überschätzt werden. Tatsächlich spricht die vorliegende Evidenz zu den Effekten von Fiskalregeln gegen diese These. Im internationalen Kontext und auch innerhalb anderer Bundesstaaten wie den USA sind die Auswirkungen von unterschiedlichen Fiskalregeln in einer großen Zahl von Studien analysiert worden. Eine Meta-Studie zu Effekten von Fiskalregeln legt nahe, dass Fiskalregeln insbesondere Primärdefizite, im Schnitt um ca. 1,2 % bis 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts eines Landes, reduziert haben.5 Eine neue Studie von Asatryan et al. zeigt überdies, dass die Staatsverschuldungsquoten in Ländern, die Fiskalregeln in ihren Verfassungen verankert haben, um ca. 11 Prozentpunkte niedriger waren als in Ländern ohne Fiskalregeln in ihren Verfassungen.6

Abbildung 4
Vergleich der Bundesländer mit und ohne Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung
Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und öffentliche Investitionen in Sachanlagen der Bundesländer, 2018
Vergleich der Bundesländer mit und ohne Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung

Quellen: Bundesministerium der Finanzen, 2019; Statistisches Bundesamt, 2019; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2019. Alle Daten beziehen sich auf das Jahr 2018.

Viele dieser Studien stehen vor der Herausforderung, den kausalen Effekt von Fiskalregeln auf die betrachteten abhängigen Variablen wie Ausgaben, Defizite oder Staatsverschuldungsquoten empirisch sauber zu identifizieren. Offen bleibt in einigen Studien, ob nicht lediglich eine Korrelation zwischen den Fiskalregeln und den betrachteten abhängigen Variablen wie Ausgaben, Defiziten oder Staatsverschuldungsquoten beschrieben wird. Zu vermuten ist beispielsweise, dass sich insbesondere Staaten, deren Finanzpolitik bereits nachhaltig aufgestellt ist, für strikte Fiskalregeln entscheiden. Beides, die nachhaltige Finanzpolitik und die Entscheidung für strikte Fiskalregeln, könnte überdies durch dritte Variablen beeinflusst sein. Eine neue, empirisch vielversprechende Untersuchung unter Verwendung der neuen synthetischen Kontrollmethode misst den Effekt besonders strikter Haushaltregeln im US-Bundesstaat Colorado auf dessen Finanzpolitik. Den Bundesstaat Colorado hatten die Autoren deshalb gewählt, weil das dortige Programm „Taxpayer Bill of Rights“ (TABOR) als besonders strikt gilt. Die Ergebnisse legen nicht nahe, dass die Fiskalregeln einen Effekt auf die Ausgaben in Colorado hatten.7 Doch zeigt die Studie auch, dass es den Regierungen in Colorado trotz der ausgewiesenen Stringenz der Fiskalregeln gelungen ist, diese zu umgehen. Ein wesentliches Problem bei Fiskalregeln ist in der Tat, dass politische Entscheidungsträger Anreize haben, die Regeln, die gegebenenfalls von politisch ungeliebten Vorgängerregierungen implementiert wurden, zu umgehen.

Ein in der öffentlichen Debatte bislang wenig beachtetes Argument für Fiskalregeln wie die Schuldenbremse ist, dass sie Wähler vor politischer Manipulation schützen können. Eine neue empirische Studie von Gootjes et al. zeigt, dass Fiskalregeln politische Konjunkturzyklen eindämmen.8 Die Theorie der politischen Konjunkturzyklen beschreibt, dass Regierungen vor Wahlen expansive Wirtschaftspolitiken betreiben, um wiedergewählt zu werden. Zu expansiven Wirtschaftspolitiken gehören vornehmlich Steigerungen der Staatsausgaben, die nicht selten über Neuverschuldung finanziert werden. Die auf den Nobelpreisträger William Nordhaus zurückgehende Theorie zeigt auf, wie Amtsinhaber durch Wahlgeschenke Wählerstimmen zu kaufen suchen.9 Sie ist in mittlerweile einigen tausend Studien auf zahlreiche Anwendungen übertragen und empirisch geprüft worden. Für die deutschen Bundesländer zeigten sich politische Konjunkturzyklen beispielsweise in der Verwendung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), um die Arbeitslosenquoten vor Wahlen zu drücken.10 In den ostdeutschen Bundesländern gab es auch Wahleffekte in der Finanzplanung, ein Ergebnis, das für die Einrichtung der in den Ländern diskutierten Konjunkturkomponente bedeutsam sein kann.11 Empirische Evidenz für Industrieländer zeigt, dass Regierungen insbesondere vor Wahlen verstärkt Ausgaben aus den Kern- in Extrahaushalte transferiert haben, um ihre Haushaltsdefizite kleinzurechnen.12

Die durch politische Konjunkturzyklen hervorgerufene Verwendung von Staatsausgaben, mit der Folge von Defiziten, ist oftmals ineffizient. Schließlich sind die Staatsausgaben in diesem Fall nicht auf die Überwindung von Marktversagen oder Rezessionen zurückzuführen, sondern allein durch das Heranrücken der nächsten Wahl und die Verteilung von Wahlgeschenken motiviert. Strikte Schuldenbremsen können folglich helfen, solche politischen Konjunkturzyklen einzudämmen oder gar zu verhindern.

Parteipolitische Unterschiede beim Verankern der Schuldenbremse in den Landesverfassungen der deutschen Bundesländer gab es bislang zwischen CDU/CSU und SPD (die in der Mehrzahl der Bundesländer die Ministerpräsidenten stellen) kaum. Im öffentlichen Diskurs zum Umgang mit der Schuldenbremse war dies in den vergangenen Jahren nicht durchweg der Fall, die SPD war oftmals deutlich ablehnender als CDU/CSU.13 Im internationalen Vergleich ist bislang nicht erforscht, wie sich parteipolitische Zusammensetzungen von Regierungen auf das Implementieren von Fiskalregeln auswirken.

Schuldenbremse ein finanzpolitischer Erfolg

Insgesamt kommen wir zu dem Urteil, dass die deutsche Schuldenbremse als ein finanzpolitischer Erfolg anzusehen ist, und dass zumindest derzeit kein Grund besteht, sie infrage zu stellen. Die in der deutschen finanzpolitischen Debatte derzeit vorgetragene Kritik an dieser Fiskalregel ist überzogen. Die Schuldenbremse ist Teil einer finanzpolitischen Strategie, die konsequent auf solide Staatsfinanzen setzt und an den Finanzmärkten durch exzellente Finanzierungskonditionen belohnt wird. Eine rationale Politik öffentlicher Investitionen gehört ebenfalls zu solider Finanzpolitik, aber die These, die Schuldenbremse würde dem im Weg stehen, überzeugt nicht. Bislang ist nicht erkennbar, dass die deutsche Schuldenbremse zu ineffizient niedrigen öffentlichen Investitionen oder mangelnder finanzpolitischer Stabilisierung geführt hat. Der Rückgang der Staatsverschuldungsquote in den letzten zehn Jahren von 80 % auf heute 60 % ist ein wichtiger Erfolg, auch wenn man nicht behaupten kann, dieser Rückgang sei allein durch die Schuldenbremse bedingt. Aus der positiven Entwicklung der deutschen Staatsfinanzen seit Einführung der Schuldenschranke folgt auch nicht, dass andere Fiskalregeln wie etwa Ausgabenregeln oder Nettoinvestitionsregeln notwendigerweise schlechter sind. Aber es ist nicht erkennbar, dass ein Ersatz der Schuldenbremse in Deutschland durch derartige Regeln heute eindeutige Vorteile hätte.14

Bislang ist es dem deutschen Staat unter anderem mit Hilfe der Schuldenbremse gelungen, seine Finanzpolitik insgesamt nachhaltig auszugestalten.15 Dies gilt weitgehend auch für die Finanzpolitik in den deutschen Bundesländern.16 Das gegenwärtig niedrige Zins-/Wachstumsdifferenzial hilft, die Staatsfinanzen nachhaltig aufzustellen. Entwicklungen wie der demografische Wandel stellen die deutsche Finanzpolitik aber vor große Herausforderungen.17 Wenn die Schuldenbremse dazu beiträgt, die deutsche Staatsverschuldung in den kommenden Jahren weiter abzubauen, werden wichtige Spielräume geschaffen, um die erheblichen demografisch bedingten Herausforderungen für die deutschen Staatsfinanzen zu bewältigen.

  • 1 Man könnte hier einwenden, dass die Schuldenbremse für den Bund erst ab 2016 und für die Länder erst ab 2020 bindend wird. Der Bund hat seinen Haushalt aber bereits 2014 ausgeglichen. Unter den Bundesländern haben viele die Schuldenbremse ebenfalls bereits früh in ihren Landesverfassungen oder ihren Haushaltsordnungen verankert.
  • 2 Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 2017, dem letzten Zeitpunkt, zu dem das Statistische Bundesamt Daten vorliegen hat.
  • 3 G. Kirchgässner: The debt brake of the German states: a faulty design, in: Constitutional Political Economy, 28. Jg. (2017), H. 3, S. 257-269.
  • 4 Die Variation in den Grunderwerbsteuersätzen zwischen den Bundesländern und innerhalb einzelner Bundesländer nach Regierungswechseln zeigt, wie unterschiedlich insbesondere parteipolitisch anders zusammengesetzte Landesregierungen seit 2007 von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, die Gewerbesteuersätze frei zu wählen, vgl. dazu M. Krause, N. Potrafke: The real estate transfer tax and government ideology: Evidence from the German states, CESifo Working Paper, Nr. 6491, 2017.
  • 5 F. Heinemann, M.-C. Moessinger, M. Yeter: Do fiscal rules constrain fiscal policy? A meta-regression analysis, in: European Journal of Political Economy, 51. Jg. (2018), H. C, S. 69-92.
  • 6 Z. Asatryan, C. Castellón, T. Stratmann: Balanced budget rules and fiscal outcomes: Evidence from historical constitutions, in: Journal of Public Economics, 167. Jg. (2018), S. 105-119.
  • 7 P. Eliason, B. Lutz: Can fiscal rules constrain the size of government? An analysis of the „crown jewel“ of tax and expenditure limitations, in: Journal of Public Economics, 166. Jg. (2018), H. C, S. 115-144.
  • 8 Die Studie von Gootjes et al. basiert auf Daten für 70 Demokratien im Zeitraum von 1984 bis 2015. In Ländern ohne jegliche Fiskalregeln war das Haushaltsdefizit gemessen am Bruttoinlandsprodukt vor Wahlen ca. 0,5 Prozentpunkte größer als in anderen Jahren der Legislaturperiode. In Ländern mit (strikteren) Fiskalregeln war das Haushaltsdefizit vor Wahlen nicht signifikant größer als in anderen Jahren der Legislaturperiode; vgl. B. Gootjes, J. de Haan, R. Jong-A-Pin: Do fiscal rules constrain political budget cycles?, Präsentiert auf dem Jahresreffen der European Public Choice Society, Jerusalem, 1.-4.4.2019.
  • 9 W. Nordhaus: The political business cycle, in: Review of Economic Studies, 42. Jg. (1975), H. 2, S. 169-190.
  • 10 M. Mechtel, N. Potrafke: Electoral cycles in active labor market policies, in: Public Choice, 156. Jg. (2013), H. 1-2, S. 181-194. Für weitere Studien siehe beispielsweise C. Schneider: Fighting with one hand tied behind the back: political budget cycles in the West German states, in: Public Choice, 142. Jg. (2010), H. 1, S. 125-150; B. Jochimsen, R. Nuscheler: The political economy of the German Länder deficits: Weak governments meet strong finance ministers, in: Applied Economics, 43. Jg. (2011), H. 19, S. 2399-2415; und B. Kauder, M. Krause, N. Potrafke: Electoral cycles in MPs’ salaries: Evidence from the German states, in: International Tax and Public Finance, 25. Jg. (2018), H. 4, S. 981-1000.
  • 11 B. Kauder, N. Potrafke, C. Schinke: Manipulating fiscal forecasts: Evidence from the German states, in: FinanzArchiv/Public Finance Analysis, 73. Jg. (2017), H. 1, S. 213-236.
  • 12 M. Reischmann: Creative accounting and electoral motives: evidence from OECD countries, in: Journal of Comparative Economics, 44. Jg. (2016), H. 2, S. 243-257. Zu Extrahaushalten in EU-Ländern vgl. auch J. von Hagen, G. Wolff: What do deficits tell us about debt? Empirical evidence on creative accounting with fiscal rules in the EU, in: Journal of Banking and Finance, 30. Jg. (2006), H. 12, S. 3259-3279.
  • 13 Vgl. N. Potrafke, M. Riem, C. Schinke: Debt brakes in the German states: Governments’ rhetoric and actions, in: German Economic Review, 17. Jg. (2016), H. 2, S. 253-275.
  • 14 In Benassy et al. wird vorgeschlagen, in der Europäischen Währungsunion zu Ausgabenregeln überzugehen. Dieser Vorschlag ist allerdings Teil eines umfassenden, sorgfältig austarierten Reformvorschlags. Wenn das Gesamtpaket umgesetzt würde, sollte Deutschland sich der Neuordnung der europäischen Verschuldungsregeln nicht verschließen. Vgl. A. Bénassy, M. Brunnermeier, H. Enderlein, E. Farhi, M. Fratzscher, C. Fuest, P.-O. Gourinchas, P. Martin, J. Pisani-Ferry, H. Rey, I. Schnabel, N. Véron, B. Weder di Mauro, J. Zettelmeyer: Reconciling risk sharing with market discipline: A constructive approach to euro area reform, CEPR Policy Insight, Nr. 91, Januar 2018.
  • 15 A. Greiner, U. Koeller, W. Semmler: Testing the sustainability of German fiscal policy: evidence for the period 1960-2003, in: Empirica, 33. Jg. (2006), H. 2-3, S. 127-140.
  • 16 Vgl. z. B. N. Potrafke, M. Reischmann: Fiscal transfers and fiscal sustainability, in: Journal of Money, Credit and Banking, 47. Jg. (2015), H. 5, S. 975-1005; H. T. Burret, L. P. Feld, E. Köhler: (Un-)sustainability of public finances in German Laender: A panel time series approach, in: Economic Modelling, 53. Jg. (2016), S. 254-265.
  • 17 Vgl. z. B. M. Werding: Demographischer Wandel, soziale Sicherung und öffentliche Finanzen: Langfristige Auswirkungen und aktuelle Herausforderung, Studie für die Bertelsmann Stiftung, 2018, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/DemoWandel_Werding__2018_final3.pdf (9.5.2019).

Gut investierte Schulden sind eine Entlastung in der Zukunft

Das finanzpolitische Prestigeprojekt der 2000er Jahre – die Schuldenbremse – ist zuletzt heftig in die Kritik geraten. Der Staat fährt auch dank niedriger Finanzierungskosten seit geraumer Zeit satte Überschüsse ein. Die Schuldenstandsquote ist binnen weniger Jahre von etwa 80 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf nun rund 60 % gesunken. Die durch die Verfassung gesicherte Obergrenze einer strukturellen Neuverschuldung von 0,35 % des BIP beim Bund liegt auch 2019 in weiter Ferne. In diesem Jahr hätte der Bund Spielraum für zusätzliche Schulden in der Größenordnung von circa ١1,5 Mrd. Euro.1 Für Länder und Kommunen greift die Bremse gar erst im Jahr 2020 und verbietet erst dann jede zusätzliche Kreditaufnahme. Die Schuldenregel, so wird häufig argumentiert, kann so überhaupt nicht negativ auf die öffentlichen Ausgaben, insbesondere die Investitionstätigkeit, gewirkt haben. Vielmehr datiert der Rückgang der öffentlichen Investitionen lange vor Einführung der Schuldenbremse.2 Warum also die Debatte um eine Schuldenregel, wenn überhaupt keine Verbindlichkeiten entstehen müssen, um die staatlichen Aufgaben zu erfüllen?

Diese Argumentation greift aus unterschiedlichen Gründen zu kurz:

  1. Es ist alles andere als klar, dass die Schuldenbremse keinerlei Auswirkungen hätte – gerade auf die Investitionstätigkeit. Für eine Beurteilung dessen fehlt es an einem geeigneten kontrafaktischen Vergleich.
  2. Es gibt selbstverständlich auch Wechselbeziehungen zwischen den Finanzen der unterschiedlichen föderalen Ebenen. Wenn die Entschuldung des Bundes mit einer Aufgabenverlagerung auf andere Ebenen erkauft wird, dann schmälert dies den Handlungsspielraum dort – insbesondere den Kommunen wurden zusätzliche, teilweise konjunkturreagible, Aufgaben übertragen, beispielsweise im Rahmen des Sozialgesetzbuchs II, den Kosten der Unterkunft oder im Asylbewerberleistungsgesetz. Dies schmälert in konjunkturell schwachen Phasen die Handlungsspielräume für Investitionen zusätzlich. Mittelfristig führen ausbleibende Investitionen zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und einem geringeren Wachstumspotenzial.
  3. Die Schuldenbremse schreibt eine langfristige Entschuldung der öffentlichen Hand vor. Es ist alles andere als klar, ob dieses Niveau optimal ist: Eine Regel von Verfassungsrang scheint zumindest eine sehr starke Bindung der zukünftigen Finanzpolitik zu sein, die nur wenige Spielräume lässt, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil Staatsschulden auch eine stabilisierende Funktion für das Finanzwesen erfüllen.

Die Rolle der Staatsschulden in der Ökonomie

Staatsanleihen, und damit Schulden des Staates, spielen eine zentrale Rolle in einer entwickelten Volkswirtschaft. Es sind die einzigen Anleihen, die als risikolos eingestuft werden können. Dadurch können Staatsanleihen zum einen als Sicherheit von Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegt werden – sie ermöglichen somit die Abwicklung der Geldpolitik. Zum anderen erfüllen Staatsanleihen aber auch die Funktion, dass sie von allen Haushalten in der Ökonomie als sicheres Anlageobjekt gekauft werden können. Haushalte benötigen ein sicheres Anlageobjekt, um sich gegen unvorhergesehene Ereignisse abzusichern. Es ist deswegen in keinem ökonomischen Modell der Fall, dass das optimale Niveau der Staatsschulden gering ist. Aiyagari und McGrattan3 zeigen etwa, dass das optimale Verschuldungsniveau bei etwa zwei Drittel des BIP liegt. Die derzeitige Schuldenbremse würde zu einem langfristigen Abbau des Schuldenstands auf circa 12 % des BIP führen. In dem Beispiel von Aiyagari und McGrattan4 stehen außerdem Staatsanleihen mit einer positiven realen Verzinsung zur Verfügung.

Positive Verzinsungen sind für deutsche Staatsschulden in den letzten Jahren nicht mehr zu beobachten. Bevor die Gründe für die niedrige Verzinsung diskutiert werden, soll allerdings der Zusammenhang zwischen dem Preis einer Anleihe und deren Verzinsung in Erinnerung gerufen werden. Für den Käufer einer Anleihe mit festgelegtem Auszahlungsbetrag ist deren Verzinsung umso höher, je günstiger die Anleihe erworben werden kann. Die Folgen der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat die Nachfrage nach sicheren Anleihen ansteigen lassen, der sogenannte „safe-haven“-Effekt. Des Weiteren hat die Europäische Zentralbank im Zuge des Programms für den erweiterten Ankauf von Vermögenswerten vermehrt deutsche Staatsanleihen gekauft. Beides führte zu einem Anstieg der Preise deutscher Staatsanleihen und damit zu einem Sinken der Verzinsung. Zusätzlich hat Deutschland in letzter Zeit keine neuen Schuldtitel auf den Markt gebracht. Durch die Verknappung des Angebots stieg der Preis der Anleihen weiter und die Verzinsung sank auf das derzeitige niedrige, teilweise negative Niveau. Dadurch erfüllen Staatsanleihen die Funktion als sicheres Anlageobjekt für die Haushalte seit ein paar Jahren schon nicht mehr.

Domeij und Ellingsen5 zeigen, dass das Fehlen von Staatsanleihen als sichere Anlagen zu Vermögenspreisblasen führen kann. Der Hauptgrund für das Entstehen der Preisblasen ist das Vorsorgemotiv der Haushalte, die ihr Konsumniveau in der Zukunft halten möchten. Das interessante an dieser Betrachtung ist, dass sich Haushalte in die Preisblase einkaufen, obwohl sie wissen, dass es sich um eine Preisblase handelt. Sie rechnen lediglich damit, die Anlage noch rechtzeitig verkaufen zu können. Diese vorläufigen makroökonomischen Überlegungen zeigen, dass eine Schuldenbremse, die zu einem zu niedrigen Stand der Staatsschulden führt, nicht nur ökonomisch nicht optimal ist, sondern dass sie gerade in Krisenzeiten zu der Bildung von Preisblasen beitragen kann.

Rückgang der Staatsschulden aufgrund fehlender Investitionen

Das geringe Angebot an öffentlichen Schuldtiteln ist unter anderem auf eine niedrige Investitionstätigkeit des Staats zurückzuführen. Bei allen Problemen der Messung6 sind Nettoinvestitionen ein guter Indikator, um die Wertentwicklung des öffentlichen Vermögens zu beobachten (vgl. Abbildung 1). Und hier zeigt sich, dass der Staat über viele Jahre den Wertverfall des Kapitalstocks in Kauf genommen hat. Vor allem die schwachen kommunalen Investitionen sind dabei ein Problem: Kommunen sind in Deutschland die größten öffentlichen Investoren – mehr als die Hälfte aller Aufwendungen werden von Kommunen geleistet.

Abbildung 1
Nettoanlageinvestitionen und Nettobauinvestitionen nach staatlichen Teilsektoren
in Mrd. Euro ohne Sozialversicherungen
Nettoanlageinvestitionen und Nettobauinvestitionen nach staatlichen Teilsektoren

Quelle: Statistisches Bundesamt.

Besonders hoch ist der Anteil der Städte und Gemeinden an den Bauinvestitionen. Hier werden gut 70 % aller Vorhaben durch Kommunen geleistet. Angesichts der langen Zurückhaltung hat sich ein Instandhaltungsstau in beträchtlichem Maße aufgebaut. Zudem sollen Kommunen wichtige Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und im Bildungswesen abdecken: Gerade der Zustand vieler Schulen7 und das nach wie vor zu geringe Betreuungsangebot in Kindertagesstätten wird als besonders problematisch angesehen. Nach offiziellen Statistiken über das Angebot und die rechnerischen Ansprüche auf Kindertagesbetreuung fehlen bundesweit rund 300 000 Betreuungsplätze. Dies schmälert die Bildungschancen der jungen Generation und verringert das Wachstumspotenzial.

Abbildung 2
Soziale Lage, Investitionen und Schuldenstand1 2016
Soziale Lage, Investitionen und Schuldenstand1 2016

1 Ohne Sonderhaushalte und Auslagerungen.

Quellen: Statistische Ämter der Länder; Bundesagentur für Arbeit, ZEFIR; FORA mbh; Bertelsmann Stiftung; eigene Berechnungen.

Dabei korreliert die Investitionstätigkeit der Kommunen deutlich mit deren Schuldenstand (vgl. Abbildung 2). Insbesondere im Westen sind die Städte und Gemeinden offenbar durch hohe Verschuldung belastet, was die Möglichkeiten schmälert, wichtige Zukunftsinvestitionen zu tätigen, bestehende Infrastrukturen zu erhalten, aber auch Gemeindesteuern anzupassen. Es kann bezweifelt werden, dass die Kommunen mit hohen Schulden diese so schnell wieder abbauen können, selbst in einem Umfeld mit sehr niedrigen Zinsen. Gleichzeitig sind diese Gemeinden besonders durch Kosten aus sozialen Leistungen belastet. Ohne die Hilfe des Bundes oder der Länder scheint es ein schwieriges Unterfangen, umfangreichere Investitionen bei den Kommunen anzuregen.

Investitionstätigkeit der Kommunen stärken und Angebot sicherer Anleihen erhöhen

Weitgehend herrscht Konsens darüber, dass die Investitionstätigkeit der Kommunen zu schwach ist und der Bedarf gleichzeitig groß. Dabei gibt es erhebliche regionale Unterschiede hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Kommunen und ihren Möglichkeiten, zusätzliche Mittel für Investitionen freizumachen.8 Zwar sind die Kommunen bislang nicht an die Schuldenbremse gebunden, allerdings sind viele bereits jetzt angesichts des erreichten Schuldenstands überhaupt nicht mehr in der Lage, zusätzliche Kredite aufzunehmen.9

Daher stellt sich die Frage, wie die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederhergestellt werden kann. Ungeachtet aller verfassungsrechtlicher Barrieren wäre eine Option, die Finanzierung öffentlicher Leistungen wieder stärker auf die Bundesebene zu konzentrieren. Dies betrifft insbesondere konjunkturreagible Ausgaben im Bereich der Sozialleistungen. Denkbar wäre beispielsweise die Finanzierung der Kosten zu übernehmen, die im Rahmen von Hartz IV auf der kommunalen Ebene entstehen – diese machen gut 15 Mrd. Euro jährlich aus. Würden diese Mittel ausschließlich in zusätzliche Anlagen investiert, würde der Nettokapitalstock nicht wie zuletzt um 6 Mrd. Euro sinken – sondern um knapp 10 Mrd. Euro ausgeweitet. Der von den Kommunen berichtete Investitionsrückstand von 160 Mrd. Euro würde allmählich abgebaut.

Allein dies wird aber nicht bei allen Kommunen ausreichen, um die Finanzierung von Investitionen wieder zu ermöglichen. Überschuldete Kommunen könnten daher durch den Bund von ihren Altschulden entlastet werden. Für ein solches Vorgehen spricht zudem, dass die kommunalen Kredite nicht dazu genutzt werden können, um den Notstand an sicheren Anlagen zu reduzieren. Die Risikoaufschläge sind deutlich größer – eine Umschuldung auf Bundesebene wäre damit auch wirtschaftlich sinnvoll und hätte den Nebeneffekt, dass die Renditen auf Bundesanleihen wieder stiegen.

Der derzeitige Spielraum der Schuldenbremse wäre damit mehr als ausgereizt, ohne andere Zukunftsinvestitionen, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung, der Energiewende, im Bereich öffentlicher Forschung und Entwicklung oder dem Wohnungsbau finanziert zu haben. Vor diesem Hintergrund scheint eine andere Fiskalregel als die Schuldenbremse sinnvoller, wie sie z. B. von 14 französischen und deutschen Ökonominnen und Ökonomen vorgeschlagen wurde.10 Diese Regel ist eine nominale Ausgabenregel, die es der Bundesregierung erlaubt, die Ausgaben jedes Jahr um maximal die nominale Potenzialwachstumsrate der eigenen Volkswirtschaft zu steigern. Während also die Regeln für die Kommunen und Landesregierungen nicht modifiziert werden sollten, sollte die Fiskalregel des Bundes überarbeitet werden, da der Bund Ausgaben für die Kommunen mit übernimmt. Konkret würde das für Deutschland bedeuten, dass der Bund jedes Jahr die Staatsausgaben um bis zu ٣ ٪ erhöhen darf.11 Der große Vorteil einer solchen nominalen Ausgabenregel ist, dass sie deutlich antizyklischer wirkt als die bestehenden Regeln: In guten Zeiten schränkt sie die Ausgaben ein, weil sich diese am Potenzialwachstum orientieren müssen und nicht an den aktuell höheren Wachstumsraten; und in schlechten Zeiten gibt es mehr finanzpolitischen Spielraum, weil ein Einbruch der Einnahmen nicht zu einer Verringerung der Ausgaben führen muss. Gleichzeitig verstetigt sich die Finanzierung der Kommunen, was unter dem Strich die notwendigen Freiräume für eine kontinuierliche Investitionstätigkeit schaffen sollte.

Intelligente Reform der Schuldenbremse

Eine Reform der Schuldenbremse erscheint geboten, denn die derzeitigen Vorgaben sind strenger als notwendig und sinnvoll. Wenn Veränderungen intelligent gestaltet werden, können mehrere Probleme gleichzeitig adressiert werden:

  • Erstens würde das Angebot an sicheren öffentlichen Schuldtiteln steigen und damit auch das Finanzsystem stabilisiert, denn die Staatsanleihe ist ein wichtiger Anker der Finanzmärkte.
  • Zweitens würde eine Reform notwendige Investitionen in den Erhalt und den Ausbau öffentlicher Anlagen, Infrastruktur und Forschung ermöglichen und einen Beitrag zur Modernisierung der Volkswirtschaft leisten. Dies wäre Grundlage für ein höheres Wachstumspotenzial und damit Voraussetzung für den Wohlstand zukünftiger Generationen.
  • Drittens wäre die hier skizzierte Reform ein Beitrag, um den Kommunen den Raum zu geben, wieder ihrer Verantwortung für eine ausreichende Daseinsvorsorge nachzukommen. Auf diese Weise könnten auch strukturschwache Regionen an Attraktivität für Haushalte und Unternehmen gewinnen und Negativspiralen aus Verschuldung, fehlenden Investitionen und niedriger wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durchbrochen werden.
  • 1 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Konjunktur deutlich abgekühlt – Politische Risiken hoch, Frühjahrsgutachten 2019, S. 1-60.
  • 2 D. I. Christofzik, L. P. Feld, M. Yeter: Öffentliche Investitionen: Wie viel ist zu wenig?, Freiburger Diskussionspapiere zur Ordnungsökonomik, Nr. 19/02, 2019.
  • 3 S. R. Aiyagari, E. R. McGrattan: The optimum quantity of debt, in: Journal of Monetary Economics, 42. Jg. (1998), H. 3, S. 447-469.
  • 4 Ebenda.
  • 5 D. Domeij T. Ellingsen: Rational bubbles and public debt policy: A quantitative analysis, in: Journal of Monetary Economics, 96. Jg. (2018), S. 109-123.
  • 6 S. Dullien, K. Rietzler: Betrachtung des Bruttokapitalstocks mit massiven Schwierigkeiten behaftet – eine Replik, in: Wirtschaftsdienst, 99. Jg. (2019), H. 4, S. 286-294, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2019/4/verzehrt-deutschland-seinen-staatlichen-kapitalstock-replik-und-erwiderung/ (13.5.2019).
  • 7 Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): KfW-Kommunalpanel 2018, Frankfurt 2018.
  • 8 F. Arnold et al.: Große regionale Disparitäten bei den kommunalen Investitionen, in: DIW-Wochenbericht, 82. Jg. (2015), H. 43, S. 1031-1040.
  • 9 R. Freier, V. Grass: Kommunale Verschuldung in Deutschland: Struktur verstehen – Risiken abschätzen, in: DIW-Wochenbericht, 80. Jg. (2013), H.16, S. 13-21.
  • 10 Wie Risikoteilung und Marktdisziplin in Einklang gebracht werden können: ein konstruktiver Vorschlag zur Reform des Euroraums, https://www.diw.de/documents/dokumentenarchiv/17/diw_01.c.575357.de/euro%20reformkonzept_short_deu_final.pdf (30.4.2019).
  • 11 Das Potenzialwachstum von 3 % für Deutschland setzt sich grob zusammen aus 1 % reales BIP-Wachstum und 2 % Inflationsrate.

Alles hat seine Zeit, auch die Kreditaufnahme

Zehn Jahre nach der maßgeblichen Verfassungsänderung ist die Schuldenbremse in die Diskussion gekommen. Die Schuldenbremse für Bund und Länder wurde 2009 in Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geregelt, für den Bund wurde dazu Art. 115 reformiert. Seinerzeit wirkten Sorgen um schwindende budgetpolitische Handlungsspielräume sowie um eine erodierende Vorbildfunktion in der Eurozone zusammen, doch mittlerweile haben sich die Bedingungen verändert. Die Frage steht im Raum, ob die Schuldenbremse weiterhin angemessen ist und welche Veränderungen oder Neujustierungen angezeigt sind. Die Verteidigung der Schuldenbremse lebt von zwei Mythen.

Mythos der schlechten alten Zeit vor 2009

Die alte Regelung des Art. 115 GG1 war stets mit der scheinbar unzweifelhaften Kritik verbunden, sie habe die Ausuferung der Staatsverschuldung nicht verhindert und wegen der konjunkturpolitischen Öffnung sogar befördert. Tatsächlich war weder der Investitionsbegriff klar und konsistent geregelt noch ergab sich daraus eine disziplinierende Wirkung für den Bundeshaushalt.

Allerdings wurde in den vergangenen fünf Dekaden immer wieder konsolidierungspolitisch gehandelt: durch Haushaltsbegleitgesetze, Veränderungen im Haushaltsgesetz, gesonderte Spargesetze für einzelne Ausgaben sowie Maßnahmen im Haushaltsvollzug. Im Lichte dieser Erfahrungen ergibt sich ein differenzierteres Urteil: Die Finanzpolitik unter dem Regime des Artikel 115 GG scheute Verteilungskonflikte nicht, wenn es darum ging, die budgetäre Handlungsfähigkeit zu sichern; Eingriffe in konsumtive Ausgaben gehörten zum Repertoire der Haushaltspolitik. Man sollte auch nicht vergessen, dass zugleich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Reformen der Einkommensbesteuerung umgesetzt wurden,2 sodass der Effekt der „kalten Progression“ jedenfalls den Steuerzahlern cum grano salis zurückgegeben wurde.

Ein Schlaglicht auf die Bedeutung der Staatsverschuldung für die Handlungsfähigkeit werfen die Zins-/Steuerquoten für den Bund und die Länder. Mit Ausnahme der neuen Länder, die naturgemäß mit geringer Zinslast nach 1990 gestartet sind, und dem Land Berlin weisen alle anderen Gebietskörperschaften für das Jahr 2005 eine Zins-/Steuerquote auf, die in etwa dem Wert des Jahres 1992 entspricht. Eine Ausweidung der Steuereinnahmen durch die aufgelaufene Verschuldung kann für diesen Zeitraum, weit entfernt vom Zinsumfeld, wie es seit 2009 gilt, weder generell noch für das Gros der Gebietskörperschaften bestätigt werden. Dies ist umso bemerkenswerter, als in diesem Zeitraum die Wiedervereinigung zu erheblichen finanziellen Anspannungen führte; so erreichte allein die Schuldenstandsquote des Bundes bis 1998, vor allem durch die Nebenhaushalte zur deutschen Einheit und die Übernahme der Treuhandschulden getrieben, 38 %.

Mythos der guten neuen Zeit seit 2009

Seit über einer Dekade hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte durchschlagend verbessert. Die unermüdlichen Verfechter der Schuldenbremse rechnen dies der neuen Verfassungsregel zu. Dafür spricht indes wenig. Einerseits wurden die Budgets durch die sinkenden Zins­ausgaben infolge des historisch anhaltend niedrigen Zinsniveaus automatisch entlastet. Andererseits drängt sich bei längerfristiger Betrachtung die These auf, dass ein durchschlagender Konsolidierungserfolg insbesondere von der Lage auf dem Arbeitsmarkt abhängt (vgl. Abbildung 1 und 2): Erst ein anhaltender Rückgang der (strukturellen) Arbeitslosigkeit und vor allem ein Anstieg der Erwerbsbeteiligung schaffen jenen budgetären Spielraum, der zur Sanierung der Staatsfinanzen benötigt wird, ohne dass es dazu eines Verteilungskonflikts bedarf.

Abbildung 1
Schuldenstandsquote und Arbeitslosenquote, Deutschland
Schuldenstandsquote in % des Bruttoinlandsprodukts (linke Achse), Arbeitslosenquote in % abhängiger ziviler Erwerbspersonen (rechte Achse)

Quellen: Statistisches Bundesamt (Destatis), Deutsche Bundesbank.

Für die These spricht auch der deutliche Anstieg des realen Steueraufkommens je Einwohner, der sich seit 2005 – nur kurz unterbrochen durch die Krise 2009 – eingestellt hat. Das ist im längerfristigen Vergleich auffällig und bemerkenswert. Denn seit 1980 war trendmäßig nur ein sehr begrenzter Anstieg festzustellen. Haupttreiber dieser dynamischen Entwicklung seit 2005 dürfte der zeitgleich begonnene kräftige sowie anhaltende Beschäftigungsaufbau bei guter Lohnentwicklung gewesen sein. Die Erhöhung der Erwerbstätigenquote auf fast 80 % ist ebenfalls im längerfristigen Vergleich beachtlich. Verbunden war damit ein deutlicher Anstieg der realen Bruttoeinkommen je Einwohner.

Ökonomik der Schuldenbegrenzung

Angesichts der mitunter theologisch anmutenden Begeisterung für die Schuldenbremse fällt auf, wie wohltuend nüchtern der Sachverständigenrat in seiner Expertise 2007 formulierte: „Gemessen an den langfristigen Wirkungen ist eine Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben im Vergleich zur Steuerfinanzierung von vornherein weder gut noch schlecht.“3 Da seinerzeit für Deutschland der Zins für Staatsanleihen oberhalb der Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag, folgerte der Sachverständigenrat, dass eine intergenerative Umverteilung zugunsten der „Einführungsgeneration“ und zulasten künftiger Generationen plausibel erwartet werden könne.4 Zugleich aber forderte der Sachverständigenrat angesichts der Produktivität öffentlicher Investitionen im Sinne der „Goldenen Regel der Finanzpolitik“, diese Investitionen durch Kredite zu finanzieren. Dafür seien „die Nettoinvestitionen als Obergrenze für die zulässige Nettokreditaufnahme anzusetzen“5. Neben einer solchen investitionsorientierten Verschuldung seien „in jedem Fall kurzfristige Finanzierungsdefizite oder Finanzierungsüberschüsse zuzulassen, die dem Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren entsprechen.“6

Abbildung 2
Schuldenstandsquote und Erwerbstätigenquote, Deutschland
Schuldenstandsquote in % des Bruttoinlandsprodukts, Erwerbstätigenquote der 20- bis 65-Jährigen
Schuldenstandsquote und Erwerbstätigenquote, Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis).

Zu den Produktivitätswirkungen öffentlicher Investitionen lässt sich – bei allen methodischen Problemen (z. B. Scheinkorrelationen) – auf verschiedene Studien zurückgreifen. So bestätigten die 2007 verfügbaren Studien die Hypothese eines positiven Effekts der öffentlichen Investitionen auf das BIP sowie die der Komplementarität zwischen öffentlichen und privaten Investitionen. „Deutschland zählt dabei aber zu den Ländern, in denen die Ertragsrate öffentlicher Investitionen noch vergleichsweise hoch und damit eine Kreditfinanzierung dieser investiven Ausgaben, wie sie die Goldene Regel der Finanzpolitik ermöglicht, durchaus zu rechtfertigen gewesen ist.“7

Jüngere Studien, wie die Meta-Analyse von Bom und Ligthart, zeigen, dass die Kapitalproduktivität (Multiplikator des staatlichen Kapitalstocks auf die private Wertschöpfung) mit zunehmend längerer Frist umso höher ist sowie insbesondere in Bereichen wie Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge entsteht.8 Eck et al. kommen zu dem Schluss, dass langfristige Output-Elastizitäten von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen „in der Regel höher als die kurzfristigen“ sind.9 Lowe et al. schätzen die marginale Produktivität des öffentlichen Kapitals; diese ist in Deutschland verhältnismäßig hoch und liegt über der des privaten Kapitals.10 Gechert resümiert in einer Metaanalyse von über 100 Studien zu den Multiplikatoreffekten öffentlicher Ausgaben: „Public spending multipliers are close to 1 and about 0.3 to 0.4 units larger than tax and transfer multipliers. Public investment multipliers are even larger than those of spending in general by approximately 0.5 units.“11

Abbildung 3
Langfristiger Zins und nominales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
in %
Langfristiger Zins und nominales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)

Quellen: Deutsche Bundesbank; Statistisches Bundesamt.

Abiad et al. untersuchen makroökonomische Effekte öffentlicher Investitionen in 17 OECD-Ländern zwischen 1985 und 2013. Die Effekte sind besonders hoch, wenn die Kapazitätsauslastung gering ist und eine hohe Effizienz bei der Umsetzung öffentlicher Investitionen erreicht wird. Die Autoren kommen zu folgendem Fazit: „We find suggestive evidence that debt-financed projects have larger expansionary effects than budget-neutral investments financed by raising taxes or cutting other government spending. […] Finally, our results show how critical increasing investment efficiency is to mitigating the possible trade-off between higher output and higher public-debt-to-GDP ratios.“12 All dies spricht dafür, dass die These durchaus merklicher Produktivitätswirkungen öffentlicher Investitionen bestätigt werden kann. Dies gilt insbesondere für Investitionen in die Infrastruktur, aber ebenso für die Bildungsausgaben.13

Niedrige Zinsen und Belastung der Gegenwart

Das Zinsumfeld hat sich gegenüber der Zeit, als die Schuldenbremse eingeführt wurde, grundlegend verändert (vgl. Abbildung 3). Die Finanzkrise hat die Notenbanken global auf einen sehr expansiven Kurs mit unkonventionellen Mitteln einschwenken lassen. Zudem wird ein Verfall der Realzinsen diskutiert, der sich aus einer grundlegend veränderten Relation von Investition und Ersparnis ergibt.14 Gerade dies führt zu der Einsicht, dass die derzeit niedrigen (nominalen) Zinsen nicht nur Ausdruck der außergewöhnlichen Geldpolitik sind, sondern ebenso struktureller Veränderungen auf den globalen Kapitalmärkten.

Dafür werden verschiedene Erklärungen diskutiert: Gemäß der Hypothese der Sparschwemme resultiert der sinkende Realzins aus einer relativ zu den Investitionsmöglichkeiten und damit der Kapitalnachfrage steigenden globalen Ersparnis. Das Pendant hierzu bildet die These der säkularen Stagnation – eines langanhaltenden Wachstumsrückgangs mit persistent niedriger Investitionstätigkeit. Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich, so eine weitere These, das Angebot an sicheren Anleihen verknappt. Die Krise habe zudem die Nachfrage nach sicheren Anlagen deutlich erhöht, ohne dass in gleichem Ausmaß solche Anlagen verfügbar waren.15 Der demografische Wandel durch die Alterung der Bevölkerung hat schließlich auf verschiedene Weise die säkular niedrigen Realzinsen verursacht. Die modellbasierten Vorhersagen für die künftige Entwicklung der langfristigen Realzinssätze (bis 2050) zeigen, dass sie nachhaltig niedrig bleiben, nach einem leichten Anstieg durch eine mögliche Normalisierung der Geldpolitik.16 Dann ist ebenso der Spielraum für höhere Nominalzinsen sehr begrenzt.17

Die dominanten Faktoren für die Erklärung des gegenwärtigen Zinsniveaus sprechen dafür, dass die künftige Entwicklung eher von gedämpfter Dynamik gekennzeichnet sein dürfte. Digitale Geschäftsmodelle ermöglichen Wachstum mit geringerem Kapitalbedarf, verlangen aber zugleich besondere öffentliche Vorleistungen (digitale Infrastruktur, Forschung im Bereich künstliche Intelligenz). Dass die Zuwächse des BIP auch in Zukunft den langfristigen Nominalzins übersteigen werden, ist grundsätzlich plausibel.18 In diesem Zinsumfeld führt der öffentliche Kredit für sich nicht zu einer Umverteilung zulasten künftiger Generationen. Angesichts der ebenfalls empirisch belegten Produktivitätseffekte öffentlicher Investitionen ist die „goldene Regel“ der Finanzpolitik gut begründet.

Darauf zu verzichten bedeutete, die heutige Generation zu belasten und den künftigen Generationen den Spielraum dafür zu nehmen, die kumulierte Investitionslücke aufzulösen. Dies wiegt umso schwerer, weil auf den öffentlichen Haushalten bereits jetzt gewaltige Ansprüche lasten:

  • Die demografische Alterung wird einen weiteren Anstieg der Bundeszuschüsse erfordern. Die öffentlichen Ausgaben für Alterssicherung, Gesundheit und Pflege, Arbeitsmarkt und Grundsicherung sowie für Bildung und Familien dürften sich bis 2040 von knapp 27 % auf 31 % des BIP erhöhen.19
  • Für Verteidigung wird Deutschland mehr ausgeben müssen als derzeit 1,24 % des BIP. Die Sicherheitslage hat sich im europäischen Umfeld dramatisch verändert. 2 % des BIP für Verteidigungsausgaben ist in der NATO vereinbart, mehrere Bundesregierungen haben dem zugestimmt.
  • Infolge des Brexit kommen auf Deutschland höhere Zahlungsverpflichtungen auf EU-Ebene zu, ab 2021 ca. 8 Mrd. Euro jährlich.
  • Zudem gibt es im Bereich der Unternehmensbesteuerung nach zehn Jahren erneut Reformbedarf, der auch mit dauerhaften Entlastungen einhergehen muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.
  • Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist aus Gründen der Glaubwürdigkeit und der Fairness geboten.

Für einen bundesstaatlichen Vermögenshaushalt

Die „goldene Regel der Finanzpolitik” sollte bezogen auf die korrigierten Bruttoinvestitionen (neue Anlagen, Tilgung gemäß Abgängen) zur Anwendung kommen,20 grundsätzlich und erst recht angesichts des Zinsniveaus. Es gibt keinen Grund, die gegenwärtige Generation zu benachteiligen und den künftigen Handlungsspielräume nicht zu erschließen. Eine Möglichkeit für die innovations- und wachstumspolitische Öffnung der Schuldenbremse bestünde darin, die gesamtstaatlichen Investitionen in einen bundesstaatlichen Vermögenshaushalt auszulagern.

  • Dieser hätte die notwendige öffentliche Infrastruktur durch den Bund und die Länder nachhaltig und gemäß den jeweiligen technischen Standards bereitzustellen: Grundlage könnte dafür ein bundesstaatlicher Infrastrukturplan sein, der alle Infrastrukturnetze inklusive der kommunalen Knoten und länderspezifischen Hubs aufnimmt. Für diese Ausgaben ist wegen positiver Kapitalstockeffekte eine Kreditfinanzierung – im Rahmen der Maastricht-Kriterien – zulässig. Die Finanzierung durch Bundesanleihen würde die beste Bonität sichern.
  • Im Hinblick auf die Kommunen besteht besonderer Handlungsbedarf, damit sie die notwendigen Investitionen tätigen können: Der Bund muss die Aufgaben, die er den Kommunen zuweist, besser mit den entsprechenden finanziellen Mitteln unterlegen. Die Länder sollten ein kommunales Investitionsprogramm auflegen (können), das auch denjenigen Kommunen, die wegen ihrer hohen Schulden durch das Land verwaltet werden, Spielräume für Investitionen verschafft. Dazu könnte es im bundesstaatlichen Vermögenshaushalt zweckgebundene Zuweisungen für Investitionen geben.
  • Natürlich ergeben sich Abgrenzungsprobleme und Steuerungs- sowie Kontrollherausforderungen. Die Steuerung könnte bei einem Investitions- und Innovationsrat liegen, der analog zum Stabilitätsrat als Bund-Länder-Gremium gestaltet, auf die gesamtwirtschaftlichen Kapazitätseffekte achtet, diese evaluiert und die Umsetzbarkeit im Blick hat.
  • Für die Budgets des Bundes und der Länder außerhalb des Vermögenshaushalts sollte für die konjunkturelle Normallage ein Neuverschuldungsverbot gelten, das im Sinne der bestehenden Schuldenbremse symmetrisch bei einer besonderen Schwere der Rezession relativiert wird.
  • 1 „Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.“; Art. 115 GG alte Fassung.
  • 2 Steuerreform 1965, Steuerreform 1975, Tarifanpassungen 1978/79 und 1981, Steuerreformen 1986/88 und 1990, steuerliche Freistellung des Existenzminimums und Familienleistungsausgleichsreform 1996, Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und Steuerreform 2000.
  • 3 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (im Folgenden Sachverständigenrat): Expertise „Staatsverschuldung wirksam begrenzen“, Wiesbaden 2007, Ziffer 56.
  • 4 Ebenda, Ziffer 76.
  • 5 Ebenda, Ziffer 70.
  • 6 Ebenda, Ziffer 78.
  • 7 Ebenda, Kasten 4.
  • 8 Vgl. P. Bom, J. Ligthart: What have we learned from three decades of research on the productivity of public capital?, in: Journal of Economic Surveys, 28. Jg. (2014), H. 5, S. 889-916.
  • 9 Vgl. A. Eck, J. Ragnitz, S. Scharfe, C. Thater, B. Wieland: Öffentliche Infrastrukturinvestitionen: Entwicklung, Bestimmungsfaktoren und Wachstumswirkungen, ifo Dresden Studien, Nr. 72, 2015.
  • 10 Vgl. M. Lowe, C. Papageorgiou, F. Perez-Sebastian: The Public and Private Marginal Product of Capital, in: Economica, 86. Jg. (2019), H. 342, S. 336-361.
  • 11 S. Gechert: What fiscal policy is most effective? A meta-regression analysis, in: Oxford Economic Papers, 67. Jg. (2015), H. 3, S. 553.
  • 12 A. Abiad, D. Furceri, P. Topalova: The macroeconomic effects of public investment: Evidence from advanced economies, in: Journal of Macroeconomics, 50. Jg. (2016), S. 239.
  • 13 Sachverständigenrat: Jahresgutachten „Zwanzig Punkte für mehr Beschäftigung und Wachstums“, Stuttgart 2002, Kasten 8; ders.: Jahresgutachten „Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken“, Wiesbaden 2008, Ziffern 430 ff.; T. Krebs, M. Scheffel: Lohnende Investitionen, in: ifo-Schnelldienst, 68 Jg. (2016) H. 22, S. 12-14.
  • 14 Vgl. M. Demary, M. Voigtländer: Reasons for the Declining Real Interest Rates, IW-Report. Nr. 47/2018, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2018/IW-Report_2018-47_Declining_Real_Interest_Rates.pdf (23.3.2019); O. Blanchard: Public Debt and Low Interest Rates, in: American Economic Review, 109. Jg. (2019), H. 4, S. 1197-1229; C. Fuest, D. Gros: Government debt in times of low interest rates: the case of Europe, EconPol Policy Brief, Nr. 16, 2019.
  • 15 Vgl. Deutsche Bundesbank: Zur Entwicklung des natürlichen Zinses, in: Bundesbank Monatsberichte, 69. Jg. (2017), Nr. 10, S. 29-44.
  • 16 Vgl. M. Demary, M. Voigtländer, a. a. O.; O. Blanchard, a. a. O.
  • 17 Vgl. M. Demary, M. Hüther: When Low Interest Rates Cause Low Inflation, in: Intereconomics, 50. Jg. (2015), H. 6, S. 350-355.
  • 18 O. Blanchard, a. a. O.
  • 19 Vgl. M. Werding: Demographischer Wandel, soziale Sicherung und öffentliche Finanzen: Langfristige Auswirkungen und aktuelle Herausforderungen. Expertise für die Bertelsmann Stiftung 2018, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/DemoWandel_Werding__2018_final3.pdf (23.3.2019).
  • 20 Im Sinne der vermögensorientierten Deutung der „goldenen Regel“, zu den verschiedenen methodischen Aspekten vgl. Sachverständigenrat: Expertise „Staatsverschuldung wirksam begrenzen“, a. a. O., Ziffern 119 ff.

Schuldenbremse: von der statischen „schwarzen Null“ zur dynamischen „schwarzen Null“

„The central idea is that government fiscal policy, its spending and taxing, its borrowing and repayment of loans, its issue of new money and its withdrawal of money, shall be undertaken with an eye only to the results of these actions on the economy and not to any established doctrine of what is sound and unsound. The principle of judging only by the effects has been applied in many other fields of human activity, where it is known as the method of science as opposed to scholasticism.“1 Für die Diskussion über die Schuldenbremse bietet das Zitat von Abba Lerner einen guten Ausgangspunkt. Eine Politikregel mit so weitreichenden volkswirtschaftlichen Implikationen lässt sich nicht nur mit dem schlichten Verweis auf die Tugenden der „Schwäbischen Hausfrau“ begründen. Es muss vielmehr dargelegt werden, dass ohne eine solche Regel negative Effekte für die deutsche Volkswirtschaft zu erwarten wären.

Ökonomische Argumentation

Ein zentraler Ausgangspunkt für jede Diskussion über Verschuldungsregeln ist die Schuldenstandsquote. Optimale Defizitregeln lassen sich dann aus der angestrebten Schuldenstandsquote und der zu erwartenden mittelfristigen Entwicklung des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ableiten. Dabei stellt sich dann unmittelbar das Problem, eine angemessene Schuldenstandsquote zu bestimmen.

Nach den Daten des internationalen Währungsfonds weist Deutschland im Jahr 2019 eine Staatsverschuldung auf, die relativ zur Wirtschaftsleistung bei 57 % liegt und damit unter dem Grenzwert des Vertrags von Maastricht von 60 %. Die deutsche Schuldenstandsquote ist weitaus geringer als in den anderen G7-Staaten. Den höchsten Schuldenstand weist Japan mit 238 % auf, gefolgt von Italien (133 %), den USA (107 %), Frankreich (99 %), Kanada (88%) sowie Großbritannien (86 %). Mit der Ausnahme Italiens hat keines der anderen Länder bisher erkennbare Probleme an den Kapital- oder Devisenmärkten mit dem im Vergleich zu Deutschland sehr hohem Niveau seiner Staatsverschuldung gehabt. Der Yen war häufig sogar höher bewertet, als es für die japanische Wirtschaft gut gewesen wäre. Dieser Befund deckt sich mit dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion, der es bisher nicht gelungen ist, eine optimale oder maximale Schuldenstandsquote für größere Volkswirtschaften herzuleiten. Der Versuch von Reinhart und Rogoff,2 eine Obergrenze von 90 % zu bestimmen, ist gescheitert. Die 60 %-Schwelle des Vertrags von Maastricht wurde einfach als Mittelwert der Schuldenstandsquoten der Mitgliedstaaten im Jahr 1990 gegriffen.

Bei dieser erheblichen diagnostischen Unsicherheit lässt sich aus dem Vergleich mit den anderen G7-Staaten jedoch zumindest ableiten, dass es für Deutschland keinen Grund gibt, seine Schuldenstandsquote weiter zu reduzieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich für Staaten, die über eine eigene Währung verfügen und weitgehend in dieser verschuldet sind, grundsätzlich kein Insolvenzproblem stellt, da die nationale Notenbank in der Lage ist, durch den Ankauf von Staatsanleihen die Liquidität des Staates zu sichern. Auch wenn dies für Deutschland nicht gilt, ist es extrem unwahrscheinlich, dass es in eine Situation kommen könnte, bei der es keine Abnehmer für seine Staatsanleihen findet. Für große institutionelle Investoren, die wie Versicherungen auf sichere Anlagen angewiesen sind, ist es in der Regel nur schwer möglich, Aktiva zu erwerben, die auf eine Fremdwährung lauten. Solche Anleger müssten bei einem Vertrauensverlust in deutsche Staatsanleihen in größerem Stil auf französische und italienische Anleihen ausweichen. Für ein solches Negativszenario muss man schon sehr viel Phantasie haben, wobei selbst dann mit einer Unterstützung Deutschlands durch die EZB zu rechnen wäre.

Als einfache fiskalische Regel könnte man damit für Deutschland eine dynamische Schuldenbremse ableiten. Sie würde darin bestehen, dass die Staatsverschuldung auf mittlere Sicht nicht absolut, sondern relativ zur Wirtschaftsleistung konstant gehalten wird. Konkret würde damit die aktuelle Schuldenstandsquote von 57 % festgeschrieben. Wenn man für die kommenden Jahre ein durchschnittliches nominales Wirtschaftswachstum von 3 % unterstellt, wäre Deutschland in der Lage, diese Schuldenstandsquote mit einem Defizit von 1,7 % konstant zu halten. Bei einem BIP von 3493 Mrd. Euro würde das 2019 einem zusätzlichen jährlichen Finanzierungsspielraum von rund 59 Mrd. Euro entsprechen. Damit könnte über die nächsten zehn Jahre ein umfassendes Zukunftsinvestitionsprogramm finanziert werden. Deutschland könnte so seine ohnehin gute Position im internationalen Standortwettbewerb noch verbessern. Zugleich könnten eine spürbar bessere öffentliche Infrastruktur und ein deutlich ausgeweitetes Angebot an bezahlbaren Wohnungen den Bürgern deutlich machen, dass sie von den Politikern nicht vergessen werden. Bei dieser Herleitung bleibt unberücksichtigt, dass mit den zusätzlichen Zukunftsinvestitionen das BIP stärker wachsen würde als ohne diese, sodass es anstelle der konstanten Schuldenstandsquote sogar zu einem leichten Rückgang kommen könnte.

Was würde man erreichen, wenn man auf dieses unglaubliche Potenzial verzichtete und stattdessen weiter an der schwarzen Null festhält? Die deutsche Schuldenstandsquote würde von derzeit 57 % auf rund 30 % im Jahr 2040 sinken. Kein seriöser Finanzwissenschaftler könnte erklären, worin der Vorteil des dann niedrigeren Schuldenstands gegenüber dem heutigen Niveau bestehen würde. Höchstens für den deutschen Sparer könnte man prognostizieren, dass es bei einem konstanten Bestand an Staatsanleihen und einem jährlich deutlich ansteigenden Sparvolumen auf Dauer bei sehr niedrigen langfristigen Zinsen bleiben wird. Ein dauerhaftes Festhalten an der schwarzen Null würde am Kapitalmarkt dazu führen, dass das Volumen an „safe assets“, das für moderne Finanzsysteme von zentraler Bedeutung ist,3 relativ zur Wirtschaftsleistungen gegen Null tendiert.

Bei obiger Berechnung ist das derzeit sehr niedrige Zinsniveau für deutsche Staatsanleihen zu berücksichtigen, das man nicht auf Dauer voraussetzen kann. Allerdings ist die durchschnittliche Verzinsung der ausstehenden deutschen Staatsverschuldung mit derzeit 1,4 % deutlich höher als die aktuelle Rendite für Neuemissionen. Sie wird noch für einige Jahre sinken und selbst bei einem Zinsanstieg wird es länger dauern, bis der Wert von 1,4 % wieder erreicht wird. Relativ zum BIP belaufen sich die Zinszahlungen der öffentlichen Hand derzeit auf 0,8 %. Der durch die dynamische Schuldenbremse und die damit verbundene Stabilisierung der Schuldenstandsquote geschaffene Spielraum von 1,7 % des BIP ginge erst verloren, wenn die durchschnittliche Verzinsung 4 % erreichen würde, ohne dass die nominale Wachstumsrate des BIP steigt.

Goldene Regel der Fiskalpolitik

Die dynamische Schuldenbremse kann mit der goldenen Regel der Fiskalpolitik kombiniert werden. Diese bietet die einzige solide ökonomische Fundierung für Fiskalregeln. Aus diesem Grund hat sich der Sachverständigenrat im Jahr 2007 in einer Expertise für die Bundesregierung4 für eine Schuldenbremse ausgesprochen, bei der Nettoinvestitionen durch Kredite finanziert werden können. Der Rat hat das wie folgt begründet: „(…) die Forderung eines generellen Verschuldungsverbots (…) wäre ökonomisch ähnlich unsinnig, wie Privatleuten oder Unternehmen die Kreditaufnahme zu verbieten. Ein solches Verbot ginge mit Wohlfahrtsverlusten einher.“5 Er beschreibt die Intention der „Goldenen Regel“ wie folgt: Eine hohe Schuldenstandsquote könne in gewissem Umfang unter intergenerativen Verteilungsgesichtspunkten gerechtfertigt sein, wenn öffentliche Investitionen das Vermögen kommender Generationen erhöhen und diese somit „reicher“ machten. Die intergenerative Umverteilungswirkung der Staatsschuld sei hier ein gewünschtes Ergebnis, um auch die künftigen Nutznießer der heutigen Ausgaben an den Finanzierungslasten zu beteiligen.

Bundesbank-Vorschlag: dynamische Schuldenbremse mit Goldener Regel

Eine ganz aktuelle Umsetzung der hier vorgeschlagenen Kombination einer dynamischen Schuldenbremse mit der Goldenen Regel findet man in einem Aufsatz im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank über Fiskalregeln.6 Sie argumentiert, dass bei Schuldenquoten unter 50 % Defizite von bis zu 1 % des BIP zulässig sein sollten, wenn die Nettoinvestitionen mindestens 0,5 % des BIP betragen. Und sie geht so weit, dass bei „solchen relativ soliden Positionen“ unter Umständen geprüft werden könne, den Umfang der Nettoinvestitionen auch zusätzlich zur 1 %-Grenze zu berücksichtigen – wiederum begrenzt auf 0,5 % des BIP. Somit wäre eine strukturelle Defizitquote von bis zu 1,5 % erlaubt, wenn die Nettoinvestitionen mindestens 0,5 % des BIP betragen.

Im Prinzip unterscheidet sich dies nicht wesentlich von dem hier unterbreiteten Konzept, das bei einer Stabilisierung der Schuldenstandsquote auf dem aktuellen Niveau von 57 % ein zulässiges Defizit von 1,7 % vorsieht. Der Bundesbank-Vorschlag hat den Vorteil, dass der zusätzliche Verschuldungsspielraum nicht nur für Investitionen im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, sondern auch für Zukunftsinvestitionen in der Form von Bildungsausgaben genutzt werden kann.

Polit-ökonomische Argumentation: „Deficit bias“ versus „Disinvestment bias“

Die Anhänger der Schuldenbremse in ihrer bisherigen Ausgestaltung geben im Prinzip zu, dass es für sie keine rein ökonomische Rechtfertigung geben kann.7 Ihre Argumentation ist daher rein polit-ökonomisch geprägt. Feld und Reuter begründen Fiskalregeln damit, „dass im Zusammenspiel von Politikern, Wählern und Interessengruppen eine Verzerrung hin zu übermäßiger Verschuldung besteht. Es gibt eine Vielzahl an Studien, die diese Verzerrung empirisch belegen.“8

Solche Verzerrungen werden durch ein kurzfristiges, an Wahlperioden orientiertes Denken von Politikern hervorgerufen. Durch die Einführung einer Schuldenbremse kann man damit möglicherweise zwar den „Deficit bias“ aus der Welt schaffen. Das Kurzfristdenken führt dann aber dazu, dass Politiker langfristige Investitionen unterlassen, da die vollen finanziellen Belastungen in der laufenden Wahlperiode anfallen, die Erträge jedoch über eine sehr viel längeren Zeitraum. Genau das ist in Deutschland eingetreten. Feld und Reuter stellen fest, dass die Bruttoinvestitionen seit 2011 unzureichend ausgeweitet wurden, „obwohl durch die gute Haushaltslage genügend Spielraum für höherer Investitionen vorhanden gewesen wäre.“ Wer das Kurzfristdenken der Politiker mit der Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form einschränken möchte, transformiert den „Deficit bias“ in einen „Disinvestment bias“. Tatsächlich gehen die öffentlichen Investitionen seit Jahren nicht über die Abschreibungen hinaus.

Abbildung 1
Zukunftsinvestitionen
Zukunftsinvestitionen

Quellen: OECD: Going for Growth Statistics; OECD: Education at a Glance Statistics.

Im internationalen Vergleich zeigen sich die unzureichenden Zukunftsinvestitionen Deutschlands nicht nur in geringen öffentlichen Investitionen, sondern auch in unterdurchschnittlichen Bildungsausgaben. Fasst man beides zu einem Indikator „Zukunftsinvestitionen“ zusammen, zeigt sich ein problematischer Befund. Relativ zur Wirtschaftsleistung lag Deutschland hier im Jahr 2015 auf dem drittletzten Platz aller OECD-Länder (vgl. Abbildung 1). Der Abstand zu Schweden und Finnland beträgt fast 4 Prozentpunkte, zu Frankreich und den Niederlanden sind es 2 bzw. 2½ Prozentpunkte. Die negativen Effekte der Schuldenbremse für die Zukunft zeigen sich nicht zuletzt in den aktuellen Eckwerten zum Bundeshaushalt 2020 und zum Finanzplan bis 2023. Unter der Überschrift „Rekordinvestitionen“ wird für 2020 ein Anstieg der öffentlichen Investitionen von 1,8 % angekündigt, was real einer Stagnation entspricht. Von 2020 bis 2023 sind konstante Investitionen geplant, was dann real einem kontinuierlichen Rückgang entspricht. Bei einem Festhalten an der Schuldenbremse in ihrer bisherigen Form sind aufgrund des „Disinvestment bias“ somit gravierende Nachteile für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu befürchten.

Dynamische Schuldenbremse als Lösung

In der Argumentation der Anhänger der Schuldenbremse in ihrer bisherigen Form wird diese Regel als alternativlos angesehen. Wie hier gezeigt wurde, kann man jedoch mit einer dynamischen Schuldenbremse, eine begrenzte Finanzierung von Zukunftsinvestitionen über eine Kreditaufnahme ermöglichen und somit den „Deficit bias“ ebenso wie den „Disinvestment bias“ verhindern. Das entspricht Abba Lerners Vorstellung einer „functional finance“. Anstelle einer ideologischen Fixierung auf ein Verschuldungsverbot für den Staat muss es darauf ankommen, Regeln zu finden, von denen positive Effekte auf die Volkswirtschaft ausgehen. Die Tatsache, dass sogar die Deutsche Bundesbank einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet wie die hier vorgeschlagene dynamische Schuldenbremse, sollte die Hardliner unter den deutschen Finanzwissenschaftlern zumindest nachdenklich stimmen.

  • 1 A. Lerner: Functional Finance and the Federal Debt, in: Social Research, 10. Jg. (1943), H. 1, S. 38-51.
  • 2 C. M. Reinhart, K. S. Rogoff: Growth in a Time of Debt, NBER Working Paper, Nr. 15639, Januar 2010, revidiert Dezember 2011.
  • 3 M. Brunnermeier, S. Langfield, M. Pagano, R. Reis, S. Van Nieuwerburgh, D. Vayanos: ESBies: Safety in the tranches, European Systemic Risk Board, Working Paper Series, Nr. 21, September 2016.
  • 4 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Wiesbaden 2007.
  • 5 Ebenda, Tz. 2.
  • 6 Deutsche Bundesbank: Europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt: zu einzelnen Reformoptionen, Monatsbericht April 2019.
  • 7 So ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.2.2019 zu lesen: „Der Freiburger Finanzwissenschaftler Lars Feld gesteht auf Anfrage zu, dass der Haushaltsausgleich keine gute ökonomische Begründung hat.“ Vgl. http://www.rwi-essen.de/presse/rwi-in-den-medien/190227_FAZ_Fetisch (10.5.2019).
  • 8 L. P. Feld, W. Reuter: Der Sündenbock, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.4.2019.

Die Bewährungsprobe der Schuldenbremse hat gerade erst begonnen

Derzeit überbieten sich Ökonomen und Politiker mit Ideen, wie die staatlichen Haushaltsmittel verwendet werden sollten. Die einen drängen auf mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung oder in die Grundlagenforschung. Andere würden lieber Renten und weitere Transferausgaben erhöhen. Dritte betonen die Notwendigkeit von Steuersenkungen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten. Zuweilen finden sich solche, die beides wollen – höhere Staatsausgaben und gleichzeitige Steuersenkungen. Es ist leicht zu erkennen, dass dies trotz der aktuell hohen Steuereinnahmen auf eine höhere Verschuldung hinauslaufen würde. In der finanzpolitischen Diskussion der vergangenen Wochen wird daher die Schuldenbremse als Investitionsbremse, sogar als Gefahr für den zukünftigen Wohlstand Deutschlands verunglimpft. Die seit 2011 geltende Schuldenbremse führt in der Tat dazu, dass gerade in guten Zeiten nicht alle Ideen gleichzeitig umgesetzt werden können, sondern dass sich die Politik zwischen verschiedenen Optionen entscheiden muss. Sie hält dazu an, Verteilungskonflikte ohne Lastenverschiebung auf zukünftige Generationen unter den heutigen Interessengruppen zu lösen, und steht damit erst vor ihrer wirklichen Bewährungsprobe. Wird sie dadurch wirklich zur Gefahr für unseren Wohlstand?

Motivation für die Einführung von Fiskalregeln

Im Jahr 2015 waren weltweit 129 nationale Fiskalregeln auf der gesamt- oder zentralstaatlichen Ebene in Kraft.1 Davon beschränken 55 das Haushaltsdefizit. Internationale Organisationen empfehlen die Einführung oder Stärkung von Fiskalregeln,2 weil sie einem dauerhaften Anstieg der Staatsverschuldung entgegenwirken. In vielen Ländern war über die vergangenen Jahrzehnte ein steigender Trend der Staatsschuldenquoten (Bruttoschuldenstand in % des Bruttoinlandsprodukts, BIP) zu beobachten, der nicht durch den Konjunkturverlauf oder durch einmalige Ereignisse erklärt werden kann. Strukturelle und politökonomische Faktoren spielen hierfür eine entscheidende Rolle.3

Politiker und Regierungen haben aus unterschiedlichen Gründen eine Neigung dazu, insbesondere gute Zeiten zur Konsolidierung der Staatsfinanzen ungenutzt verstreichen zu lassen. Sie agieren dabei keineswegs irrational, sondern versuchen, ihre Chancen auf Wiederwahl und die Vorteile für ihre Wählerschaft zu erhöhen. Diese Defizit-Neigung (Deficit bias) ist empirisch gut belegt4 und hat verschiedene Ursachen wie beispielsweise:

  • Anreize zur Übernutzung der gemeinsamen Ressourcen (Common pools),
  • Informationsasymmetrien zwischen Politik und Wählern,
  • politischer Wettbewerb und Wahlzyklen,
  • Ungeduld oder Kurzsichtigkeit der Politik.

Es gibt unseres Wissens keine empirischen Studien, die Gründe für eine gegenläufige Neigung zu übermäßigen Überschüssen belegen, wie jüngst von Furman und Summers behauptet.5

In einer Währungsunion helfen Fiskalregeln, negative Überschwappeffekte einer zu hohen Verschuldung zwischen Ländern zu verhindern. Zudem kann die Einführung von Fiskalregeln dazu dienen, Erwartungen über die zukünftige Fiskalpolitik zu stabilisieren und dadurch die Refinanzierungskosten an den Finanzmärkten zu reduzieren.6 Ähnlich wie bei der Einführung von Inflationszielen zur Stabilisierung von Preiserwartungen in der Geldpolitik, mag es dann verlockend sein, das Ziel kurzfristig aufzugeben. Langfristig ist Glaubwürdigkeit jedoch entscheidend. Eine Regel in schlechten Zeiten einzuführen, um über die Erwartungen die Zinsausgaben zu senken, und dann in guten Zeiten wieder abzuschaffen, wird das Handeln der Finanzmarktakteure berechtigterweise nur einmal beeinflussen.

Empirische Studien belegen den Erfolg von Fiskalregeln bei der Eindämmung zu hoher Defizite7 und der Stabilisierung der (Erwartungen an die) Fiskalpolitik.8 Selbst wenn die Reduktion der Staatsschuldenquote in Deutschland in den vergangenen Jahren auf niedrigere Zinsausgaben sowie die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen ist,9 ist nicht klar, ob die Politik die sich bietenden Spielräume ohne Schuldenbremse nicht noch stärker, etwa für Steigerungen der Transferausgaben, genutzt hätte.

Sind mehr Schulden aktuell angebracht?

Blanchard hat eine Diskussion darüber entfacht, ob zusätzliche Verschuldung für den Staat in der aktuellen Situation problematisch ist.10 Er argumentiert, dass die durchschnittlichen Zinssätze, die für US-Bundesanleihen zu bezahlen sind, geringer ausfallen als die durchschnittlichen Wachstumsraten des US-BIP. Dadurch könnten die Kosten hoher Staatsverschuldung geringer sein, als bisher angenommen.

Theoretisch ist dies ein alter Hut.11 Schwieriger ist der empirische Beleg, wo sich langfristige Gleichgewichtszinsen und das langfristig erzielbare Potenzialwachstum befinden. So weist Blanchard12 darauf hin, dass das Zinsniveau aktuell, etwa durch finanzielle Repression, künstlich niedrig gehalten und in Zukunft wieder höher sein könnte. In der Tat zeigen Fuest und Gros,13 dass die Zinssätze in Deutschland erst seit wenigen Jahren niedriger als die Wachstumsraten des BIP sind. In der längeren Frist liegen die Zinsen im Durchschnitt höher, nur in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg war das Wirtschaftswachstum ebenfalls relativ höher.14 Aktuell relativ niedrigere Refinanzierungskosten sind somit nicht hinreichend für die Sinnhaftigkeit höherer Staatsverschuldung. Das Verhältnis kann sich schnell umkehren. Typischerweise sind die Befürworter höherer Verschuldung dann nicht so schnell bei der Hand, um weniger Verschuldung oder weniger öffentliche Investitionen zu fordern.

Zudem verweist Blanchard15 darauf, dass das Zinsniveau von der Höhe der Staatsschuldenquoten abhängt, sodass die Zinssätze ab einer gewissen Schuldenhöhe die Wachstumsraten wieder übersteigen. Zudem müssen Schuldenquoten niedrig genug sein, um multiple Gleichgewichte auf den Finanzmärkten auszuschließen.16 Nach wie vor gilt es also, übermäßige Verschuldung einzuschränken und der Defizit-Neigung der Politik entgegenzuwirken. Die Diskussion um die Einschränkung von öffentlichen Investitionen sollte demnach unabhängig von aktuellen Niveaus der Wachstumsraten und Zinssätze geführt werden. In Deutschland gilt es im Sinne der intergenerationalen Gerechtigkeit, nicht nur eine funktionierende Infrastruktur an die nächste Generation weiterzugeben. Es ist angesichts der aktuell guten Haushaltslage vielmehr der richtige Zeitpunkt zu sparen, bevor der demografische Wandel die aktuelle, relativ große Erwerbsbevölkerung von Zahlern zu Empfängern macht, die dann von einer relativ kleineren Erwerbsbevölkerung finanziert werden müssen.

Design der Fiskalregeln

Über die Jahrzehnte hat sich das Design der Fiskalregeln weiterentwickelt. Standen am Anfang etwa Regeln, die ganz generell keine Neuverschuldung zuließen, so bezieht die neueste Generation an Regeln den Konjunkturzyklus mit ein.17 Die Diskussion der deutschen Schuldenbremse ist daher von der Diskussion um die „schwarze Null“ zu trennen. Die Schuldenbremse lässt Neuverschuldung insbesondere in schlechten Zeiten explizit und selbst in größerem Umfang zu, sie bezieht sich auf das strukturelle Defizit.

0,35 ≥ Gstrukt - Rstrukt = [G - Gcyc (Y)] - [R - Rcyc (Y)] ≈ [G - Gunemp (Y)] - [γ YPot]

Das strukturelle Defizit zieht von den Einnahmen (R) und Ausgaben (G) die jeweiligen zyklischen Komponenten (Rcyc bzw. Gcyc ), d. h. die sich automatisch mit dem Zyklus verändernden Teile ab.

Systematisch mit dem Konjunkturzyklus verändern sich auf der Ausgabenseite lediglich die Ausgaben für Arbeitslosigkeit (Gunemp), die Einnahmen hängen viel stärker vom Zyklus ab.18 Da zyklische Veränderungen jedoch herausgerechnet werden, müssen etwa die Ausgaben ohne Arbeitslosigkeit in einem Auf- wie in einem Abschwung aufgrund der Schuldenbremse nicht verändert werden. Die automatischen Stabilisatoren können uneingeschränkt wirken. Möchte die Fiskalpolitik zusätzlich diskretionär auf den Konjunkturzyklus reagieren, so muss sie in guten Zeiten die Ausgaben diskretionär weniger stark anwachsen lassen, um sie dann im Abschwung wieder stärker erhöhen zu können. Generell sind jedoch große Zweifel angebracht, ob eine diskretionäre Steuerung der Konjunktur möglich ist.19 Bei normalen konjunkturellen Schwankungen reicht es, die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. In schweren Krisen können diskretionäre expansive Maßnahmen notwendig sein, die dann aufgrund der Ausnahmeregelungen der Schuldenbremse mit der absoluten Regierungsmehrheit beschlossen werden können. Da die strukturellen Einnahmen sich ohne diskretionäre Änderungen mittelfristig proportional zur Steuerbasis, also zum Potenzial bewegen, sind aktuelle Vorschläge zu Ausgabenregeln der strukturellen Defizitregel sehr ähnlich:20

∆ YPot ≥ ∆Gstrukt = ∆[G - Gunemp (Y)]

Die Vorschläge der Einführung von Ausgabenregeln anstelle struktureller Defizitregeln ist durch die Messfehler in Echtzeit begründet, die bei der Berechnung der Komponenten der Ausgabenregel kleiner als bei der strukturellen Defizitregel ausfallen dürften. Es muss sich jedoch erst zeigen, ob die Berechnung von diskretionären Einnahmeänderungen, die bei den Vorschlägen zu Ausgabenregeln notwendig sind, mit kleineren Messfehlern behaftet ist, oder wie groß die Unschärfen bei der Herausrechnung bestimmter Ausgabenkategorien, etwa der Investitionsausgaben, sind.

Schuldenbremse und öffentliche Investitionen

Der Schuldenbremse wird insbesondere vorgeworfen, dass sie die öffentlichen Investitionen einschränke, zu einem „Stop and go“ in der Investitionspolitik führe, die Verlässlichkeit und Planbarkeit sowie verstetigte, konjunkturunabhängige Investitionen verhindere. Wie zuvor dargelegt, schränkt die Schuldenbremse öffentliche Investitionen im Konjunkturverlauf nicht ein. Mit der Schuldenbremse ist eine stetige, konjunkturunabhängige, verlässliche Investitionspolitik möglich, auf die sich der Markt einstellen kann. Die Politik kann in diesem Rahmen zudem sehr langfristige Verpflichtungen eingehen, ohne Angst haben zu müssen, eine Investition wegen einer konjunkturellen Delle nicht umsetzen zu können.

Dafür, dass die Schuldenbremse eine Verstetigung von Investitionen und Planungssicherheit verhindert, fehlt jeglicher empirischer Beleg. Historisch ist der Einfluss der Schuldenbremse auf die öffentlichen Investitionen nicht sichtbar. Abbildung 1 zeigt dies für Deutschland für die Jahre 1991 bis 2018. Der Rückgang der Investitionen der Gemeinden hat schon lange vor Einführung der Schuldenbremse begonnen, und insgesamt zeigen die Investitionen keinen systematischen Zusammenhang mit dem Konjunkturzyklus oder mit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse.

Auf Basis einer einzelnen Zeitreihe kann noch keine belastbare Evidenz abgeleitet werden. Die beobachtete Entwicklung erhöht jedoch den Druck auf die Gegner der Schuldenbremse, ihre Vermutungen besser zu belegen. Notwendig wären Studien über verschiedene Länder oder auf disaggregierter Ebene mit überzeugender Identifikationsstrategie. Die gibt es unseres Wissens bislang nicht. Erste Studien, die sich systematisch mit dem Zusammenhang von Fiskalregeln und öffentlichen Investitionen beschäftigen, finden jedoch keine systematische oder quantitativ bedeutende Korrelation.21

Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob es einen Unterschied machen würde, ob Investitionen aus der Schuldenbremse ausgenommen sind oder nicht. Die Politik scheint sich bietende Spielräume etwa aufgrund niedrigerer Zinssätze mit und ohne Schuldenbremse anderweitig zu verwenden. Häufig wird vorgeschlagen, wieder zur „Goldenen Regel“ zurückzukehren, die in Deutschland von 1969 bis 2011 in Kraft war und Verschuldung für öffentliche Investitionen zuließ. In diese Zeit fällt jedoch der starke Rückgang der Investitionen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Anlageinvestitionen des Staats nach Sektoren1
Anlageinvestitionen des Staats nach Sektoren1

1 In Relation zum nominalen BIP.  2 Bruttoanlageinvestitionen abzüglich Abschreibungen.  3 Bruttoinlandsprodukt (real); Veränderung zum Vorjahr.

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. © Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 19-093.

Die Zulässigkeit höherer Schulden für Investitionsausgaben hat etwa auf kommunaler Ebene in Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz weder die übermäßige Verschuldung von Kommunen verhindert, noch zu mehr Investitionen geführt. Dabei fallen die Kommunen formal nicht einmal unter die Schuldenbremse und können sich prinzipiell weiter in Höhe ihrer Investitionen verschulden. Die Goldene Regel ist also kein Garant für steigende öffentliche Investitionen.

Viel eher finden sich empirische Belege dafür (von Hagen 1991), dass die Politik nach Wegen sucht, um Ausnahmen auszunutzen und den Investitionsbegriff auszudehnen. Die Abgrenzung des Investitionsbegriffs ist bereits ohne Relevanz für die Schuldenbremse schwer zu fassen.22 Einige kürzlich veröffentliche Vorschläge verdeutlichen das Problem. So möchte Hüther23 etwa die steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung sowie Investitionszuschüsse als öffentliche Investitionen rechnen, und Krebs24 will Investitionen in Human- und Sozialkapital aufnehmen. Höhere Gehaltsforderungen der Lehrer wären dann zukünftig als Investitionen zu zählen.

Kalibrierung der Schuldenbremse

Die Schuldenbremse gibt der Fiskalpolitik genug Spielraum, um selbst größere Investitionsprojekte umzusetzen. Historisch wurden die Spielräume jedoch anderweitig genutzt (vgl. Abbildung 2). So stiegen von 1991 bis 2018 die monetären Sozialleistungen des Gesamtstaates um 285 Mrd. Euro (121 %) und die sozialen Sachleistungen um 186 Mrd. Euro (184 %), während die Bruttoinvestitionen lediglich um 29 Mrd. Euro (58 %) erhöht wurden. Seit Inkrafttreten der Schuldenbremse sind weiterhin fast alle anderen Ausgabenkategorien absolut stärker gewachsen, wenngleich die Differenz in relativen Wachstumsraten kleiner geworden ist. Es wäre folglich jederzeit genug Spielraum vorhanden gewesen, um die Investitionen wieder auf ihren Höchststand zu bringen.

Abbildung 2
Entwicklung der Staatsausgaben nach Ausgabenarten, 1991 bis 2018
Entwicklung der Staatsausgaben nach Ausgabenarten, 1991 bis 2018

1 Ohne Subventionen der EU an inländische Sektoren.  2 Bereinigt um die Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und eines Teils der Altschulden der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in den öffentlichen Sektor in Höhe von 122,5 Mrd. Euro im Jahr 1995.

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. © Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 19-096.

Der Grenzwert für den Bund ist in der deutschen Schuldenbremse mit einem strukturellen Defizit in Höhe von 0,35 % des BIP festgelegt. Die Kalibrierung dieses Wertes muss einige Besonderheiten berücksichtigen. Ausgehend von einem Zielwert der Schuldenquote kann eine jährliche Grenze theoretisch einfach berechnet werden.25 Eine Umsetzung des Zielwerts für die Schuldenquote in jährliche Grenzwerte für Defizit oder Ausgaben ist nicht zuletzt für die Haushaltsplanung und aus polit-ökonomischen Gründen sinnvoll. Berechnet man ausgehend von der aktuellen Grenze von 0,35 % den impliziten theoretischen Zielwert für die Schuldenquote, so liegt dieser unter der 60 %-Grenze des Stabilitäts- und Wachstums­pakts. Bei der Kalibrierung der jährlichen Grenze bedarf es jedoch eines Abstands, da Stock-flow Adjustments außerhalb der jährlichen Defizite auf den Schuldenstand wirken26 und weil die Regel nicht immer eingehalten werden wird: So gibt es explizit Ausnahmen von der Regel für schwere Krisen oder Naturkatastrophen, die beide den Schuldenstand innerhalb kürzester Zeit sprunghaft und stark ansteigen lassen. In den zwei Jahren zwischen 2008 und 2010 stieg die Schuldenquote Deutschlands um 15 Prozentpunkte. Zudem interpretieren Regierungen die Grenzen der Fiskalregeln eher als Ziel- denn als Grenzwerte.27 Daher kommt es immer wieder zu Regelbrüchen. Weltweit und systematisch scheinen Regierungen den Spielraum, den ihnen Fiskalregeln mit unterschiedlichen Defizitgrenzen geben, mindestens voll auszunutzen. Die Literatur findet keine Hinweise auf einen „Sicherheitspuffer“ aufgrund der Unsicherheit der geschätzten Einnahmeentwicklung. Für Prognose und Schätzfehler wurde der Schuldenbremse ein Ausgleichskonto hinzugefügt.

Sollte der Schuldenstand auf ein Niveau mit größerem Abstand etwa zur 60 %-Grenze sinken, könnte diskutiert werden, ob gleitend eine höhere strukturelle Defizitgrenze erlaubt wird. Ähnliches ist in den europäischen Regeln vorgesehen. Es bleibt jedoch fraglich, ob die Politik die neuen Spielräume dann für die von vielen Ökonomen als sinnvoll empfundenen Ausgaben nutzt. Zudem könnte es der Akzeptanz der Schuldenbremse in der Bevölkerung schaden, wenn die Grenzwerte regelmäßig verändert werden. Tradition und Kultur im Zusammenhang mit Fiskalregeln verschaffen diesen erst eine besondere Bindungswirkung.28 Zuletzt müssen Änderungen im europäischen Kontext gesehen werden, innerhalb dessen sich alle EU-Mitgliedstaaten über den Fiskalpakt zu einer Schuldenbremse in der nationalen Gesetzgebung verpflichtet haben.

Größere Investitionen trotz Schuldenbremse möglich

Wenn die Politik sich dazu entscheidet, kann sie also langfristige und größere Investitionen innerhalb der Schuldenbremse umsetzen. Aus politökonomischen Gründen scheint man dies der Politik jedoch nicht zuzutrauen und möchte Investitionen daher in der einen oder anderen Form aus der Schuldenbremse ausnehmen. Warum solche politökonomischen Überlegungen valide sein sollen, während es diejenigen als Begründung der Schuldenbremse nicht sind, bleibt rätselhaft.

Die Schuldenbremse hat durchaus ihre Probleme, wie etwa die Messung des strukturellen Defizits in Echtzeit. Beiträge zur Verbesserung der Messung oder adäquaten Anwendung wären hilfreich, eine Abschaffung oder ein Ersatz durch Regeln mit ebenso oder noch größeren Unschärfen ist jedoch problematisch. Um die öffentlichen Investitionen zu erhöhen, muss die Schuldenbremse weder reformiert noch abgeschafft werden. Statt die Politik zur Abschaffung oder Reform der Schuldenbremse bewegen zu wollen, sollte die Politik für eine Priorisierung öffentlicher Investitionen gewonnen werden.

  • 1 IWF: Fiscal Rules Dataset 1985 – 2015, Internationaler Währungsfonds, Fiscal Affairs Department, Washington DC 2017.
  • 2 L. Eyraud, M. X. Debrun, A. Hodge, V. D. Lledo, M. C. A. Pattillo: Second-Generation Fiscal Rules: Balancing Simplicity, Flexibility, and Enforceability, Internationaler Währungsfonds, Staff Discussion Notes, Nr. 18/04, Washington DC 2018; ECB: Fiscal Rules in the Euro Area and Lessons from Other Monetary Unions, ECB Economic Bulletin 3/2019; OECD: Prudent Debt Targets and Fiscal Frameworks, OECD Economic Policy Paper, Nr. 15, Paris 2015.
  • 3 L. P. Feld, W. H. Reuter: Fiskalregeln? Eine Übersicht über neuere empirische Befunde, in: Wirtschaftspolitische Blätter, Nr. 2/2017, S. 179-191; L. P. Feld: The Quest for Fiscal Rules, in: R. E. Wagner, J. M. Buchanan (Hrsg.): A Theorist of Political Economy and Social Philosophy, Vol. III of Remaking Economics: Eminent Post-War Economists, London 2018, S. 965-990.
  • 4 L. P. Feld: The Quest for Fiscal Rules, a. a. O.; A. Alesina, A. Passalacqua: The Political Economy of Government Debt, in: J. B. Taylor, H. Uhlig (Hrsg): Handbook of Macroeconomics, Bd. 2, (2016), Kap. 33, Amsterdam, S. 2599-2651.
  • 5 J. Furman, L. H. Summers: Further Thinking on the Costs and Benefits of Deficits, Peterson Institute for International Economics, Washington DC 2019.
  • 6 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF): Besteht in Deutschland weiterer fiskalpolitischer Handlungsbedarf zur Stabilisierung der Konjunktur?, Brief des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, Monatsbericht des BMF, Februar 2009, S. 63-68; G. Corsetti, K. Kuester, A. Meier, G. J. Müller: Debt Consolidation and Fiscal Stabilization of Deep Recessions, in: American Economic Review, 100. Jg. (2010 ), H. 2, S. 41-45.
  • 7 F. G. Caselli, J. Reynaud: Do Fiscal Rules Cause Better Fiscal Balances? A New Instrumental Variable Strategy, Internationaler Währungsfonds, IMF Working Paper, Nr. 19/49, Washington DC 2019; H. T. Burret, L. P. Feld: (Un-)Intended Effects of Fiscal Rules, in: European Journal of Political Economy, 52. Jg. (2018), S. 166-191; dies.: Vertical Effects of Fiscal Rules: The Swiss Experience, in: International Tax and Public Finance, 25. Jg. (2018), H. 3, S. 673-721.
  • 8 A. Fatas, I. Mihov: The Case for Restricting Fiscal Policy Discretion, in: Quarterly Journal of Economics, 118. Jg. (2003), H. 4, S. 1419-1448; H. Badinger, W. H. Reuter: The Case for Fiscal Rules, in: Economic Modelling, 60. Jg. (2017), H. C, S. 334-343.
  • 9 M. Hüther: 10 Jahre Schuldenbremse – ein Konzept mit Zukunft?, Institut der deutschen Wirtschaft, IW-Policy Paper, Nr. 3/19, Köln 2019.
  • 10 O. J. Blanchard: Public Debt and Low Interest Rates, NBER Working Paper, Nr. 25621, Cambridge MA 2019.
  • 11 E. D. Domar: The ‚Burden of the Debt‘ and the National Income, in: American Economic Review, 34. Jg. (1944), H. 4, S. 798-827; O. J. Blanchard, J. Chouraqui, R. P. Hagemann, N. Sartor: The Sustainability of Fiscal Policy: New Answers to an Old Question, OECD Economic Studies, Nr. 15, 1990, S. 7-36.
  • 12 O. J. Blanchard: Public Debt and Low Interest Rates, a. a. O.
  • 13 C. Fuest, D. Gros: Government Debt in Times of Low Interest Rates: The Case of Europe, in: EconPol Policy Brief, 3. Jg. (2019), H. 16.
  • 14 L. P. Feld: The Quest for Fiscal Rules, a. a. O.
  • 15 O. J. Blanchard: Public Debt and Low Interest Rates, a. a. O.
  • 16 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik, Jahresgutachten 2017/18, Wiesbaden 2017.
  • 17 L. Eyraud, M. X. Debrun, A. Hodge, V. D. Lledo, M. C. A. Pattillo, a. a. O.
  • 18 D. I. Christofzik, L. P. Feld, W. H. Reuter, M. Yeter: Uniting European Fiscal Rules: How to Strengthen the Fiscal Framework, Arbeitspapier, Nr. 4/2018, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wiesbaden 2018.
  • 19 S. Elstner, H. Michaelis, C. M. Schmidt: Das leere Versprechen der aktiven Konjunktursteuerung, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 8, S. 534-540, (13.5.2019).
  • 20 D. I. Christofzik, L. P. Feld, W. H. Reuter, M. Yeter, a. a. O.; Z. Darvas, P. Martin, X. Ragot: European Fiscal Rules Require a Major Overhaul, Les notes du conseil d’analyse économique, Nr. 47, 2018; A. Benassy-Quéré et al.: Reconciling Risk Sharing with Market Discipline: A Constructive Approach to Euro Area Reform, CEPR Policy Insight, Nr. 91, London 2018.
  • 21 S. Hauptmeier, A. J. S. Fuentes, L. Schuknecht: Spending Dynamics in Euro Area Countries: Composition and Determinants, in: Review of Public Economics, 215. Jg. (2015), H. 4, S. 119-138; M. Dahan, M. Strawczynski: Fiscal Rules and the Composition of Government Expenditures in OECD Countries, CESifo Working Paper, Nr. 3088, 2010; E. Bacchiocchi, E. Borghi, A. Missale: Public Investment under Fiscal Constraints, in: Fiscal Studies, 32. Jg. (2011), H. 1, S. 11-42; E. Perée, T. Välilä: Fiscal Rules and Public Investment, Economic and Financial Report, Nr. 2005/02, European Investment Bank (EIB), Luxemburg 2005; A. Turrini: Public Investment and the EU Fiscal Framework, European Economy – Economic Papers, Nr. 202, Directorate General Economic and Financial Affairs (DG ECFIN), European Commission, Brüssel 2004.
  • 22 D. I. Christofzik, L. P. Feld, M. Yeter: Öffentliche Investitionen: Wie viel ist zu wenig?, Freiburger Diskussionspapiere zur Ökonomik, Nr. 19/2, 2019; M. Grömling, M. Hüther, M. Jung: Verzehrt Deutschland seinen staatlichen Kapitalstock?, in: Wirtschaftsdienst, 99. Jg. (2019), H. 1, S. 25-31, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2019/1/verzehrt-deutschland-seinen-staatlichen-kapitalstock/ (13.5.2019).
  • 23 M. Hüther, a. a. O.
  • 24 T. Krebs: Wie kann man aus der schwäbischen Hausfrau eine Unternehmerin machen?, Makronom, 25.3.2019.
  • 25 A. Baum, L. Eyraud, A. Hodge, M. Jarmuzek, Y. Kim, S. Mbaye, E. Ture: How to Calibrate Fiscal Rules: A Primer, Internationaler Währungsfonds, Fiscal Affairs Department How-To Notes, 2018.
  • 26 L. Jaramillo, C. Mulas-Granados, E. Kimani: The Blind Side of Public Debt Spikes, Internationaler Währungsfonds, IMF Working Paper, Nr. 16/202, Washington DC 2016.
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Title:Debt Brake – Investment Barrier or Role Model for Europe?

Abstract:Ten years ago, at the height of the financial crisis, the debt brake was introduced. Since then, public budgets have recovered significantly – though probably not due primarily to the debt brake. On the contrary, the long-lasting upswing and permanently low interest rates have led to a decline in the deficit and debt ratios. Today, the debt brake is once again being criticized: the deficit limit is reducing government debt to too low a level. A low debt ratio would not make sense if the long-term interest rate on government bonds was lower than the growth rate of nominal GDP. Moreover, a higher debt level would stabilise the supply of secure public debt instruments and thus the financial system. In addition, there are fears that limiting the deficit may create incentives for politicians to invest less in long-term projects. Last but not least, the debt brake curtails the possibility of reacting to an economic downturn. The criticism could be absorbed relatively easily if structural new debt were allowed at the level of investments (known as the ‘golden rule’).


DOI: 10.1007/s10273-019-2451-7

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