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Grundsteuerreform: Landesrecht oder Landespflicht?

Von Johanna Hey, Horst Zimmermann

Das Bundeskabinett hat Ende Juni 2019 einen Gesetzentwurf zur Grundsteuerreform in Deutschland beschlossen. Bis Ende des Jahres müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen, nachdem das Bundesverfassungsgericht das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung für verfassungswidrig erklärt hat. Das in dem Gesetzentwurf enthaltene neue Element einer Länder-Öffnungsklausel und die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesetzte Frist für das Auslaufen der Grundsteuer bis zum 31. Dezember 2019 führen zu der völlig neuen Frage, welche Handlungsmöglichkeiten die einzelnen Länder in dieser Situation haben und ob nicht sogar eine Handlungsnotwendigkeit besteht.

Dazu wird hier von dem möglichen Fall ausgegangen, dass ein Bundesland oder eine Gruppe von Bundesländern einen eigenen Gesetzentwurf erstellt und vor Jahresende beschließen lassen möchte. Es wird angenommen, dass es sich um ein „Bodenwertmodell mit einfachem Gebäudeteil“ handelt. Dieses aus finanzwissenschaftlicher Sicht geeignete Modell bezieht neben einer Flächenbesteuerung des Grundstücks die Wohnfläche mit ein. Welche verfassungsseitigen Bedenken könnten hiergegen bestehen?

Fall 1: Wenn sich herausstellt, dass der Bund die Kompetenz zu einer weitreichenden Reform der Grundsteuer nicht besitzt (und dafür gibt es im Schrifttum durchaus Stimmen), so müssten die einzelnen Bundesländer aktiv werden, und zwar frühzeitig genug, um zu vermeiden, dass es bei der Grundsteuer wie bei der Vermögensteuer zu einem „Wegfall durch Nichthandeln“ kommt. Zu bedenken ist allerdings, dass ein Bundesgesetz – und zwar auch ein verfassungswidriges – jedenfalls nach herrschender Meinung Sperrwirkung entfaltet (Art. 125a Abs. 2 Grundgesetz – GG). Die Länder können (und müssen) demnach, bevor sie ein entsprechendes Gesetz verabschieden können, die Klärung der Kompetenz gemäß Art. 93 Abs. 2 GG beim Bundesverfassungsgericht beantragen.

Fall 2: Wenn der Bund die Kompetenz hat und eine Länder-Öffnungsklausel beschließt, haben die Bundesländer das Recht zu einer eigenen Gesetzgebung im obigen Sinne. Ihr baldiges Vorgehen wäre in Antizipation der Öffnungsklausel sinnvoll und würde auch hier notwendig sein, um vor dem Jahresende beschließen zu können. Die Bundesländer können also bereits gesetzesvorbereitend tätig werden. Lediglich der letzte Gesetzgebungsakt auf Bundesländerebene müsste abgewartet werden, bis die Kompetenz­eröffnung in Kraft getreten ist.

Fall 3: Es gibt noch den mittlerweile unwahrscheinlichen Fall, dass der Bund die Kompetenz hat, aber keine Länder-Öffnungsklausel beschließt. Dann hätten die Länder die umschriebene Kompetenz nicht.

Unter der Prämisse, dass die Länder das Recht zur Grundsteuergesetzgebung haben bzw. eingeräumt bekommen (Fälle 1 und 2), müssten sie zeitnah tätig werden, um den Kommunen die gesetzliche Grundlage zur Grundsteuererhebung auch nach dem 31.12.2019 zu sichern.

Privatschulbesuche: Ungleichheiten nehmen zu

Von C. Katharina Spieß

Die steigende Zahl der Privatschulen in Deutschland wird wie kaum ein anderer Trend im Schulbereich breit in den Medien diskutiert. Tatsächlich ist die Zahl der Privatschulen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen – wobei davon insbesondere Ostdeutschland betroffen war. Im Schuljahr 2017/2018 gab es 81 % mehr private Schulen als 1992/1993. Bemerkenswert ist auch, dass die Zahl der Privatschulen auch dann zunahm, als die Gesamtzahl aller Schulen Ende der 1990er Jahre aufgrund abnehmender Schülerzahlen zurückging. So hat sich die Zahl der Schulen insgesamt von 2000 bis 2017 um 19 % verringert. Die Zahl der Privatschulen stieg dagegen im selben Zeitraum um 43 %.

Insgesamt besucht fast jeder 11. Schüler eine Privatschule – das sind etwa 1,0 Mio. Schülerinnen und Schüler. Bei allgemeinbildenden Schulen gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: Die Spanne reicht von 4 % in Schleswig-Holstein bis zu 14 % in Sachsen. Konfessionelle Schulen bilden den größte Anteil der Privatschulen, gefolgt von reformpädagogischen Schulen, wie z. B. den Waldorfschulen oder auch Montessorischulen. Daneben existieren internationale Schulen und andere weltanschauliche Privatschulen. Hinzu kommen berufliche Privatschulen. Die Privatschullandschaft ist also durchaus vielfältig.

Teilweise wird vermutet, dass Privatschulen bessere Ergebnisse erzielen als öffentliche Schulen. Wird der erreichte Abschluss als Indikator für den Erfolg einer schulischen Ausbildung genommen, so weist die amtliche Statistik aus, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die das Abitur erworben haben, für private Gymnasien bei 87 % und bei öffentlichen Schulen bei knapp 86 % liegt – also nicht wirklich signifikant unterschiedlich ist. Andere Analysen zeigen, dass die erreichten Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern aus Privatschulen und aus öffentlichen Schulen im Mittel nur geringfügig voneinander abweichen. Lediglich in einigen wenigen Kompetenzbereichen schneiden Privatschülerinnen und -schüler besser ab. Diese Analysen berücksichtigen, dass sich die Schülerschaft dieser Schulen hinsichtlich wichtiger lern- und leistungsrelevanter Merkmale wie dem sozioökonomischen Status unterscheidet.

Die Ungleichheit in der Nutzung der allgemeinbildenden Privatschulen hat sich über die Jahre immer weiter vergrößert. Dies zeigen Analysen auf Basis der Längsschnittdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). So kann gezeigt werden, dass die Privatschulnutzung von Kindern aus bildungsnahen und einkommensstarken Haushalten über die Zeit hinweg stärker zugenommen hat als die aller anderen Kinder. In West- und Ostdeutschland sind in den letzten Jahren zunehmende Nutzungsunterschiede für Kinder zu beobachten, wenn nach der Bildung der Eltern differenziert wird.

Waren die Nutzungsunterschiede im Jahr 1995 noch moderat, so zeigt sich 20 Jahre später, dass in Westdeutschland die Nutzungsquote unter Akademikerkindern auf etwa 10 % angestiegen ist und in Ostdeutschland auf nahezu 19 %. Der Anstieg der Nutzungsquote anderer Bildungsgruppen liegt deutlich darunter. Damit wird die soziale Selektion zwischen privaten und öffentlichen Schulen immer größer. In Ostdeutschland trifft dies auch auf die Unterschiede nach dem Haushaltseinkommen zu: Dort hat der Anteil von Privatschülerinnen und -schülern insbesondere bei Kindern aus einkommensstärkeren Haushalten sehr stark zugenommen – sehr viel stärker als bei Kindern aus einkommensschwächeren Haushalten. Diese Zunahme der sozialen Segregation findet sich in Westdeutschland insbesondere im Sekundarschulbereich und in Ostdeutschland vor allem im Grundschulbereich.

Wenn eine zunehmende soziale Segregation zwischen privaten und öffentlichen Schulen verhindert werden soll, müssen sich zum einen private Schulen stärker um Schülerinnen und Schüler aus bildungsschwächeren und in Ostdeutschland auch aus einkommensschwächeren Haushalten bemühen. Zum anderen müssen öffentliche Schulen in beiden Teilen Deutschlands wieder attraktiver für Schülerinnen und Schüler aus bildungsnahen Familien werden. Nur so kann langfristig ein gemeinsames Lernen aller Gruppen erzielt werden.

Ticketsteuern im Luftverkehr: Nur Einnahmengenerierung?

Von Sven Maertens, Janina Scheelhaase

Mit einem Klimabeitrag seiner CO2- und Nicht-CO2-Emissionen (unter anderem NOx, Wasserdampf, Kondensstreifen und Zirren) ist der Luftverkehr ein Mitverursacher der globalen Klimakrise, und angesichts hoher Wachstumsraten scheint seine Bedeutung eher zu steigen als zu sinken. Dass die Politik derzeit nach Maßnahmen sucht, die Klimawirkungen des Luftverkehrs stärker als bislang zu regulieren, ist also nicht nur angesichts der öffentlichen, durch „Fridays for Future“ intensivierten Diskussion politökonomisch legitim, sondern auch aus normativer Sicht geboten. Doch wie sinnvoll sind etwa die jüngsten Regelungen zur Besteuerung von Flugtickets?

Die Niederlande möchten ab 2021 pro abfliegendem Passagier pauschal 7 Euro erheben und Frankreich bereits ab 2020 je nach Destination und Klasse zwischen 1,50 Euro und 18 Euro. Solche Ticketsteuern, die in ähnlicher Form auch aus Deutschland und Großbritannien bekannt sind, mögen insbesondere für die Finanzminister attraktiv sein. Doch helfen sie dem Klima? Eher nicht! Denn zunächst ist der Treibstoffausstoß nur marginal von der Passagierzahl abhängig. Fehlen aufgrund höherer Ticketpreise einige Kunden, die Flüge finden aber dennoch statt, sinken die Emissionen kaum. Zudem könnten die Airlines nachfragebedingte Buchungsrückgänge unter Umständen abzufedern wissen, denn sie sind ausgewiesene Profis in Preisdifferenzierung: Durch ausgeklügelte Tarifregeln und Algorithmen wird jeder Passagier nahezu in Höhe seiner Zahlungsbereitschaft bepreist, was dazu führen kann, dass die durch die Ticketsteuer bedingten zusätzlichen Kosten rechnerisch vorrangig auf weniger preissensible (Geschäfts-)Reisende umgelegt werden – bei ähnlich niedrigen Eckpreisen wie heute. Hinzu kommt, dass beide Staaten Umsteigepassagiere von der Besteuerung ausnehmen, und Frankreich auch die Routen nach Korsika und in die Überseedepartements.

Doch selbst wenn Ticket- oder auch Kerosinsteuern tatsächlich zu Nachfrage- und Angebotsrückgängen führen sollten, würde der Luftverkehr nicht zwingend umweltfreundlicher: Zum einen boomt der Sektor weltweit – hierzulande nicht mehr benötigte Flugzeuge würde man wohl anderswo auf der Welt wiedersehen. Und zum anderen greift bezüglich des CO2-Ausstoßes im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) der oft übersehene „Wasserbett­effekt“: Der innergemeinschaftliche Luftverkehr ist Teil des EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS), das seine jährlichen Gesamtemissionen auf 95 % des Durchschnitts der Jahre 2004 bis 2006 begrenzt (Cap). Der darüber hinausgehende jährliche Bedarf an Zertifikaten muss hinzugekauft werden. Eine steuerbedingte Verringerung der Nachfrage der Airlines nach Emissionsrechten würde derzeit dazu führen, dass Emittenten aus anderen Sektoren entsprechend mehr Zertifikate kaufen und nutzen können. Hinsichtlich einer Senkung der CO2-Emissionsmenge ist eine Besteuerung des innereuropäischen Luftverkehrs derzeit also wirkungslos; die Klimawirkung solcher Maßnahmen würde sich auf die bislang nicht im EU-ETS berücksichtigten Nicht-CO2-Effekte des Luftverkehrs beschränken.

Die effektivsten Ansätze, die Emissionen des Luftverkehrs im EWR tatsächlich und zielgenau zu reduzieren, wären eine Senkung des Caps oder eine Berücksichtigung auch der Nicht-CO2-Emissionen im EU-ETS. Die Zahl der hinzuzukaufenden Emissionszertifikate würde so steigen und zusätzliche Einsparungen in anderen Sektoren erfordern. Ticketsteuern könnten indes für die vom EU-ETS nicht regulierten Routen in Drittstaaten gewisse Wirkungen haben, vorbehaltlich der bereits angesprochenen Verlagerungen von Flugzeugen in andere Teile der Welt. Hier wären jedoch etwaige Wechselwirkungen mit dem 2021 startenden globalen Offsetting-System CORSIA zu untersuchen. Neben marktbasierten und preislichen Maßnahmen könnte eine Einführung synthetischer Kraftstoffe eine wichtige Stellschraube hin zu einem weniger klimaschädlichen Luftverkehr sein, die wie im Falle von Biofuel in Norwegen über Beimischquoten umgesetzt werden könnte.

CO2-Bepreisung: Einheitliche Preise notwendig?

Von Johannes Pfeiffer, Karen Pittel

Erstmalig scheint eine allgemeine, nationale CO2-Bepreisung in Deutschland eine Chance zu haben. Dass ein internationales oder zumindest europäisches Vorgehen Ziel bleiben sollte, ist unstrittig. Vermehrt findet aber auch unter Ökonomen Anerkennung, dass eine solche First-Best-Politik kurzfristig nicht implementierbar ist, eine nationale CO2-Bepreisung aber dennoch als eindeutiger Fortschritt zu sehen ist. Eine Reihe aktueller Gutachten widmet sich der Frage, welche Form eine solche nationale CO2-Bepreisung annehmen sollte und wie weit vom First Best abgewichen werden muss.

In den Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR für Wirtschaft) und des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) spielen insbesondere zwei Aspekte eine zentrale Rolle:

1. Die Anschlussfähigkeit der nationalen CO2-Bepreisung mit Blick auf das wenigstens mittelfristige Ziel einer effizienten europäischen Klimapolitik.

2. Die Abwägung zwischen kurzfristiger gesellschaftlicher und politischer Umsetzbarkeit, ökonomischer Effizienz und klimapolitischer Wirksamkeit. Bei der Einschätzung und Gewichtung der genannten Aspekte für eine Second-Best-Übergangslösung liegt der Teufel im Detail.

Der SVR für Wirtschaft diskutiert für die nicht vom Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) erfassten Sektoren sowohl die Einführung einer CO2-Steuer als auch eines nationalen Emissionshandelssystems mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Beide Ansätze sind nach Ansicht des SVR für Wirtschaft kurzfristig umsetzbar und mittel- bis längerfristig in ein erweitertes EU-ETS überführbar. Das mittelfristige Ziel einer Integration in den EU-ETS teilt auch der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi. Er befürwortet als Übergangslösung allerdings eindeutig die Einrichtung eines Emissionshandelssystems. Vorgesehen sind zwei getrennte Handelssysteme für den Gebäude- und Verkehrssektor mit über die Zeit konvergierenden Preiskorridoren, die Preisrisiken begrenzen sollen und mittelfristig einen einheitlichen CO2-Preis etablieren. Die zunächst getrennten Systeme sollen den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und impliziten CO2-Preisen in den betroffenen Sektoren Rechnung tragen und starke, kurzfristige Belastungsänderungen bei einer Vereinheitlichung der CO2-Preise verhindern. Andernfalls könnten die Auswirkungen, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, den politischen Widerstand gegen umfassende CO2-Preise erhöhen.

Mit dem Vorschlag des Beirats sind allerdings zumindest drei Gefahren verbunden:

1. Die geplante, sukzessive Annäherung der Preiskorridore in den beiden Handelssystemen kann ähnlichen Widerstand hervorrufen, wie er bereits heute bei der Einführung einer allgemeinen CO2-Bepreisung zu beobachten ist. Im schlechtesten Fall würde es zu einem dauerhaften Auseinanderfallen der CO2-Preise im Verkehr- und Gebäudesektor kommen.

2. Getrennte Emissionshandelssysteme könnten einem Festhalten an unflexiblen und kosten­ineffizienten nationalen Sektorzielen Vorschub leisten. Der primäre Vorteil einer endogenen Verteilung der Emissionsreduktion über Sektoren und Energieträger hinweg würde damit verspielt.

3. Die Anschlussfähigkeit des Systems für andere Mitgliedstaaten der EU könnte geringer sein, wodurch die Chancen auf eine Ausweitung des Übergangssystems auf interessierte Nachbarstaaten sinken würden.

Diese Diskussion verdeutlicht, wie schwierig die Identifizierung einer möglichst anschlussfähigen, effizienten und doch umsetzbaren Second-Best-Lösung ist. Nicht nur die politischen, auch die wissenschaftlichen Debatten der kommenden Monate dürften spannend bleiben.


DOI: 10.1007/s10273-019-2487-8

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