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Seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns erhalten Berichte zu dessen Umsetzung und Einhaltung eine hohe Aufmerksamkeit. Bisher erschienene Studien zeigten dabei kein eindeutiges Bild über den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen. Im vorliegenden Beitrag werden die Gründe für die teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnisse herausgearbeitet. Neue Daten der Verdiensterhebung und zusätzliche Auswertungen mit dem SOEP-Datensatz zeigen, dass die Umgehungen nach der ersten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang 2017 wieder zugenommen haben. Das Beispiel Großbritannien macht deutlich, dass es Möglichkeiten gibt, den Mindestlohn besser einzuhalten.

Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 wurde nach Jahren der Debatte über eine zunehmende Ungleichheit der Einkommen in Deutschland erstmals eine allgemeine Lohnuntergrenze für den Großteil der Beschäftigten eingeführt. Neben den Beschäftigungseffekten standen daher von Anfang an vor allem die Verteilungseffekte des Mindestlohns im Zentrum der Debatte.

Stand der Forschung zum Mindestlohn in Deutschland

Bereits für das Jahr 2015 konnte für die Stundenlöhne am unteren Ende der Lohnverteilung und vor allem im stark betroffenen Ostdeutschland eine merkliche Erhöhung festgestellt werden.1 Allerdings ist, seitdem Befragungsdaten über die Lohnentwicklungen vorliegen, auch deutlich geworden, dass der Mindestlohn noch nicht überall eingehalten wird. Auf Grundlage der Datensätze des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der Verdienst­erhebung (VE) des Statistischen Bundesamtes liegen bisher drei Berichte über den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen im Jahr 2016 sowie eine Veröffentlichung für 2017 vor. Für 2016 bilden die ca. 750 000 errechneten Verstöße in einer Studie des Statistischen Bundesamts2 auf Grundlage der VE das untere Ende der Schätzungen. Das obere Ende der Mindestlohn-Umgehungen liegt bei ca. 2,6 Mio. berechneten Verstößen im oberen Szenario der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von Burauel et al.3 Das DIW verwendete für seine Untersuchung den SOEP-Datensatz.

Die sehr unterschiedlichen Ergebnisse über den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen in Deutschland (vgl. Tabelle 1) lassen sich auf Unterschiede in der Datenerhebung sowie der Auswahlschritte und Annahmen bei der Berechnung von Stundenlöhnen zurückführen. Die auf Grundlage des SOEP-Datensatzes berechneten Werte liegen durchweg höher als der Wert in der VE-Studie des Statistischen Bundesamts. Die innerhalb der SOEP-basierten Studien auftretenden Abweichungen können auf die Verwendung unterschiedlicher Arbeitszeitkonzepte zurückgeführt werden. Im oberen Szenario der DIW-Studie (2,6 Mio. Umgehungen) werden die Umgehungen bei Verwendung der regelmäßig pro Woche geleisteten Arbeitszeit tendenziell überschätzt, da die tatsächlich im Vormonat gearbeiteten Stunden im Einzelfall geringer sein können als sonst üblich. Hingegen werden die Mindestlohn-Umgehungen bei einer Stundenlohnberechnung ohne Überstunden (unteres Szenario der DIW-Studie, 1,8 Mio. Umgehungen) tendenziell unterschätzt. In der ebenfalls auf Daten des SOEP beruhenden Studie von Pusch wurden neben der vertraglichen Arbeitszeit auch die bezahlten Überstunden berücksichtigt. Hierdurch ergibt sich ein Umfang von 2,2 Mio. Umgehungen. Diese Zahl liegt damit in der Mitte der vom DIW berechneten Szenarien.4

Tabelle 1
Studien über den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen in Deutschland
Studie Jahr Datensatz Zahl der Mindestlohn-Umgehungen
Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2017: Ergebnisbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, erschienen am 4.6.2018. 2017 Verdienst­erhebung 832 000 Beschäftigte
Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2016, Erhebung über die Wirkung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Verdienste und Arbeitszeiten der abhängig Beschäftigten, Ergebnisbericht zum 28.4.2017 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, erschienen am 14.6.2017. 2016 Verdienst­erhebung 750 000 Beschäftigte
P. Burauel, M. Caliendo, A. Fedorets, M. M. Grabka, C. Schröder, J. Schupp, L. Wittbrodt: Mindestlohn noch längst nicht für alle – Zur Entlohnung anspruchsberechtigter Erwerbstätiger vor und nach der Mindestlohnreform aus der Perspektive Beschäftigter, in: DIW Wochenbericht, Nr. 49/2017. 2016 Sozio-oekonomisches Panel 1,8 Mio. Beschäftigte (unteres Szenario) 2,6 Mio. Beschäftigte (oberes Szenario)
T. Pusch: Bilanz des Mindestlohns: deutliche Lohnerhöhungen, aber auch viele Umgehungen, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 4, S. 252-259. 2016 Sozio-oekonomisches Panel 2,2 Mio. Beschäftigte

Quelle: eigene Darstellung.

Die großen Unterschiede bei den errechneten Mindestlohn-Umgehungen in den SOEP- und VE-basierten Studien bleiben erklärungsbedürftig. Ein wesentlicher Grund für die abweichenden Befunde liegt darin, dass beide Datensätze nicht konzipiert wurden, um Mindestlohn-Verstöße festzustellen. Daher können sie den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen auch nicht genau abbilden. Beide Datensätze haben Vor- und Nachteile, die jeweils zu einer höheren Genauigkeit der Stundenlohnberechnungen beitragen können oder dieser entgegenwirken. Im Folgenden werden die wichtigsten Vor- und Nachteile von SOEP und VE dargestellt. Diese setzen an der Genauigkeit der erhobenen Daten (vor allem: der Monatsentgelte) und der Repräsentativität der Erhebungen an.

Verdiensterhebung bei der Stundenlohnberechnung genauer

Ein Vorteil der VE ist, dass die Daten in vielen Fällen direkt aus der Lohnbuchhaltung der befragten Betriebe übertragen werden.5 Aufgrund dessen sind in der VE sehr genaue Berechnungen der Stundenlöhne für den gesetzlichen Mindestlohn möglich.6 Die Stundenlohnberechnung mit den VE-Daten ist daher vermutlich genauer als im SOEP. So werden im SOEP bei der Frage nach dem Bruttomonatslohn Sonderzahlungen nicht berücksichtigt. Sonderzahlungen können jedoch grundsätzlich zur Erfüllung des Mindestlohn-Anspruchs herangezogen werden, sofern sie einen direkten Bezug zur Arbeitsleistung haben. Allerdings ist die daraus resultierende Überschätzung der Umgehungen vermutlich gering, weil Sonderzahlungen im Niedriglohnbereich weniger verbreitet sind. Nach dem SOEP gaben nur ca. 2,2 % der Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn bis zum Mindestlohn an, dass sie im Vormonat der Befragung eine Sonderzahlung oder Zuschläge zum Lohn erhielten.7 Auch die Höhe von Überstundenzuschlägen, Schichtzulagen und sonstigen Zulagen ist in den SOEP-Daten anders als in der VE nicht enthalten. In einigen Fällen (z. B. bei regelmäßiger Nachtarbeit) können diese Zuschläge nicht zur Erfüllung des Mindestlohn-Anspruchs herangezogen und müssten daher aus dem Stundenlohn herausgerechnet werden. Da dies mit den SOEP-Daten nicht möglich ist, werden die berechneten Stundenlöhne in diesen Fällen zu hoch ausgewiesen.

Bedeutsamer ist die Verbreitung von Rundungsfehlern und sonstigen Messfehlern in Befragungsdaten. So geben ca. 68 % der befragten Arbeitnehmer im SOEP den Monatslohn nur auf 100 Euro genau an; bei Stundenlöhnen bis zum Mindestlohn sind es immerhin noch 40 % der befragten Arbeitnehmer.8 In einer jüngst veröffentlichten Untersuchung von Antoni et al. konnte für Vollzeitbeschäftigte gezeigt werden, dass Befragungsdaten zum Monatslohn von den nahezu exakten Meldungen in den administrativen Daten im Schnitt um 6 % nach unten abweichen.9 Größere Abweichungen der Angaben zum Monatslohn finden sich demnach vor allem in den oberen Bereichen der Lohnverteilung. Für den Mindestlohn-Bereich infrage kommende Monatseinkommen bis 2000 Euro sind in deutlich geringerem Umfang betroffen. Zudem ist die Datenqualität bei den häufiger von Mindestlohn-Umgehungen betroffenen Minijobbern im SOEP vermutlich höher als bei den Vollzeitbeschäftigten. So machten knapp 44 % der Minijobber eine Angabe zum Monatsverdienst in Höhe von 450 Euro, was genau dem Höchstverdienst von Minijobbern entspricht.10 Da der Umfang der Rundungen und sonstiger Messfehler im SOEP-Datensatz jedoch letztlich nicht quantifiziert werden kann, erscheint es ratsam bei den berichteten Zahlen der Mindestlohn-Umgehungen auch mögliche Fehlermargen (z. B. 5 % oder 10 % vom Mindestlohn) mit einzukalkulieren.

Verdiensterhebung weniger repräsentativ als SOEP

Während die Stundenlohnberechnung der VE im Vergleich zu SOEP genauer ist, liegt ein Nachteil in der relativ geringen Teilnahmebereitschaft der befragten Betriebe. Die Rücklaufquote der VE betrug im Jahr 2015 nur 12 %; in der Nachfolgebefragung 2016 fiel sie mit 6 % noch niedriger aus.11 2017 stieg die Rücklaufquote wieder auf knapp 15 % an. Hierzu wurden vermehrt Betriebe befragt, die schon an der VE 2015 oder 2016 teilgenommen hatten.12 Zum Vergleich: In der nicht amtlichen SOEP-Befragung werden in der Regel Rückläufe von über 80 % erzielt.13 Ein Blick in die Auswertungen zum Teilnahmeverhalten der Betriebe bei der VE 2015 zeigt, dass tarifgebundene Betriebe eine höhere Teilnahmewahrscheinlichkeit an der Erhebung hatten als nicht tarifgebundene Betriebe. Zudem hatten die vom Mindestlohn betroffenen Betriebe eine unterdurchschnittliche Teilnahmeneigung.14 Besonders aus dem letztgenannten Punkt können sich Verzerrungen ergeben: Es ist aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme an der VE durchaus möglich, dass Betriebe, die sich nicht an den gesetzlichen Mindestlohn halten, seltener an der Befragung teilgenommen haben, weil sie keine Informationen über Mindestlohn-Umgehungen offenbaren wollten. Auch die SOEP-Befragung ist grundsätzlich freiwillig. Allerdings haben die befragten Arbeitnehmer bei Angaben zu einer Entlohnung unterhalb des Mindestlohns im Gegensatz zu den Betrieben keine Sanktionierung zu befürchten.

Vermutlich liegt die starke Abweichung der mit den VE-Daten berechneten Mindestlohn-Umgehungen neben Messfehlern im SOEP daher auch an der Teilnahme-Freiwilligkeit bei der VE-Befragung. Haben Arbeitgeber die Wahl an der Befragung teilzunehmen, werden sie dies im Falle von Mindestlohn-Umgehungen vermutlich weniger häufig tun. Hinzu kommen einige weitere Unterschiede bei der Erhebung von VE und SOEP. So wurden für die VE 2016 die Daten von knapp 800 000 Minijobbern lediglich imputiert.15 Da Mindestlohn-Umgehungen im Minijob-Bereich verbreitet sind,16 kann dies zu einer Verringerung der mit den VE-Zahlen berechneten Mindestlohn-Umgehungen führen.17 Auch im SOEP gibt es ein Problem, da im Jahr 2017 ca. 30 % der Minijobber im Hauptverdienst keine Angabe zur vertraglichen Arbeitszeit machten (häufig aufgrund unregelmäßiger Arbeitszeiten). Insoweit für die Stundenlohnberechnungen in SOEP die vertraglichen Arbeitszeiten verwendet werden, sind die Minijobber dort also untererfasst. Daneben können Auswertungen für die Nebenjobs mit dem SOEP-Datensatz erst ab 2017 vorgenommen werden, während die VE in allen Jahren Daten zu Nebenbeschäftigungen enthält.

Entwicklung der Mindestlohn-Umgehungen 2017

Die mithilfe der Verdiensterhebung berechnete Zahl der Mindestlohn-Umgehungen für das Jahr 2017 liegt bei ca. 830 000 Arbeitnehmern und umfasst noch einige Ausnahmen vom Mindestlohn.18 Für 2016 wurden noch 750 000 Umgehungen ausgewiesen. Demnach signalisieren die Berechnungen auf Grundlage der VE, dass die Zahl der Mindestlohn-Umgehungen nach der ersten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um etwa 11 % gestiegen ist. Da sowohl die VE- als auch die SOEP-basierten Auswertungen der Stundenlöhne jedoch letztlich keine exakte Aussage über den Umfang der Mindestlohn-Umgehungen erlauben, ist vor allem interessant, ob die Befunde von VE und SOEP in die gleiche Richtung gehen.

Im Lichte von möglichen Messfehlern bei den Monatslöhnen19 werden mit dem SOEP-Datensatz mehrere Szenarien von Unterschreitungen des gesetzlichen Mindestlohns dokumentiert. Dabei werden Mindestlohn-Umgehungen bei Stundenlöhnen gezählt, die unterhalb der Mindestlohn-Schwelle liegen, oder diese um mindestens 5 % bzw. 10 % unterschreiten, was zu weniger gezählten Mindestlohn-Umgehungen führt. Stundenlöhne wurden auf Basis der vertraglichen Arbeitszeit (wie im unteren Szenario der DIW-Studie) berechnet.20 Beschäftigungsverhältnisse im Nebenverdienst wurden wegen der besseren Vergleichbarkeit zu den Zahlen der Vorjahre nicht betrachtet. Auch Überstunden wurden nicht berücksichtigt, was zu einer eher konservativen Schätzung des Umfangs der Mindestlohn-Umgehungen führt.

Ergebnisse der Auswertungen mit dem aktuellen SOEP-Datensatz sind in Tabelle 2 dargestellt. Die berechneten Zahlen liegen bis 2016 in etwa bei den berichteten Werten der DIW-Studie, in der auch die hier verwendeten Bandbreiten für mögliche Messfehler berichtet wurden.21 Im Szenario bei einer Unterschreitung des Mindestlohns um mindestens 5 % ergibt sich demnach im Jahr 2017 keine Steigerung. Ein Anstieg der Mindestlohn-Umgehungen wird hingegen sichtbar, wenn Stundenlöhne genau unterhalb der Mindestlohn-Schwelle und Stundenlöhne unterhalb von 90 % des Mindestlohns gezählt werden. Im niedrigsten Szenario erhielten 2017 ca. 1,25 Mio. Beschäftigte nicht den gesetzlichen Mindestlohn, was einer Steigerung von 13 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Im oberen Szenario haben demnach ca. 2,16 Mio. Beschäftigte nicht den gesetzlichen Mindestlohn erhalten.22

Tabelle 2
Verbreitung von Stundenlöhnen unter der Mindestlohn-Schwelle
Zahl der Arbeitnehmer in Mio.
  2014 2015 2016 2017
Mindestlohn-Schwelle exakt 2,977 2,313 1,968 2,160
Konfidenzintervalle [2,73 ; 3,28] [2,06 ; 2,54] [1,75 ; 2,25] [1,93 ; 2,40]
Mindestlohn-Schwelle um 5 % unterschritten 2,567 1,953 1,580 1,540
Konfidenzintervalle [2,34 ; 2,81] [1,73 ; 2,15] [1,38 ; 1,80] [1,33 ; 1,72]
Mindestlohn-Schwelle um 10 % unterschritten 2,104 1,520 1,105 1,253
Konfidenzintervalle [1,86 ; 2,35] [1,31 ; 1,72] [0,93 ; 1,29] [1,07 ; 1,44]

Quelle: SOEP v34; eigene Berechnungen für Arbeitnehmer im Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohns (2014 abgegrenzt wie 2015).

Zusätzlich wurde in der SOEP-Befragung 2017 auch direkt nach dem Stundenlohn gefragt, was einen Vergleich mit den Angaben aus Monatslöhnen und Arbeitsstunden erlaubt. Nach diesen Angaben erhielten im Jahr 2017 ca. 1,06 Mio. Arbeitnehmer im Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohns weniger als den Mindestlohn.23 Auch wenn zusätzlich Konfidenzintervalle betrachtet wurden, um die Ungenauigkeiten aus der Stichprobenziehung abzubilden, erhielten im niedrigsten Szenario in Tabelle 2 mindestens 1,1 Mio. Beschäftigte weniger als den Mindestlohn. Überwiegend deuten die Befunde im SOEP-Datensatz somit darauf hin, dass der Umfang der Umgehungen im Jahr 2017 weiter bedeutsam war.

Über die Gründe des sowohl mit den Daten der VE als auch mit dem SOEP feststellbaren Anstiegs der Mindestlohn-Umgehungen im Jahr 2017 können hier nur Vermutungen geäußert werden. Anfang 2017 wurde der Mindestlohn um 4 % erhöht. Es ist möglich, dass einzelne Arbeitgeber auf die Anpassung erst verzögert reagiert haben. Ein solches Muster ist beim Vergleich der Zahlen der Jahre 2015 und 2016 in Tabelle 2 erkennbar. Die Umgehungen fallen im Jahr 2016, einem Jahr ohne Mindestlohn-Erhöhung, durchweg niedriger aus als noch 2015. Zudem gab es auch kleinere Änderungen bei den Ausnahmebranchen und Branchen mit Branchen-Mindestlöhnen. Diese können aber die Zunahme der Mindestlohn-Umgehungen kaum erklären, da die Zahl der Arbeitnehmer in diesen Branchen 2017 kaum von der Vorjahreszahl abwich.

Erfahrungen bei der Mindestlohn-Umsetzung in Großbritannien

Deutschland steht mit dem Problem der Mindestlohn-Umgehungen in Europa nicht allein, auch in anderen Ländern sind diese seit Jahren ein Thema.24 Interessant ist beispielsweise ein Blick nach Großbritannien, zum einen weil Großbritannien mit gut einem Fünftel der Beschäftigten einen mit Deutschland vergleichbar großen Niedriglohnsektor aufweist.25 Der Mindestlohn, in Großbritannien „National Living Wage“ (NLW) genannt, hat dort also eine ähnliche Reichweite. Zum anderen deuten Forschungsergebnisse der britischen Low Pay Commission (LPC) darauf hin, dass Mindestlohn-Umgehungen in Großbritannien gemessen an der Quote der betroffenen Arbeitnehmer deutlich weniger verbreitet sind als in Deutschland. Ein Blick auf die unterschiedliche Herangehensweise von Regierung und Kontrollbehörden in Großbritannien erscheint daher besonders interessant.

Im Jahr 2016 hat die britische Regierung eine schnelle Anpassung des Mindestlohns eingeleitet, mit dem Ziel einer Erhöhung auf 60 % des Median-Stundenlohns bis zum Jahr 2020. Zum Vergleich: In Deutschland lag der entsprechende Wert (Kaitz-Index) im Jahr 2017 bei nur 47,8 % des Median-Stundenlohns.26 Nach den neuesten Prognosen über die Stundenlohnentwicklung liegt das Ziel für den britischen Mindestlohn ab dem 1. April 2020 bei einem Stundenlohn von 8,67 Pfund (entspricht 9,67 Euro, Stand: 8.7.2019).27 Ab dem Jahr 2016 entspricht dies einer Steigerung um 20,4 % oder einer jährlichen Wachstumsrate von 4,8 %. Bei einer derart schnellen Anhebung des Mindestlohns kommt dessen Kontrolle sowie weiteren unterstützenden Maßnahmen ein umso größeres Gewicht zu, zumal der britische Mindestlohn schrittweise mehr Beschäftigte erfasste. So hat die Zahl der Beschäftigten mit Stundenlöhnen bis etwas oberhalb des Mindestlohns (+5 Pence) seit 2015 von etwa 1 Mio. auf ca. 1,6 Mio. deutlich zugenommen.28 Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren zwei Compliance Reports der Low Pay Commission über den Stand der Umsetzung und Einhaltung des Mindestlohns veröffentlicht.29

In den Compliance Reports findet sich neben Zahlen zum vermutlichen Ausmaß der Mindestlohn-Umgehungen auch eine Reihe von weiteren Informationen über Initiativen und Maßnahmen, um die Einhaltung des Mindestlohns zu verbessern. Wichtige Datenquellen sind dabei die Arbeitgeberbefragung Annual Survey of Hours and Earnings (ASHE) und die vierteljährliche Haushaltsbefragung Labour Force Survey (LFS). Die ASHE weist Ähnlichkeiten mit der VE in Deutschland auf. Die Low Pay Commission schätzt das Ausmaß der Umgehungen mit dieser Datenquelle auf 439 000 im Jahr 2018, wobei auch hier wie bei der VE einige Unsicherheiten verbleiben (z. B. legale Abzüge vom Lohn wie Kosten der Unterkunft, zu geringe Zahlen für Auszubildende etc.).30 In den letzten beiden Jahren waren nach den Zahlen der ASHE bei den Mindestlohn-Umgehungen jeweils Steigerungen um etwa 10 % zu verzeichnen. Wie auch bei der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten VE-Befragung besteht bei der ASHE eine Einschränkung: Arbeitgeber, die den Mindestlohn wissentlich umgehen, haben vermutlich nur eine geringe Neigung, das in einer Befragung auch zuzugeben.31

Der LFS weist als zweite verwendete Datenquelle im Bericht der Low Pay Commission eine Ähnlichkeit zur Perspektive des SOEP auf. Die Zahl der geschätzten Umgehungen ist mit knapp 1 Mio. Beschäftigten kurz nach Erhöhung des Mindestlohns im April 2018 deutlich höher als nach den Zahlen der ASHE. Seitdem ist die Zahl der gemessenen Umgehungen wieder um knapp die Hälfte gesunken.32 Gleichwohl deuten insbesondere die LFS-Daten im Jahr 2018 auf ein größeres Problem mit Mindestlohn-Umgehungen hin als noch in den Vorjahren. Sowohl ASHE als auch die LFS stimmen in diesem Befund überein. Jedoch muss dies im Kontext der gestiegenen Reichweite des britischen Mindestlohns in den letzten Jahren gesehen werden; sie erhöhte sich um 60 % von ca. 1 Mio. auf 1,6 Mio Beschäftigte. Ähnliche Effekte wären zu erwarten, wenn auch der deutsche Mindestlohn in Zukunft mit schnellerer Rate steigen würde, wie in letzter Zeit verstärkt diskutiert wird.33

Angesichts der gestiegenen Reichweite des Mindestlohns wird verständlich, dass die britische Regierung in den vergangenen Jahren neben einer Verstärkung der Kontrolltätigkeit eine Reihe von Initiativen gestartet hat, um Beschäftigte und Unternehmen zu unterstützen, die durch die Anhebungen erstmals mit dem Mindestlohn konfrontiert waren. Vermutlich war sie mit diesen Aktivitäten sogar vergleichsweise erfolgreich. Gemessen an den Anteilswerten der Beschäftigten in den Arbeitgeberbefragungen ASHE und VE sind Mindestlohn-Umgehungen in Großbritannien weit weniger verbreitet als in Deutschland (1,2 % der Beschäftigten in der ASHE versus 2,2 % der Beschäftigungsverhältnisse in der VE)34, wobei Details in der Datenerhebung voneinander abweichen können.

Wie Mindestlohn-Umgehungen von britischen Behörden begrenzt werden

Kontrolle und Einhaltung des Mindestlohns sind in Großbritannien auf das Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS) und die HM Revenue and Customs (HMRC) aufgeteilt. Mit zuletzt ca. 435 Beschäftigten35 verfügen die Kontrollbehörden in Großbritannien über viel weniger Kontrolleure als hierzulande. Zum Vergleich: Die für die Kontrolle des Mindestlohns zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls hatte Anfang dieses Jahres 7913 Planstellen, von denen 6609 besetzt waren.36 Allerdings sind die Zahlen nicht vergleichbar. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat als primäre Aufgabe die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung.

Bei Verstößen gegen den Mindestlohn können die Strafen in Großbritannien mit 200 % der festgestellten vorenthaltenen Lohnsumme sehr empfindlich ausfallen. Darüber hinaus werden die Namen betroffener Arbeitgeber in schweren Fällen per „Naming and Shaming“ auf der Webseite des Department for Business, Energy and Industrial Strategy publik gemacht.37 In den Jahren 2017/2018 gab es insgesamt vier Termine, an denen die Namen von insgesamt 911 Firmen veröffentlicht wurden, die für eine Strafsumme von über 6,2 Mio. Pfund und 61 000 betroffene Arbeitnehmer standen.38 Bei den Kontrollen gehen die Behörden einerseits Hinweisen nach; andererseits verwendet die Kontrollbehörde HMRC vergleichbar mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch ein Modell zur Identifizierung von Betrieben mit hohem Risiko von Mindestlohn-Umgehungen.39

Neben den Kontrollen nutzen die britischen Kontrollbehörden eine Reihe weiterer Instrumente, um die Einhaltung des Mindestlohns sicherzustellen bzw. zu erhöhen. Hierzu zählt eine proaktive Kommunikation mit den Arbeitgebern, die sie auf ihre Verantwortung aufmerksam macht und darauf abzielt, den Mindestlohn korrekt zu bezahlen. Beispiele umfassen E-Mail- und SMS-Kampagnen und Webinare für Arbeitgeber (11 700 Teilnehmer bis 2018)40 zur Unterstützung der korrekten Umsetzung des Mindestlohns. Darüber hinaus wurden kleine Unternehmen ermutigt, sich dafür direkt an Kontrollbehörde HMRC zu wenden. Für eine begrenzte Zeit hatten sie dabei keine Strafen oder „Naming and Shaming“ zu befürchten, wenn im Rahmen der Beratung Verstöße gegen den Mindestlohn festgestellt wurden.41

Aktivitäten der britischen Kontrollbehörden richten sich neben den Angeboten für Arbeitgeber auch an die breitere Öffentlichkeit und Arbeitnehmer. Vergleichbar mit der Mindestlohn-Hotline des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gibt es auch in Großbritannien eine Hotline mit der Bezeichnung „Advisory, Conciliation and Arbitration Service“ (ACAS), bei der neben Beratung auch die Möglichkeit zur Beschwerde besteht. Beschwerden sind darüber hinaus auch über ein Online-Formular möglich. Die Einführung der Online-Beschwerdemöglichkeit hat binnen eines Jahres zu einem Anstieg der Kontaktaufnahmen mit der HMRC um 71 % auf 9150 geführt.42 An etwa 1,6 Mio. besonders von Mindestlohn-Umgehungen gefährdete Arbeitnehmer wurden zudem SMS-Nachrichten verschickt, zusätzlich zu 1,3 Mio. SMS an Working-Tax-Credit-Empfänger (Einkommenszuschuss für Geringverdiener, der von HMRC verwaltet wird). Auch eine Kampagnen-Webseite wurde bereits vielfach aufgerufen.43

Mindestlohn-Umgehungen: Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Zahl der Mindestlohn-Umgehungen stieg nach der ersten Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2017 vermutlich um etwa 10 % bis 15 %. Angesichts dieser Entwicklung wird deutlich, dass Kontrollbehörden und Politik in Deutschland weiter mit einem erheblichen Problem konfrontiert sind. Vor dem Hintergrund einer vergleichbar hohen Reichweite des Mindestlohns in einem Land mit einer längeren Geschichte des Mindestlohns wurde in diesem Beitrag ein Blick auf die britische Herangehensweise an die Problematik geworfen. Ein guter Ausgangspunkt dafür, die tatsächliche Wirksamkeit des Mindestlohns neu zu bewerten, könnte mit einem Monitoring des Problems beginnen, z. B. über einen regelmäßig erscheinenden Compliance Report der Mindestlohnkommission wie in Großbritannien. Zusätzlich können auch die deutschen Kontrollbehörden bzw. die zuständigen Ministerien der Kommunikation von Mindestlohn-Erhöhungen eine größere Rolle einräumen. Interessant an dem britischen Ansatz ist, dass er über einen Fokus auf Kontrollen weit hinausgeht und vielfältige Informationsangebote für Unternehmen und Beschäftigte umfasst.

Für Deutschland wäre in diesem Zusammenhang auch eine Präzisierung der Rechtslage im Mindestlohngesetz (MiLoG) sicher hilfreich. So mussten nach der Verabschiedung des MiLoG viele Sachfragen von den Arbeitsgerichten geklärt werden und sind teilweise womöglich immer noch offen.44 Ein Überblick über die relevanten Gerichtsurteile ist nicht leicht zu erlangen, zumal diese einen starken Einzelfallbezug haben können. Hierdurch wird die Kommunikation von Kontrollbehörden und Ministerien nicht erleichtert. Angesichts begrenzter Zeitressourcen der einzelnen Arbeitnehmer ist es darüber hinaus auch fraglich, ob umfangreichere Informationsangebote über eine im Detail sehr komplizierte Rechtslage (Richterrecht) aus­reichend angenommen werden würden. Eine Präzisierung der Rechtslage könnte hier einen Vorteil bringen.

Nicht zuletzt sind die Besonderheiten des deutschen Mitbestimmungs-Systems mit in den Blick zu nehmen. Wie in früheren Untersuchungen gezeigt wurde, sind Mindestlohn-Umgehungen in mitbestimmten Betrieben weitaus seltener als in Betrieben ohne Betriebsrat.45 Eine Stärkung der Mitbestimmung könnte eine bessere Wirksamkeit des Mindestlohngesetzes unterstützen. Wird die Bildung von Betriebsräten behindert, ist das auch vor diesem Hintergrund problematisch. Eine zu prüfende Gegenmaßnahme wäre hier die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die Fällen der Behinderung von Betriebsratsarbeit bzw. -gründung nachgehen. Zudem könnte eine nationale Umsetzung des EuGH-Urteils zur Arbeitszeiterfassung es für alle Beteiligten erleichtern, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren.

  • 1 A. Amlinger, R. Bispinck, A. Herzog-Stein, G. A. Horn, T. Pusch, T. Schulten: Stellungnahme zu den bisherigen Auswirkungen des Mindestlohns und seiner zukünftigen Anpassung, Schriftliche Anhörung der Mindestlohnkommission, WSI Policy Brief, Nr. 6/2016.
  • 2 Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2016, Erhebung über die Wirkung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Verdienste und Arbeitszeiten der abhängig Beschäftigten, Ergebnisbericht zum 28.4.2017 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, erschienen am 14.6.2017. In den Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen sich einige Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn nicht identifizieren (z. B. Arbeitnehmer in Branchen mit einem allgemeingültigen Tarifvertrag).
  • 3 P. Burauel, M. Caliendo, A. Fedorets, M. M. Grabka, C. Schröder, J. Schupp, L. Wittbrodt: Mindestlohn noch längst nicht für alle – Zur Entlohnung anspruchsberechtigter Erwerbstätiger vor und nach der Mindestlohnreform aus der Perspektive Beschäftigter, in: DIW Wochenbericht, Nr. 49/2017.
  • 4 T. Pusch: Bilanz des Mindestlohns: deutliche Lohnerhöhungen, aber auch viele Umgehungen, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 4, S. 252-259, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2018/4/bilanz-des-gesetzlichen-mindestlohns-deutliche-lohnerhoehungen-aber-auch-viele-umgehungen/ (26.6.2019).
  • 5 Mindestlohnkommission: Zweiter Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns. Bericht der Mindestlohnkommission an die Bundesregierung nach § 9 Abs. 4 Mindestlohngesetz, 2018, S. 33.
  • 6 Dies gilt zumindest, sofern die Anrechenbarkeit der Zuschläge rechtlich abschließend geklärt ist, was aber schwierig zu beurteilen ist, vgl. Mindestlohnkommission, a. a. O., S. 65.
  • 7 Verwendetes Stundenlohnkonzept: Stundenlohn mit vereinbarter Arbeitszeit. Ausgewertet wurden Stundenlöhne bis 8,84 Euro im Jahr 2017.
  • 8 Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Mindestlohns, eigene Berechnungen mit SOEP und Welle 2017.
  • 9 Verwendet wurde der Datensatz des Nationalen Bildungspanels (NEPS). M. Antoni, D. Bela, B. Vicari: Validating Earnings in the German National Educational Panel Study, Determinants of Measurement Accuracy of Survey Questions on Earnings, Methods, data, analyses, 13. Jg. (2019), H. 1, S. 73 ff.
  • 10 Minijobber im Hauptverdienst im Geltungsbereich des Mindestlohns, eigene Berechnungen mit SOEP und Welle 2017.
  • 11 Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2016, a. a. O., S. 6.
  • 12 Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2017: Ergebnisbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, erschienen am 4.6.2018.
  • 13 TNS Infratest Sozialforschung: SOEP 2007 – Methodenbericht CAPI Innovationsbefragung zum Befragungsjahr 2007 (Welle 24) des Sozio-oekonomischen Panels – „Persönlichkeit und Gesundheit“ SOEP Survey Papers Series B – Survey Reports (Methodenberichte), Nr. 63, 2007.
  • 14 Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2015, Abschlussbericht einer Erhebung über die Wirkung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Verdienste und Arbeitszeiten der abhängig Beschäftigten, 2017.
  • 15 Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2016, a. a. O., S. 7.
  • 16 Vgl. T. Pusch, H. Seifert: Unzureichende Umsetzung des Mindestlohns bei Minijobbern, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 3, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/3/unzureichende-umsetzung-des-mindestlohns-bei-minijobbern/ (26.6.2019); RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Nachfolgestudie zur Analyse der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs) sowie den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns, Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 2016.
  • 17 Eine Auflistung weiterer Unterschiede der VE zu den anderen Studien siehe Mindestlohnkommission, a. a. O., S. 59 ff.
  • 18 Die mit der VE berechneten Zahlen würden dabei noch deutlich geringer ausfallen, wenn Zulagen für Schicht-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei der Berechnung des Mindestlohns berücksichtigt werden würden. Vgl. Mindestlohnkommission, a. a. O., S. 65.
  • 19 Vgl. M. Antoni, D. Bela, B. Vicari, a. a. O.
  • 20 Schüler unter 18 Jahren, Praktikanten, Ehrenämter, Langzeitarbeitslose, Branchenausnahmen mit vorübergehender Ausnahme vom Mindestlohn (im Jahr 2017: Landwirtschaft, Wäschereien Ost, Zeitungsausträger), Branchenausnahmen mit eigenem Branchenmindestlohn (über dem gesetzlichen Mindestlohn) wurden nicht betrachtet. Arbeitnehmer mit fehlenden Angaben zu relevanten Auswahlschritten und Arbeitnehmer mit Arbeitsbeginn im Vormonat wurden nicht betrachtet und die Gewichtung entsprechend reskaliert, vgl. P. Burauel, M. Caliendo, A. Fedorets, M. M. Grabka, C. Schröder, J. Schupp, L. Wittbrodt, a. a. O., S. 1111.
  • 21 P. Burauel, M. Caliendo, A. Fedorets, M. M. Grabka, C. Schröder, J. Schupp, L. Wittbrodt, a. a. O., S. 1113 und S. 1119. Abweichungen ergeben sich vermutlich durch die Gewichte-Reskalierung bei fehlenden Werten und leicht abweichende Zuschnitte bei den Branchenausnahmen, die hier monatsgenau abgegrenzt wurden. Branchenmindestlöhne, die vorübergehend genau beim gesetzlichen Mindestlohn lagen, wurden zudem nicht als Ausnahme vom Mindestlohn gezählt.
  • 22 Diese Zahl enthält keine Beschäftigten in Branchen mit allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhnen. Werden diese noch hinzugezählt, ergibt sich eine Zahl von 2,46 Mio. Beschäftigten mit Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2017.
  • 23 Diese Zahl liegt nahe am unteren Szenario von Tabelle 2, wobei hier kein Vergleich mit der Zahl der Umgehungen im Jahr 2016 vorgenommen werden kann.
  • 24 T. Schulten, N. Böhlke, P. Burgess, C. Vincent, I. Wagner: Umsetzung und Kontrolle von Mindestlöhnen: Europäische Erfahrungen und was Deutschland von ihnen lernen kann, Studie im Auftrag der G.I.B. – Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, 2014.
  • 25 Eurostat: Verdienststrukturerhebung: Jeder sechste Arbeitnehmer in der Europäischen Union ist Niedriglohnempfänger, Große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, Pressemitteilung Nr. 246/2016, 8.12.2016.
  • 26 T. Schulten, M. Lübker: WSI Mindestlohnbericht 2019: Zeit für kräftige Lohnzuwächse und eine europäische Mindestlohnpolitik, WSI Report, Nr. 46, 2019, S. 7.
  • 27 Bei Beschluss des britischen Mindestlohns waren für das Jahr 2020 zunächst 9 Pfund anvisiert worden. Low Pay Commission: Consultation on April 2020 National Minimum Wage rates, 2019.
  • 28 Beschäftigte ab 25 Jahren (für jüngere Beschäftigte gelten geringere Mindestlöhne), vgl. Low Pay Commission: Non-compliance and enforcement of the national minimum wage, 2019, S. 5 f.
  • 29 Low Pay Commission: Non-compliance and enforcement of the national minimum wage, September 2017; Low Pay Commission, a. a. O., 2019.
  • 30 Low Pay Commission, a. a. O., 2019, S. 8 ff.
  • 31 Ebenda, S. 8.
  • 32 Ebenda, S. 11-12.
  • 33 T. Schulten, T. Pusch: Auswirkungen und Perspektiven eines Mindestlohns von 12 Euro, in: Wirtschaftsdienst, 99. Jg. (2019), H. 5, S. 335-339, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2019/5/mindestlohn-von-12-euro-auswirkungen-und-perspektiven/ (26.6.2019).
  • 34 Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS): NLW and NMW: government evidence on compliance and enforcement 2017/2018, 2018, S. 9; die deutsche Zahl wurde berechnet aus der hochgerechneten Grundgesamtheit der Beschäftigungsverhältnisse im Geltungsbereich des Mindestlohns in der VE 2017 und den festgestellten Umgehungen, vgl. Statistisches Bundesamt: Verdiensterhebung 2017, a. a. O., S. 17.
  • 35 Low Pay Commission, a. a. O., 2019, S. 23.
  • 36 Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Corinna Rüffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 19/7744, 2019, S. 17.
  • 37 Eine Liste von beispielhaften Fällen findet sich am Ende des online verfügbaren Berichts des Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS), a. a. O.
  • 38 Low Pay Commission, a. a. O., 2019, S. 32 f.
  • 39 Ebenda, S. 25.
  • 40 Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS), a. a. O., S. 18.
  • 41 Low Pay Commission, a. a. O., 2019, S. 25.
  • 42 Low Pay Commission, a. a. O., 2019, S. 24.
  • 43 Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS), a. a. O., S. 4.
  • 44 Mindestlohnkommission, a. a. O., S. 65.
  • 45 T. Pusch, a. a. O., S. 256.

Title:Scope of Minimum Wage Bypasses Remains Challenge for Control Authorities and Policymakers

Abstract:Since the introduction of the statutory minimum wage, reports on its implementation and compliance have received a great deal of attention. Studies published to date have not provided a clear picture of the extent of the minimum wage bypasses. In this article, the reasons for the sometimes very different figures are worked out. New results from the earnings survey (Verdiensterhebung) and additional evaluations with the SOEP data set show that the number of bypasses has risen again after the first increase in the statutory minimum wage at the beginning of 2017. With regard to the example of Great Britain, some possibilities for promoting better compliance with the minimum wage are shown.


DOI: 10.1007/s10273-019-2478-9

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